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Ars Electronica 1994
Festival-Programm 1994
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Plan


'Fareed Armaly Fareed Armaly

"Intelligent Environment" – eine Ausstellung von Ars Electronica im neuen Design Center (DC).

Die anderen Veranstaltungsorte von Ars Electronica, das Brucknerhaus und das Landesmuseum, sind permanente, zu einem bestimmten Zweck gebaute Kulturstätten. Kulturelle Aktivitäten finden in Räumen statt, die nur so viel Veränderung zulassen, wie für die traditionellen klassischen Kunstformen notwendig ist. Die feststehenden Wände der Räume folgen der Logik des architektonischen Entwurfs.

Kulturstätten sind programmatisch mit einer Öffentlichkeit, dem gesellschaftlichen Leben einer Stadt, und symbolisch mit der Anlage der Stadt verbunden. So besteht zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen dem Gefühl dafür, was als "Kultur" in einem "Innenraum" erlebt werden sollte oder könnte, und dem, was im "Äußeren" der Architektur, in seiner Orientierung innerhalb der Anlage der Stadt, Ausdruck findet.

Das DC ist eine andere Art von Bauwerk. Entwurf und Programm folgen anderen Ausrichtungen. Wie bei allen großen Hallen ist ein wichtiger Ausgangspunkt das Ziel, ein Environment "liefern" zu wollen.

Vor allem bei Räumen dieser Größenordnung wird der Entwurf bestimmt von Aspekten wie: unvorhersehbare natürliche Einflüsse; die Überspannung eines größtmöglichen durchgehenden Volumens; die Schaffung eines Raumes mit möglichst gleichen Einheiten; eine strikte betriebliche Ökonomie; große Besucherzahlen.

Sowohl visuell als auch konzeptionell bietet das DC eine neue Auseinandersetzung mit alten Situationen an. Das heißt, mit architektonischen Lösungen im Laufe der Geschichte, bei denen die sogenannten "höheren" Anliegen der Architektur die technische Planung bestimmten (z.B. in Hinblick auf die Statik).

Ein Raum sollte nicht nur danach beurteilt werden, wie gelungen er als bauliche Konstruktion ist, sondern auch in bezug auf das, was als "Environment" angedeutet wird. Ein Ansatz, der verschiedene Technologien miteinander verwebt, macht das erkennbar, Das DC ließe sich vielleicht treffender als "user area" bezeichnen, die von zwei "interfaces" definiert ist: dem Boden und der Decke.

INTERFACE 1) BODEN
Die Ausstellung von Ars Electronica findet im Obergeschoß des DC statt. Der Fußboden ist für den Raum emblematisch. Seine scheinbare Massivität entpuppt sich bald als nichts anderes als eine Verkleidung, durch die man Zugang zu verschiedenen Versorgungssystemen hat Die Oberfläche besteht aus 50 x 50 cm großen Platten. Jede Platte kann abgenommen werden und bietet damit einen Zugriff auf die darunterliegende Ebene. Die einzelnen Platten können auch gegeneinander, z.B. gegen Platten mit Druckluftanschlüssen, ausgetauscht werden. Im darunterliegenden Raum werden Lüftungs- und Wasserleitungen geführt, die an die Hauptversorgungsstränge angeschlossen sind. Dieses Environment muß aber nicht nur mit Luft, Wasser und Strom versorgt werden, sondern auch mit Leitungen für Telefon, Computer und Fernsehen.
INTERFACE 2) DECKENKONSTRUKTION
Das Glasdach überspannt das gesamte Gebäude und scheint auf beiden Seiten fast den Boden zu berühren. Der Schlüssel zum DC ist der Umgang mit seinem immateriellsten Element – dem Licht. Hier ist ein Schritt vollzogen von reiner Transparenz, die Hinaussehen ermöglicht und Licht einläßt, hin zum "Interface". Die Decke ist in diesem Sinne kein "Fenster", sondern eine Anordnung von Filtern. Zwischen Isoliergläsern befinden sich Lamellen, oder Lichtraster. Die Position jedes einzelnen Glaspaneels und der darin integrierten Lichtraster in der bogenförmigen Dachkonstruktion ist im Hinblick auf den Einfallswinkel der Sonne genau berechnet.

Wie in der Optik wird das einfallende Licht gefiltert und wie etwas Materielles geformt. Das Bauwerk – ein überdachter Raum – steht hier nicht mehr für die Leistung, große Spannweiten zu realisieren, sondern für den Punkt, an dem Licht gefiltert, verändert und geformt wird wie etwas Materielles.

Es ist eine über Interfaces erfahrbare Welt. Das Gefühl für den Raum, unsere Beziehung im Raum und zur Welt draußen, entsteht nicht nur aus dem "Da-Sein", sondern auch aus dem Environment, der Filterung und Konvertierung der Übertragung verschiedener Elemente, nicht zuletzt des Lichts.

Der Umgang mit Licht ist historisch gesehen ein grundlegendes strukturierendes Element. Das nähert das DC an Räume wie gotische Kathedralen, Ausstellungsglaspaläste, Kinos an. Darüber hinaus stellt es aber als Environment auch eine Verbindung her zu einem Raumgefühl, wie wir es vom Fernsehen, vom Computerbildschirm und der kommenden neuen virtuellen Technologie kennen. Immer geht es dabei um den Fluß und die Formation einer Öffentlichkeit.

