www.aec.at  
Ars Electronica 1991
Festival-Programm 1991
Back to:
Festival 1979-2007
 

 

VIDEO: CINEMA: VIOLENCE


'Kathy Rae Huffman Kathy Rae Huffman

EINIGE GEDANKEN ZU VIDEO: VIOLENCE
Video stellt – gerade durch seine Ähnlichkeit zum Fernsehen – Gewalt häufig als ein wirkliches Ereignis dar. Die Kamera wird freiwillig oder unfreiwillig Zeuge von Handlungen, die sonst nur dem Opfer bekannt sind. Narrative und experimentelle Strukturen werden oft in dokumentarische Arbeiten eingebunden, um die Unmittelbarkeit des Ereignisses zu betonen, und das Ergebnis ist denn auch ein Anschein erhöhter Realität. Kein einziges Gewaltthema ist der Kamera entgangen, die sich abmüht, den überwältigenden Kontrollverlust des Menschen in der heutigen Welt einzufangen oder sich damit zu arrangieren.

Das Fernsehen erreicht die Massen zwar weltweit, aber nur mit einem Blickwinkel, der durch viele Schichten von Agenturen, Medieninteressen und Werbeprioritäten gefiltert wird. Video, das ja in einem viel weniger öffentlichen Forum präsentiert wird, hat es einem alternativen Publikum erlaubt, von politischer Unruhe in fernen Ländern zu erfahren, wo die offiziellen Nachrichtenreportagen schlaff, zensuriert und/oder gelenkt sind. Video stellt eine Verbindung zu Untergrundaktivisten her, die für (aus der Sicht der Hauptströmungen, versteht sich) unpopuläre oder politisch fragliche Anliegen kämpfen. Das Medium gibt den Benachteiligten Macht. Als Werkzeug sind die Videokamera und der Recorder leicht zu bedienen, billig und klein. Diese Eigenschaften erlauben es ihnen auch, an politisch etwas sensiblen Orten unauffällig zu filmen, wo sonst eine Aufzeichnung gefährlich oder gar unmöglich wäre.

Als Zeuge hat das Video Szenen von haarsträubender Grausamkeit eingefangen (die – wie gesagt – außer den Opfern ähnlicher Behandlung kaum vorstellbar scheinen). So wurden beispielsweise die brutalen Schläge auf Rodney King durch die Polizei von Los Angeles von einem Videoamateur festgehalten, der von seinem Vorgarten aus filmte. Das Material wurde auf der ganzen Welt ausgestrahlt (und wurde – wie man hört – einer Rap-Gruppe für ein MTV-Video verkauft). Dieser unwiderlegliche Beweis ist jedoch auch ein Dokument extremer Macht, und hat den Bürgermeister von Los Angeles dazu veranlaßt, den Polizeichef zum Rücktritt aufzufordern.

Die Arbeiten in VIDEO : VIOLENCE anerkennen alle die Präsenz der Kamera und ihren direkten Effekt auf den Betrachter. TV-Bilder aus den 60er Jahren (die ursprünglich auf Film gedreht wurden), verwendeten das Medium, um die emotionalen Reaktionen und die Stärke des politischen Bewußtseins zu ergründen. Bildmaterial aus den Frühzeiten des Fernsehens zeigt auch die Kraft des Schwarzweiß-Bildes, und demonstriert, wie sehr das Fernsehen damals ein "abgehobenes" Element der Nachrichten war. Der Vietnamkrieg ist ein anderes Beispiel dafür, wie sehr der Mythos von Krieg und Ehre durch das Fernsehen untergraben wurde, und wie dies die Einstellungen von einer Generation zur anderen verändert hat. Die Fähigkeit der versteckten Kamera, die Kakophonie einzufangen und die Energie des Augenblicks darzustellen, ist ein anderes wichtiges Element der Nützlichkeit des Videos.

