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Ars Electronica 1994
Festival-Programm 1994
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Festival 1979-2007
 

 

Piazza Virtuale: Service Area A. I.


' Ponton European Media Art Lab Ponton European Media Art Lab

Die kommende Medientechnologie mit ihrem Einfluß auf Privatsphäre und Haushalte muß neu erfahren werden und bedarf einer Stellungnahme. Der Ausbau der Kommunikationsnetze schafft die Möglichkeit, Bilder, Töne und Texte in atemberaubender Geschwindigkeit um die Welt zu schicken. Mit dem Wachstum der technischen Fazilitäten wächst nicht unbedingt auch die Qualität der Kultur. Cafés und Marktplätze sind Orte, an denen in früheren Jahrhunderten ein Großteil der Kultur stattfand. Menschen trafen sich hier, um zu handeln, sich auszutauschen oder sich zu amüsieren. Die heutige Gesellschaft ist von dem Verlust des öffentlichen Raumes gekennzeichnet. Der Beginn des Informationszeitalters geht einher mit dem Eindringen der Öffentlichkeit in die Privatsphäre eines jeden.

Service Area a.i. ist die Installation einer virtuellen telematischen Welt, die vielen Teilnehmern von zuhause aus einen multimedialen Zugang über Netzwerke ermöglicht. Service Area a.i. ist ein virtueller Ort im elektronischen Netz. Raum bedeutet hier auch Spielraum, den der Mensch benötigt, um sich zu entfalten. Bei Service Area a.i. wird dieser Raum durch Technologie geschaffen; gestaltet wird dieser Ort durch die Menschen, die ihn bewohnen. Die elektronische Gemeinschaft – ein soziales System – entsteht. Aus dieser virtuellen Beziehung erwächst eine eigene telematische Kultur: Service Area a.i.

Ziel ist es nicht, Maschinen als Selbstzweck zu definieren, sondern Interfaces zu schaffen, an denen der Mensch über die Medien wieder auf den Menschen trifft. Die Teilnehmer von Service Area a.i. begegnen sich an einem Ort, der ihnen sowohl die Möglichkeit des gemeinsamen als auch die des individuellen Erfahrens bietet. Service Area a.i. bietet Räume für die Kommunikation der Menschen untereinander, zueinander und miteinander. Bei Service Area a.i. steht nicht die Präsentation der Technologie im Vordergrund, sondern der Mensch mit all seinen kommunikativen Fähigkeiten, kognitiven Handlungen und seinem kreativen Ausdruck.

DIE BETEILIGUNG AN SERVICE AREA A.I.
Service Area a.i. ist 24 Stunden am Tag online und kann von überall erreicht werden. Besucher, die über das Netzwerk hereinkommen, erzeugen mit Hilfe von Computer, Modem und Telefon die Atmosphäre. Texte, Töne und Bilder entstehen; wo sie sich befinden, was sie tun, wie sie sich verhalten – alles verändert sich. Fremde treffen auf Fremde. Sie alle haben sich von "außen" in diesen elektronischen Ort eingewählt um zu sehen, zu agieren oder zu staunen. Das Publikum vor den Bildschirmen kann sich während der Sendung mittels Telefon, Modem und Fax ebenfalls direkt an der Service Area a.i. beteiligen. Interfaces helfen bei der Übersetzung, damit sich Teilnehmer mit unterschiedlichen Ausgangsmedien verstehen.
DIE INSTALLATION
Service Area a.i. ist nicht nur ein telematisches Projekt, das sich auf Bildschirmen aller Art visualisiert. Im Brucknerhaus in Linz wird ein Einstiegspunkt in das System selbst installiert. Besucher der Ars Electronica erhalten dort die Gelegenheit, die virtuelle Welt zu betreten. Ihnen begegnet das akustische und visuelle Ambiente, das im Netzwerk erzeugt wird. Mit Hilfe von Sensor-Matten wird der Kontakt zu den Besuchern aus dem Netzwerk von Service Area a.i. hergestellt. Durch diese Matten wird die Position des Besuchers festgestellt, seine Position wird visualisiert und eine Verständigung zwischen ihm und den Teilnehmern aus dem Netzwerk ermöglicht. Was die Teilnehmer zuhause an ihren Monitoren sehen, wird für die Besucher der Installation auf einer 6 Meter breiten und 4,50 Meter hohen Leinwand dreidimensional projiziert. Der akustische Kontakt zur Service Area a.i. wird über Lautsprecher und Mikrofone hergestellt.
DIE POETEN UND SERVICE AREA A.I.
Die eigentliche Urform der Medialität liegt in der narrativen Tradition, welche von den Poeten aufrecht erhalten wird. Sie sind Ur-Medialisten, und in dieser Form möchten wir den Poeten in das Projekt Service Area a.i. einbeziehen.