Das Decken-Interface läßt auch noch auf eine andere Art die Funktion der Halle als Ort des Handels anklingen. In der Dämmerung bekommt das Glas durch die integrierten Lichtraster noch eine zusätzliche Funktion – die eines Spiegels.
AUSSTELLUNGSDESIGN ALS"REFLEXION"
Wie bei allen Hallen gibt es auch beim DC keine fixen Innenwände. Dieser Teil von Ars Electronica verlangte allerdings komplette Raumkörper. In bezug auf die Planung einer Ausstellung schließen fixe Innenwände bestimmte Auseinandersetzungen bereits aus. Je konkreter die Wände, desto endgültiger die Auseinandersetzung. Sehr große Hallen verlangen eine temporäre Architektur. Die Wände stehen zwischen zweierlei räumlichen Erfordernissen – den Erfordernissen des DC und jenen der Ausstellung. Die permanenten Richtlinien des DC (Zufahrt für Rollstühle, Notausgänge, nur freistehende Konstruktionen, etc.) beziehen sich auf den großen öffentlichen Raum, in dem bestimmte Dinge nicht geschehen dürfen. Die Richtlinien temporärer Installationen zielen auf das ab, was in einem bestimmten Raum passieren soll.

Jede Betrachtung eines "Environments" schließt heute den Fluß der Medien mit ein. Ausstellungsarchitektur sollte deshalb vielleicht als analog zu den Medien betrachtet werden, mit denen sie mehr verbindet als mit den herkömmlichen Verantwortlichkeiten der Architektur. Poster, Schilder und Führer haben buchstäblich dasselbe Gewicht wie die Wände. Was dem Publikum als Informationsfluß mitgeteilt wird, ist ein Gefühl für die Ausstellung, für den Raum.

Die Massenmedien versuchen, die Öffentlichkeit um Information zu strukturieren, die mit dem technologischen Fortschritt zu tun hat. Sie bauen immer Erwartungen auf. Vor allem geschieht das bei neuen, zukunftsweisenden Technologien, die versichern, uns eine andere Welt erfahren zu lassen. Die Virtuelle Realität ist nur ein Beispiel.

In diesem Sinne ist es verständlich, daß Installationen mit Displays, Environments, neuen Technologien, etc. nicht so sehr das brauchen, was ein traditioneller Raum anbietet – d.h. schwere, tragfähige Konstruktionen -, sondern vielmehr "Rahmen", die "Raum" andeuten. Theoretisch drehen sich Entscheidungen mehr darum, wie zum Beispiel eine Fläche, die man zum Betrachten oder Ausprobieren einer bestimmten Präsentation braucht, angedeutet werden kann.

Während der Planungsarbeiten wurde klar, daß oft das Gegenteil zutraf. Die Planung temporärer Konstruktionen in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Installationen bedeutete oftmals, daß man sich komplexere Synthesen überlegen mußte, temporäre Konstruktionen, die genau die Eigenschaften nachahmten, die man mit permanenten Räumen assoziiert -tragfähige Konstruktionen, überdachte Räume, Dunkelheit, Stille und so weiter.

Das ist das Gegenteil von dem, was man bei einer großen Halle als Innenarchitektur erwarten würde. Das Ausstellungsdesign, die Linie, die zwischen der Architektur des DC und den Installationen zu ziehen war, entwickelte sich zu einem "Nexus" verschiedener Philosophien, die sich nicht immer ganz harmonisch, aber doch im Zweiklang zueinander verhielten: technische Lösungen, philosophische Standpunkte, Weltauffassungen – und manchmal einfach der Unterschied zwischen "Raum" und "Raum – Zimmer".

Einige technische Debatten über Installationen zukünftiger Technologien mögen mitunter unwesentlich scheinen, doch stehen sie für allgemeinere philosophische Haltungen.

Es geht darum, welche Beziehungen innerhalb der Parameter dieser Welt ein Individuum erfahren soll. Es ist zum Beispiel interessant, wie man an die Frage herangeht, ob die Massivität und Attraktion der Technik, von Maschinen, Projektoren, Computern, etc. "negiert" werden soll oder nicht.

Der Rahmen, der gesetzt werden muß, damit die Arbeiten "funktionieren" können, ist ein Environment, das, wie es scheint, sich immer noch mit traditionellen Fragen auseinandersetzen muß, wie etwa mit dem Gewicht, das eine Ansammlung sich bewegender Menschen darstellt, mit Fragen der Statik, der Schwerkraft, etc. In diesem Sinne ist der Ausstellungsort auch ein exemplarischer zeitgenössischer Kommentar.

Der Entwurf verbindet die Ausstellung mit der Architektur und den Designstärken des Ortes. Arbeiten, die für sich alleine stehen können, einen "Raum" ignorieren, negieren oder nicht brauchen, wurden mit Blick auf jene Installationen positioniert, die bestimmte "räumliche" Elemente brauchen. Diese sind zusammengruppiert, teilen sich tragfähige Wände und schaffen so den größtmöglichen Raum auf einer begrenzten Fläche, so daß von außen gesehen ein einheitlicher strukturierter "Innenraum" entsteht. Durch das Gesamtdesign, die Maßstabsverhältnisse und die symmetrische Positionierung werden Beziehungen aufgenommen, die in der Logik des Plans des DC ausgedrückt sind.

Mitarbeit: Ulrike Kremeier