Der universelle Roboter
'Hans Moravec
Hans Moravec
Jene Instinkte, die sowohl Art als auch Menge jener Arbeit vorherbestimmen, die wir mögen, wurden wahrscheinlich in jenen 100.000 Jahren entwickelt, in denen unsere Vorfahren als Jäger und Sammler lebten. Vor weniger als 10.000 Jahren stabilisierte die "landwirtschaftliche Revolution" unsere Existenz und machte sie reicher an Gütern und Information. Aber paradoxerweise bedarf es mehr menschlicher Arbeit, um eine landwirtschaftliche Kultur zu erhalten, als in einer primitiven zu leben; und die Arbeit als solche ist auch von einer anderen, "unnatürlichen" Qualität, nicht im Einklang mit den alten Instinkten. Unsere Bemühungen, sie zu vermeiden, hat zur Domestikation von Tieren geführt, zur Sklaverei, und zur Industriellen Revolution. Noch immer müssen allerdings viele Aufgaben von Hand erledigt werden, was jahrhundertelang den Traum von einem intelligenten, aber seelenlosen Wesen angeregt hat, das unermüdlich die ganze Plagerei erledigt. Aber erst in diesem Jahrhundert haben elektronische Sensoren und Computer den Maschinen die Fähigkeit verliehen, ihre Arbeit zu fühlen und über sie nachzudenken, und so einen Weg angeboten, unseren Wunsch zu erfüllen. Wie im Märchen dominieren auch hier die Nebenwirkungen den weiteren Verlauf der Geschichte. Zum ersten werden diese perfekten Sklaven sich weiterentwickeln und nicht lange seelenlos bleiben. Mit der Zunahme ihrer Kompetenz wird auch ihre Fähigkeit zu autonomen Entscheidungen steigen, und daraus werden sie langsam einen eigenen Willen und eigene Ziele entwickeln. Und gleichzeitig werden wir auf sie nicht mehr verzichten können. Unser Gehirn hat sich entwickelt, um die Fähigkeiten und Erinnerungen eines Steinzeitlebens zu speichern, nicht jene enorme Komplexität, die sich in den letzten zehntausend Jahren entwickelt hat. Wir haben auf unsere Art mitgehalten durch eine Reihe sozialer Erfindungen – gesellschaftliche Schichtung und Arbeitsteilung, Erinnerungshilfen wie Poesie und Schulwesen, schriftliche Aufzeichnungen außerhalb unseres Körpers, und in letzter Zeit erledigen einige Maschinen einen Teil unseres Denkens völlig ohne uns. Der Anteil der absolut essentiellen menschlichen Aktivitäten, die völlig außerhalb unseres Körpers stattfinden, ist ständig im Steigen begriffen. Intelligente maschinelle Schwerarbeiter allerdings können diesen Trend vervollständigen. Ernsthafte Versuche, denkende Maschinen zu konstruieren, setzten nach dem 2. Weltkrieg ein.
Eine Forschungsrichtung, genannt Kybernetik, verwendete einfache elektrische Schaltkreise, um kleine Nervensysteme zu imitieren, und erzeugte Maschinen, die das Erkennen einfacher Muster erlernen konnten, sowie schildkrötenartige Roboter, die selbst ihren Weg zu beleuchteten Ladestationen finden. Ein völlig anderer Ansatz, Artificial Intelligence (AI, im Deutschen "Künstliche Intelligenz, KI" genannt), versuchte, rationelles menschliches Denken in jenen Großcomputern zu duplizieren, die nach dem Krieg entstanden, und 1965 hatte man bereits Programme, die verschiedene Theoreme der Logik und Geometrie beweisen konnten, Rechenprobleme lösten und ganz ordentlich Schach spielten. In den frühen 70ern hingen Forschungsgruppen am MIT (Massachusetts Institute of Technology) und an der Stanford University noch Fernsehkameras und Roboterarme an ihre Computer, sodaß ihre "denkenden Computer" ihre Informationen direkt aus der realen Welt beziehen konnten.
