Der negierte Raum
'Albina Mirella D´Urbano
Albina Mirella D´Urbano
DER URSPRUNG
"Bilder sind bedeutende Flächen. Sie deuten – zumeist – auf etwas in der Raumzeit 'dort draußen', das sie uns als Abstraktionen (als Verkürzungen der vier Raumzeit-Dimensionen auf die zwei der Fläche) vorstellbar machen sollen."
(V. Flusser: "Für eine Philosophie der Photographie", 1991) Die Installation "Der negierte Raum" thematisiert das Verhältnis von Realität, Bild, Schrift und Simulation in bezug auf das Problem der Darstellung eines architektonisch definierten Raumes, der als kleiner Teil des physikalischen Raum-Universums im allgemeinen und der von Menschen gebauten Räume im besonderen angesehen werden kann.
Ausgangspunkt der Installation ist ein Ausstellungsraum, der zu verschiedenen Zeiten mit Bildern oder Objekten "ausgestattet" wird, die im kulturellen Kontext eine besondere Wertigkeit haben. Einerseits Präsentationsort der Installation, wird die spezifische Raumsituation andererseits selbst zum Subjekt der künstlerischen Arbeit, deren "Herberge" sie darstellt: sie stellt etwas dar und wird ihrerseits dargestellt.
Die Installation läßt den Raum, indem sie einerseits kaschiert und andererseits medial visualisiert, in vielfacher Hinsicht erfahrbar werden und konstruiert somit fast ein "Portrait" der Raumarchitektur.
Die Installation wurde in verschiedenen Phasen entwickelt. Zuerst ist eine Fotodokumentation des leeren Raumes gemacht worden, während der jede Wand einzeln aufgenommen wurde. Die entstandenen Bilder sind im Rechner digitalisiert und auf verschiedene Weise verarbeitet worden. Zunächst wurden die binären Daten der Bildinhalte im Computer als Text, als ASCII-Code interpretiert, dann auf weißes Papier gedruckt und im Ausstellungsraum als Tapete appliziert. Das schwierige Verhältnis zwischen der magischen Vorstellungskraft der Bilder und der linearen Begrifflichkeit der Schrift sind im Bezug 1:1 mittels des Interfaces des Rechners direkt übersetzt und als Paradox gelöst worden.
Millionen Zeichen bedecken die Wände, den Boden und die Decke, für jede der sechs Seiten des Raumes der ihnen eigene Code-Bildinhalt. Diese Operation des Informationstransfers der vom Gegenstand abgenommenen Daten legt sich vor die Realität und verhindert den direkten Blick des Beobachters. Der Raum wird gleichzeitig negiert und hervorgehoben, in die Zeit der Vergangenheit versetzt, die nur der Erinnerung und dem Gedächtnis gehört: ein entmaterialisierter Raum oder eine greifbar gemachte Idee.
In diesem unverständlichen semantischen Zeichen-Ozean versunken, befindet sich im Zentrum auf einem oben offenen Podest ein Modell des Raumes aus Draht. Innerhalb des Podestes, etwas hineingeschoben, befindet sich eine kleine Rückprojektions-Leinwand. Der Betrachter kann durch das Modell hineinschauen und die Bilder einer Computer-Animation sehen, die ein im Innern des Podestes aufgestellter Mini-Video-Beamer von unten auf die Leinwand projiziert. In diesem Video bilden die digitalisierten Fotos des Raumes die Flächen der Wände eines simulierten Computer-Modells. Aus dieser Zusammenstellung wird eine Raumdarstellung geboren, die die perspektivische Verzerrung der Reproduktionen mit der exakten Raumsimulation des Rechners vermischt und dadurch einen Moment der Deplazierung in der Darstellung des Objektes schafft. Es wird ein synthetischer Raum geschaffen, der die übliche Grenze der Beschreibung des kartesischen Raumes ignoriert, wo die Polarisierungen relativiert werden und die Definition von Innen und Außen nur eine Frage des Sichtpunktes ist.DER NEGIERTE RAUM – DIE MODELLWELT ln der Version für Ars Electronica '94" wird der reale Raum, der die Arbeit generiert hat, abgeschafft. Von dem ursprünglichen Objekt bleiben nur einige mögliche Interpretationen als Spuren: drei Architekturmodelle, die aus verschiedenen Materialien, mit verschiedenen Eigenschaften und Größen gebaut sind. Sie sind wie russische Puppen, parallele und konzentrische Universen, in deren Inneren sich als vierte Dimension die computergenerierte Simulation befindet.
Außen befindet sich das Modell der Sprache, des Mißverständnisses: Größe 1:2 im Verhältnis zum ursprünglichen Ort, seine Wände sind innen und außen von ASCII-Code-Zeichen bedeckt. Es ist wie die Miniatur-Reproduktion des nicht mehr existierenden Raumes und besitzt die gleiche Funktion: es ist die externe Hülle der ganze Installation. Der Besucher kann in dieses Objekt eindringen, um die anderen Teile der Arbeit zu sehen. Drinnen befindet sich zuerst ein geschlossenes Objekt, ein negatives Raummodell: die Wände, die dieses undurchdringliche Volumen umschreiben, bestehen aus Fotos des Innenraums. Hinzu kommt ein kleineres Drahtmodell als maximale Abstraktion der linearen Form des architektonischen Raumes. In der Mitte steht ein offenes Podest: der Betrachter kann wie in einen Brunnen hineinschauen und sich durch die interne Projektion einer Computer-Animation in den immateriellen synthethischen Raum des Rechners führen lassen.
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