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Ars Electronica 1993
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Genetix


'Niki Nickl Niki Nickl

ERLÄUTERUNGEN ZUR DREITEILIGEN ARBEIT
Zum Verständnis meiner Arbeit möchte ich vorerst einige Begriffe erklären. Unter Genetik versteht man die klassische Vererbungslehre, also Kreuzungsversuche und deren Analyse, im Gegensatz zur Gentechnologie – die eigentliche Bezeichnung biochemischer Manipulation, das Eingreifen in die Erbsubstanz. Der Ausgangspunkt dieser Manipulation ist das Gen, der universelle Informationsspeicher aller Lebewesen. Hier sind zum größten Teil die Eigenschaften (Charakteristika) gespeichert. Ein Gen besteht aus einer Kombination von DNA, so wie sie auf meiner Acrylglasplatte zu sehen ist.

Warum mache ich die DNA auf meiner Platte nur unter fluoreszentem Licht sichtbar? Hier besteht im Verfahren der Sichtbarmachung eine Analogie zur Wissenschaft. In der Molekularbiologie wird die DNA durch Einfärben mit einem fluoreszenten Farbstoff auf einer Trägersubstanz, einem milchigweißen Gel, sichtbar gemacht. Allerdings stellt sie sich in Folge nicht als Doppelhelix dar, sondern als nur von Wissenschaftlern interpretierbare Abfolge von Strichen. Bei normalem Licht ist auf der Trägersubstanz, dem Gel, nur eine blaue Markerfront sichtbar. Darum auch die Wahl der blauen Farbe für die Punkte auf der Vorderseite, die sich an einigen Stellen häufen, aber keinem bestimmten System zu folgen scheinen. Sie könnten an Planetensysteme erinnern. Erst unter Schwarzlicht wird der komplizierte Aufbau und die Zusammengehörigkeit sichtbar. Erkennbar wird, wie sich aus vielen kleinen Einzelteilen ein komplexes Ganzes zusammensetzt und erst durch Interagieren und Rückkoppeln ein System funktionieren kann; wie im Kleinen so im Großen. Mikrokosmos – Makrokosmos. jedes Lebewesen, ob Pflanze, Tier oder Mensch besteht in seinem Ursprung aus ein und derselben DNA. In den Genen unterscheiden sie sich.

Womit ich beim zweiten Teil meiner Arbeit, dem KLONING KIT wäre. Ein Kloning Kit ist ein kommerziell erhältliches Puffer– und Enzymset, praktisch ein Baukasten zum Klonieren. Das Klonieren ist ein Vorgang bei dem ein Gen in einen Organismus (z.Zt. noch so einfache wie Bakterien) eingeschleust wird um identische Lebewesen mit neuen, gleichen Eigenschaften künstlich zu erzeugen. Dieses gentechnologische Verfahren beinhaltet eine der grundlegenden Gefahren der Genmanipulation: eine Normierung und Industrialisierung von Leben auf eine kommerzielle Nutzung hin ausgerichtet; letzteres bringt auf keinen Fall eine Qualitätsverbesserung mit sich – im Gegenteil (genormte Apfelgrößen – erhöhter Geschmacksverlust). Dieses Problem machen sich viele Wissenschaftler nicht bewußt, oder sie verzichten aus einem rein wissenschaftlichen Interesse darauf. Wissenschaft als Selbstzweck. Aus diesen Gründen auch meine Umsetzung in Form eines Legespiels. Spiele abstrahieren die Wirklichkeit, sie entrücken sie dem Spieler, dem Wissenschaftler. Dieses Spiel mit den Köpfen symbolisiert für mich einen verspielten, entrückten, bedenklichen Umgang der Wissenschaftler mit Leben. Jene verleihen ihren Sujets einen abstrakten Charakter indem sie in einer reduktionistischen Vorgangsweise bis in molekulare Bereiche vordringen, dadurch den Blick für eine Gesamtheit verlieren und schlußendlich an Modellen der Wirklichkeit operieren.

Nun zum dritten Teil meiner Arbeit: eine Diaprojektion mit dem Titel HARD NUMBER ONE – dies bezeichnet eine kanadische Hybridweizensorte. Eine kurze Erklärung zur verwendeten Aufschrift. Restriktionsenzyme sind Proteine, die Gene (DNA) an spezifischen Positionen zerschneiden, um sie nachher neu zusammensetzen zu können; also ein unverzichtbares Werkzeug der Gentechnologie. Es ermöglicht die Neukombination von Genen, d.h. die Veränderung von Eigenschaften vielfach im Dienste der Industrie. (Erhöhte Resistenz gegen Insektizide)

HARD NUMBER ONE setzt sich mit Wirklichkeit und Projektion auseinander. Dies geschieht in Form einer Karte – einem As. Als Figur die Chemie, als Symbol der Meßzylinder mit der Plastikkornähre. Weiters ist die Arbeit geteilt in die Projektion, projizierter Schatten einerseits und real vorhandene Gegenstände (Plakat, Meßzylinder, Kornähre) realer Schatten andererseits.

Einige Fragen, die diese Arbeit für mich beinhaltet:
Was an Weltverbesserung oder – rettung = Rechtfertigung projiziert ein Gentechniker in die Herstellung einer Pflanze, die sich nicht vermehren oder erhöhten Pestiziddosen ausgesetzt werden kann?
Wie sieht die Wirklichkeit nach dem mehrmaligen Säen von Hybridsamen aus?
Was hat der Bauer von einem ausgelaugten Boden, im Gegensatz zum Chemiekonzern, der alljährlich seinen Samen zum Verkauf anbietet?
Wer hält das As in Händen?