O Schreck! Während die rein "überlegenden" Programme ihre Aufgaben etwa so gut und so schnell erledigten wie ein Studienanfänger, brauchten die besten Roboter-Steuerungsprogramme Stunden, einige Blöcke auf dem Tisch zu identifizieren und herauszugreifen, und oft versagten sie völlig bei einer Aufgabe, die ein sechs Monate altes Kind zusammenbrächte. Dieses Ungleichgewicht zwischen Programmen, die nur überlegen, und Programmen, die in der realen Welt wahrnehmen und agieren, besteht bis zum heutigen Tag. An der Carnegie Mellon University stehen zwei schreibtischgroße Computer, die Schach auf Großmeister-Niveau spielen können, etwa im Niveau der 200 besten Schachspieler der Welt, wenn sie die Züge der Gegner über Tastatur eingegeben erhalten. Aber die Robotertechnik der Gegenwart könnte nur eine komplexe und unzuverlässige Maschine konstruieren, um normale Schachfiguren zu finden und zu bewegen.
Es sieht fast so aus, als wäre – absolut gesehen – das Denken viel leichter als die Wahrnehmung und die Handlung – eine Ansicht, die aus evolutionärer Sicht durchaus haltbar ist. Das Überleben der menschlichen Wesen (und ihrer Vorfahren) hing Hunderte von Millionen Jahre lang nur von der Fähigkeit ab, in der physischen Welt zu sehen und sich zu bewegen, und in dieser Wettbewerbssituation wurden große Teile unseres Gehirns auch recht effizient für diese Aufgabe organisiert. Wir haben diese großartige Fähigkeit nur deshalb nicht richtig zu schätzen gelernt, weil sie ja einfach von allen anderen menschlichen Wesen und vielen Tieren geteilt wird – weil sie so alltäglich ist. Andererseits ist rationales Denken – etwa im Schachspiel – eine neu erworbene Fähigkeit, vielleicht nicht einmal hunderttausend Jahre alt. Die dafür reservierten Teile unseres Gehirns sind nicht besonders hoch organisiert und absolut gesehen sind wir dabei auch nicht einmal besonders gut. Aber bis vor kurzem hatten wir ja keine Konkurrenz, die uns dies vor Augen führen hätte können.
Im Vergleich der Grenz- und Bewegungserkennungskreise in den vier Lagen Nervenzellen in der Netzhaut – dem am besten bekannten größeren Schaltkreis des menschlichen Nervensystems – mit ähnlichen Prozessen, die für "Computer-Vision"-Systeme entwickelt wurden, um Industrie- und Forschungsrobotern das Sehen zu ermöglichen, habe ich errechnet, daß es etwa rund einer Milliarde Berechnungen pro Sekunde bedürfte (also etwa der Leistung des führenden Supercomputers Cray 2), um die gleichen Ergebnisse in der gleichen Zeit zu liefern wie die Netzhaut. Durch Extrapolation bedeutet das, daß die Emulation eines ganzen Gehirns zehn Trillionen arithmetische Operationen pro Sekunde benötigt, oder zehntausend Crays! Und das für Operationen, die unser Nervensystem sehr effizient und gut durchführt. Die Arithmetik wiederum zeigt das andere Extrem. Letztes Jahr wurde ein Computer einige Monate lang mit einem Programm getestet, das die Zahl PI auf über eine Milliarde Dezimalstellen genau berechnet. Im Gegensatz dazu war die höchste händische Berechnung ohne fremde Hilfe jene von William Shanks auf 707 Stellen im Jahre 1873. Dazu brauchte er etliche Jahre, und außerdem ist aufgrund eines Fehlers jede Stelle ab der 527. falsch! In der Arithmetik sind die heutigen Durchschnittscomputer eine Million mal leistungsfähiger als menschliche Wesen.
Auf sehr schmalen Gebieten des rationalen Denkens (beim Schachspiel oder beim Beweis von Theoremen) sind sie etwa gleich gut. Und bei der Wahrnehmung und Steuerung von Bewegungen in der komplexen realen Welt, und den damit verwandten Gebieten des "Gesunden Menschenverstandes", der intuitiven und visuellen Problemlösung, sind sie millionenfach weniger leistungsfähig. Dieses Defizit wird bei rein problemlösenden AI-Programmen bereits deutlich: Bis heute zeigen AI-Programme nicht den Funken eines "Hausverstandes" – ein medizinisches Diagnoseprogramm würde einem kaputten Fahrrad ein Antibiotikum verschreiben, weil ihm ein Modell von Leuten, Krankheiten oder Fahrrädern fehlt. Und dennoch würden diese Programme – auf existierenden Computern – einfach zusammenbrechen, wenn sie mit den Details des täglichen Lebens konfrontiert würden, da jedes einzelne Faktum mit allen anderen in einer astronomischen "kombinatorischen Explosion" interagieren könnte. (Ein Zehnjahresprojekt unter dem Titel Cyc am Microelectronics and Computer Consortium in Austin, Texas, versucht gerade, eine solche "Hausverstands-Datenbank" aufzubauen. Man schätzt, daß das Ergebnis über hundert Millionen logische Sätze zu alltäglichen Objekten und Handlungen aufweisen wird.)
