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Ars Electronica 1995
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Festival 1979-2007
 

 

The Thing International
http://www.thing.or.at/thing



ging 1991 in New York ans Netz. Es ist das erste und bislang fortgeschrittenste Projekt, das aus einer eher konzeptuell orientierten Kunstszene heraus in den neuen Kommunikations-. Distributions- und Produktionsraum der Datennetze tritt. Inhaltliche, kontextuelle und technische Entwicklungen eröffnen "THE THING" ein sich ständig erweiterndes Spektrum an Möglichkeiten der Reflexion und Nutzung des Mediums für unterschiedliche Formen der künstlerischen Arbeit und ihrer begleitenden Diskurse.

Mittlerweile umfaßt das Netz, das in seiner Grundstruktur als klassisches Bulletin Board System (BBS) organisiert ist, neun Knoten, drei weitere sind in Vorbereitung. Gemeinsame Datenbestände werden täglich untereinander ausgetauscht und aktualisiert. Ab Juni 1995 ist "THE THING" mit zwei Sites (New York und Wien) auch im Internet/World Wide Web erreichbar.

Die in der Struktur des virtuellen Datenraums angelegte Aufhebung der klassischen Opposition von Künstler/Autor und Publikum/Öffentlichkeit bildet für "THE THING" einen Ansatz, die Struktur der gegenwärtigen Kunst-Öffentlichkeit jenseits der tradierten Rollenbilder und Institutionen neu zu definieren. Im Brennpunkt steht nicht mehr der originäre künstlerische Prozeß, sondern der gemeinsame Aktions- und Kommunikationsraum, aus dem heraus und in den wieder zurückgehend sich die künstlerische Arbeit konfiguriert. Die rigide Trennung zwischen Text und Objekt wird aufgelöst, beide sind gleichzeitig konstituierendes Moment und austauschbares Material im diskursiven Prozeß.

Die Praxis von "THE THING" wird dabei natürlich nicht zu einem 1:1 -Spiegel dieser Konzeption, sondern unterliegt unterschiedlichsten Dynamiken, Stimmungs- und Intensitätskurven, Gedankenspiralen und Sprüngen. Es lebt von immer neuen Impulsen und der nur begrenzt steuerbaren aktiven Teilnahme der Benutzer des Systems.

Den (inter)aktivsten Bereich von "THE THING" stellen die verschiedenen "Messageboards" dar. Foren für Diskussionen, fortlaufende Dialoge und offene Informationsflüsse zu thematischen Bereichen wie aktuelle Ausstellungen, Kunstmarkt, Szeneklatsch, Institutionskritik, Psychoanalyse oder Wahmehmungsforschung, Science Fiction, Biotechnologie, Zukunftsforschung und dem eigenen Mediadiskurs.

Weitere Features: "Magazine" (u.a. Camera Austria. Journal of Contemporary Art, Lacanian Ink, Lusitania, Purple Prose, Springer, Spuren, Texte zur Kunst), "Online Shows" (u.a. Duncan Brown, Aki Fushiyoshi, Rainer Ganahl, Peter Halley, Felix Stefan Huber, Karl Heinz Klopf, Joseph Nechvatal, Helene von Oldenburg, John F. Simon, John Tower), E-Mail, Datenbanken, "sowie Kooperationen mit kulturellen Institutionen und Projekten".

Andreas Kallfeltz

THE THING
Schon als BBS wies "The Thing" eine Selbstkontrolle auf, die man in den Kunstmedien und vor allem in den Kunstpublikationen oft vermißt. Bei diesen Publikationen greift man zwar auf eine kritische Verwendung der jüngsten Texttheorien zurück, doch wird diese Kritik nie nach innen gekehrt, nie werden die eigenen Annahmen, die Vorstellungen von Urheberschaft, Linearität, Stabilität und Autonomie in Frage gestellt. Da "The Thing" zu einer solchen Kritik fähig ist und sich als Reaktion darauf kontinuierlich verändern kann, können hier abwechselnde soziale Konstruktionsweisen für Texte und Kunst strukturell eingesetzt werden. Ein solcher kooperativer Prozeß des Inhaltsaufbaus steht im Gegensatz zur Unbeweglichkeit der Printmedien,wo die Trennung in Autor-Leser unumstößlich ist. Im Printbereich sind die Textgrenzen klar gezogen, in diesem Prozeß aber verschwimmen sie. Die Printmedien isolieren das Kunstwerk innerhalb eines Rahmens und reduzieren das Medium auf traditionelle Materialien, doch bei "The Thing" ist es schwierig, das Kunstwerk genau zu fassen, und es werden soziale und räumliche Elemente in das Medium eingeschlossen.