Das Medium hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, Informationen in andauernden internationalen Krisen zu verbreiten, in Gegenden, die von den Zeitläufen schwer gebeutelt werden, und damit auch ein wenig Hoffnung auf die Zukunft zu verbreiten. Die Geschichten der Tragödie der Verschwundenen in Lateinamerika beispielsweise, geben Zeugenschaft von Loyalität und Liebe. Die Frauen führen einen unermüdlichen Kampf um die freie Meinungsäußerung gegen feindselige Militärregimes. Die Angst vor Rache wegen der Veröffentlichung von Geheimnissen hindert die Zeugen oder Überlebenden nur selten an ihrer Aussage. Die Anliegen der Frauen und die politische und persönliche Gewalt, die sie erfahren, sind Thema einiger der berührendsten und intimsten Videoarbeiten. Über Mißhandlungen wird nur selten berichtet, zumal in der Dritten Welt, aber eine sehr große Zahl von Frauen braucht die Hoffnung, der Tyrannei der häuslichen Brutalität entkommen zu können.

Videoarbeiten, die während der jüngsten politischen Unruhen in Asien entstanden, verbreiteten weltweit Informationen, die zuvor unterdrückt worden waren. In Osteuropa brachte das Video die Nachrichten und die Deklarationen der Demokratie unter die Leute, und gab der nationalen Revolte gegen die regierenden repressiven Systeme Aufschwung. Der Golfkrieg allerdings ist ein Paradoxon, wenn man ihn im Zusammenhang mit der jüngsten Geschichte militärischer Konflikte und den Umweltkatastrophen sieht, wie diese im TV dargestellt werden. Dieser Krieg war chemisch rein und keimfrei. Er ist vielleicht ein Beispiel dafür, was die 90er Jahre für die Fernsehcouch-Lümmler noch auf Lager haben – Motto: Ende gut, alles gut. In diesem Fall war es eine kurzlebige Seifenoper.

Politische Gewalt ist das öffentliche Zeugnis einer dysfunktionalen Welt, deren Ursprünge wir in Heim und Familie finden. Private Gewalt ist weit verbreitet und scheinbar endlos, je nachdem wo man die Grenzen des Themas zu ziehen beliebt. Gewaltvolle Bilder, gewaltvolle Situationen, Handlungen der Massen gegen wenige oder von wenigen gegen die Massen, und auch Gewalt durch legale Mittel. Gewalt ist ein Angriff von einer Person auf eine andere: Sexuelle Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Gewalt gegen hilflose Tiere im Labor.

Video hat eine wichtige Rolle in der Erziehung gegen individuelle persönliche Gewalt gespielt. Es hat den Kampf um Menschenrechte dokumentiert, jenen der Frau um das Recht am eigenen Körper, für sexuelle Freiheit, und es hat auch Alternativen zur "vorbildhaften" Fernsehfamilie angeboten – einem geradezu unerreichbaren Ziel (und die Unerreichbarkeit dieses Vorbilds hat zu einer Menge persönlicher Mißhandlungen geführt). Mitte der 70er Jahre wurde Video zu einem wichtigen Instrument in der Frauenbewegung. Schon bald haben ihre Anhängerinnen gelernt, die Technologie einzusetzen, und haben eine große Anzahl erzählerischer, dokumentarischer und experimenteller Arbeiten geschaffen. Künstler aus anderen Bereichen, wie Performance-Künstler, Schriftsteller und Dichter, Tänzer und Musiker, haben sich Film- und Videomachern angeschlossen, um das viele Unrecht gegenüber der Menschlichkeit – und gegenüber dem Leben selbst aufzuzeigen.

Eine Sammlung sozial bewußter Arbeiten, von denen jede einzelne einen Teil der andauernden Geschichte des menschlichen Kampfes mit der Gewalt aufzeigt, stellt dieses Programm vor. Was wird mit der Betrachtung von so viel Gewalt denn bezweckt? Oft ist es ekelerregend und kaum möglich, sich die Unmenschlichkeit und den Schmerz vorzustellen.

