Telechirurgie, virtuelle Realität und die neue Weltordnung in der Medizin
'Richard M. Satava
Richard M. Satava
Die im folgenden wiedergegebenen Ansichten und Erklärungen stellen die private Meinung des Autors dar und sind nicht als offizielle Stellungnahme oder als Darstellung der Meinung des Heeresamts, des Büros für besondere Forschungsprojekte oder des Verteidigungsministeriums zu verstehen.
Die Anwendungsbereiche der neuen Informations-Infrastruktur für die Medizin des 21. Jahrhunderts sind noch gar nicht voll abzuschätzen. Zu diesen Gebieten gehören die Tele-Chirurgie, die Entwicklung chirurgischer Operationssimulatoren auf Basis der Virtual Reality (VR), medizinische Informatik und Rehabilitation. Diese Anwendungsmöglichkeiten werden erst durch die Schnittstelle des Computers geschaffen und verkörpern somit den Paradigmenwechsel in der Medizin.
Das Green Telepresence Surgery System besteht aus zwei Teilen: aus der chirurgischen Operationsstation und dem Ort der Fernoperation. An diesem Ort der Fernoperation befinden sich ein 3D-Kamerasystem und reaktionsempfindliche Instrumente mit Sensor-Input. An der Operationsstation befinden sich ein 3D-Monitor sowie Präzisions-Steuergeräte mit Kräfterückmeldung. Der VR-Chirurg-Simulator ist eine stilisierte Nachahmung des menschlichen Abdomens mit den wichtigen Organen. Ausgestattet mit einem Head-Mounted Display und einem Data Glove (Datenhandschuh) kann man Anatomie von einer neuen Perspektive aus studieren , indem man in die Organe hinein- und um sie herum "fliegt", oder chirurgische Eingriffe mit Skalpell und Klemmen üben. Die medizinische Informatik ist vor allem in drei Bereichen besonders ausgereift: - Entscheidungshilfe (klinische Zusatz-Systeme) durch künstliche Intelligenz;
- distributive, gemeinschafttiche, interaktive Vernetzung; und
- Kompatibilität großer heterogener Datenbanken.
In der Rehabilitations-Medizin wird die Virtual Reality angewendet, um es behinderten Personen zu ermöglichen, Welten kennenzulernen, die ihnen sonst verschlossen wären; sie erlaubt außerdem eine genaue Einschätzung und Therapie von Behinderungen und erleichtert es auch dem Architekten, die wesentlichen Bedürfnisse Behinderter sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum zu verstehen. Um die optimale Nutzung dieser modernen Technologien sicherzustellen, werden auch der Operationssaal und das Krankenhaus der Zukunft zuerst in der virtuellen Realität geplant und getestet werden, damit die gesamten Fähigkeiten des digitalen Arztes voll zum Tragen kommen.
EINLEITUNG Der König ist tot – lang lebe der König. Die Medizin ist tot – lang lebe die Medizin. Immer, wenn dramatische Veränderungen stattfinden, scheint es, daß das Alte beiseitegeschoben werden muß, um dem völlig Neuen Platz zu machen. In technologischer Hinsicht passiert dies heute in der Medizin. Von einem bestimmten Standpunkt aus könnte man sagen, es gäbe keine Medizin, sondern nur eine Infrastruktur mit medizinischem Einschlag. Von den zahlreichen Disziplinen, die in diesem neuen Informationszeitalter entstehen, ist die Virtual Reality die vielversprechendste.