Die Maschinen müssen also noch viel aufholen. Andererseits hat sich – den größeren Teil unseres Jahrhunderts über – die Rechenleistung der Maschinen alle zwanzig Jahre vertausendfacht, und es gibt bereits grundlegende Forschungsarbeiten in den Laboratorien, die diese Entwicklung noch einige Jahrzehnte weiter aufrechterhalten. In weniger als fünfzig Jahren sollte die Computerhardware leistungsfähig genug sein, selbst die wohlentwickelten Teile menschlicher Intelligenz zu erreichen oder gar zu übertreffen. Aber was ist mit der Software, die benötigt wird, um diesen Maschinen die Fähigkeit zur Perzeption zu geben, zur Intuition und zum Denken wie ein Mensch? Der kybernetische Ansatz, der sich bemüht, Nervensysteme direkt zu imitieren, ist sehr langsam, teilweise auch deshalb, weil die Analyse eines funktionierenden Gehirns im Detail ein mühseliger Prozeß ist. Neue Instrumente könnten das in Zukunft ändern. Der AI-Ansatz hat erfolgreich einige Aspekte des rationalen Denkens imitiert, aber das scheint auch nur ein Millionstel des Problems zu sein. Ich glaube, daß der schnellste Fortschritt bei den schwierigsten Problemen von einem dritten Ansatz her kommen wird, dem der Robotics, der Konstruktion von Systemen, die in der physischen Welt sehen und sich bewegen müssen. Robotics-Forschung imitiert die Evolution tierischen Denkens, fügt den Maschinen nach und nach einzelne Fähigkeiten hinzu, sodaß die daraus folgende Sequenz des Maschinenverhaltens den Fähigkeiten von Tieren mit immer komplexeren Nervensystemen ähnelt.
Dieser Versuch, Intelligenz von Grund auf zu konstruieren, wird durch biologische Einblicke in die "rückwärtigen Seiten des Buches" unterstützt – in die neuronalen, strukturellen und Verhaltenseigenschaften von Tieren und Menschen.
Die besten Roboter der Gegenwart werden von Computern gesteuert, die gerade leistungsfähig genug sind, das Nervensystem eines Insekts zu simulieren, kosten so viel wie ganze Häuser, und finden deshalb nur einige wenige profitable Nischen der Gesellschaft (darunter etwa die Spritzlackierung und Punktschweißung bei Autos, oder die Montage von Schaltplatinen). Dennoch sind diese wenigen Anwendungen heute ein Forschungsansatz, der langsam eine Basis für ein gigantisches zukünftiges Wachstum bietet. Die Roboter-Evolution in Richtung auf volle Intelligenz wird sich stark beschleunigen, in etwa einem Jahrzehnt, wie ich schätze, wenn der Allzweck-Roboter aus Massenfertigung, der Universal-Roboter (den ich auch Volks-Robot nennen werde) endlich möglich wird. DER VOLKSROBOT (ca. 2000–2010) Die erste Generation des Universal-Roboters wird notwendigerweise verläßlich und sicher über Stiegen und ebene wie unebene Böden navigieren können. Er muß in der Lage sein, die meisten Objekte zu manipulieren und sie in der Welt vor ihm aufzufinden. Es gibt bereits heute Lösungsansätze. Hitachi in Japan hat ein Mobil-System mit fünf lenkbaren Rädern, jedes auf einem eigenen teleskopischen "Bein", das Unebenheiten im Gelände überwinden kann sowie ein Rad auf eine Stufe stellen, während die anderen vier sicher am Boden bleiben. Mein Laboratorium an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh hat ein Navigationssystem entwickelt, das einem Roboter mit Hilfe von Sonar-Meßgeräten und TV-Kameras erlaubt, eine auf Wahrscheinlichkeiten basierende Landkarte seiner Umgebung zu konstruieren und danach seine Position und Route zu bestimmen. Eine elegante dreifingrige Hand am Massachusetts Institute of Technology kann Schrauben und Eier halten und eine Schnur wie ein Mensch manipulieren. Ein System namens 3DPO von SRI-International in Menlo Park, Kalifornien, kann ein gewünschtes Teil aus einem Haufen herausfinden durch Identifikation mit einer Kamera. Die langsame Arbeitsweise dieser Systeme verlangt noch nach einem anderen Element, das für den Volksrobot gebraucht wird, nämlich einem Computer, etwa tausendmal so leistungsfähig wie die heutigen, die auf Schreibtischen oder in Robotern anzutreffen sind. Solche Maschinen, die eine Milliarde Rechnungen pro Sekunde ausführen, würden etwa die geistige Kapazität einer Maus liefern. Solch universelle Roboter würden ihr erstes Einsatzgebiet in Fabriken finden, wo sie billiger und vielfältiger einsetzbar wären als die ältere Robotergeneration, die sie ersetzen. Irgendwann werden sie billig genug werden für einige Haushalte, und dort den Aufgabenbereich der Personal-Computer von einigen Aufgaben in der Datenwelt zu vielen in der physischen Welt erweitern.