Heute ist Gewalt mehr denn je in allen Gesellschaftsformen offensichtlich – wo immer wir sind, Gewalt ist rund um uns. Ist das eine Reaktion auf die Welt, in der wir leben? Ist sie ein Abglanz gesellschaftlichen Ärgers, der aus der Niederlage und dem Kontrollverlust über das eigene Schicksal entsteht? Was wir wissen, ist, daß die Gewalt zunimmt, und daß sie derzeit die häufigste Todesursache unter schwarzen Jugendlichen in den USA ist. Ist sie das Böse, eine Phantasie, oder eine Wahlmöglichkeit der Sensibilität unserer Vorstellungskraft?
VIDEOPROGRAMM
POLITISCHE GEWALT:
Belfast: Control Zone von Bonnie Donohue (1984, 5 Min.) Inmitten von Straßenkämpfen und Bombenattacken wettert ein Pfarrer gegen "Die Sünde".

Bilocation von Marina Griinie und Aina Smid (1990, 12:40 Min.) Englische Untertitel. Auseinandersetzungen zwischen Serben und Albanern im Gebiet von Kosovo im südlichen Serbien haben dazu geführt, daß diese ethnische Minderheit einer gewaltsamen Repression ausgesetzt ist.

Black Celebration von Tony Cokes (1988, 17 Min.) TV-Aufnahmen aus den 60er Jahren von den Unruhen im Stadtteil Watts in Los Angeles, die im Fernsehen gezeigt wurden, werden unterlegt mit Zitaten von Malcolm X und den Situationisten.

Bound to Strike Back (Part II): The War von The Capricorn Video Unit, Zimbabwe (1986, 32 Min.) Der ANC – African National Congress – macht sich die Gewalttätigkeit in den südafrikanischen Townships und die spontane Wut der Schwarzen zunutze.

Canon: Taking to the Streets. Part One: Princeton University – Take back the Night von Dara Birnbaum (1990, 10:10 Min.) Ein poetisches Eingeständnis von Gewalttätigkeiten auf dem Universitätsgelände bei einer feministischen Versammlung, festgehalten in diesem Video.

Disorderly Concept von der Gruppe Buffalo Artists Against Repression and Censorship (1990, 29 Min.) Auf die institutionelle "Selbstzensur" einer Performance/ Installation der Gruppe Survival Research Labs aus San Francisco reagieren Künstler aus Buffalo mit einer Aktion und werden inhaftiert.

Fedefam von Catherine Russo und Carlota Chartier (1990, 40 Min.) Englische Untertitel Frauen aus vierzehn lateinamerikanischen Ländern haben eine Dachorganisation gegründet, um die Familien von Verschwundenen zu vertreten. Seit 1981 bemühen sie sich gemeinsam, die Leichen von Familienangehörigen zu finden und zu identifizieren: der Opfer von Folter und Unterdrückung.

The Feeling of Power von Robert Beck (1990, 8:48 Min., 8 MM/Video) Die Kamera ist ein Gerät, das Macht verleiht, direkt und unzensuriert zeigt sie eine Demonstration in New York City.

Free Society von Paul Garrin (1988, 3:22 Min.) In vielfältigen Darstellungen wird die Macht des Militärs gezeigt.

Home (less) is Where the Revolution Is von Paul Garrin (1990, 3 Min., 8 MM/Video) Garrin wendet sich an die Kamera und macht die Vorhersage, daß die Leute den Staat nun beobachten werden und daß "… die Revolution vom Fernsehen übertragen werden wird …"

Like a Prayer: Stop the Church von DIVA TV (1990, 28:22 Min.) Bei der Demonstration vor der St. Patrick-Kathedrale in New York City am 17. Februar 1990 treffen sich die unterschiedlichsten Menschen und sprechen sich gegen Kardinal O'Connor und die Vorschriften der katholischen Kirche über Empfängnisverhütung und AIDS-Aufklärung aus.

The Gulf Crisis TV Project II von Paper Tiger Television und dem Deep Dish Satellite Network produziert (1991, eine Auswahl aus sechs halbstündigen Programmen). Diese Golfkrisenserie, die während und nach dem Krieg im Irak produziert wurde, zeigte ein anderes Bild als das offizielle, von der Regierung genehmigte Fernsehen, das der amerikanischen Bevölkerung ins Wohnzimmer geliefert wurde. Man konnte diese Serie über Kabelfernsehen, PBS und lokale Sender empfangen.

