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Ars Electronica 1991
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Festival 1979-2007
 

 

EarthStation


'Gottfried Mayer-Kress Gottfried Mayer-Kress

TEILNEHMER:
GOTTFRIED MAYER-KRESS UC Santa Cruz, Santa Fe Institute, Center for Nonlinear Studies
Koordination, Design, mathematische Modelle, chaotische Attraktoren
GIDEON MAY
Computergrafik, PhaseSpaceShip, fraktale Boxen, Drogenstatistik
BRAD DEGRAT
Multimedia für SGI, Erdbeobachtungsdaten
GREGORY KRAMER Clarity
Akustische Gestaltung, Klangsynthese
JENIFER BACON
Grafisches Design, Darstellung des Netzwerkes
JOE TAKAI
Computergrafik, fraktale Boxen
TOM AFFINITO UC Santa Cruz
NeXT Multimedia Anwendung
JOHN CHACHERE UC Santa Cruz
Visualisierung der Datenbasen
BERATER:
SFI
G. Cowan, komplexe Systeme
B. Arthur, ökonomisches Modell
J. Holland, adaptive Berechnung, eco-Modell (wird noch bestätigt)
C. Langton, künstliches Leben, CellSim
B. Sawhill, akustische Gestaltung

LANL
D. Campbell, nicht-lineare Dynamik
G. Doolen, nicht-lineare Dynamik, Gittergas
J. Fowler, CM-2 Visualisierung
D. Desjardins, PhaseSpaceShip
C. Keller, Simulationen globaler Veränderungen
G. Glatzmaier, Modelle globaler Zirkulation
C. Hansen, Visualisierung globaler Zirkulationsmodelle (wird noch bestâtigt)
B. Hotchkiss, akustische Gestaltung
R. Pecherer, objektorientierte Datenbasen
R. Phillips, MediaView
A. Keller, internationale Sicherheitsmodelle

UCSC
R. Abraham, Ozon, zelldynamische Systeme, MPP
D. Lewis, nicht-Iineare Dynamik
M. Koebbe, Rekursionsgraphs
J. Challinger, Richardson Modell, Simulation
F. Hughes, wissenschaftliche Visualisierung
D. Kaun, Wirtschaft, Militärbudget
B. Larkin, Politik, Mittlerer Osten
G. Valhs, El Nino Modell, Modelle von Turbulenzen
K. Bunas, Wavelets
T. Avila, Wavelets, El Nino
D. Newton, POD, El Nino

UCB
J. Crutchfield, nicht-lineare Dynamik, Video
LUKASARTS
S. Roberts, interaktive Laser-disks

SGI
D. Paradise, ökologische Anwendungen
P. Broadwell, Computergrafik

UIUC
A. Huebler, Chaoskontrolle

NASA-AMES
J. Scargle, Kontaktmann zu NASA-Ames globale Veränderungen
R. Stephen Hipskind, Satellitendaten
R. B. Chatfield, atmosphärische Chemie und Dynamik (wird noch bestätigt)
J. Jordan, Ozondatenbasis, visuelle Gestaltung

JPL
B. Jacobson, LinkWinds

SIMULATION LABORATORIES
J. Kalin, Simulation Software

INTERNETWORK
P. Stevens, Hypercard Stack. Fotothek

MAXIS
W. Wright, SimEarth
FREIE MITARBEITER:
P. Boyle, Datenbasen, Organisation
D. Dunn, Bio-habitat-Klangbeispiele
S. & W. Vasulka, Laser-disk, ökologische Auswirkungen des Golfkrieges, Linz Connection
P. Williamson, Kriegsdaten

Viele weitere Personen haben mitgeholfen, daß das Projekt in so kurzer Zeit realisiert werden konnte. Es ist unmöglich, sie alle hier namentlich anzuführen, wir können lediglich generell unseren Dank aussprechen.

Das Projekt EarthStation soll die Vision einer Zukunft vermitteln, in der wir durch die moderne Informations- und Computertechnologie in der Lage sein werden, unser Einwirken auf das globale "Gaia"-Ökosystem derart zu kontrollieren, daß es uns möglich sein wird, eine überlebensfähige Welt zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir uns Wissen über unseren Planeten aneignen, die komplexen Interaktionen zwischen den verschiedenen Subsystemen verstehen und versuchen, die Auswirkungen unserer politischen Entscheidungen auf das globale Ökosystem vorauszusehen, sodaß wir mit allen Subsystemen dieses Planeten, die die Erde bewohnbar machen, in einem dynamischen Gleichgewicht leben können.