Mit der ihm eigenen Fähigkeit des Erzählens, mit seinem Interesse an sozio-kulturellen Grundlagen und Phänomenen, betrachtet der Poet seit jeher das Sich-Ereignende: interpretiert und transzendiert es durch seine Sprache für die Gesellschaft. Der Poet setzt sich dem interaktiven Prozeß aus und kann so eine Brücke spannen zwischen Service Area a.i. und der Welt des Fernsehpublikums, das damit den Entstehungsprozeß der virtuellen Welt verfolgen kann. Der mediale Raum und die von ihm ausgehenden Handlungsketten stehen in einer Wechselwirkung mit der Aussagekunst des Poeten.
WARUM SERVICE AREA A.I.?
Fernsehen, wie wir es heute kennen, wird es bald nicht mehr geben. Die Technik der digitalen und interaktiven Multimedia stellt das Werkzeug bereit, um in wenigen Jahren 500 Fernsehkanäle in jeden Haushalt zu bringen. Viele der neuen Kanäle werden nicht mehr nur ausstrahlen, sondern durch die Verknüpfung von Computer und Fernsehen interaktiv nutzbar werden. Bislang mehr oder minder zum Rezipienten degradiert, bekommt der Zuschauer nun neue Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme. Die Frage nach neuen Medien ist zugleich die Frage nach neuen Inhalten, da interaktive Kanäle mehr sein können als Transportwege für Teleshopping und Kriegssimulationsspiele. Die heutige desolate Mediensituation, der Verfall des Niveaus, die Verrohung, die zunehmende Verquickung von Medien mit Werbung im Wettlauf um Einschaltquoten: All das verlangt nach einer neuen Sichtweise und Stellungnahme zu den Medien. Service Area a.i. ist ein kultureller Entwurf für die Gestaltung von multimedialen Netzwerken. Sie stellt ein Kommunikationsmodell dar, in dem sich das Verhältnis Sender-Empfänger grundlegend verändert und sich somit von allen bekannten Massenmedien unterscheidet.

Banken, Fernsehanstalten, Versicherungen, Computer, Transport- und Energieunternehmen – sie alle offerieren ihr Hauptkapital in der heutigen Zeit: Service. Das Projekt Service Area a.i. ist ein möglicher Entwurf für die oft gepriesene lnformationsgesellschaft im Zeitalter der Data-Highways. Der virtuelle Ort Service Area a.i. eröffnet für viele die Möglichkeit, gleichzeitig zu musizieren, zu malen, zu bauen, anzubieten oder in Dialog zu treten.
WODURCH UNTERSCHEIDET SICH SERVICE AREA A.I. MEDIAL?
Die Digitalisierung von Bild, Text, Ton und Video vereinheitlicht die Verarbeitung, Speicherung und den Transport von Daten. Der Computer ist zum mediensimulierenden Metamedium geworden. Diese Struktur des Metamediums Computer ist die Grundlage für seinen Einsatz im "Interaktiven Fernsehen". Das interaktive Programm der Service Area a.i. konfrontiert – jedoch nicht mit servierter Action, nicht mit Medienexperten oder Stimmungsmachern; es fordert heraus mit dem Aufruf zur eigenen Gestaltung des Programmes und somit auch zur Eigenverantwortung eines jeden Teilnehmers.
FERNSEHSENDUNGEN IM KONTEXT VON SERVICE AREA A.I
Die Live-Übertragung im Fernsehen fungiert als Fenster in die elektronische Welt der Service Area a.i. Sie gewährt Einblick in deren telematische Landschaft und spiegelt die Prozesse wieder, die sich in ihr ereignen. Der Poet befindet sich in diesem Moment an der Schnittstelle zwischen dem eigenen Erleben in der Service Area a.i. und dem zur Außenwelt geöffneten Fenster – dem Fernsehen. Die Poeten leben jeweils für einen Tag in der elektronischen Welt. Mehrmals täglich interpretieren sie die Neuigkeiten und Vorgänge, sie sind Chronisten ihrer eigenen Erfahrungen, die sie während ihres Aufenthaltes in der Service Area a.i. machen. Mit Hilfe ihrer Sprache übersetzen sie Eindrücke und sensibilisieren damit das Fernsehpublikum für die Geschehnisse in der virtuellen telematischen Welt.