1. Manufacturing the Enemy von den Redakteuren Ludger K Balant & Simone Farkhondeh (28 Min.) ist eine Analyse des antiarabischen Rassismus und der Gewalttätigkeit gegen Araber, die amerikanische Staatsbürger sind.

2. Newsworld Order von den Redakteuren Chris Hoover und Indu Krishnan (28 Min.) befaßt sich mit der über die Journalisten verhängten Zensur und mit der Darstellung des Krieges in den amerikanischen Medien.

Sari Red von Pratibha Parmar (1988, 12 Min.) Kalbinder Kaur Hayre, eine junge Inderin, die 1985 von Faschisten bei einem rassistischen Überfall in England getötet wurde, symbolisiert die Gewalttätigkeit, die asiatischen Frauen sowohl im privaten wie im öffentlichen Leben ständig droht.

They saw Their Blood Flow: Testimonies from El Salvador 1990 von Rosemary Bodolay und Mary Giovagnoli (1990, 12 Min.) Spanisch und Englisch. Sechs Jesuitenpriester und zwei Bewohner der Gemeinde Comunidad Ignacio Ellacuria wurden am 11. Februar 1990 von salvadorianischem Militär in aller Öffentlichkeit getötet. Überlebende Augenzeugen zeigen Mitgliedern eines Menschenrechtsteams den Schauplatz und erinnern sich an diesen brutalen Vorfall.

Smothering Dreams von Daniel Reeves (1981, 22:05 Min.) Eine persönliche Darstellung des Vietnamkrieges, die zeigt, wie die Gesellschaft die Anwendung von Gewalt auf allen Ebenen nicht nur duldet, sondern auch unterstützt, indem sie kleine Buben mit Kriegsspielzeug und mit Gewehren spielen läßt.

Update Brazil: Women's Police Station von Nancy Marcotti und Colette Loumede (1986, 15 Min.) Englische Untertitel. Sao Paulo, Brasilien: 65.000 Frauen haben im Jahr 1986 bei dem neu errichteten Polizeiposten für Frauen Zuflucht gesucht. In einem Land, in dem Frauen häufig Opfer von Gewalt sind, hofft man mit dieser (ausschließlich von Frauen) geführten Einrichtung, Hilfe zu bieten.

… Will Be Televised: Video Documents from Asia, Produzent: Shu Lea Cheang (1990, Ausschnitte aus fünf einstündigen Programmen) Englische Untertitel.

1. Until Daybreak: Korea von Hye Jung Park (60 Min.) zeigt die über zehn Jahre hindurch immer wieder ausbrechenden Unruhen in Südkorea aus der Sicht der Bevölkerung.

2. A Legacy of Violence: The Phillipines von Nick Deocampo (60 Min.) gibt die durch im eigenen Land produzierten Kriegsfilme aufgeheizte Atmosphäre wieder.

3. The Generation After Martial Law: Taiwan von Ching Jan Lee (60 Min.) zeigt den erfolgreichen Einsatz von Video-Kassetten mit Dokumentarberichten über den Kampf der Bevölkerung gegen das repressive System der Staatsgewalt.
"MANÖVER IN DER STADT",
von Radio Subcom (1990, 5:13 Min.) Filming and Postproduction: Antonia Neubacher, Armin Medosch, Reini Leitner.

Das "Manöver in der Stadt" handelt vom Einsatz der Polizei und Sonderkommandotruppen gegen Demonstranten und Zaungäste bei der Opernballdemonstration am 22. Februar 1990 in Wien. Das Video rückt den Betrachter in die Perspektive eines Heckenschützen mit wackelndem Fadenkreuz. Die Reportage wird zum Eingriff ins Geschehen, indem die suggestiven Mittel des Mediums – Fernsehen als Waffe – zynisch ausgeschöpft werden.
PERSÖNLICHE GEWALT.
Age 12: Love with a Little L von Jennifer Montgomery (1990, 22 Min. Super 8/Video)
Tyrannei in der Kindheit und die Macht des Stärkeren.

