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Ars Electronica 1992
Festival-Programm 1992
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Festival 1979-2007
 

 

Vorspiel


'Christoph Steffner Christoph Steffner

DIE GÖTTER LACHEN HÖREN
Eleonora Louis und Christoph Steffner im Gespräch
L: Könntest du grob einige Grundzüge deiner Arbeit charakterisieren? Das Spektrum ist ja ziemlich breit.
S: Die Arbeiten selbst sind meist struktureller Natur, objekthaft. Auf jeden Fall nicht anekdotisch. Das Spektrum ist breit, was die Auswahl der Medien betrifft. Ich habe jetzt dem virtuellen Medium seine Intimsphäre zurückgegeben, indem ich es auf sich selbst gerichtet habe. Ich habe sozusagen zwei Seiten eines Systems aufgegriffen und bearbeitet, wie das ja auch in anderer Form bei den Filmmaschinen der Fall ist. Dort habe ich allerdings die eine Seite, den Verdichter, dazuerfunden.
L: An den Maschinen arbeitest du ja seit ungefähr fünf Jahren. Was war das spezifische Interesse, das dich von den Zeichnungen und Bildern zu den Maschinen gebracht hat?
S: Schon in Linz und dann in Berlin habe ich Zeichnung und Filmarbeit parallel betrieben. Bei den Zeichnungen gab es von Anfang an den Hang, in Serien und Blöcken zu arbeiten. Es haben sich von selbst Bezüge zwischen den Blättern eingestellt; nicht vorsätzliche, das war Teil des Spiels.
L: Es geht also um die Verschiebung der einzelnen Elemente untereinander, um ein Spiel.
S: Ja. Und beim Film war es so, daß eine Annäherung an Musik eine Urintention war; von diesem rhythmischen Element her, oder generell vom strukturellen. Ich habe in der Hauptsache mit verschiedenen Aufnahmegeschwindigkeiten gearbeitet. Die meisten Filme sind in der Kamera geschnitten; aus einer Situation heraus, oder als ein Konzept. Die "Afrikanische Impressionsmaschine", die erste Filmmaschine, war dann ein vorläufiger Abbruch der konventionellen Filmerei.
L: Und was wäre der gemeinsame Kontext, die gemeinsame Idee, die sich durch deine Werke zieht?
S: Multiplizität in verschiedensten Spielarten. Das zieht sich praktisch durch alle Arbeiten von Anfang an. Ein Drangsal, das hat mich schon als Kind gejuckt. Ich konnte nichts lassen wie es ist; ich habe immer alles umgebaut. Varianten von Varianten, so ein Relativierungsdrang. Ich versuche in der Regel mehr ein System selbst auszuloten, als über ein System etwas zu transportieren. Diese reflexive Tendenz ist fast immer da. Das I Ging, das Buch der Wandlungen, war auch so ein Fall. Da sind zunächst Naturbeobachtungen angestellt und in ein System gebracht, das dann auf andere Systeme, soziale Angelegenheiten etwa angewendet wird. Es funktioniert immer auf der Basis eines dynamischen Kräftespiels und ist auch als Orakelbuch in Verwendung. Ich habe dabei den Prozeß eine Zeitlang umgedreht. Ich habe versucht, über einen psychischen Zustand, den ich angesteuert habe, ein bestimmtes Zeichen anzusteuern. Das ging, weil ich mit der Zeit ein Gefühl dafür bekommen habe, wie gewisse Zustände zu gewissen Zeichen führen. Was die Psychologie betrifft, so halte ich das I Ging für weitaus leistungsfähiger als die Psychoanalyse, weil es eine unmittelbare Bestandsaufnahme ist, es ist unmittelbar erfahrbar, was die Psychoanalyse nicht ist. Zum Kreativen wäre noch zu sagen, dessen Rolle wird heute vielfach überschätzt oder falsch eingeschätzt, auf Kosten von Sensibilitäten etwa.