Wir befinden uns mitten in einem grundlegenden Wandel in der Medizin, der durch die Informationsrevolution emöglicht wurde. Obwohl das Informationszeitalter eigentlich schon einige Jahrzehnte alt ist, bedurfte es eines herausragenden klinischen Ereignisses, um die Medizin in diese Ära hineinzukatapultieren. Dieses Schlüsselereignis war die erste laparoskopische Gallenblasenoperation im Jahr 1989. Die Anwendung dieser Technik wurde vom Patienten gefordert, der von einer Operation profitierte, die keine Narben hinterläßt, so gut wie keine Schmerzen verursacht, ein sofortiges Verlassen des Krankenhauses ermöglicht (viele dieser Operationen werden ambulant durchgeführt) und eine Rückkehr an den Arbeitsplatz schon nach einer Woche oder sogar weniger (anstelle von sechs Wochen) zuläßt. Für diese Operation wird eine auf einem kleinen Beobachtungsinstrument befestigte Minikamera durch den Nabel in den Bauchraum eingeführt; der Chirurg blickt dabei nicht auf die Organe selbst, sondern auf einen Videomonitor, auf dem die Bilder der inneren Organe erscheinen, und steuert lange Instrumente durch winzige Löcher in der Bauchdecke. Er entfernt also innere Organe, ohne diese selbst jemals zu sehen oder zu berühren. Ermöglicht wird dies durch das elektronische Videobild der inneren Organe, und es ist dieses digitale Bild, das den grundlegenden Wandel in der Medizin illustriert. Der Umgang mit der Digitalbildtechnik ist für die Chirurgie zwar Neuland, andere Ärzte machen jedoch schon länger davon Gebrauch. Radiologen sind seit Jahren mit Digitalbildern vertraut, doch Computer- und Kernspintomogramme wurden lange Zeit als Selbstzweck und nicht als lediglich ein Bestandteil einer viel umfangreicheren Patientenbetreuung betrachtet. Ebenso wurden in Krankenhäusern zwar die gesamte Administration und sämtliche Aufzeichnungen computerisiert; diese "medizinische Informatik" war jedoch auch nur ein weiterer isolierter Bereich des Informationsmanagements. Obwohl die Möglichkeit der Vernetzung schon seit Jahren besteht, war sie bisher auf die Übermittlung von Text und gelegentlich auch von Bildern beschränkt.
DER PARADIGMENWECHSEL Nun ist der Zeitpunkt erreicht,wo alle diese getrennten Bereiche (laparoskopische Chirurgie, Digitalbildtechnik, elektronische Datenbanken und Vernetzung) sich miteinander verbinden; im Zentrum dieser Entwicklung steht dabei der Videomonitor an der Operationsstation des Arztes. (1) Der Videomonitor ist das Tor in die riesige Welt der Information; diese "elektronische Schniftstelle" wird dem Benutzer Macht ungeahnten Ausmaßes verleihen. Im folgenden soll ein Bild der enormen Auswirkungen der medizinischen Revolution entworfen werden, die sich nun auf Basis von höchst komplexen Datenbanken (Nationale Informations-Infrastruktur), der Leistungsfähigkeit von Supercomputern (Hochleistungs-Rechner und -Kommunikation) und des alles durchdringenden, überall verbreiteten. Gigabyte-Telekommunikationsnetzes oder "Informations-Highway" (des "globalen Rasters") ergibt.
Derzeit ist das Tor in diese so reiche Informationswelt noch der Videomonitor, doch in Zukunft könnten andere Bildtechnologien wie Head-Mounted Displays (HMD), Videobrillen, Hologramme, Handflächen-Computer etc. als Schnittstelle dienen. Diese Schnittstelle bietet die Möglichkeit der Weiterbildung, denn dort kann die gesamte Information dem Einzelnen als Wissen, nicht nur als Ansammlung von Daten vermittelt werden. Über diese Schnittstelle können nicht nur Informationen abgerufen, sondern auch Informationen oder Befehle für Handlungen in der realen Welt ausgesandt werden (Teleoperation oder Fernsteuerung ermöglicht es. über eine Entfernung hinweg zu arbeiten). Ein Chirurg könnte beispielsweise während einer echten Operation am Monitor stehen, eine Operation in einer anderen Stadt durchführen oder mit einem anderen Chirurgen am selben Patienten zusammenarbeiten. Es wäre möglich, an einem Ort zu operieren, der zu weit weg oder zu gefährlich ist, wie in einer Raumstation oder einem Dritte-Welt-Land. Auf diese Weise können wir "Raum und Zeit auflösen", der Arzt kann zugleich mit einer anderen Person an einem entfernten Ort "sein", ohne dorthin fahren zu müssen. Am wichtigsten ist aber der Umstand, daß der Arzt gleichzeitig mit vielen verschiedenen digitalen Bildern wie Computer- oder Kernspintomogrammen eines Patienten arbeiten und diese mit den Echtzeit-Videobildern kombinieren kann, was ihm einen "Röntgenblick" verleiht. Bevor er eine Operation beginnt, kann der Chirurg an der Operationsstation sitzen, an einem virtuellen Patienten üben (siehe unten) und die Operation simulieren, dann einen Schalter umlegen und an genau derselben Station die Operation am echten Patienten beginnen – dies ist das gewaltige Potential der elektronischen Schnittstelle und die wichtigste Technologie der medizinischen Revolution.