An I for An I von Lawrence Andrews (1988, 18 Min.) Eine dynamische Darstellung der Internalisierung von Rassismus, Gewalttätigkeit und der Auswirkung in den Massenmedien.

Belladonna von Beth B und Ida Applebroog (1990, 12 Min.) Verschiedene Menschen stellen sich der Frage ob, und bekennen, daß sie wirklichein schlechter Mensch sind (oder auch nicht).

Beneath the Skin von Cecilia Condit (1981, 12 Min.) Ein "echter" Mordfall aus den Fernsehnachrichten wird mit Komplikationen, Widersprüchlichkeiten und Ausschmückungen wiedergegeben. Die Erzählerin ist von dem Vorfall fasziniert und verrät sich als Opfer, das an der Gewalt Mitschuld trägt.

Buzz Box von David Daniels (1986, 15 Min.) Aggressive und erbarmungslos wirklichkeitsgetreue Trickfilmdarstellung von Gewalt im Fernsehen in Form einer Wochenschau.

The Dead Man von Peggy Ahwesh und Keith Sanborn (1989, 38 Min.) Nach einem Text von Georges Bataille wird Maria mit erotischer Genauigkeit als gewalttätige Protagonistin in einer Regennacht dargestellt …

Familiy Tyranny von Paul McCarthy (1987, 10 Min.) Dargestellt von Paul McCarthy und Mike Kelley; Der Vater läßt dem Sohn die gleiche Behandlung angedeihen, die er selber erfahren hat.

The Good Friday von Teernu Mäki (1989, 9:07 Min.) Gewaltsame Selbstmißhandlung in der Tradition eines De Sade und Artaud.

He Was Once von Mary Hestand (1989, 15 Min., 16 mm Film auf Video) Gewalt in der Familie, Rollenumkehr und verzerrte, gestörte Phantasien sind Ausdruck von Wut in einem nicht funktionierenden häuslichen Milieu.

Hey Bud von Juli Zando (1978, 10:30 Min.) Aufnahmen eines Selbstmordes, den Bud Dwyer, ein Regierungsbeamter vor einem bei einer Liveveranstaltung des Fernsehens anwesenden Publikum begeht, werden überblendet mit Bildern von jungen Mädchen, die Ballkleider probieren. In beiden Fällen geht es darum, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.

How to Shoot a Crime von Chris Kraus (1987, 28 Min.) In diesem dramatischen Dokumentarstreifen werden Ausschnitte aus einer polizeilichen Untersuchung, einem vielsagenden Gespräch mit einer verärgerten herrschsüchtigen Frau über Kontrolle, Sex und Gewalttätigkeit gegenübergestellt.

Keep Your Laws off my Body von Catherine Saalfield und Zoe Leonard (1990, 12:30 Min., Schwarz-weiß). Ist das ein Verbrechen? Verschiedene Gesetze über Sexualpraktiken, Pornographie und die Rechte der Frau über ihren Körper können von der Polizei exekutiert werden.

L. A. Nickel von Branda Miller (1983, 10 Min.) Auch wenn die Polizei im Armenviertel vertreten ist, kommt es zwischen der 5th und der Wall im sonnigen Los Angeles täglich zu Gewalttätigkeiten.

My Way von Teemu Mäki (1990, 7:15 Min.) Ein kompromißloser Angriff auf die trügerischen Werte der Konsumgesellschaft.

A Place Called Lovely von Sadie Benning (1991, 20 Min., Pixelvision). Ein Videotagebuch über ein junges Mädchen und dessen Begegnungen mit persönlicher Gewalt.

Police State von Nick Zedd (1987, 18 Min.) Basierend auf tatsächlichen Geschehnissen ist dies ein Blick in Polizeiwachstuben, wo es zu Übergriffen und Einschüchterung kommt.

Rape Stories von Margie Strosser (1989, 25 Min.) Der niederschmetternde persönliche Schreckensbericht über eine Vergewaltigung, von der gleichen Person zwei Tage nach dem Geschehen und 10 Jahre später erzählt.

Son of Sam and Delilah von Charles Atlas (1991, 30 Min.) New York City 1988: wütende Homophobie und ein Mörder schlägt zu … verwüstet die Avantgarde Tanz- und Theatervereinigung.