Gesendet wird dreimal täglich, vom 21. bis 25. Juni 1994 auf 3sat (Kabel, Satellit), jeweils 15 – 30 Minuten (nachmittags, Prime Time und Late Night). Dies ermöglicht die Zugänglichkeit und Erlebbarkeit der Service Area a.i. für ein großes Publikum.
ERKLÄRUNG DES VERNETZUNGSPLANES PIAZZA VIRTUALE: SERVICE AREA A.I.
Die Realisierung von Piazza virtuale: Service area a.i. verteilt sich auf drei Orte: Auf Ponton in Hannover, wo die Kommunikations-Einrichtungen zusammenlaufen und die Rechner stehen, auf Mainz bei 3sat, wo die endgültige Sendeabwicklung stattfindet und die Kabel- und Satelliten-Ausstrahlung erfolgt, und auf Linz, wo eine interaktive, begehbare Rauminstallation die dreidimensionale Projektion der Netzwerk-Visualisierung zeigt. Zugang zu Service area a.i. hat der Teilnehmer auf zweierlei Weise:

Einmal kann er sich über Telefonleitung direkt mit verschiedenen Medien einwählen. Im Sinne einer "scalability" reichen die Einwahlmöglichkeiten vom einfachen Touchtone-Telefon in eine akustische Welt über Fax als weitverbreitetem Grafikübertragungsmedium zu Computern, die mit Hilfe downloadbarer "frontends" sowohl eine Orientierung im Netz als auch vielfältige Eingriffsmöglichkeiten bieten. Eine besondere Rolle spielen dabei noch die Avis-Besitzer, die zusätzlich die Möglichkeit haben, von zuhause mit Hilfe einer Videokamera Bilder, Gesten und Gesichter über normale Telefonleitungen ins Netz zu schicken. Avis ist eine bei Ponton entwickelte, preisgünstige Videodigitalisierungshardware, die die Teilnehmer kaufen können.

Der zweite Zugang erfolgt über Internet und ist mit einer Sun-Workstation mit Sun-Video und Bintec ISDN-Karte möglich. Über den Internet-Multicast-Backbone (mbone) werden Bild und Ton von Service area a.i. ins Netz geschickt; lnternet wird also als Broadcastmedium genutzt. Diese Ausstrahlung kann mit entsprechenden Tools weltweit gesehen werden. Mit ähnlichen frontends wie auf der Telefonseite können sich Teilnehmer entweder direkt über Internet in Service area a.i. einwählen oder über PPP/SPLIP mit ihren Rechnern einen lokalen Einstiegspunkt finden.

Die Realisierung von Service area a.i. in Hannover gruppiert sich um drei verschiedene Systeme. Auf einem SQL-Datenbankserver (Mehrprozessor-Sun) sind alle Objekte, Teilnehmer und Weltbeschreibungen gespeichert. Die World-Engine stellt die Intelligenz der Welt dar. Hier werden alle Kommunikationsvorgänge, Objekt- und Teilnehmerbeziehungen sowie das Umweltmodell dargestellt.

Die Verbindung nach außen übernimmt ein Modempool mit 32 US-Robotics-Analog-Modems, die über einen Terminalserver auf Ethernet geleitet werden. Zwei Primärmultiplex-Anschlüsse mit zusammen 60 ISDN-Leitungen werden von einer Dialogic-Voicebox bearbeitet, die ihre Files auf dem zentralen Server ablegt. Von der Voicebox werden auch die Faxe empfangen.