Wie schon bei den Computern, werden auch bei den Volksrobotern viele mögliche Anwendungen selbst ihre Erfinder überraschen. Manche werden leichte Montagearbeiten machen, Badezimmer reinigen, Gourmetmahlzeiten aus frischen Zutaten kochen, bestimmte Modelle und Baujahre eines Autos renovieren, gemusterte Teppiche knüpfen, Unkraut jäten, Roboter-Rennen fahren, detaillierte Grabungs- und Steinmetzarbeiten ausführen, Bombendrohungen untersuchen, in Lagerhäusern Waren an- und ausliefern, und vieles mehr. Jede Applikation wird ihre eigene Software benötigen (recht komplex, nach heutigen Computerprogramm-Maßstäben), und manche werden auch zusätzliche Hardware-Bauteile zum Robot benötigen, wie Zusatzgeräte für Werkzeuge und chemische Sensoren. LERNEN (2010–2020) Wie nützlich sie auch sein werden, die Universalroboter der ersten Generation werden ganz streng die Sklaven simpler Programme sein. Wenn die Maschine sich den Ellbogen anschlägt, während sie in Ihrer Küche Beef Stroganoff herrichtet, dann werden Sie eben einen anderen Arbeitsplatz für den Roboter finden, oder den Hersteller der Software um einen Programmzusatz bitten müssen. Roboter der zweiten Generation mit leistungsfähigeren Computern werden flexiblere Programme enthalten, die sich selbst durch eine Art konditionierten Lernens weiterentwickeln werden. Programme der ersten Generation werden überwiegend aus Sequenzen der Art "Mache Schritt A, dann B, dann C …" bestehen. Steuerprogramme der zweiten Generation hingegen lauten "Mache Schritt A1 oder A2 oder A3 … dann B1 oder B2 oder B3 … dann C1 oder C2 oder C3 …".
Im Beispiel mit dem Beef Stroganoff würde A1 etwa "Schneiden mit der rechten Hand" heißen, und A2 "Schneiden mit der linken Hand". Jede Programmalternative ist gewichtet, hat also eine Zahl, die angibt, wie wünschenswert diese Alternative im Vergleich zu den anderen ist. Außerdem enthält die Maschine ein "Schmerz"-System, eine Programmgruppe, die nach Problemen Ausschau hält, etwa nach Kollisionen, und die dadurch reagiert, daß die Gewichtung der zuletzt ausgeübten Faktoren reduziert wird; ebenso ein "Vergnügen"-System, das die jeweilige Gewichtung bei guten Bedingungen hinaufsetzt, etwa bei voll geladenen Batterien, oder wenn eine Aufgabe effizient erfüllt ist. Wenn der Roboter seinen Ellbogen oft in Ihrer Küche anschlägt, wird er nach und nach lernen, seine andere Hand zu benützen (ebenso wie er sich auf tausend andere Arten an seine Umwelt anpaßt). Ein Programm mit vielen Alternativen bei jedem Schritt, dessen "Schmerz"- und "Freude"-Systeme programmiert sind, ein entsprechendes Signal abzugeben, wenn der Roboter das Wort "Gut" hört, oder "Pfui", könnte langsam darauf trainiert werden, neue Aufgaben zu erfüllen, wie ein Hund oder eine Katze. BILDWELT (2020–2030) Anpassungsfähige Roboter werden überall Arbeit finden, und die Hard- und Software-Industrie, die sie unterstützt, könnte die größte auf der Erde werden. Aber ihnen neue Tätigkeiten beizubringen, sei es durch Lob und Tadel oder durch Programme, wird eine mühselige Angelegenheit sein. Diese Schwäche wird zu einer weittragenden Innovation führen, einem Software- world-modeler (und zum Bedarf nach weiter gesteigerter Rechnerleistung), der es dem Roboter erlaubt, seine unmittelbare Umgebung und seine eigenen Aktionen darin zu simulieren, und so über seine Tätigkeit nachzudenken, bevor er sie ausführt. Bevor er also Beef Stroganoff in Ihrer Küche zubereitet, würde der Roboter diese Arbeit oftmals simulieren. Jedesmal, wenn der simulierte Ellbogen auf die simulierte Türe schlägt, wird die Software die Lerngewichtung ebenso verschieben, wie wenn die Kollision physisch passiert wäre. Nach etlichen solchen geistigen Trainingsläufen wäre der Roboter so gut ausgebildet, daß er, wenn er letztlich wirklich kocht, das von Anfang an gut macht. Die Simulation kann auf vielerlei Arten eingesetzt werden. So kann ein Roboter nach vollendeter Tätigkeit seine vorherigen Aktionen nochmals durchspielen, und Variationen davon versuchen, um das nächste Mal noch bessere Leistungen zu erbringen. Ein Roboter könnte sogar konfiguriert werden, daß er sein eigenes Programm mit Hilfe einfacherer Unterprogramme aufbaut, die ihrerseits feststellen, wie nahe eine Sequenz von Roboteraktionen einer gewünschten Tätigkeit in der Ausführung gelangt. Dieses Trainingsprogramm würde in sich wiederholenden Situationen die notwendigen "Gut-" und "Schlecht-Informationen" liefern, die zur Erstellung eines "Katzen- und Hundeprogramms" im Sinne des vorherigen Abschnittes dienen.