Tales of the Forgotten Future: Part II – The 5 o' Clock Worlds: The Organ Minder's Gronkey von Lewis Klahr (1990, 15 Min.) In einer Science-Fiction-Atmosphäre sucht eine einsame Gestalt Heilung von ihrer Krankheit in einer verstummten und leblosen Stadt, dargestellt in einzelnen Trickfilmschnitten.

Thanatopsis von Beth B (1991, 11 Min.) Der von Lydia Lunch geschriebene und dargestellte Text beschreibt die Gewalttätigkeit der Militärmaschinerie und klagt um die Opfer des Krieges.

Unnecessary Fuss von dem Verein People for the Ethical Treatment of Animals, Inc (1984, 30 Min.) Dokumentaraufnahmen aus den Labors der Klinik für Kopfverletzungen an der Universität von Pennsylvania, in denen Paviane und andere Kleintiere grausamen Experimenten ausgesetzt werden.

Le Voyage de L'Ogre (The Path of the Ogre) von Marc Paradis (1987, 20 Min.) Englische Untertitel. In Szenen voll sexueller Gewalt und Homoerotik wird der Fall John Gacy, eines Mörders mehrerer Jungen, seziert und untersucht.
VIDEO GEGEN AIDS:
Video gegen AIDS ist eine leidenschaftliche Darstellung der AIDS-Krise aus anderer Sicht und befaßt sich mit persönlichen und politischen Anliegen im Umfeld der AIDS-Epidemie. Diese Videos wurden von betroffenen Künstlern, Aktivisten, Menschen, die mit AIDS leben und deren Familien und Freunden gestaltet und bringen persönliches Erleben, Denken und Fühlen zum Ausdruck, was von den Medien im allgemeinen bisher übergangen wurde. Thematisch ist Video gegen AIDS in 9 Themengruppen gestaltet, die zur Bewußtseinsbildung über die Standpunkte, Vorstellungen, Tatsachen und politischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der AIDS-Krise beitragen möchten.
Bill Horrigan und John Greyson waren für die Organisation von Video gegen AIDS verantwortlich: Kate Horsfield, Video Data Bank, Project Co-ordinator, Cail Sax waren die Produzenten; Vertrieb auf VHS über Video Data Bank, Chicago und New York und V-Tape, Toronto.
PROGRAMM I (114 Minuten):
PWA MACHT Survival of the Delirious Von Michael Balser und Andy Fabo (1988,14:28 Min.); Living with AIDS: Work Your Body; Options for People Who Are HIV Positive von Jean Carlomusto und Gregg Bordowity/Gay Mens Health Crisis (1988, 28:38 Min.)

DISKRIMINIERUNG The Second Epidemic von Amber Hollibaugh und Alisa Lebow/AIDS Discrimination Unit, New York, Menschenrechtskommission (1988, 27 Min.)