Über Standleitungen gehen das Stereovideobild und acht Tonkanäle nach Linz in die Rauminstallation. Zwei Beams mit Polfilter strahlen das Bild auf eine Reflektorleinwand, wo es mit Hilfe entsprechender Brillen dreidimensional zu sehen ist. Sensorfußmatten erkennen die Position der einzelnen Personen in der Installation, so daß die Tonkanäle entsprechend im Raum positioniert werden. Der Zustand der Rauminstallation wird über Modem nach Hannover gemeldet, so daß die Rechner dort entsprechend reagieren können.

Der Zustand aller Objekte, ihre Interaktion und vier Audiokanäle gehen über ISDN nach Linz in die Rauminstallation und werden dort auf zwei synchronisierten Silicon Graphics Indigo II Extreme als Stereobild visualisiert werden. Zwei Beams mit Polfilter strahlen das Bild auf eine Reflektorleinwand, wo es mit Hilfe entsprechender Brillen dreidimensional zu sehen ist. Sensorfußmatten erkennen die Position der einzelnen Personen in der Installation, so daß die Tonkanäle entsprechend im Raum positioniert werden. Der Zustand der Rauminstallation wird über Modem nach Hannover gemeldet, so daß die Rechner dort entsprechend reagieren können.

Neben den Teilnehmern befindet sich der Poet in der Rauminstallation. Er wird über mehrere Kameras in der Installation aufgenommen. Im Ü-Wagen wird das Computerbild mit den Realbildern gemischt und geht zum Landesstudio des ORF, von wo es nach Mainz übertragen wird.
Insgesamt können etwa 200 Teilnehmer gleichzeitig im Netz rund um die Uhr kommunizieren. Die Installation wird etwa einen Monat vor Ars Electronica ins Netz gehen und nachher weiterlaufen. Während der fünf Tage von Ars Electronica gibt es 3 Fernsehsendungen täglich.
AVIS
Datennetze wie Internet, AppleLink und CompuServe sind im kommen. Im Zeitalter der billigen Faxmodems ist computergestützte Kommunikation fast schon selbstverständlich geworden. Immer mehr Menschen tauschen Informationen auf Textebene aus, per Internet in 10 Sekunden um die Welt. Der Gesprächspartner bleibt dabei im dunklen, denn direkte Bildübertragung in digitaler Qualität ist noch Zukunftsmusik

Um der Gesichtslosigkeit in der virtuellen Welt der Netze ein Ende zu setzen, wurde am Ponton Media Lab in Hamburg AVIS entwickelt. Die Videodigitalisierungskarte mit dem Namen "Asynchronous Video Interface System", kurz AVIS, erlaubt die Übertragung von schwarz-weiß Bildern über normale Telefonleitungen. Wer über einen Rechner und ein High-Speed-Modem verfügt kann mit AVIS sein Erfahrungsspektrum in den Netzen wesentlich erweitern: die Menschen, mit denen er kommuniziert, bekommen ein Gesicht.

AVIS wird im Netzwerk von Service Area a.i. zum erstenmal präsentiert. Daneben existieren noch weiter Möglichkeiten zur Kommunikation: Ponton wird einen Mailboxserver einrichten, mit dem Bildkonferenzen von zwei und mehr Teilnehmern möglich sind. AVIS-Benutzer können auch ihr eigener Regisseur werden und Bildsequenzen, die sie mit ihrer eigenen Videokamera eingespielt haben, auf diesem Server für andere Benutzer deponieren. Videokonferenzen sind zwischen zwei AVIS-Teilnehmern jederzeit realisierbar.

Bei Konferenzen mit AVIS steht vor allem Spaß und Experimentierfreude mit neuen Medien im Vordergrund. Das zeigt auch das Design: AVIS hat die Form eines Schweizer-Käses, kaum größer als eine Zigarettenschachtel.

Die AVlS-Karte kann schwarz-weiß Bilder in einer Auflösung von 96x76 Pixeln darstellen, die Bilder werden im 2 Sekunden Abstand empfangen Die Helligkeitsregulierung erfolgt automatisch, ebenso die Umschaltung von PAL auf NTSC. Die Bild- und Textübertragung erfolgen synchron über normale, analoge Telefonleitungen, dazu ist ein 14.400 baud Modem mit V.42 Protokoll erforderlich. AVIS arbeitet an allen Rechnern, die über eine serielle Schnittstelle verfügen. Zur Darstellung der empfangenen Bilder ist spezielle Software erforderlich, die für Amiga, Mac und PC's bei Ponton als Freeware bezogen werden kann. Frontends für X-Windows, Sun und Silicon Graphics sind in Vorbereitung. Die Karte kostet DM 190,- und wird mit Handbuch und Software ausgeliefert, wenn der Betrag überwiesen wurde.
PONTON EUROPEAN MEDIA ART LAB / HINTERGRUND
Ponton wurde 1986 gegründet als eine Fusion künstlerischer und technischer Ideen und Interessen, die an dem zentralen Anliegen, der Erforschung und der Realisation neuer Kommunikationsformen in den elektronischen Massenmedien orientiert sind.