L: Aber es gab schon einmal Bewegungen, die genau das sogenannte Kreative ausschalten oder umleiten wollten. Ich denke dabei unter anderem an Duchamp oder die Maschinen der Phantasie von Raymond Roussel. Bei ihm gibt es ja sogar Maschinen, die selber Bilder produzieren oder Musik erzeugen. Da ist kein menschliches Individuum als schöpferische Kraft mehr vorhanden, weil diese biologisch-technoiden Objekte aus ihrem eigenen System heraus schaffen. Es gibt keinen Erfindergeist mehr.
S: Ja. Es geht ja nicht darum, seine Psyche zum besten zu geben. Da degradiere ich den Betrachter ausweglos zum Voyeur. Ein verdecktes Klassendenken ist das. Ich schaffe bewegte Systeme, die funktionieren, aber nichts Konkretes auswerfen; auf die Spielarten kommt es an. Das ist ein latenter Zustand.
L: Du lieferst also keine bestimmten Vorgaben für den Betrachter?
S: Nein, weil er sonst das Latente nicht zu spüren bekommt, dazu braucht er Spielraum. Den soll er auch haben, weil ich den selbst auch in Anspruch nehme.
L: Die Maschine schafft eine Situation?
S: Genau. Weil sie auch als Objekt im Raum steht, einen Raum bildet. Sie ist ganz physisch anwesend. Das ist die gemeinsame Basis mit dem Betrachter, eine Voraussetzung. Das Spiel, das sind dann die Bewegungen, die Verschiebungen, die eine gewisse Weichheit haben.
L: Welche Rolle spielt eigentlich das Wasser bei deinen Maschinen?
S: Das Wasser hat von sich aus keine Form, es paßt sich an. Bei den Wassermaschinen ist es zu einem geschlossenen Kreislauf kanalisiert. Drei Wasserstrahlen zentrieren einen Schwimmer und versetzen ihn in Rotation. Das läuft nicht exakt, da sind Unregelmäßigkeiten und Turbulenzen mit drin. Der sich drehende Schwimmer ist als virtuelles Bild, parallel zum Objekt, an eine Wand projiziert.
L: Ist Weichheit für dich ein Element deines Schönheitsbegriffes? Sie wird ja auch bei den Filmmaschinen eingesetzt, in denen Bilder nur angedeutet werden, präziser werden und sofort wieder weicher, unschärfer werden.
S: Das Texturbild bei der "Jetztmaschine" ist rein zufällig. Der Film ist chronologisch für den Projektor gezeichnet. Was sich vorne am Verdichter ergeben hat, ist eben zufällig.
L: Aber es hat eine unglaublich absichtliche Ästhetik an sich.
S: Ja, sicher hat es eine Ästhetik. Und zwar genau dieses quirlige Chaos, das relativ unformiert, aber in einer ganz bestimmten Weise fluktuiert. Es gibt natürlich immer einen Bereich, den man vorher abschätzen kann. Bei den Filmmaschinen springt die Priorität ständig zwischen dem Strukturbild und dem Einzelbild hin und her. Diese Wechselwirkung zweier Aspekte eines Systems ist da inszeniert.
L: Was ist für dich eigentlich schön?
S: Natur ist schön. Natur ist viel schöner als die Kunst. Aber so ein Urteil ist unwichtig, weil es in der Folge einer ganz bestimmten Weltanschauung entsteht.
L: Sind hier Erkenntnisse aus wissenschaftlichen, philosophischen Systemen in ein privates System übergeführt?
S: Die Maschinen sind schon sehr private Systeme, mit einer Ausnahme. Das sind jene Maschinen, die an Architektur, an dieses statische System, angeheftet werden. Ich habe sie "Parasiten" getauft. Die einen winden sich um Säulen, andere nehmen sich die Ecken vor. Relativ dezent machen sie das, aber beständig.
L: Ein Schritt hinein in den öffentlichen Raum, in öffentliche Systeme?
S: Eine neue Spielart. In dem Film "Sans soleil" – Tokyo, sich dahinwälzende Menschenmassen – heißt es so ungefähr: "Eine Möglichkeit, der Stadt eine gewisse Schönheit abzugewinnen, sei diejenige, sie als Partituren zu lesen."