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Ars Electronica 1993
Festival-Programm 1993
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Festival 1979-2007
 

 

Das sehende Ohr


'Bernhard Leitner Bernhard Leitner

In mehrjähriger Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Künstlern entstand ein zukunftsweisendes Instrument zur Gestaltung von Klang und Raum.
Projekt Ton–Räume P7130-TEC
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Wien

Projektleiter: OHS Prof. Dr. Bernhard Leitner
Hochschule für angewandte Kunst, Wien; Dr. D.I. Heinrich Pichler, D.I. Geza Beszedics, D.I. Franz Pavuza, Ing. Manfred Wawra, Technische Universität Wien, Institut für allgemeine Elektrotechnik und Elektronik

SOUND SPACE MOTION SYSTEM 1
SSMS1 ist ein digitales 16 Bit Audio System hoher Übertragungsqualität mit 4 Eingängen und 16 Leistungsausgängen. Das System dient zur Verteilung von Audio Eingangssignalen auf die voneinander unabhängigen Ausgänge, wobei die einzelnen Parameter zeitlich verändert werden können. jeder Eingang und Ausgang besitzt einen Klangregler, der ebenfalls durch zeitlich veränderbare Parameter eingestellt werden kann.

Die Steuerung der Maschine erfolgt über ein serielles Datenprotokoll von einem Steuerrechner aus, der die Daten über ein Interface an die Maschine und den CD–Player (Ton-Material-Speicher) übermittelt.

Die Erstellung der Parameter erfolgt mit Hilfe eines in Turbo Pascal geschriebenen Programmes. Komponieren und Editieren mit graphischer Oberfläche, Eingabemöglichkeit in Fenstertechnik. Einzelne Figuren-Module werden aus einer Bibliothek zu Raum-Kompositionen zusammengefügt, wobei bis zu 10 Ton-Räume zeitgleich aufgerufen werden können.

Ton-Räume sind eine körperlich–sinnliche Erfahrung, ein neues Hören/Erleben von geformten Klang-Hüllen. Erst durch die moderne Technik ist dies künstlerisch denkbar und ausführbar geworden. So sind meine eigenen Arbeiten und Untersuchungen auf diesem Gebiet seit 1968 von technologischen Entwicklungen nicht zu trennen.

Das Sound space motion system 1 (SSMS1) ist das erste voll digitalisierte System, um Klang-Bewegungen im Raum, um aus Klang geformte Raum-Gebilde graphisch aufzuzeichnen und zu bearbeiten. Es erlaubt eine von (bis zu) 16 outputs (Lautsprechern) akustisch sofort überprüfbare visuelle Notation der zeitlichen Evolution eines Ton-Raumes mittels Hüllkurven und Klangfarben.

Das menschliche Ohr kann mehrere akustische Räume gleichzeitig lesen. Davon ausgehend kann jeder der 16 Ton-Orte (bis zu) 4 inputs gleichzeitig wiedergeben: so daß jeder Ton-Ort gleichzeitig Schnittpunkt von mehreren Klang-Bewegungen im Raum sein kann, beziehungsweise jeder Ton-Ort gleichzeitig Teil verschiedener Ton-Raum-Figuren ist. Erst die graphische Zeit-Raum-Notation des SSMS 1 erlaubt es, die daraus resultierende hohe akustisch-bildnerisch-räumliche Komplexität nachvollziehbar aufzubauen, lesbar hörend zu überprüfen und hörbar lesend durchzukomponieren.

Bernhard Leitner


Johann Sebastian Bach spricht im Jahre 1733 mit Selbstverständlichkeit von der "Wißenschaft, welche ich in der Musique erlanget". Noch vor 178 Jahren, als Johann Prechtl, erster Direktor des Wiener Polytechnikums, der heutigen Technischen Universität, seine Inaugurationsrede hielt, meinte er mit dem Ausdruck "Kunst" sowohl Kunst, als auch Technik, ganz im Sinne des griechischen.

Die extreme Arbeitsteilung und der starke Wissenschaftsbezug der Techniken des 20. Jahrhunderts haben eine bedauerliche, nicht zwingende Entkoppelung von Kunst und Technik gebracht und damit den Konstrukteur einer wertvollen menschlichen Komponente seines Wirkens beraubt. Es ist ein Gebot der geistigen Gesundheit, Kunst und Technik zusammenzuführen, unter anderem auch das Ausschöpfen des Potentials neuer Techniken, wie der Mikroelektronik, durch neue Kunstformen. Beim Projekt "Ton–Räume/Steuersystem SSMS1" haben Gleichgesinnte zusammengefunden: Der schöpferische Künstler Bernhard Leitner, kongeniale Konstrukteure der TU. Wien und der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der durch die Finanzierung eines "Kunst und Technik"–Projektes auf seinem Gebiet eine Pionierleistung erbracht hat.

Fritz Paschke

TECHNISCHE DATEN:
16 Bit Audio System mit Steuerrechner
4 Eingänge: asymmetrisch 0.7 V Pegel an 10 KOhm für Vollaussteuerung
16 Ausgänge: 60 W an 8 Ohm (100 W an 4 Ohm)
Frequenzgang: 12 Hz––20 KHz
Störabstand: 86 dB Steuerrechner PC 486/33
20 Signalprozessoren TMS320/33
20 Kontroller INTEL8031
CD–Player mit Steuerrechner
4 Denon CD player
SCSI–Bus
Steuerrechner PC 386/40