www.aec.at  
Ars Electronica 1994
Festival-Programm 1994
Back to:
Festival 1979-2007
 

 

Architektur in einer simulierten Stadt


'Toyo Ito Toyo Ito

Luftaufnahmen von Tokio werden auf den Boden projiziert. Ein Foto zeigt eine flache, homogene Szene, die aus 300 Metern Höhe aufgenommen und dann mit dem Computer grafisch nachbearbeitet wurde. Auf einem anderen sieht man von hinten Jungen in einer Reihe an Automaten spielen. Dann kommt plötzlich eine Szene auf einer Schnellstraße, die wie aus einem Videospiel wirkt. Eine andere Szene verschwindet in der Tiefe der Bildwand, mit der Geschwindigkeit Akiras auf seinem Motorrad. Durch die graphische Manipulation wirkt die Bildwand vollkommen flach und tiefenlos, und die Bilder sehen aus wie Cartoons.

Der 10 Meter breite und 28 Meter lange Fußboden ist mit opaken Acrylpaneelen ausgelegt. Eine fünf Meter hohe lichtdurchlässige Acrylleinwand wellt sich in Längsrichtung. Ein Flüssigkristall-Bildschirm kann hinsichtlich seiner Transparenz/Lichtdurchlässigkeit elektrisch gesteuert werden. Eine weitere Seitenwand ist mit Aluminiumpaneelen verkleidet, von der Decke hängt ein lichtdurchlässiges Tuch. Das alles sind Bildwände, an die mit 44 Projektoren Bilder projiziert werden. 18 Projektoren hängen von der Decke herab und projizieren Bilder auf den Acrylfußboden, während die übrigen 26 Geräte einander überlagernde Bilder durch Acryl- oder Tuchschirme hindurch an die Bildwände projizieren.

Die auf 12 Laser-Discs gespeicherten Bilder zeigen hauptsächlich alltägliche Szenen aus Tokio. Menschentrauben beim Überqueren von Zebrastreifen, Geschäftsleute, die sich miteinander unterhalten, während sie auf den Zug warten, ein junger Mann, der von einem öffentlichen Telefon spricht etc. Diese collageartigen Videobilder auf den 44 Bildwänden ändern sich fortwährend, und die 44 Bildwände zeigen fast immer unterschiedliche Bilder, manchmal aber auch dieselben. Atmosphärische Klänge aus dem Synthesizer füllen den Raum über 16kanalige Lautsprecher und verleihen dem Ganzen noch eine zusätzliche Dimension.

Dieser Raum war der dritte Raum der "Visions-of-Japan-Show" in London und hieß "Dreams". Besucher der Ausstellung wurden von Videobildern überflutet und von Klängen durchtränkt. Ihre Körper trieben auf dem Fluß des Acrylfußbodens und schwankten, als ob sie seekrank wären. Der japanische Kronprinz, der die Ausstellung eröffnete, sagte, er hätte ein oder zwei Gläser Sake trinken sollen, bevor er kam, damit er den Raum stärker hätte empfinden können. Prince Charles fragte mich dagegen, was nach diesen Bildern zu erwarten sei. Als ich antwortete, daß es danach vielleicht nichts gebe, wollte er wissen, ob ich ein Optimist sei. Ich sagte ja, natürlich.

Der Raum hieß auf Wunsch Arata Isozakis, des Produzenten, "Dreams", ursprünglich sollte er "Simulation" heißen. Der Raum simulierte das moderne Tokio, doch war man in London der Meinung, daß der Titel "Simulation" für die Besucher der Ausstellung zu schwierig wäre. In gewissem Sinne ist Tokio eine simulierte Stadt. Die Bilder zu betrachten ist fast so, als ginge man abends durch die Kabukicho-Straße. In beiden Fällen werden wir von riesigen Videobildern und Tönen überflutet. Indem wir in den Schirm des Videospiels schauen, sind wir schon mitten drin. Wir sind, wie der japanische Kronprinz sagte, von der Illusion von Licht und Ton ganz berauscht, finden uns gleichzeitig aber, wie Prinz Charles es andeutete, in einem Raum ohne Zukunft. Vielleicht gibt es für uns keine erreichbare Zukunft.

