Beiträge zur Endophysik: Wahrnehmung: Die Welt Betrachten oder Unsere Theorien Betrachten
'David D. Hoffman
David D. Hoffman
Sehen scheint mühelos und direkt. Wir machen einfach unsere Augen auf und betrachten die Welt. Mit einem Blick können wir die Gestalten von komplexen Objekten wahrnehmen, seien jene Objekte bekannt, oder seien sie wie die unten gezeigten Abbildungen weniger bekannt. Aber diese anscheinende Leichtigkeit und Direktheit täuscht. Beachten Sie z.B., daß obwohl die in den unten gezeigten Abbildungen angeführten Linien tatsächlich auf der Seitenflächen liegen müssen, sie sich doch dreidimensional wellenförmig zu bewegen scheinen. Ihr visuelles System hat die wellenförmige Bewegungen erfunden. Beachten Sie auch, daß obwohl die zwei Figuren identisch sind (außer, daß eine um 180 Grad gedreht ist), ihr Aufbau aus Hügeln und Tälern dennoch ziemlich anders ist. Für die Figur links sind die mit Bindestrich versehenen Konturen in den Tälern, wobei sie für die Figur rechts oben auf den Hügeln sind. Ihr visuelles System erfindet nicht nur die Tiefe, die man sieht, sondern sie organisiert die Erfindung auch den Gesetzen nach, welche offenbar von der Orientierung der Figur abhängen.
Diese Figuren sind ein Problem für die "Direktheit" der Wahrnehmung. Direkte Fehlwahrnehmungen scheint ein Widerspruch zu sein. Sind aber diese Figuren nur Spezialfälle? Oder ist die Wahrnehmung in allgemeine ökologisch natürlicheren Situationen auch ein Prozeß der schnellen, klugen, und vielleicht unbewußten Erfindung? In dieser Rede untersuchen wir die Struktur von aktuellen Theorien des robotischen und menschlichen Sehvermögens auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen. In dem Prozeß entdecken wir, daß alle Theorien von spezifischen wahrnehmenden Kapazitäten, wie z.B. Stereovision, Kanten-Erkennen und die Wahrnehmung von Oberflächenfarben, eine gemeinsame formelle Struktur haben. Diese formelle Struktur in Betracht ziehend verschafft eine Anleitung zur Auflösung dieser Fragen. Es ermöglicht uns auch, das Problem der Beziehung zwischen dem Beobachter und der Welt mit größerer Genauigkeit zu untersuchen.
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