Da die Arbeit im Ponton Media Lab aus einer Erweiterung des Kunstbegriffs hervorgegangen ist, ist das Lab ein transformiertes Künstleratelier in dem Künstler und Techniker im Team zusammenarbeiten. Hier wird nicht mit Pinsel, Leinwand, Farbe, sondern mit der Vernetzung von Kommunikationsformen und -technologien gearbeitet, um neue Möglichkeiten des Ausdrucks und der kreativen Auseinandersetzung zwischen Menschen zu realisieren.

Der übliche Medienkünstler, der z.B. mit Video arbeitet, stößt im Umgang mit Fernsehsendern, Filmteams oder Elektronikkonzernen sofort an Beschränkungen, an Vorgaben und Standards, denen er sich zu fügen hat, wenn er die Möglichkeiten von Massenmedien für seine Kunst nutzen will. Ponton geht einen neuen Weg, denn hier wird der ganze Produktionsprozeß selbst gestaltet.

Das Ponton Lab verfügt über eine vollautomatischen Sendeanlage. Damit besteht die Möglichkeit, sich direkt auf jeden Sender der Welt zu schalten. Nur die Einrichtung eines eigenen Sendeapparates kann unter den hochkomplexen Produktionsbedingungen des elektronischen, global vernetzten Zeitalters noch etwas realisieren, was früher als "Autonomie der Kunst" bezeichnet wurde.
Das Einbeziehen der Zuschauerbeteiligung wird dabei ein Mittel zur Erforschung neuer Möglichkeiten, die dem isoliert arbeitenden Künstlerindividuum nicht zur Verfügung stehen.

Immer stärker wird bei Ponton daran gearbeitet, im Bereich der ästhetischen Gestaltung die Pfade zu verlassen, die eine am biedermeierlichen Naturalismus des 19. Jahrhundert orientierte Ästhetik im Bereich der Computergraphik, auch der Gestaltung dreidimensionaler "Virtual Reality", einseitig vorgezeichnet hat.

Bei Ponton wird auch im gestalterischen Bereich bewußt auf die Selbstdarstellung künstlerischer Virtuosität verzichtet. Die Aufmerksamkeit soll sich primär auf den Fluß der Kommunikation richten.

Bei Ponton wird an der Entwicklung des interaktiven Fernsehens gearbeitet. Weder fertig verpacktes Design noch die glatten Produkte verbaler "Kommunikationsexperten" sind gefragt, sondern in Erscheinung tritt die Einfachheit, die Normalität, die diesseits der Perfektion, der üblichen Wirklichkeitsinszenierung der Massenmedien, speziell des Fernsehens, liegt.

Dies führt auch zu einer eigenen Programmdramaturgie: Phasen geringer Ereignisdichte können sich spontan zu einem heillosen Durcheinander entwickeln, das sich dann in einem selbstregulierenden Prozeß wieder auflöst. Diese Live-Qualität des Geschehens liegt jenseits der üblichen Programmgestaltung des Fernsehens, die die Aktivität des Zuschauers auf das Bedienen der Fernbedienung beschränkt. Das Fehlen des "Rückkanals" liegt aber nicht am Medium selbst, sondern an einer 40jährigen Fernsehpolitik, die dem Zuschauer die Präsenz im Fernsehen weitgehend verweigert und gleichzeitig verhindert, daß das Fernsehen so alltäglich erfahren wird, wie es eigentlich ist.
KAREL DUDESEK:
Im verlorengegangenem gemeinsamen Reiche des Glaubens, im Zentrum der Sakralen Parodie.
Gott sei DANK und dem Papst (1994) auch der Versuch, Teile eines Textes von Grotovsky * mit meinen* temporär aufzumischen. *Wobei nicht gleich schräg ich und gerade er bedeutet.