Zwischen der Simulation in der Ausstellung und der Wirklichkeit in der Kabukicho-Straße gibt es einen wesentlichen Unterschied. Während Lärm und Chaos in der wirklichen Stadt kein Ende haben, wird die Collage einer Stadt auf der Leinwand bald von weißem Rauschen oder Computergraphik-Strömen abgelöst. Kurz gesagt, die Stadtszene wird ihre klare Konfiguration verlieren und sich im Morgennebel auflösen. Alle realistischen Szenen verschmelzen zu einem Zustand ruhiger Erleuchtung, den man auch "Nirwana" nennen könnte. Was außer dem extremen Zustand technologischer Steuerung können wir von der Zukunft erwarten?

In der Flut der Videobilder befanden sich fünf Objekte, die von dem jungen englischen Designer Anthony Dunne stammten und aussahen wie gerade erst ausgepackte Fernsehapparate oder komische Androiden, die die Luft der Information atmen. Sie konvertieren Bilder als Reaktion auf Geräusche, die den Raum füllen, oder geben seltsame Töne von sich. Während kommerzielle Fernsehapparate in Fertigmaterial verpackt sind, ähnlich wie Geschäftsleute in ihre Anzüge, und einseitig Mainstream-Informationen verbreiten, sind diese Objekte sehr persönlich und poetisch und führen uns einmal mehr vor Augen, daß wir von Geräuschen umgeben sind. Vielleicht gibt es in unserem Inneren inzwischen ein eigenes Organ, durch das wir Geräusche einatmen wie diese Objekte. Obwohl wir sie nicht sehen, ist unser Körper ständig der technologischen Atmosphäre ausgesetzt, wir reagieren darauf und synchronisieren unseren Biorhythmus damit. Wir haben vielleicht, ohne es zu wissen, bereits einen roboterhaften Körper wie die Androiden.

Das Okawabato-Stadttor 21, wir nennen es das "Ei der Winde", beruht auf einem sehr ähnlichen Konzept. Ein Ei von 16 Meter Länge und 8 Meter Durchmesser ist mit Aluminiumpaneelen verkleidet und schwebt vor zwei Wohnhochhäusern. Untertags ist das Ei einfach nur ein Objekt, das das Sonnenlicht reflektiert, bei Nacht aber kann man, wenn fünf der Flüssigkristall-Projektoren eingeschaltet sind, auf den integrierten Bildwänden und den teilweise durchstanzten Aluminiumpaneelen Videobilder sehen, und zwar sowohl eigens dafür aufgenommene als auch solche, die zu der Zeit im Fernsehen ausgestrahlt werden. Das bei Tag silbrig glänzende Ei führt bei Nacht eine vage dreidimensionale Existenz, die nicht real scheint wie in der Hologrophie. Passanten schauen zu dem Ei hinauf, überlegen kurz, was das sein könnte, und gehen dann weiter. Dieses Objekt hat einen ganz anderen Charakter als Fernsehapparate, die auf Verkehrspfosten installiert werden, oder die großen jumbotronen Farbwände, die im Stadtzentrum einige Gebäude zieren. Es ist ein Objekt der Videobilder, die durch die Informationsströme der Luft hindurch gesehen werden können. Es ist ein Objekt der Bilder, die mit dem Wind kommen und gehen. Als das Ei der Winde entstand, hing ein Modell mit fast derselben Form in einer Ausstellung in Brüssel. Dabei handelte es sich um das ursprüngliche Modell für das Okawabata-Stadttor 21, das aussah wie ein Schiff oder ein Polyeder mit dreieckigen Flächen. Das Ei in Brüssel bestand am Boden aus einem transparenten Material und war mit lichtdurchlässigem Tuch und Aluminiumpaneelen mit eingestanzten Löchern verkleidet. Die Besucher konnten nicht in das Ei hineingehen, sahen aber durch die durchscheinende Verkleidung in dem von oben einfallenden natürlichen Licht Tische und Stühle, die im Inneren aufgestellt waren. Sie sahen ein in ein Ei verpacktes Stadtleben wie eine Illusion. Die Objekte waren flüchtig wie eine Fata Morgana, hatten keine Struktur und keine Existenz. Ephemere Objekte, die eher ein spontanes Phänomen – wie ein Regenbogen – waren, denn Strukturen.

