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Ars Electronica 1994
Festival-Programm 1994
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Festival 1979-2007
 

 

Architektur und Elektronik


'Katharina Gsöllpointner Katharina Gsöllpointner

UTOPIEN
Für manche Zeitgenossen sollte Stadt bloß noch in ihrer rudimentären Form eines historischen Disneylands existieren, das die vorhandenen materiellen Strukturen als postmoderne Kulissen für seine Theme Parks und Shopping Malls verwendet. (1) Ob Wien oder Williamsburg, (2) solche Orte finden ihre Identität in der Vergangenheit, die selbst nur als Filmkulisse bekannt ist. Tatsächlich definiert sind die Städte dieses Planeten heute durch die Vernetzung von Verkehrswegen (Autobahnen in Europa, Free- und Highways in den USA) und durch die elektronische Kommunikation, die das Global Village zum wirklichen Dorf macht. Verkehr, Architektur und elektronisches Environment machen somit die eigentliche Identität von Städten aus und sind Räume der Kommunikation. Einer Kommunikation, die hier als Codierung und Decodierung von Texten verstanden wird, welche visueller, akustischer, schriftlicher und sprachlicher Natur sein können; dreidimensional, räumlich manifestiert in Architektur und Städtebau (sofern Projekte nicht theoretisches Manifest auf dem Papier oder im Computer bleiben), oder immateriell und meta-räumlich als Teil der medialen Realität.

Wie sich Architektur zur elektronischen, virtuellen Welt verhält, läßt sich durch Untersuchung der vielfältigen Umsetzungen virtueller Realität (VR) beantworten. Architektur und Environment werden durch die Darstellung utopischer Städte in Theme-Park-Rides, bei der Darstellung metropoler Strukturen in Film und Fernsehen und in der Anwendung von VR-Applikationen für Architekten zu finden sein.

Hier interessiert aber vielmehr die Frage nach der Widerspiegelung der elektronischen Kultur in der zeitgenössischen Architektur der sogenannten realen Wirklichkeit oder "Unvirtual Reality". Architektur als Repräsentantin gesellschaftlicher und politischer Strukturen kann heißen, Affirmation solcher Verhältnisse darzustellen (etwa Vertreter der postmodernen Architektur, wie Michael Groves als Disney World's signature architect mit dem Swan und dem Dolphin Hotel; oder des Prinzen von Wales unsägliche Architekturprogramme, die sehr realen Einfluß auf die Arbeitssituation britischer Architekten haben). Solche Architektur nimmt traditionelle Sprache ungebrochen und unhinterfragt auf und betoniert im oft wahrsten Sinn des Wortes Historiengeplänkel mit reaktionärer Gesinnung ein. Oder Architektur decouvriert und dekonstruiert solche Produkte und ihre Voraussetzungen. Die Fragmentierung, Infragestellung, Auflösung und das Herstellen neuer Zusammenhänge von konstruierter und zufällig entstandener Umgebung kann jedoch nur mit der Kenntnis urbaner und transglobaler (elektronischer) Kommunikation einhergehen. Eine kritische Reflexion gesellschaftlicher Realität kann nur mit der Vorstellung einer experimentellen und visionären Alternative im Bereich der Architektur und Städteplanung stattfinden, die Veränderungen unserer Umwelt nicht nur voraussieht, sondern sie in künstlerischen Entwürfen bereits impliziert.

Die virtuelle Realität im Film etwa hat spätestens seit Fritz Langs "Metropolis" mehr zu dieser Entwicklung beigetragen, als es heutigen VR-Machern bewußt ist. "Some of the most imaginative architecture of the last several decades, which is of course overwhelmingly technological in nature, has been constructed for film … These movies make us believe that technology will liberate us completely from earth, gravity, scale and any traditional patterns of social bonding." (3) Ridley Scotts mittlerweile legendärer "Blade Runner" von 1982 oder Wim Wenders' "Bis ans Ende der Welt" (der z.B. Jean Nouvels nie realisierten "Tour Sans Fins" in Paris zeigt) sind nur zwei Beispiele, die die unterschiedliche Verwendung von Architektur als utopisches Moment im Film zeigen. Beide Werke arbeiten sehr stark mit der Thematik der Auflösung von Zeit, Raum und damit von Identität innerhalb eines medial kontrollierten Environments.