Die virtuelle Realität ist die Manifestation dieses technologischen Paradigmenwechsels. Durch die Arbeit über eine Schnittstelle betritt der Arzt eine virtuelle Umwelt, einen Cyberspace. Im folgenden soll ein, wenn auch nicht völlig umfassender, Überblick über den derzeitigen Stand vieler VR-Anwendungen in der Medizin gegeben werden.
ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER CHIRURGIE Auf dem Gebiet der Tele-Chirurgie hat Dr. Philip Green (2) (3) von SRI. International das "Green Telepresence Surgery System" entwickelt. Dieses besteht aus dem Fern-Operationsort (Abbildung 1) und der chirurgischen Operationsstation (Abbildung 2). Es bietet 3D-Sicht, die exakte Präzisionssteuerung chirurgischer Instrumente, und den Input von Sensorinformationen über Kräfterückmeldung. Obwohl es hier eigentlich mehr um Telepräsenz als um Virtual Reality geht, operiert der Chirurg an einem virtuellen Bild, das er/sie vor sich sieht. Damit werden dem Chirurgen umfangreichere Möglichkeiten gegeben und Operationen können mit größerer Geschicklichkeit und Präzision durchgeführt werden. Das System der derzeitigen Generation ist ein Einhand-5-DOF-System mit gepaarten CCD-Kameras und ermöglicht Stereovision: die nächste Generation wird zwei 6-DOF-Operationsarme und ein stereoskopisches Laraskop besitzen, das die starren Kameras ersetzen wird.
Vor der Durchführung einer Handlung kann der Chirurg seine Vorgangsweise planen oder der Radiologe einen Röntgenstrahl exakt adjustieren. Für ersteres hat Dr. Joseph Rosen (4) vom Dartmouth University Medical Center ein VR-Modell eines Gesichts mit deformierbarer Haut entwickelt, das es möglich macht, Operationen der plastischen Chirurgie zu üben und das Ergebnis der Operation schon festzulegen, bevor der erste Schnitt an einem Patienten gesetzt wird. Von Dr. Scott Delph (5) stammt das virtuelle Modell eines Unterschenkels, an dem man eine Sehnentransplantation üben und den Fuß dann "gehen" lassen kann, um die kurz- und langfristigen Folgen der Operation abzuschätzen. Des weiteren hat Dr. Antobelli (6) vom Brigham Woman's Hospital ein System entworfen, das auf Basis des Computertomogramms eines Kindes mit Knochenfehlbildung im Gesichtsbereich (craniofazialer Dysostose) 3D-Bilder erzeugt: anhand dieses 3D-Modells können die Knochen wieder symmetrisch zur normalen Gesichtshälfte zusammengefügt werden: außerdem ermöglicht es das oftmalige Üben dieser äußerst komplizierten Operation. Im Bereich der neurochirurgischen Anwendungen hat Dr. Ferenz Jolenz (7) vom Brigham Woman's Hospital die Möglichkeit der 3D-Kernspintomographie eines Gehirntumors entwickelt. Während der Gehirnoperation wird das Kernspintomogramm mit dem Videobild des tatsächlichen Gehirns des Patienten verbunden und erlaubt so den "Röntgenblick" auf einen Tumor, der tief im Gehirngewebe eingebettet und daher auf andere Weise nicht zu sehen ist. Für die Strahlentherapie hat Dr. Henry Fuchs (8) von der University of North Carolina ein VR-Modell entwickelt, mit Hilfe dessen der Arzt einen Tumor (auf Basis von rekonstruierten 3D-Computertomogrammen) im Patienten visualisieren und so verschiedene Strahlenbahnen planen kann, um den Tumor mit tödlichen Dosen zu bestrahlen, andere Organe aber nicht zu beschädigen. Diese Beispiele sind nur die ersten von zahlreichen potentiellen Anwendungsmöglichkeiten der Virtual Reality für medizinische und chirurgische Zwecke.