Das Projekt EarthStation besteht aus zwei miteinander verbundenen Teilen:
  1. Interaktive graphische Darstellung des gegenwärtigen Zustandes der Erde

  2. Simulation und Visualisierung nichtlinearer dynamischer Modelle globaler ökologischer Systeme.
Teil eins soll zeigen, wie wir mit Hilfe der modernen Kommunikations- und Computertechnologie ein derart genaues und detailliertes Bild unserer komplexen Welt erhalten können, wie es noch vor wenigen Jahren nicht vorstellbar war. Im zweiten Teil soll angedeutet werden, wie das Konzept einer EarthStation als Rekonstruktion verstanden werden kann: Wie können wir gewisse Aspekte von "Gaia" in der künstlichen Wirklichkeit der Computersimulation wiederherstellen.

Wir möchten zeigen, daß das globale Ökosystem nicht auf primär ökologische Fragen im traditionellen Sinn beschränkt bleibt. Wir müssen auch ökonomische, politische, militärische und bevölkerungspolitische Aspekte berücksichtigen und müssen uns bewußt sein, daß diese Liste durchaus nicht vollständig ist.
(I) INTERAKTIVE GRAPHISCHE DARSTELLUNG DES ZUSTANDES DER ERDE
Diese Installation besteht grundsätzlich aus einem Interface für virtuelle Realität (Fraktale Boxen von Gideon May), das zur interaktiven Exploration komplexer Beziehungen zwischen den verschiedenen Datenbasen ausgelegt ist: Wir betreten die virtuelle Welt durch eine Eingangshalle, in der ein Globus hängt. Auf der gegenüberliegenden Wand befindet sich eine Karte der Erde, an der Wand zur Linken Textinformation und zur Rechten ist eine schematische Darstellung des Netzwerkes der Komponenten von Gaia. In dieser Halle können wir uns frei bewegen und können den Globus betreten, dabei entdecken wir das komplizierte Netzwerk der Strukturen, die zusammenwirken müssen, um uns eine lebensfähige Umwelt zu bieten. Diese Faktoren weisen eine hierarchische Struktur auf und sind als ein selbstsimilarer (fraktaler) Satz von dreidimensionalen Boxen dargestellt. Jede Box trägt an der Außenseite Aufkleber, auf denen der Inhalt (Text, Graphik, Fotos) angegeben ist, während sich auf der Innenwand Texte, Bilder und Diagramme mit Informationen über das jeweilige Thema befinden. Außer dem enthält jede Box ein charakteristisches Klangenvironment, das durch das Computernetzwerk gleichzeitig auf dem NeXT Computer in CD-Stereo-Qualität gespielt wird. Die Diagramme auf der Innenwand geben ähnlich einem U-Bahnnetzplan an, wo sich der Besucher oder Anwender befindet. Auf diesem Diagramm findet der Besucher die Problemgebiete, die in direktem Zusammenhang zu dem eben betrachteten Problem stehen. Das kann ungeahnte Zusammenhänge auf weite Sicht aufdecken. Diese ineinander geschachtelten Boxen sind durch die Wände betretbar und der ganze Prozeß wiederholt auf einer niederen Ebene, was bis an die Komplexitätsgrenzen der Datenbasen geht.

Es folgt nun eine Liste von Objekten, zu denen man durch das Interface der Fraktalboxen Zugriff hat:
Computerbilder von Daten über die Atmosphäre, die von NASA/NOAA Satelliten gesendet werden (CO2, Ozon, Temperaturen der Wolkenoberschicht, des Meeres und des Landes).
Als Overlay
  • geographische Informationssysteme über bevölkerungsstatistische, wirtschaftliche, politische und
    militärische Daten

  • allgemeine Umweltangaben von World Resource 1990–91 (World Resources Inst. Washington, DC)

  • Angaben über Temperatur und Niederschlag in den USA (1918–1987) (C02 Info Center)

  • Angaben über Ernährung und Landwirtschaft (UNO-Organisation FAO, Rom) – Demographische Daten (WHO, Genf)

  • Ozonwerte in der Atmosphäre (World Ozone Data Center)

  • Erdbeben, global

  • El Nino Wind- und Temperaturoszillation

  • Globale biologische Lebensraum-Klänge

  • Anbaufähige Bedingungen bei Meeresflächen und weitere Datenbasen von Earthwatch, WHO, Batelle, CityCorp, Reuter, CIA.
Ein Schwerpunkt werden die globalen Auswirkungen des Golfkrieges sein: die Ausbreitung der Rauchwolken vom Satelliten gesehen und auf dem Erdboden erlebt, Statistiken über wirtschaftliche, landwirtschaftliche, ökologische und sonstige Konsequenzen. Äußerst aktuell werden auch graphisch dargestellte Statistiken über die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen und die sozialen und legalen Aspekte des Drogenmißbrauchs sein.