Von den utopischen Entwürfen der frühen 60er Jahre ausgehend, können mehrere Schwerpunkte in der zeitgenössischen Architektur und Architekturtheorie entdeckt werden, die sich mit der Gestaltung realer und virtueller Umgebung unter Berücksichtigung des elektronischen und medialen Lebensraumes beschäftigen. Die englische Architektengruppe Archigram wurde 1964 von Peter Cook, Ron Herron, Warren Chalk, Dennis Crompton und David Greene in London gegründet und beschäftigte sich mit Phänomenen der Massenkommunikation vor dem Hintergrund der Pop-Kultur, ihre architektonischen Entwürfe wurden kaum realisiert, waren sie doch vor allem utopische Manifeste, die avancierte Technologien, Mobilität und vor allem Stadt als Lebensraum thematisierten. Peter Cooks "Plug-in-City" oder Ron Herrons "Walking City" sind wohl die bekanntesten Entwürfe jener Zeit, die die möglichen – positiven wie negativen – Auswirkungen technologischer Errungenschaften auf unsere Umwelt aufzeigten. Etwa gleichzeitig mit Archigram entstanden auch andere Architektengruppen, die sich mit Stadt- und Environment-Utopien beschäftigten. Unter ihnen sind besonders die österreichischen Vereinigungen Haus-Rucker-Co (Laurids Ortner, Klaus Pinter, Günter Zamp Kelp), Coop Himmelblau (Wolf D. Prix und Helmut Swizcinsky) oder Missing Link (Angela Hareiter, Otto Kapfinger, Adolf Krischanitz) zu nennen.

Bereits 1976 hat zum Beispiel Cedric Price das Projekt "Generator" entworfen, bei dem sich das Gebäude vollständig noch den Wünschen der jeweiligen Benutzer verändert. Keiner bestimmten Nutzung zugeordnet, kann es für alles verwendet werden. Das Haus wird durch einen zentralen Computer gesteuert, der den Benutzer "wie ein unaufhörlicher Architekt" berät. Wände und Höhe des Gebäudes können permanent verändert werden. "Das Computerprogramm ist die eigentliche Architektur des Gebäudes." (4) Lebbeus Woods schließt mit seinen Entwürfen etwa für ein Untergrund-Berlin oder eine Zagreb-Free-Zone an die frühen utopischen Entwürfe an und thematisiert damit heute das networking of autonomous individuals, free of monumentalized institutions of culture". (5)
INTELLIGENTE ARCHITEKTUR
In den 70er Jahren manifestierte sich – ebenfalls vor dem Hintergrund der technologisch-konstruktiv ausgerichteten Visionen von Gruppen wie Archigram – eine sprunghafte Entwicklung des High-Tech-Bauens, wie es etwa von Richard Rogers und Renzo Piano vertreten wurde, die 1972 den Wettbeweb für das Centre Pompidou in Paris gewannen und damit ein Gebäude errichteten, das seine technischen Funktionen nicht nur nach außen hin zeigte, sondern in seiner Konstruktion eigentlich nur aus ihnen bestand: keine Wände, keine Haut, die das Außen und Innen teilte, bloß noch Information der Funktion. Ist beim Centre Pompidou noch die mechanistisch-technologisch orientierte Bauweise und Formensprache aus den Anfängen des High-Tech zu erkennen, so hat Norman Foster etwa in seiner Hongkong Bank 1985 bereits diffizilere ästhetische Methoden eingesetzt. Und Thom Mayne und Michael Rotondi von Morphosis beschreiben ihren Umgang mit Architektur und Technoiogie als "representional systems that describe the act of construction and the act of representation itself. This self-reflective form of technomorphism seeks to dissolve the making of buildings into the act of architecture as it articulates technology." (6)