Das Fensehen als Begegnung in Ballungszentren.
Makrointro: Die Gestaltung der Funktionen, auf ihre formalen Aufbauten, auf die Ausdrucksfähigkeit der Zeichen, Formen, Farben, Töne, Bewegung, Klänge, das heißt, Kunstvorgänge.

Die Form ist der Köder in einer Falle, der geistige Prozeß reagiert spontan auf ihn, muß aber gegen die Falle ankämpfen. Die Formen des allgemeinen Verhaltens verschleiern die Wahrheit. Die Arbeit führt eher zur Bewußtwerdung, als daß sie ein Produkt des Bewußtseins ist.
Mikroprozess: Beim interaktiven Fernsehen wird die Einteilung von Moderator, Künstler, Macher und Zuschauer aufgegeben, der Raum und das Feld für den Macher und Zuschauer wird immer wieder neu entworfen. Die Beziehung zwischen Moderator, Künstler, Macher und Zuschauer kann so unendlich variiert werden. Die Begrenzungen, Moderator, Künstler, Macher und Zuschauer lösen sich auf, die Menschen können so passiv und aktiv, abwechselnd oder gleichzeitig agieren. Der "virtuelle" Raum im Fernsehen und der "reale" Raum vor dem Fernseher kann als konkreter Schauplatz benutzt werden. Eine angemessenere Beziehung kann entstehen, jeder kann eigenständig Objekte bestimmen und Funktionen auswählen.

Humor im Lab: Erzähl das mal Leopoldseder.
Der Balkan, das ich und die Slaven: Die Eliminierung der bildnerischen Elemente, BILD, die ein Eigenleben führen, das heißt, noch etwas außerhalb dessen repräsentieren, als wofür die Funktion sie braucht, führt zur Erschaffung der elementarsten und sinnfälligsten Objekte durch jeden selbst.

Die Eliminierung der Musik, TON, die nicht nur vom Moderator, Künstler, Macher und Zuschauer erzeugt wird, ermöglicht, daß die Aufführung selbst zur Musik wird.

Die Eliminierung der Information, TEXT, die nicht nur vom Moderator, Künstler, Macher erzeugt wird, ermöglicht eine Erzählung von jedem.

Allen Fernsehproduzenten graut davor, Fernweh nach einer Heimat.
Warum beschäftigen wir uns mit Kunst, um die um uns gesetzten Grenzen zu überschreiten und um uns selbst zu verwirklichen. Das ist kein Zustand, sondern ein Prozeß. Ein Ort der Herausforderung, indem der Mensch allgemein akzeptierte und stereotype Ansichten, Gefühle und Urteile verletzt, ist er imstande herauszufordern.

Zwischen Verkaufen, Prostituieren und Opfern l'act gratuite.
Eine Kollektion oder der Vorrat von Klischees ist verbunden mit der Konzeption des Verkaufens oder des Käuflichen, Ansammlung von Fertigkeiten. Die Geräte, die zur Nutzung der "Freizeit" gebraucht werden, sind bereits verkauft, das reicht. Es ist nicht weiter mehr nötig, den Kaufrausch auszuleben oder anderseits weiter zu generieren. Der Mensch muß losgelassen werden, "HALLO, HALLO, ist da wer", der einzige verbleibende Wert kann ja nicht sein, daß immer neue Wege von Verkäufern in das Sein des Menschen gefunden werden, um ihn an den Rausch der Geräte anzuschließen.

Eine Hochkultur von Zuhältern und Drogendealern, wobei ich mir erspare, diese im Detail zu definieren.
Jedes wie auch immer ankommende HALLO, jeder Pfiff, jeder Rülpser ist mir lieber als die Werbetexte versprengter Zuhälter und Drogendealer.


Kunst und Design
Dank Andy Warhol wird Design nicht mehr zur Kunst. Aus und Schluß. Viele Künstler werden zu Layoutern, Sportlern und Designern, weil sie glauben, zuwenig Geld zu haben, jobben, kabeln sie bei Werbeagenturen, Architekten, Diskotheken, Videoproduktionen, Reproanstalten und Trendbüros.
Das: was, wie, wozu, für wen, dabei rauskommt, kennen wir, oder?
Privat und öffentlich, vordergründig und Hintergrundgedanken.