Es wird einer großen Gemeinschaft geduldiger Forscher bedürfen, um gute Simulatoren zu bauen. Ein Roboter, der einen ihm neuen Raum betritt, muß eine große Menge nicht direkt wahrgenommener Vor-Information in seine Simulation einbauen, etwa die erwarteten Formen und Inhalte von Küchenkästen, und der Effekt beim (und die notwendige Kraft zum) Drehen eines Wasserhahnes. Er braucht instinktive motorisch-perzeptuelle Kenntnis jener Welt, die Millionen von Jahren gebraucht hat, um sich in uns zu installieren, die uns instinktiv sagt, wann eine Höhe gefährlich wird, wie fest man einen Stein werfen muß, oder ob das Tier uns gegenüber eine Bedrohung ist. Roboter mit diesen Eigenschaften können so klug sein wie Affen. DENKEN (2030–2040) In den Jahrzehnten, in denen die Evolution der Roboter "von unten herauf" die perzeptuellen und motorischen Fähigkeiten menschlicher Wesen in die Maschine überträgt, wird die konventionelle AI-Industrie die Mechanisierung des Denkens perfektionieren. Nachdem schon die heutigen Programme menschliche Wesen auf einigen Gebieten eingeholt haben, werden jene in vierzig Jahren auf millionenfach schnelleren Computern als den heutigen weithin übermenschlich sein. Die heutigen denkenden Programme arbeiten mit einer kleinen Menge von klaren und korrekten Informationen, die von menschlichen Wesen vorbereitet sind. Daten von Roboter-Sensoren, wie Kameras, sind viel zu voluminös und störungsanfällig, um damit zu arbeiten. Aber ein guter Roboter-Simulator wird klar organisierte Daten über den Roboter und seine Welt enthalten, etwa ob ein Messer auf seinem Rücken liegt, oder ob der Roboter eine Tasse hält. Ein Roboter mit Simulator kann an ein denkendes Programm angeschlossen werden, um eine Maschine mit den meisten Fähigkeiten eines menschlichen Wesens zu produzieren. Die Kombination wird Wesen erzeugen, die uns in einer gewissen Weise ähnlich sind, aber andererseits nichts von dem ähneln, was die Welt jemals zuvor gesehen hat. TECHNISCHES DER ERSTEN GENERATION Industrieroboter und die Versuche der Forschung, "intelligente" Roboter zu bauen, sind rund fünfundzwanzig Jahre alt. Universal-Roboter werden zumindest noch ein weiteres Jahrzehnt der Entwicklung brauchen, aber aus der bisherigen Entwicklung lassen sich einige ihrer Elemente bereits jetzt abschätzen. Ein entscheidender Punkt ist das Gewicht. Mobile Roboter im menschlichen Arbeitsumfeld der Gegenwart wiegen etliche Zentner zuviel. Diese gefährlich große Masse hat drei Hauptkomponenten: Batterien, Steuermotoren und Gerüst. Bleiakkumulatoren, die einen mobilen Roboter einen Tag lang in Betrieb halten können, machen ein Drittel seines Gewichtes aus. Aber Nickel-Cadmium-Batterien aus der Luftfahrt wiegen nur die Hälfte, und die neueren Lithium-Batterien sind ihrerseits wieder nur halb so schwer. Elektrische Motoren sind effizient und präzise steuerbar, aber die üblichen Motoren sind zu schwer und benötigen überdies ebenso schwere Untersetzungsgetriebe. Extrastarke Dauermagnete können das Gewicht halbieren und hohes Drehmoment ohne Getriebe erzeugen. Die Roboter-Grundstruktur besteht hauptsächlich aus Aluminium. Ihr Gewicht kann auf ein Viertel reduziert werden durch den Einsatz von Verbundwerkstoffen mit superstarken Graphitfibern, Aramid oder dem neuen Material Spectra. Diese Innovationen könnten verwendet werden, um einen in Größe, Gewicht, Stärke und Ausdauer dem Menschen ähnlichen Roboter zu konstruieren.