Die beiden Eier zusammen könnten wir vielleicht als den Entwurf der Winde bezeichnen. Wenn wir mit irgendeinem Filter die Luft, die voller Informationströme, aber deshalb doch nicht visualisiert ist, projizieren, wird das Objekt sichtbar. Die Architektur sollte sich heute bemühen, so einen Visualisierungsfilter zu entdecken.
Am wirksamsten wird der Entwurf der Winde im Turm der Winde, den ich vor einigen Jahren vor dem Bahnhof von Yokohama gestaltet habe. Das Besondere an dem Turm ist, daß er nicht in einem Museum steht, sondern mitten im Stadtzentrum mit seinen Neonreklamen. Obwohl der Turm, der ähnlich wie die Neonreklamen Licht ausstrahlt, nicht sehr spektakulär ist, vermittelt er angeblich den Eindruck, daß die Luft rundherum gefiltert und gereinigt ist. Vielleicht deshalb, weil nicht eine Substanz Licht in die Luft aussenden sollte, sondern die Luft selbst zu Licht werden sollte.

Das Ei der Winde in Okawabata war ursprünglich als Modell für ein Haus gedacht, doch kam die Herstellung der Hülle so teuer, daß nur das Ei daraus wurde. Eigentlich hätte man in der Luft den neuen Lebensstil einer simulierten Stadt sehen sollen.

Das Ei der Winde in Brüssel hieß auch "Pao: eine Behausung für Tokioter Nomaden-Frauen" und war für mich ein Musterhaus für eine Stadt. Es schuf das Bild eines Großstadtlebens, das im Verhältnis zu seiner Visualisierung täglich an Realität verliert. Beide Eier haben gemeinsam, daß sie Behältnisse sind, die ein neues Leben implizieren. Ich wollte zeigen, daß der Realitätsverlust im Großstadtleben die andere Seite der Medaille ist, deren Vorderseite die bildhafte Architektur ist.

Zu jeder Zeit hat der Traum von einem neuen Leben zu einem neuen Raum geführt. Zum Beispiel bedeutete der Traum von einem modernen Leben 1975 für die Menschen einen Raum mit elektrischen Geräten, symbolisiert von einem Haus mit flachem Dach und großen Fensterflächen oder einem hell erleuchteten Haus mit einem leicht abfallenden Dach, einer Küche mit einem eingebauten Kühlschrank und einem Gasherd, Stühlen aus verchromtem Rohr mit dünnen gebogenen Holzlehnen, etc. Dazu gehörte auch eine bestimmte Kernfamilie. Ein Vater in einem weißen Hemd arbeitet in einem modernen Büro aus Stahl und Glas und wird zu Hause von seiner lächelnden Frau und seinen Kinder erwartet. Wenn auch noch ein Volkswagen oder ein Citroen 2CV vor der Tür steht, ist das Bild dieses neuen Lebens perfekt.

Während das ideale Leben im Zeitalter der Elektrizität im wesentlichen im modernen Wohnraum verkörpert war, haben wir noch keinen Raum gefunden, der für das ideale Leben im Computer-Zeitalter passend wäre. Deutlicher als in den Häusern äußert sich diese Tatsache im Unterschied, der zwischen einem Volkswagen oder einem Citroen von damals und einem Toyota oder einem Nissan von heute besteht. Das heißt, die Form des Volkswagen und des Citroän sollte verschiedene mechanische Funktionen ausdrücken, während die heutigen japanischen Autos mit ihrer elektronischen Intelligenz alle dasselbe oberflächliche Design haben, das nichts von der Technologie im Inneren ahnen läßt. Autos werden heute fast so gebaut, als hätte das Äußere nichts mit dem inneren Mechanismus zu tun. Viele elektrische Haushaltsgeräte sind nach einem ähnlichen Konzept entworfen.