Intelligente Gebäude sind heute in verschiedenen Kategorien zu denken. Zum einen lassen sich hier jene Bestrebungen festhalten, die mit den sogenannten "smart materials and structures" arbeiten, d.h. mit intelligenten Materialen, die bereits im Molekularbereich auf Veränderungen in der Umwelt reagieren und sogar übergeordnete Steuerungseinheiten (wie etwa computergesteuerte Wärmeversorgung) obsolet werden lassen. Das betrifft den Einsatz von Tragkonstruktionen für stark wechselnde Belastungen (Verkehr, Wind etc.), Fassadenmaterialien, Glastechnologien und vieles mehr. Andererseits ist die Kooperation von Architekten mit Statikern, Klimaingenieuren und CAD-Experten zu einer unerläßlichen Voraussetzung im heutigen Bauen geworden.

Buckminster Fuller hat mit seinen geodätischen Kuppeln oder den aerodynamischen Untersuchungen seiner Gebäude bereits in den dreißiger Jah ren Pionierarbeit in dieser Hinsicht geleistet. Gemeinsam mit Norman Foster entwickelte er noch 1983 das "Autonomous Dwelling", das aus zwei unabhängig voneinander drehbaren geodätischen Kuppeln besteht, die sich je nach Sonnenstand und Tages- bzw. Nachtzeit öffnen und schließen und somit immer ein ideales Klima im Gebäude schaffen.

Der Siemens Pavillon für die Expo in Sevilla mit beweglichem Sonnenschutzschild oder das "Jufo" von Peter Hübner und Siegfried Gaß mit seinem selbsttragenden "Sonnenauge" können als jüngere Beispiele für intelligente Gebäude ebenso angeführt werden, wie Jean Nouvels Institute du Monde Arabe in Paris, das eine lichtempfindliche und vom Sonnenlicht gesteuerte Fassade besitzt, die technologische Funktion mit arabischer Formensprache verbindet und somit das Gebäude mit seinen Inhalten und Funktionen nach außen hin repräsentiert.

So wie der Bau von Wolkenkratzern erst durch die Erfindungen der Stahlkonstruktion und des Fahrstuhls möglich wurde, so wird durch die Anwendung von Computern im Bereich der Entwurfsphase, der Materialentwicklung, der Konstruktion, der Errichtung und der Benutzung von zeitgenössischer Architektur eine neue architektonische Form entstehen, die auch die Städte in starkem Ausmaß verändern wird. Die Kooperation mit den Klimaingenieuren ist für Architekten derzeit wohl eines der spannendsten Gebiete. Computerprogramme können das Klimaverhalten von Gebäuden untersuchen und optimieren; so ist Richard Rogers Entwurf für das Headquarter von K-One in Tomigaya, einem Stadteil Tokyos, zum Ausgangspunkt einer Forschungsstudie geworden, die sich mit Windkanaluntersuchungen mit Hilfe des Computers beschäftigt. Das Headquader, das in Zusammenarbeit mit den Umweltingenieuren von Ove Arup konstruiert wurde, sollte seine Energie mit Hilfe einer Windturbine in einem Spalt zwischen zwei Gebäudekomplexen gewinnen.

