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Ars Electronica 1994
Festival-Programm 1994
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Festival 1979-2007
 

 

Alles Spiel - Audience Participation


'Loren Carpenter Loren Carpenter / 'Rachel Carpenter Rachel Carpenter / ' CinematrixTM CinematrixTM

EINFÜHRUNG
CLNEMATRIX TM Interactive Entertainment Systems, eine inzwischen patentierte Technologie, schafft vollkommen neuartige Interaktivitätsformen. So können Zuschauer individuell und in Echtzeit mit Bildern auf einem Bildschirm interagieren und miteinander Spiele spielen, Fragen beantworten, Muster erzeugen und Entscheidungen über Abenteuer in einer kollektiven virtuellen Welt treffen. Möglich wurde diese Erfindung durch Innovationen in der Computergrafik und auf dem Hardware-Sektor. Bisher haben wir das System immer in einem geschlossenen Raum eingesetzt, in dem die Zuschauer saßen. In Linz wollen wir ein neuartiges Erlebnis schaffen, und zwar im Freien mit einer stehenden Zuschauermenge. Wir wollen die Grenzen dessen, was mit dem System möglich ist, noch erweitern. Bisher waren die Spiele notgedrungen relativ einfach. Wir sind aber davon überzeugt, daß mit Hilfe genetischer Algorithmen Gruppen interaktiv und kooperierend Formen kreieren können. Ars Electronica ist für ihre Innovationsfreudigkeit bekannt, und wir glauben deshalb, daß Linz der ideale Ort für die Premiere dieses kinoetischen Evolutionsschrittes ist.
MENSCHLICHE KOMMUNIKATION
Kommunikation ist bestenfalls unvorhersagbar. Mit je mehr Menschen man zu kommunizieren versucht, desto zahlreicher sind die Möglichkeiten für Mißverständnisse und Verwirrung. Ein paar Einführungsübungen am Anfang haben den Zweck, den Zuschauern zu zeigen, daß das System funktioniert und sie darin ihren Platz haben. Wichtig ist auch, daß das Publikum, bevor man mit Erklärungen beginnt, erst einmal mit den Zauberstäben experimentiert; das kann zu erheiternden Überraschungen führen. Dann kann man das Publikum z.B. auffordern, eine bestimmte Farbe anzuzeigen, die es dann auf der Bildwand sieht. Wenn eine andere Farbe angezeigt wird, ändert sich auch die Farbe auf der Bildwand entsprechend. Wenn man dann das Publikum in mehrere Gruppen teilt und die Übung wiederholen läßt, bekommen die einzelnen Teilnehmer eine bessere Vorstellung davon, wo ihre jeweilige Position auf der Bildwand ist, und können die Funktionsweise des Systems besser verstehen.

Die Verwendung passiver Reflektoren als Interface macht eine Verkabelung überflüssig und ermöglicht ein unmittelbares Feedback. Die Teilnehmer können agieren, ohne kompliziert Tasten drücken oder Hebel betätigen zu müssen. Das Konzept des Systems ist auf diese Art nicht nur insgesamt einfacher, sondern auch leichter nachvollziehbar. Kein Publikum hört sich gerne komplizierte Regeln an. Die Spiele müssen visuell verständlich sein und die richtige Mischung aus aktiver Teilnahme und verlockenden Aufgabenstellungen anbieten.
HARDWARE- & SOFTWARE-ANFORDERUNGEN
Das ursprüngliche Event mit Publikumspartizipation fand nach einer Entwicklungs- und Vorbereitungszeit von nur fünf Monaten im Rahmen der SIGGRAPH '91 statt. Viele Fragen mußten beantwortet und viele Probleme gelöst werden. Das erste große Problem war das Interface. Wie konnte das Publikum auf billige, sichere Art und Weise Signale an den Computer schicken? Taschenlampen wären zu teuer gewesen, und jeden Sitz zu verkabeln, kam nicht in Frage. Wie stand es aber mit dem Reflektieren von Licht? So kamen wir auf den sogenannten "Zauberstab", einen einfachen Stab mit "Reflexite".

Die Reflektoren sind die erste Beschränkung beim Entwurf eines solchen Spiels. Die Positionierung der Zuschauer ist äußerst wichtig. Das reflektierte rote oder grüne Lichtsignal muß von Videokameras aufgefangen und an den Computer weitergeleitet werden, der dann die Information je nach Spiel oder gestellter Aufgabe dechiffriert. Dabei ist besonders wichtig, daß das Signal jedes Teilnehmers einzeln erfaßt wird; jeder Teilnehmer muß repräsentiert werden. Die Kamera sieht eine Menge von Punkten, die vom Computer voneinander unterschieden werden müssen. Mit Hilfe eines Sitzplans läßt sich zumindest annähernd die Position jeder Person bestimmen. Dazu kommen dann aber Faktoren wie unvorhersehbare Bewegungen oder reflektierende Gegenstände im Raum. Die Lösung liegt deshalb in der Software. In den letzten drei Jahren gelang es, daß, wenn nötig, auf Sitzpläne verzichtet werden kann. Diese neue Methode wird in Linz im Rahmen von Ars Electronica, die den Grenzbereich von Kunst und Technologie als ihre Herausforderung ansieht, erstmals zum Einsatz kommen.