Die geographischen Displays sind interaktiv (über SGI und/oder NeXT Plattformen, bei denen verschiedene Typen von Softwarepaketen zum Einsatz kommen), d.h. verschiedene Gebiete auf der Erdkugel sind je nach bestimmten Themen farblich gekennzeichnet.

Dazu gehören auch LinkWinds (Bud Jacobson, JPL) zur statistischen Analyse und Korrelation atmosphärischer Satellitendaten und VDL für die Visualisierung der Datenbasen.

Neben eher traditionellen Datenbasen planen wir auch, eine interaktive Nachrichtendatenbasis zu installieren: Indem man ein Gebiet auf der Weltkarte anpeilt, kann man über ein bestimmtes Thema an diesem bestimmten geographischen Ort graphische, akustische und, über Video, optische Informationen abrufen. Man könnte auch die Intensität aktueller politischer Konflikte, die durch die Häufigkeit der Nennung in den Nachrichten der verschiedensten Medien (z.B. SCOLA Nachrichten) gegeben ist, bei der Farbkodierung berücksichtigen.

Neben diesen geographischen Anzeigen sind wir aber auch an der eher symbolischen Darstellung funktioneller Netzwerke interessiert, die verschiedene Sachgebiete verbinden, die für das Weltsystem.als Ganzes relevant sind.

Eine Form der "Visualisierung" der Datenbasen wird klanglich erfolgen, globale Parameter von multidimensionalen Datenbasen werden durch Klangsynthese akustisch dargestellt.

Zur "Hörbarmachung" möchten wir auch physikalische (im Gegensatz zu elektronischen) Instrumente verwenden. Wir denken da an eine Installation von Trimpin aus Seattle: 100 über MIDI gesteuerte Wasserhähne erzeugen unterschiedlich hohe Töne, indem sie entsprechend geformte Tropfen in exakter zeitlicher Abstimmung in Gläser verschiedener Resonanzfrequenz fallen lassen. So zieht dann diese Installation eine Regenwand um das ganze Projekt und bildet einen tönenden Hintergrund für die optisch dargestellten ökologischen Daten.
(II) DARSTELLUNG, SIMULATION UND VISUALISIERUNG NICHTLINEARER DYNAMISCHER MODELLE VON GLOBALEN SYSTEMEN
Im zweiten Teil der Installation zeigen wir verschiedene Simulationsinstrumente, die entwickelt wurden, um in einer künstlichen Umwelt das Studium verschiedener Aspekte des globalen Gaiasystems zu ermöglichen. Mit Supercomputern hat man atmosphärische Phänomene modellhaft dargestellt. Wir bringen mehrere Beispiele derartiger Simulationen, die im Los Alamos National Laboratory durchgeführt wurden: Ergebnisse von in großem Maßstab durchgeführten Simulationen von globalen Zirkulationsmodellen (C. Keller, G. Glatzmaier-IGPP, C. Hanson-LANL auf Cray Supercomputern durchgeführt). Andere Modelle wurden auf einem der modernsten Parallelcomputer der Welt, der Connection Machine (CM-2) durchgeführt, das ist ein Computer mit 64000 Prozessoren, die alle gleichzeitig die Veränderungen in der Atmosphäre berechnen.

Die Ergebnisse adaptiver vernetzter Simulationen auf dem CM-2 des Los Alamos National Laboratory werden mittels eines eigenen graphischen Interface auf einem IRIS VGX in Stereovision gezeigt (J. Fowler, LANL).
Weitere Modelle sind:
  • Simulation globaler Modelle von atmosphärischen Sonderfällen (z.B.: El-Nino-Modell von Geoff Vallis, UCSC)

