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Ars Electronica 1993
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Gentechnologie und Ethik


'Reinhard Löw Reinhard Löw

Die Gentechnologie ist im letzten Jahrzehnt in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten gerückt, wobei das Spektrum der Meinungen von ihrer vorbehaltlosen Befürwortung bis zur radikalen Ablehnung reicht. Während die Kritiker zunächst primär die Sicherheitspolitik ins Blickfeld rückten, konzentriert sich mittlerweile die eigentlich ethische Diskussion auf das Verhältnis von menschlichem Können und menschlichem Dürfen.

Um hier überhaupt ethisch argumentieren zu können, muß als Basis die Möglichkeit eines vernünftigen Gesprächs über Gut und Schlecht anerkannt sein, welches nicht nur Ausdruck partikularer Moralen ist. Mit dieser prinzipiellen Zustimmung lassen sich dann in Güterabwägungen die verschiedenen Bereiche gentechnologischer Eingriffsmöglichkeiten beurteilen.

Für den nichtmenschlichen Bereich ergibt sich, daß trotz gewichtiger Gegenargumente aus dem Sicherheitsbereich, aus der Alternativforschung und dem Tierschutz die Gentechnologie auch ethisch als wünschenswert erscheinen kann resp. erscheint. Auch bei einer eventuellen jetzigen Ablehnung von Experimenten oder Produktionen könnte sich die Güterabwägung mit geänderten Parametern ändern.

Im menschlichen Bereich ist die Beurteilung diffiziler. Bei der Genanalyse, welche Menschen einen bessere Lebensplanung erlauben könnte, ist neben Freiwilligkeit, Datenschutz und Vertraulichkeit auch der weitere Rahmen zu berücksichtigen, innerhalb dessen sie vorgenommen wird: Die Möglichkeit von Diskriminierung und Ächtung bis hin zur Auslese "lebensunwerten Lebens", besonders im vorgeburtlichen Stadium des Menschenlebens, muß ausgeschlossen werden.

Die Gentherapie an Körperzellen (somatische Gentherapie) befindet sich fast ausschließlich im Experimentierstadium und ist ethisch etwa so einzuschätzen wie die Organtransplantation – mit allen Vorteilen und Bedenklichkeiten.

Die Gentherapie in der Keimbahn, also der gentechnologische Eingriff an befruchteten Eizellen, ist ethisch strikt abzulehnen. Hier wird nicht eine menschliche Person geheilt, sondern ihre Identität manipuliert. Keimbahngentherapie führt nicht zu einer "schöneren Welt", sondern zu einer ständig wachsenden, irreversiblen Macht der jetzigen Menschen über die kommenden Generationen, und d.h., von jenen aus gesehen, zu einer Herrschaft der Toten über die Lebendigen.

Zum Schluß sind zwei ebenso populäre, pauschale wie falsche Argumente in gentechnologischen Debatten zurückzuweisen, nämlich "die Natur macht es doch auch", und "kein Biologe will unmoralische Sachen machen".