Es sind vor allem die Bereiche Medizineraus- und -fortbildung, in denen die Virtual Reality von größtem Nutzen sein könnte. Die Grundlagen der virtuellen Realität lagen in zwei Bereichen: in der Flugsimulation und in der Informationsvisualisierung (oder der Notwendigkeit, riesige Informationsmengen und Datenbanken verstehen zu können). Beide Bereiche sind in der medizinischen Ausbildung von Nutzen, wobei der letztere es Medizinstudenten erleichtern wird, wichtige physiologische oder auch simple anatomische Prinzipien mit Hilfe von 3D-Visualisierung zu verstehen, während der erstere es erlaubt, medizinische und chirurgische Prozesse zu üben. Außerdem kann die VR sowohl als didaktisches als auch als experimentelles Ausbildungswerkzeug dienen. Ein Demonstrationsmodus könnte eine "Führung" durch das jeweilige Gebiet anbieten, und danach könnte der Student mittels eines Erforschungsmodus die entsprechende Umgebung direkt erfahren. Diese zweite Möglichkeit gestattet nicht nur eine stärkere Veranschaulichung von Informationen, sondern fördert auch die Eigeninitiative beim Lernen durch das Gefühl der Entdeckung: Der Erfolg dieser Methode wurde in letzter Zeit durch Experimente wie das Exploratorium in San Francisco wiederholt bestätigt. Wenn der Student eine visuelle Darstellung eines Schocks "sieht" oder sich durch das arterielle System bewegt, kann er einen Einblick in die Medizin gewinnen, der weit über alles hinausgeht, was er jemals aus einem Buch oder sogar durch das Sezieren einer Leiche lernen könnte. Dr. Helene Hoffman (9) von der University of California in San Diego arbeitet derzeit an der Entwicklung eines vierdimensionalen Ausbildungsmittels, das die drei Dimensionen der virtuellen Welt (3D-Raum) mit der vierten Dimension, jener der Zeit (Archivinformation in einem Multimediaformat), verbindet – im wesentlichen also eine multimediale virtuelle Realität (MMVR). Mit einem MMVR-Simulator des Magen-Darm-Trakts könnte ein Student zum Beispiel in den Magen hinunter "fliegen", ein Magengeschwür sehen und es (wie für eine Biopsie) "packen": dies würde dann eine histologische mikrographische Darstellung eines Magengeschwürs aufrufen, ein Videoband einer Billroth-II-Operation (einer Magenresektion) starten oder vielleicht den Heilungsverlauf je nach der gewählten Behandlungsmethode demonstrieren (voraussagen). Auf diese Weise können die verschiedenen Schichten des Verstehens miteinander verbunden werden, und die Veränderung verschiedener Prozesse im Lauf der Zeit kann graphisch dargestellt und persönlich erfahren werden. Virtuelle Umgebungen können den dringenden Bedarf der Medizin, und besonders der Chirurgie, an Übungsmöglichkeiten befriedigen. Jahrzehntelang haben Piloten auf Flugsimulatoren trainiert, die heute so ausgereift und realistisch sind, daß man gefahrlos hunderte, sogar tausende "perfekter" Starts und Landungen durchführen kann, bevor man zum ersten Mal ein echtes Flugzeug steuert. Genauso wird auch der Chirurg der Zukunft die Möglichkeit haben, seine chirurgischen Fähigkeiten zu perfektionieren, bevor er seinen ersten Patienten operiert. Es gibt bereits die ersten Operationssimulatoren. Als Reaktion auf die Notwendigkeit, Chirurgen für die Laparaskop-Chirurgie auszubilden, haben Woods (10) und Hon (11) Virtual-Reality-Simulatoren für Laparaskop-Operationen entwickelt. Diese bestehen aus einem einfachen Plastiktorso, in dem die Griffe der laparoskopischen Instrumente befestigt sind (um eine Kräfterückmeldung zu ermöglichen); der virtuelle Unterleib (Leber und Gallenblase) wird auf einem Videomonitor graphisch dargestellt, und der angehende Chirurg kann die jeweilige Laparaskop-Operation üben. Satava (12) wählte eine andere Methode: ein virtuelles Abdomen wurde für die Verwendung eines traditionellen Helmet-Mounted Dispay (HMD), mit dem der Benutzer ganz in die virtuelle Umgebung eintauchen kann, und eines Data Glove entwickelt. Mit einem virtuellem Skalpell und virtuellen Klemmen können die Unterleibsorgane operiert werden. Derselbe Unterleib kann von einem Studenten in der oben beschriebenen Weise "erforscht" werden. Die Graphiken all dieser Simulatoren sind ungefähr so realistisch wie Comicstrips; aber auch die Flugsimulatoren brauchten schließlich vierzig Jahre, um sich vom Rummelplatz-Niveau des Modells von Edwin Link zu den ultrarealistischen 747er-Simulatoren zu entwickeln. Die Entwicklung von Operations-Simulatoren wird dank der immer höheren Leistungsfähigkeit der Computer hoffentlich schneller voranschreiten.