Jeder Ort hat seine Besonderheiten und Eigentümlichkeiten. Grundsätzlich gelten die Gesetze der Photographie. Mit einem Weitwinkelobjektiv sieht die Kamera mehr; Kameras und Lichter brauchen Strom; Rot, Grün, Blau und Sync müssen in die richtigen Computerports geführt werden. Wichtig ist, daß jeder Teilnehmer repräsentiert wird.
DIE SPIELE
Wie eingangs erwähnt, erfolgt der Input der Zuschauer in Echtzeit. Jedes Spiel muß kurz erklärt werden, wobei es uns vor allem um Spiele geht, bei denen das Publikum entweder Teams bildet oder als ganzes zusammenarbeitet. Bei einem Spiel für zwei Teams gibt es z.B. auf jeder Seite der Bildwand einen "Schläger", mit dem ein Konferenzlogo oder irgendetwas für die Gelegenheit Passendes bewegt wird. Grün bewegt den Schläger des Teams nach oben, Rot nach unten. Wenn eine Seite sieht, daß ihr Schläger sich nach oben bewegen soll, halten die Teilnehmer die grüne Seite ihres Reflektors in Richtung der Kameras und Lichter. Wenn jeder im Team Grün anzeigt, geht der Schläger zu weit nach oben, und die Teilnehmer müssen das Signal abschwächen, indem ein paar von ihnen Rot anzeigen oder ihren Reflektor noch unten halten. Diese Entscheidungen müssen schnell und intuitiv getroffen werden und führen zu einer fließenden Bewegung, was sehr spannend sein kann. Von diesem Spiel werden ständig neue Varianten entwickelt.

Der rotierende Würfel ist eine Übung, bei der das ganze Publikum zusammenarbeiten muß. Ein bunter Würfel rotiert auf zwei Achsen, wobei jede Achse von einer Hälfte des Publikums gesteuert wird. Rot dreht den Würfel in eine Richtung, Grün in die andere. Das Ziel ist, den Würfel dann anzuhalten, wenn die blaue Seite sichtbar ist. Das ist keine leichte Aufgabenstellung, aber ein Publikum, das schon aufgewärmt ist, wird keine Schwierigkeiten haben, den Würfel in die richtige Position zu manövrieren.

Ein Flugzeug zu fliegen verlangt von allen Teilnehmer viel Geschick. Eine Gruppe steuert die horizontale, die andere die vertikale Neigung. Dieses Spiel wurde mehrfach modifiziert, um es für die Teilnehmer spannender zu machen.

Das Feedback, das wir auf diese Spiele bekommen haben, hat gezeigt, worauf bei der Entwicklung neuer Spiele besonders zu achten ist. Die Teilnehmer müssen genau wissen, wo sie sind und wie ihr Reflektor mit dem Geschehen zusammenhängt. An der binären Beantwortung von Fragen finden sie nur dann Spaß, wenn sie das Thema wirklich interessiert und es sich um einen Wettbewerb handelt. Spannend wird es für konkurrierende Teams bei solchen Wahr/Falsch-Fragespielen nur, wenn sie das Ergebnis sofort sehen.

Bei Spielen, die von den Teilnehmern nicht Exaktheit, sondern intuitive Entscheidungen verlangen, scheinen Menschen anders miteinander zu kommunizieren und ihr normales, lineares Denkschema abzulegen. Das könnte unter anderem erklären, weshalb so viele Menschen bei diesen Spielen so aufgeregt sind. Das CINEMATRIX TM System gibt ihnen die Gelegenheit, auf eine ganz neue Art miteinander zu arbeiten. Die Technologie ist noch jung und für neue Ideen offen. Von verschiedenen Seiten wurde eingewendet, daß man mit diesem System Menschen, die sich in einem erregten Gemütszustand befinden, steuern könnte. Nachdem es dabei aber vor allem um persönliche Entscheidungen geht, halten wir das für nicht sehr wahrscheinlich, haben das System aber trotzdem in den USA, in der EU, in Japan und in einigen anderen Ländern patentieren lassen. Unsere Technologie soll dazu verwendet werden, Menschen Freude zu bereiten und ihre Kooperationsfähigkeit zu entwickeln.

Solch ein kollaboratives Erlebnis unter Verwendung genetischer Algorithmen wird im Rahmen von Ars Electronica erstmals vorgestellt, Das Publikum wird durch seine Entscheidungen kollektiv einen Organismus erschaffen, Dabei ist das Ergebnis jeder Entscheidung sofort sichtbar. Es können mehrere Segmente gleichzeitig bearbeitet werden, und die Entscheidungen werden sofort umgesetzt. Das ist etwas ganz Neues und wir wissen nicht genau, was passieren wird oder was inzwischen sonst noch erfunden wird. Das macht die ganze Sache so spannend.