Ein anderer Meilenstein in der Geschichte der Konstruktion von intelligenten Gebäuden ist das Green Building von Future Systems (Jan Kaplicky und Amanda Levete), das ebenfalls mit den Umweltingenieuren von Ove Arup konstruiert wurde, und das außer seinen High-Tech und ökologischen Qualifikationen ebenfalls eine städtebauliche und architektonische Qualität aufweist, die experimentelle Vision und funktionelle Ästhetik gleichzeitig repräsentiert. Auch hier wurde durch die Anwendung von Computersimulation bereits im Entwurfsstadium das Energiekonzept (natürliche Beleuchtung, Wärme und Lüftung) untersucht und optimiert. Ken Sakamuras Tron-Haus kann im Vergleich dazu als eine mittlerweile fast obsolet gewordene Form angesehen werden, Architektur und Technologie zu verbinden und den allgegenwärtigen Computer in ein Gebäude zu integrieren. Der architektonische Entwurf, die Projektion und die Hülle bleiben dabei traditionell. Das Einfamilienhaus repräsentiert nicht nur den gesellschaftlichen Status quo der Kleinfamilie, sondern auch den traditionellen Zugang zu Architektur und Städtebau: unreflektierte Manifestation von Häusern mit vier Wänden und einem Dach, die, in die (städtische) Landschaft gestellt, eine Mixtur aus östlichem und westlichem Konsumverhalten sind.
MEDIENSCHIFFE UND ELEKTRONISCHE SCHATTEN
Der japanische Architekt Toyo Ito hat seinem Wettbewerbsentwurf für das japanische Maison de la Culture in Paris 1992 folgenden Titel gegeben: "Medienschiffe treiben auf der Seine". Das Gebäude hat eine Fassade aus elektronisch steuerbarem Glas, hinter der sich fast schwerelos die einzelnen Funktionsbereiche befinden. "Der Entwurf basiert auf der Vorstellung eines Raumschiffs, das von Tokyo an die Seine kommt und Informationen und Kultur mit sich bringt. Man könnte dieses Raumschiff als einen elektronischen Mechanismus oder einen lebenden Organismus auffassen … Auf die gläserne Fassade lassen sich Bilder projizieren. Auch die Böden und Wände des Gebäudes sind ein 'Screen', der Informationen übermittelt. Alle Räume werden durch Informationen geschaffen und sind daher temporär. Die komplexe Überlagerung dieser Räume und das Fließen der Informationen sind Ausdruck unserer heutigen grenzenlosen Kultur." (7)

Peter L. Wilson reagiert auf Toyo Itos "Turm der Winde" mit einer Architektur, die er "Elektronischer Schatten" nennt: "Die heutige Stadt ist nicht mehr physisch, sondern unsichtbar und ephemer, allgegenwärtig in elektronischen Impulsen. Komfort ist, für einen Augenblick dieser Bombardierung durch elektronische Reize entfliehen zu können – in eine 'Zone der geringsten elektronischen Interferenz'. Die Architektur ist diesen zeitgenössischen Bedingungen noch nicht gewachsen. Die cartesianische Geometrie ist für die Elektronik untauglich … Das Haus ist ein schwarzes Loch, ein elektronischer Schatten, eine 'Ninja-Architektur'. Im Inneren des schwarzen Objekts befindet sich, unsichtbar von außen, ein schützender Unterschlupf gegen elektronische Bestrahlung … Der 'Turm der Winde' ist ein außergewöhnliches, ein ephemeres Objekt. Das Haus existiert als sein Schatten, respektvoll, ängstlich, optimistisch." (8)
DEKONSTRUKTION
Der Künstler Gordon Matta-Clark, der die Häuser zerteilte und zerstückelte, und der Architekt Frank O. Gehry, der die Box, die "Schachtel" zerstört und wieder neu zusammengesetzt hat, sind neben dem Philosophen Jacques Derrida als die Begründer einer Architektur-Richtung zu sehen, die als Dekonstruktivistische Architektur – von Phil Johnson anläßlich einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art 1988 erstmals so bezeichnet – bekannt geworden ist. Zu ihren Vertretern wird heute Peter Eisenman gezählt. Sie beschäftigen sich mit den unsichtbaren, verborgenen Strukturen gesellschaftlicher Tatsachen und deren Repäsentation in der Architektur.