Roboter der ersten Generation werden sich wahrscheinlich auf Rädern bewegen. Roboter mit Beinen haben Vorteile auf kompliziertem Untergrund, aber sie verbrauchen zu viel Energie. Ein einfacher Roboter mit Rädern wäre auf Gebiete mit flachem Untergrund beschränkt, aber wenn jedes Rad eine steuerbare Aufhängung mit einem Federweg von einem Meter hat, so kann der Roboter seine Räder langsam nach Bedarf heben und so über schwieriges Terrain und sogar Stufen fahren. Das Manipulationssystem wird aus zwei oder mehr Armen bestehen, mit geschickten Manipulatoren an den Enden. Es gibt verschiedene Designs dazu in den Forschungslabors der Gegenwart, aber die derzeit wohl eleganteste Lösung ist die bereits erwähnte "Stanford-JPL-Hand" (jetzt am MIT), die drei Finger mit je drei Gelenken aufweist. Die Fortbewegung des Roboters würde stark unterstützt, wenn er seine jeweilige Position genau bestimmen könnte mit Hilfe einer Anzahl kleiner synchronisierter Sender, die in seinem Environment verteilt sind. Dieser Ansatz wird in einigen terrestrischen und Satelliten-Navigationssystemen bereits verwendet. Der Roboter wird auch eine Ahnung seiner unmittelbaren Umgebung brauchen, Türen finden, Hindernisse erkennen und Objekte in seinem Arbeitsfeld aufspüren können. Forschungslaboratorien, auch mein eigenes, haben mit Techniken experimentiert, die dies auf der Basis von Daten aus Fernsehkameras, Laserscannern, Sonargeräten, Infrarot-Nähe-Sensoren und Kontaktsensoren erledigen. Ein präziseres sensorisches System wird nötig sein, um bestimmte Arbeitsobjekte aus einem Haufen herauszufinden. Die erfolgreichsten Methoden der Gegenwart arbeiten mit dreidimensionalen Daten aus speziellen Kameras und mit Laser-Arrangements, die sowohl Entfernung als auch Lateralabstände direkt messen. Der Roboter wird deshalb einen Weitwinkelsensor für die allgemeine Raumerkennung und ein präzises, dreidimensionales Bildsystem für das Aufspüren von aufzugreifenden Objekten benötigen.
Die Forschungserfahrung der Gegenwart suggeriert, daß die Navigation, die visuelle Lokalisierung von Objekten und die Planung und Steuerung von Armbewegungen eines Volksroboters rund eine Milliarde Operationen pro Sekunde an Computerleistung erfordern werden. In den 80er Jahren hat es eine ganze Reihe von wohldokumentierten Modeerscheinungen gegeben, die alle behauptet haben, die Lösung zum Problem der Künstlichen Intelligenz oder der Robotersteuerung zu sein. Expertensysteme, die logische Interferenzsprache Prolog, Neurale Netzwerke, Fuzzy Logic und massiver Parallelismus haben alle ihren Auftritt im Rampenlicht gehabt. Das gemeinsame Element, das ich in diesen Äußerungen entdeckt habe, ist der plötzliche Enthusiasmus all dieser Gruppen von Forschern, ihre Erfahrungen aus irgendeinem Bereich der Computerwissenschaft nun auch auf das Problem der Roboter anwenden zu wollen, sich in der realen Welt zu bewegen und zu perzipieren.