Während für das Design von Autos und für das Industrial Design im allgemeinen gilt, daß sie mit ihrer Modernität die modischen Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen möchten, ist das Design, was den Wohnbereich betrifft, durch und durch konservativ ausgerichet; es ist deshalb aber nicht weniger oberflächlich. In der Welt der Architektur, wo Funktion und Form nicht von Anbeginn an eng miteinander verknüpft waren, wies der Stil immer mehr nostalgische Tendenzen auf, je weiter das BNP Japans stieg.

Was ist also das neue Leben von heute? Wir sind viel zu beschäftigt, um ernsthaft darüber nachzudenken, während Unmengen schicker kleiner Dinge und Räume unseren Blick fesseln. Auf den Regalen in Kaufhäusern schillern Lebensmittel, Kleidung und was man sonst so braucht, in allen Farben und sind scheinbar die Verwirklichung aller unserer Träume. Sobald wir diese Dinge aber gegessen, getragen oder zu Hause aufgestellt haben, verlieren sie ihren Glanz und verblassen. Und sofort sind wir dazu verdammt, nach neuen Dingen zu suchen.

Die Homogenisierung dieser Produkte, sei es ein Lebensmittel oder ein Haus, schreitet immer weiter fort, auch wenn sie oberflächlich gesehen ganz individualistisch scheinen. Das heißt mit anderen Worten, daß – wie man auch am Design der Autos feststellen kann – ein homogenisierter Inhalt leichte Unterschiede im äußeren Erscheinungsbild zuläßt. Diese Tendenz gilt nicht nur für Häuser, sondern für die gesamte Architektur. Zum Beispiel wird die Architektur durch die moderne Klimaanlagentechnologie vom lokalen Klima gelöst, und Häuser können überall auf der Welt im selben Stil gebaut werden. Das gilt für alle Architekturstile. Gebäude, die einzigartig und anders scheinen, sind, was den Inhalt angeht, homogen und nur oberflächlich unterschiedlich dekoriert. Sie erinnern an Fischfilets, ein verderbliches Nahrungsmittel, die in Plastikfolie verpackt auf einem Regal im Laden liegen. Nur dadurch, daß sie in Folie verpackt und unter homogenen Bedingungen eingefroren wurden, konnten sie in das Regal eines Lebensmittelladens gelegt werden.

Seit der Geburt von Stahl und Glas sind wir auf der Suche nach dem universalen Raum, Der universale Raum, der fast den Koordinaten der euklidischen Geometrie entspricht, erreichte diese Homogenität nicht ganz, obwohl er theoretisch homogen ist. Der Tendenz hin zu reiner homogener Neutralität wirkte der Gedanke der Lokalität bzw. das Streben nach Monumentalität in der Architektur entgegen. Eine vollkommene Homogenisierung der Architektur wurde durch die fast unbewußte Verehrung der "Architektur" durch die Architekten selbst verhindert.

Das Phänomen der Homogenisierung findet in der heutigen Architektur daher einen ganz anderen Ausdruck als das ästhetische Streben nach dem universalen Raum. Was heute homogenisiert ist, ist die Gesellschaft, und die Architekten kämpfen vergeblich dagegen an. Je mehr sich ein Architekt auf seinen charakteristischen oder persönlichen Ausdruck verläßt, desto homogener wird seine Arbeit, als ob Punkte auf den Koordinaten der euklidischen Geometrie gleichermaßen verbunden sind. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die ganze Gesellschaft in eine enorme Plastikfolie verpackt wird.