Auf der einen Seite ist es evident, daß die Online-Medien eine enorme Herausforderung für die Printmedien darstellen, die sich nun umformieren und sich jener Dinge bewußt werden müssen, die man zugunsten der genauen Seiteneinteilung, der Heiligkeit und der Autorität des gebundenen Werks geopfert hat, doch auf der anderen spricht man nur selten über den zunehmenden Festungscharakter der Online-Welt, wo alles Körperliche rasch und endgültig über Bord geworfen wird und wo die Textuatität keine Symbiose mit dem Realen bildet, sondern im Reich des Virtuellen eingeschlossen ist. Doch jede Textproduktion benötigt einen konstitutiven äußeren Rahmen, durch den die von ihm zeitweilig sichtbar gemachten Unterscheidungen, durch die er selbst sichtbar wird, in Frage gestellt werden können. Erkennt man die performative Qualität der Sprache, wird jede Unterscheidung zwischen materieller Welt und Information, Handlung und Sprache erschwert und aufgelöst. Man spricht zwar von "real" und "virtuell", von "on-line" und "off-line", doch die Begriffe passen nicht mehr zum "Taxon".

Wittgensteins Sprachspiel, beispielsweise, zeigt sehr gut, wie eng die materielle Welt mit der Sprache verknüpft ist: "A baut mit Bausteinen: Es gibt Blöcke, Pfeiler, Platten und Balken, B muß ihm die Steine reichen, und zwar in der von A verlangten Reihenfolge. Zu diesem Zweck verwenden sie eine Sprache, die aus den Wörtern "Block", "Pfeiler", "Platte" und "Balken" besteht. A verwendet diese Wörter, und B bringt die Steine, je nach Befehl, so wie er es gelernt hat." Davon ausgehend könnten wir uns die Frage stellen: Nie verändern sich Handlungen und Beziehungen,wenn die Sprache zunehmend unlinear und transaktional wird – d.h. sich von der Linearität der Printmedien zur Hypertextualität der neuen Informationstechnologie bewegt? Wie sehen diese Beziehungen in bezug auf das Interface aus, und inwieweit bedingen sie es? Wie kann man sich den neuen Durchführungsnormen widersetzen, die alles mit der Logik der Kommodifizierung (z.B. "virtuell" oder "real") einzuteilen versuchen, während man aber politische und wirtschaftliche Ziele in den Vordergrund stellt, die selbst auf einer solchen Logik basieren? Wie kann eine solche Ökonomie des Widerstandes aussehen? Dies sind die Fragen, mit denen wir uns in "The Thing" auseinandersetzen, ohne dabei auf den rausch- und fieberartigen "Run" in Richtung Technotopie einzugehen, wo die goldene Infobahn im Mittelpunkt steht und die Straßen links liegen gelassen werden.

Von Anfang an verfolgen wir eine solche Strategie des Widerstands: Wir greifen in die Elemente der Textproduktion ein und verräumlichen sie, wir verwenden mehr soziale Konstruktionsweisen und widersetzen uns aktiv den autoritären Strukturen, die andere bereitwillig annehmen. "The Thing" greift kontinuierlich in die Elemente der künstlerischen Praxis ein und stellt sie in Frage: in "The Thing" wird die Tatsache berücksichtigt, daß die aktuelle Situation durch einen aufkeimenden Konservatismus angetrieben dazu beiträgt, daß die Notwendigkeit unterminiert wird, mehr soziale und integrierende Modelle der Konstruktion von Kunst und ein tieferes historisches Bewußtsein zu haben, besonders bei einem Publikum, das über Kunst nur wenig weiß und nur zu bereit ist, einerseits der Meinung von konservativen Reaktionären zu folgen, und andererseits die von Technofetischisten forcierte Reduzierung von Kunstwerken auf endlos rekombinierbare digitale Bilder zu befürworten. Jetzt, wo für die Öffentlichkeit ein Kunstwerk in zunehmendem Maße lediglich irgendein Bild darstellt – seien es Reproduktionen, die im öffentlichen Bewußtsein ihre Bezugsobjekte verdrängen, oder digitale Graphiken, die das Netz der Beziehungen, in das die Kunst eingebettet ist, reduzierten und verflachten –, ist es dringend notwendig, die hart erkämpften sozialen, räumlichen, körperlichen, textlichen, institutionellen und politischen Elemente in den öffenttichen Diskurs einfließen zu lassen, ebenso in den Diskurs der Elite der Kunstwelt, die nur allzu bereitwillig die Grenzen eines Kunstwerks absteckt und es dann mit einem Siegel versieht und deren Reaktion auf das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit an der Kunst oft darin besteht, daß sie das Publikum zu "fesseln" versucht und es zwingt, sich ein Gemälde anzusehen.