Unweigerlich produziert jeder dieser Ansätze einige simple Demonstrationsprogramme, aber er geht unter angesichts der realen Probleme. Dies ist nicht weiter überraschend für jemanden, der fünfundzwanzig Jahre Roboterforschung als Hintergrund hat. Eine Maschine zuverlässig sehen, hören oder zuverlässig arbeiten zu lassen unter den Bedingungen der realen Welt ist viel, viel schwieriger, als man zuerst anzunehmen bereit ist. Die Programme, die in diesen Gebieten relativ erfolgreich arbeiten, in industriellen Sichtsystemen, Roboter-Arm-Steuerung oder Sprachinterpreter etwa, verwenden eine Vielzahl massiver numerischer Berechnungen, darunter Statistik, Vektoralgebra, analytische Geometrie und andere Arten von Mathematik. Diese laufen recht effizient auf herkömmlichen Computern, und können durch Array-Prozessoren beschleunigt werden (weithin übliche Zusatzeinrichtungen zu konventionellen Maschinen, die schnell Operationen auf lange Reihen von Zahlen ausführen) und auch durch einen bescheidenen Einsatz von Parallelität. Das Gehirn der Volksroboter der ersten Generation wird wahrscheinlich in ziemlich konventionellen Computern sitzen, vielleicht mit zehn Prozessoren zu je 100 Millionen Operationen pro Sekunde, unterstützt von einer bescheidenen Menge spezialisierter Computer-Hardware, die die Daten von den Laser-Augen und anderen Sensoren vorverarbeitet und die niedrigsten Ebenen von Mobilität und Manipulationssystemen bedient. GEISTESKINDER (2050 +) Die vierte Roboter-Generation und ihre Nachfolger, mit menschlichen, perzeptuellen und motorischen Fähigkeiten und wesentlich höheren Denkfähigkeiten könnten menschliche Wesen bei allen wichtigen Aufgaben ersetzen. Im Prinzip könnte unsere Gesellschaft in zunehmendem Maße recht gut ohne uns funktionieren, mit Maschinen, die die Firmen leiten, Forschung ebenso betreiben wie die Produktion selbst. Nachdem man Maschinen so bauen kann, daß sie auch im Weltraum funktionieren, könnte die Produktion zu den größeren Ressourcen unseres Sonnensystems hin verlagert werden, was zurückbliebe, wäre ein vom Weltall aus versorgtes Naturreservat. Die schwachen Menschen würden die Erde erben, aber die sich rapide entwickelnden Maschinen würden sich über den Rest des Universums ausbreiten. Menschen haben zwei Formen der Vererbung, eine biologische über die DNS-Stränge, und eine kulturelle von Geist zu Geist, über Beispiel, Sprache, Buch und neuerdings auch Maschinen. Derzeit sind die beiden noch untrennbar miteinander verbunden, aber der kulturelle Teil entwickelt sich rapide weiter, und übernimmt auch schrittweise Funktionen, die bisher der Biologie vorbehalten waren. Was den Informationsgehalt betrifft, ist unsere kulturelle Seite längst schon der größere Teil von uns. Der voll-intelligente Roboter markiert jenen Punkt, ab dem unsere kulturelle Seite für sich leben kann, frei von biologischen Einschränkungen. Intelligente Maschinen, die sich unter uns entwickeln, unsere Fähigkeiten erlernen, unsere Ziele teilen und nach unseren Werten geformt werden, können als unsere Kinder angesehen werden, als Kinder unseres Geistes. Durch sie geht unser biologisches Erbe nicht verloren, es wird sicher zumindest in Bibliotheken gespeichert werden, aber seine Bedeutung wird stark zurückgehen.
Wie sieht nun das Leben im Reservat aus? Für einige von uns ist der Gedanke, von unseren künstlichen Nachfahren bei weitem übertroffen zu werden, sicherlich enttäuschend, und das Leben scheint auch sehr witzlos zu sein, wenn wir dazu bestimmt sind, es damit zu verbringen, daß wir blöde unsere ultra-intelligente Nachkommenschaft anstarren, wenn sie versucht, ihre immer spektakuläreren Entdeckungen in einer Baby-Sprache zu beschreiben, die auch wir verstehen können. Gibt es einen Weg, auf dem individuelle Menschen sich dem Abenteuer anschließen können?