  • Simulation und Darstellung des 9-dimensionalen Lorenz Modells simultan sowohl als sich ergebende Verteilung räumlicher Muster und als abstrakte chaotische Attraktordarstellung (3 visuelle Variable + 9 klangliche Darstellungen der Dimensionen). (Auf MIDI basierender Code, der zurzeit von Gregory Kramer-New York, Bruce Sawhill-SFI, B. Hotchkiss-LANL entwickelt wird und von Gideon May für Multimediaanwendung SGI bearbeitet wird). Komplexe Elemente des globalen Gaiasystems folgen in ihrer Entwicklung nicht-Iinearen Gleichungen, die ein chaotisches Verhalten aufweisen können. Das Chaos derartiger Lösungen ist jedoch oft sehr subtil und kaum zu beobachten. Wenn es durch einen menschlichen Eingriff in dieses System zu kleinen Störungen kommt, können diese äußerst dramatische Veränderungen verursachen. Wir haben ein Interface für virtuelle Realität entwickelt, das eine interaktive Untersuchung der Empfindlichkeiten und Instabilitäten der nichtlinearen Modelle erlaubt: Unsere Codes ermöglichen es dem Anwender, im Ablauf der Zeitevolution nicht-Iinearer Differentialgleichungen chaotische Attraktoren zu durchfliegen. Mit dem SpaceBall zugeordneten Schalthebeln kann der Anwender die Differentialgleichungen stören und so vor dem Hintergrund des Originalattraktors die modifizierte Zeitevolution erproben. Das Programm zeigt den Lorenzattraktor von außen gesehen (in einem Bildfenster, das die augenblickliche und vorherige Position des PhaseSpaceShip anzeigt). Es erlaubt auch den Ausblick durch das Vorderfenster des PhaseSpaceShip beim Flug entlang des Attraktors, und die Bahn des Systems kann mit den SpaceBall-Schalthebeln aktiv gesteuert werden. In Simulationen wird auch der Wirkungsbereich (und die Grenzen) von Autopiloten", d.h. Gleichungen zur optimalen Steuerung chaotischer Attraktoren, demonstriert (A. Huebler).
Von der Lernfähigkeit der Maschinen abgeleitete moderne Methoden ermöglichen die Untersuchung von Strategien, die zu Lösungen sehr komplexer Probleme führen können. Um diese Prinzipien zu zeigen, werden genetische Algorithmen im Rahmen des ecoModells von John Holland eingesetzt unter Verwendung eines verbesserten Grafikinterface, das von Simulation Laboratories entwickelt wurde.

Die Lösungsklassen, die entweder durch interaktive Untersuchung oder durch Lernfähigkeitsalgorithmen gefunden werden, sind erst dann nützlich, wenn sich die Lösungen als widerstandsfähig erwiesen haben. Instrumente der nicht-Iinearen Dynamik und Computergrafik erlauben die Identifikation und Visualisierung kritischer Oberflächen in multidimensionalen Parameter- und Phasenzwischenräumen. Als Beispiel zeigen wir eine Phasenzwischenraumanalyse gemeinsam mit interaktiven Simulationen einer auf 3 Nationen bezogenen Verallgemeinerung von RichardsonModellen internationalen Wettrüstens (der Code wurde von Judy Challinger für SGI geschrieben).

Unter weiteren Beispielen von Simulationen nichtlinearer Modelle in anderen Bereichen finden sich Simulationen nicht-Iinearer ökonomischer Modelle (B. Arthur, SFI, Stanford Univ.) und die Simulation und Visualisierung von Ökologien künstlichen Lebens (C. Langton, SFI, LANL). Selbst ohne technischen Background kann man mit Computerspielen erstaunliche Einsichten in die Komplexität globaler Systeme gewinnen. Das ist der Schwerpunkt eines Beitrages der Simulation Laboratories (I. Kalin, D. Goldman) unter folgenden Titeln:
Simlabs-WHO Schistosomiasis Game Software
Bali Notebook
EarthStorm
SimEarth & SimCity
Hidden Agenda
Weitere noch zu nennende Software
Simulation Laboratories zeigen mit ihren Ausstellungsbeiträgen Simulationssoftware auf dem neuesten Stand der Technik für microcomputer-basierende Simulation menschlicher und natürlicher Ökosysteme zur Anwendung auf Macintosh und IBM-kompatiblen Microcomputern. Einiges davon wird zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt. Computeranzeigen und zusätzliche VCR Videos werden auf große Bildschirme projiziert. Die Besucher werden Gelegenheit haben, die Software praktisch auszuprobieren. Sie werden weiters mit den Softwaredesignern und Programmierern über die der vorgeführten Software zugrunde liegenden Konzepte und Technologien sprechen können.