AIDS UND FRAUEN Safe Sex Slut von Carol Leigh (alias Scarlot Harlot)/Tuscon Western International Television (1988, 2:42 Min.); Cori: A Struggle for Life von Freunden von Jacquelin Corianne Shearer mit Nina Sobell (1989, 17:47 Min.); Living With AIDS: Doctors, Liars and Women: AIDS Activists Say No to Cosmo von Jean Carlomusto und Maria Maggenti, Gay Men's Health Crisis (1988, 22:52 Min.)
PROGRAMM II (119 Minuten):
WIDERSTANDThe AIDS Epidemic von John Creyson (1987, 4:52 Min.); Snow Job: The Media Hysteria of AIDS von Barbara Hammer (1986, 7:33 Min.); We Are NOT Republicans von Adam Hassuk und Robert Huff (1989, 13:10 Min.); Stiff Sheets von John Goss (1989, 19:05 Min.)
TRAUERMildred Pearson: When You Love a Person von Yannick Durand/Brooklyn AIDS Task Force (1988, 9:05 Min.); The Inaugural Display of the NAMES Project Quilt von David Thompson (1987, 15:41 Min.); Danny von Stashu Kybartas (1987; 20:10 Min.)
GEMEINSCHAFTSERZIEHUNGSe Met Ko von Patricia Benoit/Haitian Women's Program (1988, 28:46 Min.)
PROGRAMM III (115 Minuten):
VERLUSTA Plague Has Swept My City von Emjay Wilson (1985, 1:44 Min.); Gab von Ann Akiko Moriyasu (1987, 10:22 Min.); A von Andre Burke (1986, 8:06 Min.); This is Not An AIDS Advertisement von Isaac Julien (1987, 9:44 Min.)
ANALYSEThey Are Lost to Vision Altogether von Tom Kalin (1989, 13: 10 Min.); Reframing AIDS von Pratibha Parmar (1988, 38 Min.)
AKTIVISMUS Another Man von Youth Against Monsters (1988, 3:03 Min.); Testing The Limits: NYC (Part One) vom Kollektiv Testing The Limits (1987, 29:45 Min.)
JOHN DUNCAN VIDEO RETROSPEKTIVE Im Rahmen des Video-Violence-Programms und im Zusammenhang mit seiner Performance werden alle Videoarbeiten von John Duncan gezeigt, die er in Japan produzierte, inklusive seiner Tokyo Pirate Television, und der Arbeiten für Rabotnik TV in Amsterdam.
PROGRAMM:
PRAYER
Collage mit anonymen Porno-Darstellern, 20 Min.

TVC 1
Piraten-Fernsehsendungen mit Ausrüstung, die von Duncan gebaut und über die Frequenz von NHK 1 Tokio betrieben wurde.

ANTHEM
Performance einer "Reichianischen" konvulsivischen Atemübung, 10 Min.

BRUTAL BIRTHDAY
Video von einem in Japan gedrehten Film, transformiert für Kabel-TV Amsterdam, 30 Min.

YUREHOSO
Videotransferierter Film, gedreht in Japan, 26 Min.

Die "JOHN-SEE"-BÄNDER: eine kommerzielle Pornovideoserie mit Drehbuch, Regie und Umsetzung durch Duncan, die vom Zuseher nach Belieben zu zerschneiden ist, für die Produktionsgesellschaft KUKI in Tokio unter dem Namen John See.
EROTIC VIOLENCE VON RICHARD KERN
THE CINEMA OF TRANSGRESSION
"In diesem Film dreht sich alles darum, eine AUSBEUTUNG in einer Art und Weise auszuschlachten, wie es einige unnötig GEWALTSAM, SEXISTISCH und ABSCHEULICH finden mögen. Wir warnen daher die Zuseher und appellieren an ihre Mündigkeit. Wenn es auch nicht unsere Hauptabsicht ist, zu SCHOCKIEREN, zu BELEIDIGEN oder ANSTOSS ZU ERREGEN, so möchten wir doch darauf hinweisen, daß wir ausschließlich unsere Wünsche als Angehörige einer SEXUELLEN MINDERHEIT befriedigen wollen!"
Dieser warnende Hinweis stammt von Lydia Lunch und er steht am Anfang von Richard Kerns Film FINGERED (1986) anstelle der sonst für Leihvideos üblichen FBI-Copyrightklausel. Er stellt die Erwartung des Zusehers auf die Probe und erhöht gleichzeitig die Neugier. Das ist es eigentlich, worum es Richard Kern und seinem Cinema of Transgression geht.
Ich traf mich mit Kern an einem regnerischen Apriltag und wir unterhielten uns fast zwei Stunden lang in seiner sparsam möblierten Wohnung in New Yorks Greenwich Village. Ich wollte wissen, was ihn dazu bringt, so beunruhigende und provozierende Filme zu machen, wie er sein Publikum sieht und wie er das vorgeschlagene Programm seiner Arbeit für Ars Electronica 91 beurteilt. Gelassen und mit ruhiger Stimme erzählte er mir davon, wie er nach einer Kindheit und Jugendzeit in North Carolina, wo er an der University of North Carolina Philosophie studiert hatte, in das Lower-East-Side-Viertel in New York gekommen war. Eine Zeitlang hatte er als Photograph gearbeitet, doch zu Anfang der 80er Jahre trat er in die Fußstapfen seines Vaters (der Herausgeber einer konservativen Zeitung war) und begann mit der Herausgabe des Magazins "The Heroin Addict", (er änderte dann den Namen auf "The Valium Addict") und dann einer zweiten Zeitschrift namens "Dumb Fucker". Finanziell waren beide kein Erfolg.
Um 1984 schloß sich Kern Nick Zedd (den er seinen Mentor nennt) und anderen aus der Undergroundszene der Lower East Side an, es waren vor allem Filmemacher und Herausgeber von Magazinen. 1984 machte er seinen ersten Film und hat seither über ein Dutzend Super-8-Filme und Videos von bis zu 35 Minuten Dauer gemacht. Er dachte daran, wie er als Heranwachsender auf hartes und unzensuriertes Material aus war und entwarf einen Verteilerplan für den Inlandsmarkt für ein erfolgreiches internationales Versandhaus namens get-go. Er wollte seine Arbeit unter jene Leute bringen, die an Orten nach Alternativen suchen, wo es keine gibt.
Während der 80er Jahre mied Kern die Avantgarde. Damals entdeckte die Schickeria die "Kunst" in den Studios und der Szene der Lower East Side. Seine zahlreichen Arbeiten gemeinsam mit Punk Groups, die zum harten Kern gehörten, mit Performancekünstlern, insbesondere Lydia Lunch, verschafften ihm bald den Ruf, makabre "Brechmittel" zu produzieren. Kern seinerseits fühlte sich in New York wohl und sagt, daß Lydia Lunch der erste Mensch war, mit dem er frei sprechen konnte, ohne sich als ausgeflippter Widerling vorzukommen. Er hält an seiner Überzeugung fest, daß eine große Nachfrage nach Blutrünstigem und Videos ohne sozialethischen Wert besteht. Es macht ihm auch Spaß, zwischen den Zeilen ein wenig perversen Südstaatenhumor einfließen zu lassen.
PROGRAMM:
Richard Kerns EROTIC VIOLENCE:
The Theatre of Transgression