Was heißt Interaktivität?
´Selektion-Addition-Kommunikation
Vom Fach: Die meisten Entwicklungen im Bereich der Interaktivität definieren Selektion als Interaktion. Hypertext, CD-I, CD-ROM, interaktive Spiele und Sendungen haben jedoch lediglich eine Steigerung der Selektionsmöglichkeiten zur Folge. Zwei wichtige Elemente der Interaktion werden dabei vernachlässigt:
  1. die Addition und

  2. die Kommunikation.
Erst durch das Hinzufügen von Texten, Tönen und Bildern kann der Teilnehmer interaktiv werden und damit einen kreativen Umgang mit den Medien erlernen. Die Vernetzung und der damit verbundene Austausch von Daten fördert die Kommunikation und sensibilisiert für ein gegenseitiges Verständnis. Dies kann erreicht werden durch die gleichzeitige Bereitstellung eines offenen Systems und einer intelligenten Datenstruktur.

Die Benutzer zukünftiger interaktiver Fernsehprogramme erwarten eine vielschichtigere und intelligentere Anwendungs- und Bedienungsmöglichkeit. Unsere Arbeit ist nicht dazu da, ein kulturelles Bedürfnis zu befriedigen, Erwartungshaltungen zu erfüllen, Menschen zu unterhalten, Leuten nach der Arbeit Entspannung zu bieten, das ist Schwindel.

Filmeinstellung 36: Auf den Monitoren der Computermessen parkt der Klone von Marylin Monroe in einem roten Ferrari entlang des Data Superhighway auf dem Weg von Disneyland – Florida noch Hollywood – California, wo sie die KZs des Geistes besucht und singt "I am a material girl – Arbeit macht frei – Kameraden … " Ob über die List des Spielbergs jemals ein Film gedreht wird?

Wir befassen uns mit dem Zuschauer als genuinem Wesen, mit geistigen und körperlichen Bedürfnissen.
Unser Publikum ist nicht irgendeines, sondern nur ein spezielles.

Schon wieder Gelächter im Hintergrund.

SERVICE AREA A.I. INFORMATlON:
Telefonnummern, Einwahlmöglichkeit, Internet-Adresse und vieles mehr:
Telefon 0049-511-391307, Fax 0049-511-391644,
E-mail: service@ponton.hanse.de

AVIS Bestellungen:
Das Bildtelefon für jedermann, AVIS, wird nach Einzahlung postwendend zugesandt. DM 190 auf das Konto des Ponton Verlages bei der Deutschen Bank, Hamburg. Konto Nummer 6162044, BLZ 200 700 00. Die AVIS Software ist Freeware und über die Ponton Mailbox
(0049-40-2800080, 1.200–14.400, 8N1) zu beziehen.

Sponsoren und Unterstützung:
Siemens Nixdorf – Sybase – Dialogic – MMS – Cinetic
Apple Computer – Silicon Graphics – BinTec – DFN – Fast – Müller & Prange – Novavox – Pioneer – SCO – Sony – Sun – Techex – TSI – US Robotics
3sat
Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Niedersachsen – Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Wien/Österreich

Service Area a.i. Team – Hannover:
Baumann, Katharina – Bittner, Norbert – Dudesek, Karel – Erichson, Kay – Haude, Daniel – Heidersberger, Benjamin – Heinze, Katharina- Horns, Roey – Jonas, Till – Koloc, Rainer – Lütjens, Ole – Mann, Janek – Matthäi, Frank – Pempel, Olaf – Rennecke, Jörn – Roselius, Axel – Schmitz, Martin – Strothmann, Patrick – Tessloff, Manuel – Vanasco, Salvatore – Wolff" Christian

Anschrift:
Ponton European Media Art Lab
Lister Strasse 17
D-30163 Hannover
Tel.: 0049-511-627032 Fax: 0049-511-621799

special thanks:
Kai Uwe Peters, Dr. Höfler, Dr. Hannes Leopoldseder, Peter Zurek, Wolfgang Bergmann, Michael Faltis, Jochen Coldewey, Dr. Katharina Gsöllpointner, Dr. Walter Konrad, Prof. Peter Weibel, Prof. Dr. Klaus-Peter Dencker
fotos: Silke Mauritius