Einst sehnten sich Architekten nach homogenen Rastern, weil die Gesellschaft damals opak und verschwommen war. Sie wollten transparente und neutrale Raster in die Gesellschaft einfügen, die so opak und heterogen wie Lava war. Auch wenn es ihnen gelang, in einem universalen Büroraum Homogenität herzustellen, ging das über diesen geschlossenen Raum nicht hinaus. Wenn sie nur einen Schritt aus dem Büro hinaus taten, breiteten sich vor ihnen reale und verschwommene Räume aus.

Unser Environment ist heute voll leerer Helligkeit. Genauso wie die Waren auf den Regalen der Läden sind unsere Städte ausgetrocknet und öde. In den letzten zehn. Jahren hat man den Städten ihre Feuchtigkeit entzogen, so als ob man sie in einen riesigen Trockner geworfen hätte. Obwohl wir von so vielen Waren umgeben sind, leben wir in einer durch und durch homogenen Atmosphäre. Unser Überfluß wird nur von einem Stück Plastikfolie getragen.

Das simulierte Leben gründet auf dieser Plastikfolie, in die die Gesellschaft verpackt ist. Zum Beispiel gehen Männer und Frauen auf dem Heimweg von der Arbeit noch in Lokale, um dort zu essen, zu singen, zu tanzen, sie sehen sich einen Film oder ein Theaterstück an, gehen spielen oder einkaufen. Die Zeit und der Raum zwischen Büro und Wohnung, wenn man zum Beispiel in einem Fitneßcenter trainiert, sind durch und durch fiktional. Die Leute essen, was immer ihnen vorgesetzt wird, als hätte ihre Mutter es gekocht, sie singen und tanzen, als wären sie Filmstars, sie diskutieren mit irgendjemandem, der zufällig anwesend ist, als wären sie die besten Freunde, und sie trainieren in einem künstlichen Raum, als würden sie über eine Wiese laufen oder im Meer schwimmen. Dieser simulierte Raum und dieses simulierte Leben sind auch in den Arbeits- und Wohnbereich eingedrungen, anstatt bescheiden in einer neutralen Zone wie dem Stadtzentrum zu bleiben. Unsere Familien und Jobs sind heute alle simuliert. Wir können heute nicht mehr zwischen Realität und Nicht-Realität unterscheiden.

Wir haben in bezug auf die Realität nicht nur unseren Sehsinn, sondern auch unseren Geschmack-, Gehör- und Tastsinn und jeden anderen Sinn verloren. Wir sind nicht mehr sicher, was wirklich gut schmeckt, was wir hören, was wir wirklich fühlen, etc. Unser Körper hat sich verändert, auch wenn wir uns dessen nicht bewußt sind. Der Grund liegt darin, daß sich die Kommunikationssysteme zwischen Menschen sowie zwischen Menschen und Dingen radikal verändert haben. Wir haben unseren Körper verändert, damit wir das Verhältnis zwischen Realität und Nicht-Realität durch die einfache Bewegung eines Bildes umdrehen können.

Der Fortschritt der Medien hat Wörter von Dingen isoliert und die Realität der Dinge verwässert. Wir können heute Bilder allein mit Hilfe von Wörtern oder Videobildern entwickeln, und das sogar dann, wenn sie keine Entitäten sind. Das simulierte Leben ist also von selbst in andere Bereiche vorgedrungen. Die Kommunikation durch die Medien, oder anders ausgedrückt, die Kommunikation ohne Entitäten ist somit in unserem täglichen Leben insofern eine Notwendigkeit geworden, als Kommunikation ohne Mediennetze unmöglich ist. Die Kommunikation, die einst fest in einer Gegend oder einer Nachbarschaft verwurzelt war, hat ihre Bedeutung verloren. Was in unseren Städten gedeiht, basiert auf solchen Netzwerken momentaner, ephemerer und unspezifischer, aber zahlreich vorhandener Medien, die die körperliche Distanz leugnen.

