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Ars Electronica 1992
Festival-Programm 1992
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Festival 1979-2007
 

 

Bull`s Head or Revision of the Video Buddha


'Péter Szeleczki Péter Szeleczki

Prolog

Die Kamera wendet sich zum Monitor.
Der unendliche Tunnel der Selbstreflektion entsteht.
Die Kamera bewegt sich zum Spiegelbild.
Den Fluchtpunkt überschreitend
kommt sie an der Anderen Seite zur Ruhe,
wo sie nunmehr alle Blickpunkte inne hat.

NACH DEM ZEITALTER DES SPIEGELS
In America wird das Zeitalter des Spiegels und des Bildschirms (screen) von Baudrillard strikt getrennt. Und wir können wahrlich feststellen, daß die Periode, in der Bilder durch physische und illusionistische Abbilder hergestellt wurden, von einem neuen elektronischen Zeitalter abgelöst wurde, hiermit von einem allgemeinen Zustand, der das Bewußtsein einer ständigen, jedoch tiefenlosen Kontrolle schafft.

Der Spiegel hält die Illusion der Bilder noch aufrecht, doch das Video als großes Medium der ständigen Vergänglichkeit bringt eine Woge unabwendbarer und unbestimmbarer Bilder: der Polaroidaufnahme ähnlich, ist auch das Videobild der Anfang des Hyperrealismus und der Traumwelt zugleich. Was "nicht war" wird jetzt von einem Bild festgehalten, doch die Realität wird nur durch Kunst möglich. Selbst das Dasein wird nur durch Kopien, Abbilder möglich – dies wäre an und für sich noch ein Weg, den man einschlagen könnte. Doch die Abbilder sind nicht greifbar, verflüchtigen sich im Augenblick – dies ist die Erfüllung des Simulacrums. Die unendliche Bilderwelle, die durch den Videobildschirm schwebt, die ihn förmlich durchwächst, bedeutet zugleich, daß der Begriff des Bildes angegriffen wird und dieser Moment wird von Péter Szeleczki mit äußerster Klarheit erkannt und verdeutlicht.

Die Kamera und der Bildschirm – mit dem Rücken aneinander gekehrt und sich im Kreise drehend – könnten sich im Idealfall – d.h. im Liquid Cristall Display – so weit nähern, daß sie fast eine einzige Ebene bilden und zeigen immer wieder an, wie willkürlich, leer und ohne Bedeutung die Begriffe des Bildes und Abbildes sind.

Die fortwährende Kreisbewegung zeigt die Überwachungsfunktion des Videos (eine Demonstration der Allgegenwärtigkeit der Bildschirme auf die introvertierteste Weise), und deutet darauf hin, wie peinlich und unmöglich es ist, immer noch "ein" Bild zu sagen. Das Apparat selbst funktioniert zwar als Rahmen, doch könnten wir an dieser Stelle ebenso den Raum des Museums nennen, so wie wir ansonsten vom Bildschirmrahmen oder vom Fernsehen als Rahmen der "Wirklichkeit" sprechen. Die ästhetische Kraft der Arbeit Péter Szeleczkis liegt in einer introvertierten und gedrängten Vortragsweise des Themas, die maximale Selbstdisziplin und Haltung voraussetzt, und im tragischen Moment: der unendlichen spiralartigen Tiefe der gestellten Fragen, bzw. in der provokativen Tiefenlosigkeit. Szeleczki weiß ganz genau, daß die knappe und gedrängte Ausdrucksweise eine Formulierung, die dem Betrachter vieles überläßt, sowohl dem Künstler, seiner Arbeit und dem Beobachter nur Gutes zukommen lassen.

Denn einer Skulptur, die sich dreht (?), einem Weltspiegel (?), einer Kopiermaschine (?) kann man ebenso wenig gegenüberstehen, wie hinter ihr, und doch sind zugleich beide Bewegungen ausführbar, während beide Bedeutungen leer bleiben. Was ist das Bild, was ist das Abgebildete? Was ist Original, und was ist Kopie? Wie lange braucht man, um ein Bild "herzustellen", und wie lange um es zu "verstehen"? Was bedeutet es, daß die ständige Woge der Videobilder, die über uns herrollt, Bilder eines Alptraumes erscheinen läßt, in der Zukunft und Vergangenheit verdrängt werden?

Wie läßt Sich die ständige Veränderung, die fortwährende Metamorphose bestimmen, die notwendigerweise das Ende der Metaphern bedeutet?

Wo alles ständiger Veränderung unterliegt, nichts seine Form beibehält, wie könnten wir da die Bedeutung verstehen? Was Baudrillard mit der kühlen Ekstase der Kommunikation gemeint hat, und was wir meinen, wenn wir behaupten, daß Bedeutung und Information sich gespalten und getrennt haben, wurde mir selbst anhand der Poetik Péter Szeleczkis am klarsten.

Diese Arbeit ist ein eindeutiger Beweis dessen, daß sich Konzept-Art trotz aller Modetrends fortsetzen läßt, denn es gibt kein aufregenderes Erlebnis als die sinnliche Prägung eines Gedankenganges, das erfahrbare und sichtbare Endergebnis eines Denkprozesses. Szeleczki hat den Möglichkeiten der Videokunst gegenüber offensichtlich die tiefsten Zweifel.

Ich meine, diese Zweifel, und unleugbare Beklommenheit, die Furcht vor einem Realitätsverlust bürgen dafür, daß uns die Woge der Technologie von leeren und oberflächlichen Bildern ohne Tiefe doch zum Einhalt gebieten, und dies nicht bloß mit gerade gängigen, aktuellen und leeren Tricks, sondern in erster Linie mit der Kraft der Gedanken.
Péter György

Das Projekt wurde durch die freundliche Unterstützung der KNOLL Galerie Budapest ermöglicht.