Du bist gerade in den Operationssaal gerollt worden. Ein Roboter-Gehirnchirurg erwartet dich, ein Computer steht gleich daneben. Dein Schädel, nicht dein Gehirn, wird anästhesiert. Der Roboter-Chirurg öffnet deinen Schädel und legt eine Hand auf die Gehirnoberfläche. Die Hand ist über und über bedeckt von mikroskopischen Maschinchen und über ein Kabel mit dem Computer neben dir verbunden. Instrumente in dieser Hand untersuchen die ersten paar Millimeter der Gehirnoberfläche. Diese Messungen und ein umfassendes Verständnis der menschlichen Neuralarchitektur erlauben es dem Chirurgen, ein Programm zu schreiben, das das Verhalten der obersten Schicht des eingelesenen Gehirngewebes modelliert. Das Programm wird auf einem kleinen Teil des wartenden Computers installiert und aktiviert. Elektroden in der Hand füttern die Simulation mit den passenden Inputs aus deinem Gehirn, und können auch Signale aus der Simulation injizieren. Du und der Chirurg, ihr vergleicht die vom Computer produzierten Signale mit den ursprünglichen. Sie laufen sehr schnell vorbei, aber alle Unstimmigkeiten werden auf einem Bildschirm angezeigt. Der Chirurg reguliert die Simulation nach, bis die Übereinstimmung praktisch perfekt ist. Sobald du zufrieden bist, wird der Simulations-Output aktiviert. Die Gehirnschichte ist nun impotent – sie empfängt zwar Inputs und reagiert wie zuvor, nur der Output wird ignoriert. Mikroskopische Manipulatoren auf der Handfläche schneiden das überflüssig gewordene Gewebe heraus und saugen es ab.
Die Hand des Chirurgen sinkt ein Stückchen tiefer in dein Gehirn, die Messungen und Signaleinstellungen werden der neuen Position sofort angepaßt. Der Prozeß wird für die zweite Schicht wiederholt, und bald residiert eine zweite Simulation im Computer, in Kommunikation mit der ersten und mit dem verbleibenden Gehirngewebe. Schicht um Schicht wird das Gehirn simuliert und abgegraben. Irgendwann ist dein Schädel leer, und die Hand des Chirurgen ruht tief in deinem Rückenmark. Obwohl du das Bewußtsein nicht verloren hast, und auch nicht deine Gedanken, ist dein Geist aus dem Gehirn entfernt und auf eine Maschine transferiert worden. In einem letzten, etwas desorientierenden Schritt hebt der Chirurg die Hand. Dein plötzlich verlassener Körper stirbt. Einen Augenblick lang fühlst du nur Stille und Dunkelheit. Dann – plötzlich – öffnest du wieder deine Augen. Die Perspektive hat sich verändert. Die Computersimulation ist von dem Kabel zur Hand des Chirurgen abgehängt worden und mit einem neuen glänzenden Körper von jener Art, Farbe und Material verbunden worden, das du ausgesucht hast. Deine Metamorphose ist komplett.
Dein neuer Geist hat einen Steuerschalter für "Geschwindigkeit". Derzeit ist 1 eingestellt, um die Simulationen mit dem alten Gehirn synchron zu halten, aber nun kannst du ihn auf 10.000 setzen, was dir ermöglicht, zehntausendmal schneller zu kommunizieren, zu reagieren und zu denken. Du hast Zeit, beim Fall eines Objektes über die Vor- und Nachteile eines versuchten Auffangens nachzudenken, vielleicht auch noch nebenbei die Differentialgleichung seiner Bewegung auszurechnen. Wenn deine alten biologischen Freunde mit dir sprechen, dauern ihre Sätze Stunden – du hast mehr als genug Zeit, um über die Konversation nachzudenken, aber sie strapazieren doch deine Geduld. Langeweile ist ein geistiger Alarm, der dich davon abhält, deine Zeit in nutzlosen Aktivitäten zu verschleudern, aber wenn sie bald oder zu aggressiv auftritt, begrenzt sie deine Aufmerksamkeitsspanne, und damit deine Intelligenz. Mit der Hilfe der Maschinen regelst du den Zeitpunkt des Auftretens von Langeweile neu ein. Wenn das erledigt ist, findest du dich recht gemütlich an komplexen Problemen dahinarbeiten, mit einem Nebengedanken nach dem anderen. Und überhaupt wirst du routinemäßig so in deine Gedanken eingesponnen, daß du eine Erweiterung deines Gedächtnisspeichers brauchst. Und das ist nur die erste von vielen Veränderungen. Bald werden deine Freunde sich darüber beklagen, daß du schon mehr den Maschinen ähnelst als dem biologischen Wesen, das du einst warst. Nun ja, that's life.
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