Zu einem Zeitpunkt, wo neue Kunstformen, die aus der wachsenden Problematisierung von Grenzen und mächtigen Interstitialitäten hervorgehen, neue integrierende, instabile und dezentralisierte Praktiken verlangen, stellt "The Thing" ein lebendiges Produktions- und Diskussionsmedium dar, das diese neuen Modi strukturell anwendet und dessen Systemraum sich kontinuierlich mit sich selbst rückkoppelt, wobei lineare Vektorbeziehungen durch abwechselnde Verschaltungen ersetzt werden. Diese verbinden Systeme, Systeme von Codes und Wirtschafts- und Technologiesysteme, die sie bedingen oder von denen sie bedingt werden. Das führt zu einem performativen Netz, das den sozialen Raum des Alltags, den Raum der Abbildung und den durch ein Computerinterface erweiterten Raum umfaßt. Was hier geschaffen wird, ist kein geteilter Raum, sondern ein gemischter, situativer Raum der die Verkapselung unterbricht. Das Kunstwerk, das nicht zentriert, gebunden oder stationär, sondern eine dynamische Konstruktion in einem komplexen System ist, ist nicht auf der einen oder anderen Seite einer Grenze oder eines Interface stabilisiert, wodurch die Positionierung einer Grenze oder eines Interface erschwert wird.

Ein solches Kunstwerk beruht nicht mehr auf der Dialektik von An- und Abwesenheit. Wie schon Michael Fried angedeutet hat, werden traditionelle Kunstwerke (Gemälde) für einen Betrachter geschaffen und setzen daher die Anwesenheit eines solchen voraus. Dies führt zu der Forderung, daß diese Anwesenheit eines Betrachters verwirklicht werden muß. Gleichzeitig aber kann dies nur durch die Fiktion der Abwesenheit des Betrachters realisiert werden. Jetzt, wo Kunstwerke nicht mehr auf Anwesenheit, sondern auf Zugangsmuster beruhen, stellt sich die Frage, was für ein Betrachter jetzt gefordert und wie er verwirklicht wird: Kein "anwesender" Betrachter, sondern vielmehr einer, der über ein Interface verbunden ist. Auf welche Negation baut diese Verbindung auf? Auf der Fiktion, daß der Betrachter "verstreut" ist. Das heißt, es gibt Elementkonfigurationen, die nirgendwo anwesend, aber, über ein Interface, irgendwie überall gleichzeitig vorhanden sind.

Basel +41-61-2620832
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Stockholm +46-8-249397
Wien +43-1-2121695

Jordan Crandall

Das Journal of Contemporary Art und THE THING

GEGENWART UND ZUKUNFT
Seit 1988 veröffentlicht das Journal of Contemporary Art Interviews mit jungen und etablierten Künstlern von Weltruf sowie deren Sonderprojekte und Artikel. Von den Künstlern Philip Pocock und John Zinsser ins Leben gerufen, war es als Alternative zu den Hochglanzkunstmagazinen gedacht, in denen sich zwar viele kritische Texte und Bilder finden, aber keine oder unzureichende Informationen über die Gedanken der Künstler und den kreativen Prozeß von Kunstwerken. Es sollte als Forum für den Gedankenaustausch zwischen Künstlern dienen und für Kuratoren, Kritiker, Sammler und Studenten als Quelle für intime und persönliche Informationen über Künstler und ihre Werke. Die Interviews werden von Künstlern, Kuratoren und Kritikern geführt.

Seit zwei Jahren gibt es das Journal nun auch on-line. "THE THING", dessen Schwerpunkt auf der Anregung und Revitalisierung des Kunstdiskurses liegt, ist das logische Medium für eine Online-Ausgabe. Mit den neueren Nummern des Journals beginnend wollen wir sämtliche Ausgaben on-line zugänglich machen. Das Journal, das in erster Linie aus Texten und nicht Bildern besteht, ist für Online-Informationsverbreitung bestens geeignet. Das ursprüngliche Motiv für unseren Gang "on-line" war, die Interviews einem größeren Publikum zu präsentieren.

Aber in zunehmendem Maße war die Notwendigkeit, die einzigartigen Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation zu nützen, ausschlaggebend für den Schritt ins World Wide Web. Das graphische Interface, Hypertext, die Graphik, Video, Sound, der offene Zugang und die Interaktivität – das sind die Gründe, weshalb das Web für eine Publikation wie das Journal ideal ist. Schon bald wollen wir in "THE THING" eine Web-Site öffnen, die nicht nur den Zugang zu sämtlichen Nummern des Journals ermöglichen, sondern auch als Host für künstlerische Online-Projekte, graphische Bibliotheken und interaktive Interviews und Dialoge mit und zwischen Künstlern, Kritikern und Kuratoren fungieren wird.

Das Web bietet uns die Möglichkeit, das Journal kostengünstig zu veröffentlichen und eine unbegrenzt große Leserschaft zu erreichen, die nicht nur auf den kleinen Bereich der bildenden Künste beschränkt ist. Zwar wird dadurch die gedruckte Ausgabe (noch) nicht verdrängt, aber die Online-Version des Journals wird eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die bestehenden Modelle für Kunstmagazine, Galerien, Museen und Ausstellungen neu zu definieren.

Klaus Ottmann, Herausgeber und Redakteur
Journal of Contemporary Art
klaus.ottmann@thing.nyc.ny.us