Derrida, der den Begriff der Dekonstruktion im Zusammenhang mit seiner Sprachphilosophie, der Grammatologie, eingeführt hat, geht es bei diesem Begriff nicht bloß um eine architektonische Metapher, sondern um das Dekonstruieren von Tradition. Ein dekonstruktiver Vorgang passiert dann, wenn zum Beispiel die externe Hegemonie von traditionellen Werten (Ästhetik, Funktionalität) demontiert, untersucht, kritisiert, vor allem aber wieder neu (in die Architektur) "hineingeschrieben" wird. (9) So ist eines der Projekte der frühen 80er Jahre von Coop Himmelblau das Open House (1983,1988) in Malibu, das die Vision von offener Architektur als Repräsentantin einer offenen Gesellschaft darstellt.

Architektur als Kunst des nächsten Jahrtausends? "Das ist ein theoretischer Ansatz. Wenn man von der These ausgeht, daß Architektur 'zeitrichtig' sein soll, und immer das ausdrückt, was die Gesellschaft, die Welt an Geistigkeit zur Verfügung hat, dann darf man sich nicht wundern, daß die Architektur so aussieht, wie sie heute aussieht. Wir denken eben, die Spannung und Komplexität sind wesentliche Aussagen der Jetzt-Zeit, daher sollte Architektur Spannung und Komplexität widerspiegeln. Das geht aber nicht, wenn man sich der Architektur mit additivem Denken nähert." (10)

Die Grenzen von Außen und Innen sind aufgehoben, was Außen war, wird zum Innen und umgekehrt, nichts ist mehr an seinem gewohnten Ort. Die Auflösung der Idee einer dreidimensionalen Räumlichkeit mit ihren traditionellen physikalischen Gesetzen wie Schwerkraft oder Materialstärke erfolgt transformatorisch in die für den Bruchteil einer Sekunde zum Stillstand gebrachte Bewegung, in ein Standbild aus einem Motion Picture. Geschwindigkeit, Auflösung von Raum und Zeit und subversive Unterminierung gesellschaftlicher Strukturen sind jene Kennzeichen, die gemeinhin als das demokratische Potential des elektronischen Netzwerks bezeichnet werden.
"DORT, WO DER RAUM AUFHÖRT, BEGINNT ARCHITEKTUR." (11)
Dagmar Richter hat in ihrem Projekt für Berlin (Denkmal oder Denkmodell) 1988 die Frage nach dem tatsächlichen Ort der Architektur aufgegriffen, als sie in ihrem Entwurf den Grundplan von Berlin als dreidimensionales Blatt über der Darstellung eines riesigen Computerchips schweben ließ, als Hinweis darauf, was unser tatsächliches Environment formuliert: die Allgegenwart des Computerchips. Rundherum finden sich Darstellungen von "Berlin-Fühlern" die schwerelos im Raum zu schweben scheinen und "Berlin-Vernetzung" und "Implosion" thematisieren den eigentlichen Ort der Architektur, der von vielen bereits als in einer elektronischen Welt liegend gesehen wird.

"Which is to say that since you are putting some filter to the given conditions, a process of screening through information, what you get is by no means the only information. There is always some noise. Always some other possibility." (12) Der japanische Architekt Keichi Irie spricht von den Fehlern und dem Rauschen, das seinem elektronischen Werkzeug, dem Computer, inhärent ist. Wenn er Architektur am Computer entwirft, geht er gleichzeitig von der Kreativität solcher Fehlerquellen aus: "Previous schemes of architectural planning and design lack this tolerance of noise and errors. Moreover, we can actually see this in the city around us." (13) Sein Selbstverständnis als Architekt führt daher weiter als bis zum bloßen Baukünstler. So wie andere Architekten den Begriff der Dekonstruktion in ihren Entwürfen umsetzen, geht er weiter und dekonstruiert das ganze Genre der Architektur und fragt: "Ultimately, then, where is your real work? In the computer or the construction, the database input or the terminal output? You seem to continually switch modes back and forth like a cyberpunk …" (14)

