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Ars Electronica 1993
Festival-Programm 1993
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Das "Kulturmeter" oder die Kunst des multikulturellen Mischens (Lehrspiel zum Abbau von Fremdenangst)


'Wolfgang Hilbert Wolfgang Hilbert

1. BESCHREIBUNG, AUFBAU:
Das "Kulturmeter" stellt ein eine Art Barometer für das kulturelle Leben eines Landes dar und mißt den Grad der Entwicklung von Kunst und Kultur. Zusätzlich erlaubt es dem Anwender durch Öffnen von Grenzen in das Kulturgeschehen einzugreifen. Er schlüpft gewissermaßen in die Rolle eines Politikers, der es in der Hand hat, Einwanderungs-, Grenzpolitik und somit Kulturpolitik zu beeinflussen.

Das Simulationsprogramm stützt sich auf die Theorie, daß jede Kultur durch die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen bereichert und erweitert wird und zwar durch Übernahme anderer Denk- und Sehweisen sowie anderer Traditionen. Im Gegensatz zu Staaten, die ihre Grenzen hermetisch abriegeln (z.B. Deutschland im '3. Reich') entwickeln multikulturelle Staaten (z.B. Österreich zur Zeit der Monarchie, USA) ein außerordentlich reiches Kulturleben, das weit über die Grenzen hinaus Anziehungskraft hat und damit selbstverstärkend wirkt.
Die Meßskala des "Kulturmeters" ist eine sechseckige Fläche (Bildschirmausschnitt), die den Lebensraum von sogenannten "Kulturzellen" darstellt. "Kulturzellen" sind eine Metapher für das Kulturleben eines Volkes.
Neben der quantitativen Ausbreitung der Kultur (Menge der Zellen) spielt hauptsächlich ihre Qualität bzw. Vielseitigkeit, die durch leuchtende Farben der Zelle ausgedrückt wird, eine besondere Rolle.
2. FUNKTION DES COMPUTERPROGRAMMES:
Die Zellanimation funktioniert in etwa nach dem Prinzip des "Game of Life" von J.H. Conway (d.h. nach den Regeln des Überlebens, der Geburt, des Sterbens) mit folgenden Erweiterungen: Beim Zusammentreffen der einheimischen "Kulturzellen" mit "Fremdkulturzellen" entstehen neue andersfarbige "Mischkulturzellen". Für den Betrachter wird dadurch das optische Erscheinungsbild bunter und interessanter, wobei der Eindruck vermittelt werden soll, daß sich das Kulturleben insgesamt bereichert und erweitert hat.
3. INTERAKTION:
Der Anwender hat die Möglichkeit, die kulturelle Entwicklung der Zellen aktiv zu beeinflussen. Er kann mittels Drehregler insgesamt 4 verschiedene Grenzen des heimatlichen Kulturlebensraumes öffnen bzw. schließen und somit den Zustrom von "Fremdkulturzellen" dosieren.

Ziel: Ideale Kulturmischung
Das Ziel des Anwenders muß sein, die Fremdkulturen mit der heimischen Kultur im richtigen Verhältnis zu mischen.

Wieviele Fremdkulturzellen und von welcher Farbe (Art der Fremdkultur) über den heimatlichen Kulturlebensraum verstreut werden, hängt von der Öffnungsweite und -dauer der jeweiligen Grenze ab. Die Öffnungsweite wird optisch in einen Feld unterhalb des Drehreglers in Form eines Balkendiagrammes dargestellt. Dreht man einen Regler im Uhrzeigersinn, öffnet sich die Grenze (die Balken wandern von einander weg) und deine größere Anzahl von "Fremdkulturzellen" des jeweiligen Volkes werden im Kulturlebensraum gleichmäßig verteilt. Dreht man den Regler in die entgegengesetzte Richtung, schließt sich die Grenze wieder und der Einwanderungsstrom des jeweiligen Volkes wird vermindert. Das Programm verarbeitet auch die gleichzeitige Betätigung von mehreren Reglern, so daß der Zustrom von Zellen aus verschiedenen Kulturkreisen zur gleichen Zeit ermöglicht wird.

Mögliche Endzustände des Spieles:
I.
Fall der Anwender die Grenzen zu wenig oder gar nicht öffnet, wirkt sich das in einem farblosen, eintönigen Erscheinungsbild des Kulturraumes aus und die Anzahl der Kulturzellen stagniert.

II.
Falls er die Grenzen unkontrolliert öffnet, d. h. zu weit oder zu lange offen läßt, kommt es zur Abschwächung oder Überfremdung der einheimischen Kultur.

III.
Wenn man bei der Grenzdosierung ein oder zwei Völker bevorzugt bzw. benachteiligt, ergibt sich ein Übergewicht einer Farbe (Farbstich), das den Überschuß der jeweiligen Fremdkulturzellen repräsentiert.

IV.
Den größten Erfolg erzielt der Anwender, wenn er die Grenzen in annähernd gleichen Zeitintervallen genügend lange öffnet bzw. schließt, um so das idealste Kulturmischverhältnis zu erreichen. Auf dem Monitor erscheint als visuelle Belohnung ein ästhetisches, buntes, interessantes Kulturerscheinungsbild.
Das erzielte Ergebnis wird nach ca. 2 Minuten Spieldauer zusätzlich schriftlich in Form von Meldungen ausgegeben und das Spiel beginnt erneut mit einer vom Computer zufällig ausgewählten Startposition.

4. KÜNSTLERISCHE RECHTFERTIGUNG, GEGENWARTSBEZUG:
Die Auseinandersetzung mit den Kulturmeter hat das Ziel, den Anwender auf spielerische Art und Weise die Vorteile einer Mischkultur optisch zu veranschaulichen und sein Bewußtsein positiv zu beeinflussen, um eventuell vorhandene unbewußte Ängste vor Fremden abzubauen.

Programmierer: Richard Hilbert

Dank an IMS-Connection (Integrierte Management Computer), Linz