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Ars Electronica 1993
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DADA in der Wissenschaft


'Johannes Voggenhuber Johannes Voggenhuber

Die besondere Faszination der Gentechnik liegt in der Behauptung ihrer Befürworter, daß sie es ermögliche, Organismen, Pflanzen und Tiere exakt nach Wunsch fertigen, tunen oder designen zu können. Die Vorstellung, der umweltverschmutzten Schöpfung selbst auf die Sprünge zu helfen, müllfressende Superbakterien, herbizidresistente Pflanzen oder abwasserfeste Riesenforellen zu erzeugen, nährt frühkindliche Allmachtgefühle: So soll der bisher wechselwarmen Tieren vorbehaltene Winterschlaf – genauer, ein Gen, von dem die Forscher meinen, daß es Winterschlaf verursache – Rindern ins Genom gepackt werden, damit in kalten Gegenden mit längerer Vegetationspause die Tierhalter im Winter Futterkosten sparen können.

Doch kann die gräuliche Praxis mit der bunt-schillernden Theorie nicht mithalten, da die Ergebnisse kaum vorhersehbar sind, ist doch bei komplexen Organismen ungewiß, wo und wie Gene eingebaut, aktiviert bzw. deaktiviert werden: Theoretisch ist auch in der Gentechnik Zwei und Zwei Vier, doch weicht in der Praxis die Summe meist von diesem Ergebnis ab, weil vorwiegend mit biologischen Zufallszahlen gerechnet wird.

Durch das wahllose Kombinieren unterschiedlichster genetischer Versatzstücke ist die Gentechnologie die Wissenschaft der Postmoderne schlechthin, das zufällige Zusammentreffen von Nähmaschine und Regenschirm auf einem Seziertisch. Sie ist der Einzug von DADA in die Wissenschaft. Während sich die Dadaisten aber als Anti-Künstler definiert und die Kunst durch Provokation und Spaß belebt haben, machen die Gentechniker mit ihrem biologischen Lotteriespiel Ernst. Der unerschöpflichen Fantasie der Dadaisten ist es nicht eingefallen, sich Exlusivrechte auf Alphabete und Buchstaben, Tonleitern und Töne zu sichern; solche Späße sind erst für die neuen Biologen selbstverständlich, die sich nicht scheuen, Gene, Pflanzen und Lebewesen als Erfindungen patentieren zu lassen, um eine Art genetische Leibeigenschaft einzuführen.

Die Erkenntnis, daß die isolierte Betrachtung von Einzelaspekten unzureichend ist, weil die Erde ein kompliziertes Ökosystem bildet, läßt das Versprechen der Gentechniker, daß ihr Instrumentarium alle Umwelt-, Abfall-, Ernährungs-, Fortpflanzungs- und sonstigen Lebens-Probleme der Menschheit lösen könne, als Mangel an Erfahrung erscheinen. Der besinnungslose Umgang mit Leben, das im kalten Licht von Wirtschaftsinteressen mangelhaft scheint und zu verbessern sei, entpuppt sich als gefährliche Kurzsichtigkeit. Denn während die Evolution in kleinsten Schritten langsam, aber sicher neue Verhältnisse schafft, Organismen sich gegenseitig entwickelnd aufeinander einstellen, behutsame Verschiebungen im Ökogefüge stattfinden, wollen Gentechnologien über Nacht die Schöpfung auf den Kopf stellen.

Die große Gefahr der Gentechnologie ist ihr Mangel an Fehlerfreundlichkeit: Gentechnisch manipulierte Organismen können einmal freigesetzt nie wieder vollständig zurückgeholt werden, vermehren und verbreiten sich, können natürliche Organismen verdrängen, das empfindliche Ökosystem völlig durcheinanderbringen.