Der Ort der Architektur verschwindet allmählich, wie sich Raum und Zeit in der Telekommunikation auflösen. Überall zur gleichen Zeit und immer am selben Ort. In L.A., der Stadt, wo sich dekonstruktivistische Architektur mit den Ausläufern des Silicon Valleys trifft, ließ die Werbeagentur Chiat/ Day Inc. ihr neues Headquarter in Culver City von Frank O. Gehry bauen und gleichzeitig von der Art Technology Group in Boston (Jeet Singh und Joseph Chung) ein elektronisches Kommunikations- und Netzmodell erarbeiten, das eine völlig neue Form des Büroalltags schafft: die sogenannte "student union" besteht aus einem ganzen Stockwerk, in dem sich die Angestellten frei bewegen und in komfortablen Zellen vermischen können. Sie arbeiten in großen, offenen Projekträumen oder sogar einfach zu Hause – und sind mit allen Mitarbeitern ständig vernetzt und in telekommunikativem Kontakt. Jeder Angestellte wird mit einem tragbaren Computer ausgestattet und ist somit jederzeit und überall erreichbar und verfügbar. Die Art Technology Group kreiert hierfür nicht nur die elektronische Kommunikationsstruktur, sondern vor allem auch die User Surfaces (die Benutzer-Oberflächen) und somit das Surrounding, in dem sich die Angestellten und Mitarbeiter der Firma tatsächlich bewegen. Der Cyberspace wird hier in einer perfekten Kooperation der "realen" Architektur Gehrys mit der virtuellen "Architektur" von Singh und Chung hergestellt.

Das Bewußtsein von Stadt und das Bewußtsein der Stadt selbst verändern sich in radikaler Weise. Mark C. Taylor hat den Begriff der "Elektrotektur" geschaffen, der diese Verbindung von materieller und immaterieller Kommunikation zusammenzufassen versucht. Der Architektur als Körper und dem (menschlichen) Körper als Maschine kommen dabei neue Rollen zu, die ihnen eingeschrieben werden. Im dekonstruktivistischen Sinn wird der neue Text (mit den gleichen alten Inhalten?) so wiederum inskribiert in eine Struktur des digitalen Codes. Diese Struktur (die auch Grundlage für jede VR-Welt ist) aufzubrechen und neu zu formen könnte ein weiterer Schritt – materieller und immaterieller – architektonischer Gestaltung werden.

(1)
Vgl. Michael Sorkin: Variations on a Theme Park. The Noonday Press. NYC 1992zurück

(2)
Williamsburg ist eine Stadt in den USA, die teilweise im Stil des Jahres 1770 restauriert wurde, und in der sich heute selbst Bewohner in der Mode jener Zeit kleiden. Vgl. u.a.: Ada Louise Huxtable: Die neue Stadt. In: Lettre International. Heft 22, 1993. S 82ffzurück

(3)
Aaron Betsky: Violated Perfection. Architecture and the Fragmentation of the Modern. Rizzoli. NYC 1990. S 169zurück

(4)
ARCH+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau Nr. 111. S 62zurück

(5)
Lebbeus Woods: Heterarchy of Urban Form and Architecture. In: Architectural Design. Free Space Architecture. London 1992. S 39zurück

(6)
A. Betsky: Violated Perfection. S 188zurück

(7)
Toyo Ito in: ARCH+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau Nr. 111. Aachen 1992. S 42zurück

(8)
Peter L. Wilson in: ARCH+. Zeitschrift für Architektur und Städtebau Nr. 111. Aachen 1992. S 54zurück

(9)
Vgl. Jacques Derrida in Discussion with Christopher Norris. In: Deconstruction. Ed. by Andreas Papadakis, Catherine Cooke, Andrew Benjamin. London 1989. S 71zurück

(10)
Wolf D. Prix in einem Interview mit K. Gsöllpointner im August 1990.zurück

(11)
Wolf D. Prix in: Construire le Ciel. Video von Marc Ries über Coop Himmelblau. 1993zurück

(12)
Keiichi Irie in: Computer crash by design. In: Telescope Nr. 1, 1988zurück

(13)
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(14)
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