Die Simulatoren der zweiten Generation verfügen nun über Organe mit physikalischen Merkmalen, wie zum Beispiel viskoelastische Deformation oder Kollisionsfeststelung, sowie über eine wirklichkeitsgetreuere optische Wiedergabe durch Gewebeerfassung. Die Simulatoren der dritten Generation, die physiologische Merkmale wie Bluten oder den Austritt verschiedener Flüssigkeiten aufweisen sollen, sind bereits in Planung. Die darauffolgenden Generationen werden möglicherweise mikroanatomische (wie kleindrüsige oder neurovaskuläre) Strukturen (vierte Generation) und biochemische Systemmodelle wie immunologische, endokrine oder pathologische Schockzustände (fünfte Generation) bieten (Tabelle 1).
Es gibt fünf Bereiche, die zum Realismus der virtuellen Welt beitragen (Tabelle 2): - Wiedergabe (hohe Graphikauflösung);
- Organeigenschaften (Deformation durch Morphing oder Gelenks-Bewegungslehre);
- Organreaktion (wie Bluten aus einer Arterie oder der Austritt von Galle aus der Gallenblase);
- Interaktivität (zwischen Objekten wie chirurgischen Instrumenten und Organen);
- Sensorrückmeldung (Berührungs- und Kräfterückmeldung).
Heute müssen bei den Simulationen aufgrund der begrenzten Rechnerkapazität noch Abstriche gemacht werden (z.B. weniger Realismus für mehr Echtzeit-Interaktivität), doch die Zukunft läßt virtuelle Körper erwarten, die von einem echten Menschen kaum noch zu unterscheiden sind.
Die dritte Anwendung der Virtual Reality ist die Visualisierung großer medizinischer Datenbanken. Henderson (13) hat auf Grundlage der Vietnam-Datenbank eine Cyberspace-Darstellung von Kriegsverletzungen geschaffen. Durch den Gebrauch eines 3D-Kubus zur Verbindung von drei Informationsachsen können komplexe Kombinationen von Kriegsverletzungen, verletzten Organsystemen, Sterblichkeit etc, als Anhäufungen von Datenpunkten visualisiert werden. Diese Anhäufungen können wesentliche Beziehungen illustrieren und enthüllen, die man sonst nicht feststellen kann. Die Navigation in drei Dimensionen vermittelt verschiedene Perspektiven der Daten und erlaubt dadurch auch verschiedene Interpretationen. Diese Anwendungsmöglichkeit zur Visualisierung ist noch nicht ausreichend genutzt und läßt für die Zukunft der Medizinische Informatik einiges erhoffen. Die Anwendung von Virtual Reality zum Zweck der medizinischen Rehabilitation hat ungemein zugenommen, sodaß nun schon eine jährliche Konferenz zum Thema VR und Rehabilitation veranstaltet wird. Greenleaf (14) hat virtuelle Umgebungen entwickelt, die man im Rollstuhl erforschen kann. Warner (15) (16) verwendete ein Eyetracking-Gerät von Biocontrol, Inc., um es einem unter Quadriplegie leidenden Mädchen zu ermöglichen, mit ihrer Umgebung in Interaktion zu treten, bevor sie durch ihre Behinderung zu introvertiert wird, um zu kommunizieren. In solchen Fällen wird die Virtual Reality benutzt, um behinderten Menschen bessere Möglichkeiten zu geben.