Wenn wir in einer simulierten Stadt Architektur entwerfen wollen, stehen wir vor zwei großen Problemen. Erstens, wie wir ein architektonisches Werk als Entität schaffen können, wenn Dinge als Entitäten ihre Bedeutung verloren haben, und zweitens, wie wir Architektur hervorbringen können, die überdauert, wenn menschliche Gemeinschaften aufgehoben sind und Medienkommunikationsnetzwerke ständig auftauchen und wieder verschwinden. Die beiden Probleme widersprechen einander und sind schwer zu lösen. Ein Widerspruch besteht darin, daß wir etwas Reales hervorbringen sollen, während Dinge kaum mehr real sind. Ein anderer Widerspruch liegt darin, einen permanenten Raum schaffen zu wollen, wenn sich die relativen Beziehungen ständig verändern. Welche Architektur ist unter so widersprüchlichen Bedingungen noch möglich?

Auf diese Fragen gibt es wohl keine endgültigen Antworten. Meiner Ansicht nach ist es aber in jedem Fall sinnlos, außerhalb dieser Bedingungen oder in einer Position zu verharren, von der aus wir diese Probleme nicht als widersprüchlich erkennen. Was wir tun können ist, den Spalt zu verringern. In bezug auf das erste Problem müssen wir die Frage lösen, wie wir fiktionale oder videobild-ähnliche Architektur machen können; in bezug auf das zweite Problem müssen wir lernen, ephemere oder vergängliche Architektur zu machen. Ich will damit nicht sagen, daß Architektur durch Videobilder ersetzt werden oder aus temporären Gebäuden bestehen sollte. Wir sollten eine fiktionale und ephemere Architektur als permanente Entität schaffen.

Wir sollten die Kraft, die wir von diesen Städten bekommen, zur Schaffung eines Raumes verwenden. Wir sollten die Wirkung der Fiktion voll einsetzen. Unsere Städte bieten in dieser Hinsicht viel Hilfestellung an. Durch die Verwendung von Licht und Videobildern für den "Turm der Winde" und das "Ei der Winde" schlug ich fiktionale und ephemere Bilder vor. Bei meinem Wettbewerbsprojekt für das japanische Kulturzentrum in Paris, beim T-Gebäude in Nakameguro und beim F-Gebäude in Minami Aoyama versuchte ich, fiktionale und ephemere Bilder wie natürliche Phänomene auf Bildschirmen zu evozieren, die aus einer Flüssigkristallschicht zwischen einer Doppelverglasung bestanden. (Für die letzteren zwei Projekte wurden Streifen aus geklebten Seidenstoffschichten verwendet.) Bei Projekten wie dem Gästehaus der Sapporo-Brauerei und dem Städtischen Museum in Yatsushiro versuchte ich, Bilder zu schaffen, die natürlicher als die Natur waren, indem ich auf dem ursprünglich flachen Gelände eine künstliche Landschaft aufbaute.

Alle diese Manipulationen sind Simulationen. In simulierten Städten gibt es keine Architektur, die nicht simuliert ist. So ist zum Beispiel der Erdhügel, in den die große Ausstellungshalle des Museums in Yatsushiro eingebettet ist, ein fiktionaler, aufgeschütteter Hügel, aber sobald er fertiggestellt war, hatte man den Eindruck, als stünde er schon 100 Jahre an der Stelle. Die Realität scheint heute jenseits dieses Fiktionalismus geschaffen zu werden. Wir leben heute in einer Welt, in der es keine Grenze mehr gibt zwischen Realität und Nicht-Realität, und dasselbe gilt auch für die Materialien, die in der Architektur eingesetzt werden. Was wir heute, wo die ganze Gesellschaft in eine enorme Plastikfolie verpackt ist, tun können, ist, den Inhalt der Verpackung schön zu visualisieren, anstatt zu versuchen, den Inhalt real aussehen zu lassen. Das Schicksal der Architektur hängt davon ab, wie wir die Struktur der Fiktion finden.