Derzeit ist ein interessanter Bereich der VR-Anwendung im Entstehen, der eine wichtige Grundlage für die medizinische Infrastruktur darstellt. Dr. Kenneth Kaplan von der Harvard Graduate School of Design hat begannen, die virtuelle Realität in die architektonische Planung des Operationssaals (OP) der Zukunft einzubeziehen. Die vorher angesprochenen großen Veränderungen in Medizin und Chirurgie verlangen einen OP, der dieser hochentwickelten Technologie nicht nur würdig ist, sondern auch ihre Anwendung ermöglicht. Auf Basis von grundlegend neuen Konzepten und der Einführung chirurgischer und kaum (oder gar nicht) invasiver Behandlungsmethoden muß eine völlig neue Umgebung geschaffen werden. Eine völlig neue Raumplanung, die Verwendung kluger Materialien und intelligenter Ausstattung und die Integration von Informationsinfrastruktur, wissensunterstützter Entscheidungsfindung, Digitalbildtechnik und moderner therapeutischer Methoden werden nötig sein, um neue Formen der Interventionstherapie zu unterstützen. Um auf bestmögliche Weise die Auswirkungen aktueller und zukünftiger Technologien abschätzen zu können,wird der OP ausschließlich in der virtuellen Realität geplant, um so Architekten, Krankenhausverwaltung, Chirurgen, Anästhesisten, Operationspersonal und anderen Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihn zu "testen", bevor er gebaut wird. Der Schwerpunkt wird also nicht nur bei der Gestaltung einer völlig neuen Umgebung liegen, sondern diese wird patientenorientiert sein, sodaß garantiert ist, daß der OP integrierender Bestandteil des gesamten Behandlungsprozesses ist und der menschliche Faktor sowie die menschlichen Empfindungen berücksichtigt werden.
Die moderne Technologie eröffnet der Medizin viele neue Aspekte, und ihre Richtung sowie ihr letztendliches Ergebnis werden nicht vom Stand der Technik, sondern von unberechenbaren Größen wie persönlichem, gesellschaftlichem und politischem Willen bestimmt werden. In dieser Situation liegt die Herausforderung darin, sicherzustellen, daß der Nutznießer dieser bemerkenswerten Technologien nicht das System oder die Bürokratie ist, sondern der Patient.
(1) Satava RM. Surgery 2001: A Technologic Framework for the Future. Surg Endosc 7:111–13. 1993 zurück
(2) Satava RM. Robotics, telepresence and virtual reality: a critical analysis of the future of surgery. Minimally Invasive Therapy 1: 357-63. 1992 zurück
(3) Green PS. Hill JH. and Satava RM. Telepresence: Dextrous procedures in a virtual operating field.(Abstr). Surg Endosc 57:192, 1991 zurück
(4) Rosen J. From computer-aided design to computer-aided surgery. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA June 1–2. 1992 zurück
(5) Delph S. Loan P. Hoy M. Zajac F. Topp E. Rosen J. An interactive graphics-based model of the lower extremity to study orthopaedic surgical procedures. IEE Transactions on Biomedical Engineering. 37:8. August 1990 zurück
(6) Altobelli DE. Kikinis R. Mulliken JB. et al. Computer Assisted Three Dimensional Planning in Craniofacial Surgery. In press. Plast. Reconstr. Surg. zurück
(7) Jolesz F. Shtern F. The Operating Room of the Future. Proc. of the National Cancer Institute Workshop. 27: p 326 – 20. April. 1992 zurück
(8) Bajura M, Fuchs H. Ohbuchi R. Merging virtual objects with the real world: Seeing ultrasound images. Computer Graphics. 26(2): 203–210. zurück
(9) Hoffman H. Developing network compatible instructional resources for UCSD's core curriculum. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA. June 1-2.1992 zurück
(10) McGovern. K. The Virtual Clinic: A Virtual Reality Surgical Simulator. Proc of Medicine Meets Virtual Reality II. San Diego. CA. Jan 27–30.1994 zurück
(11) Hon D. Tactile/visual simulation: Realistic endoscopic experience. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA. June 1-2.1992 zurück
(12) Satava RM. Virtual Reality Surgical Simulator: The First Steps Surg Endosc 7: 203-05. 1993 zurück
(13) Henderson J. Cyberspace representation of Vietnam War Trauma. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego, CA. June 1–2. 1992 zurück
(14) Greenleaf W. Dataglove and Datasuit for medical applications. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA. June 1–2.1992 zurück
(15) Warner D. Remapping the human-computer interface for medical knowledge visualization. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA. June 1-2.1992 zurück
(16) Warner D. Re-enabling technologies: VR applicatons. Proceedings of Medicine Meets Virtual Reality. San Diego. CA. June 1-2. 1992 zurück
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