The Right Side of My Brain (1984)
Black & White, Super 8 Sound, 23 minutes
Narrated by Lydia Lunch
Featuring Lydia Lunch, Norman Westburg, Brian Moran, Clint Ruin, Henry Rollins, Eric Willenbrink and Sally Ven Yu.
Music by Lydia Lunch and Lucy Hamilton

Manhattan Love Suicides (1985)
Black & White, Super 8 Sound, 35 minutes
Featuring Bill Rice, David Wojnarowicz, Adrienne Altenhaus, Nick Zedd, Tom Turner, Amy Turner

The Evil Cameraman (1986, 1990)
Color, Super 8 Sound, 15 minutes
Featuring Jap Anne, Iced Queen, Little Linda, Jaqui O. and Richard Kern.

Fingered (1986)
Black & White, Super 8 Sound, 23 minutes
Written by Lydia Lunch and Richard Kern.
Featuring Marty Nation, Lung Leg, Emilio Cubeiro, Pete Haskel and M. Compton.

Pierce (1987)
Color, Super 8 Sound, 8 minutes Featuring Audrey Rose and Capt. Kirk.

Submit to me Now (1987)
Color, Super 8 Sound, 17 minutes
Featuring Lydia Lunch, Clint Ruin, Lung Leg, Audrey Rose, Nick Zedd, Tommy Turner, Cassandra Stark and others.
Music by Lydia Lunch, Thurston Moore, Scraping Foetus off the Wheel, Bewitched, Black Snakes and others.

X is Y (1990)
Color, Super 8 Sound, 3 minutes

Money Love (1990)
Color, Super 8 Sound, 1 minute
A Sonic Youth Video

Tumble (1990)
Color, Super 8 Sound, 3,5 minutes

Catholic (1991)
Black & White, Super 8 Sound, 2 minutes

Nazi (1991)
Color, Super 8 Sound, I minute
KATHY R. HUFFMAN:
INTERVIEW MIT RICHARD KERN
KH: Wie sind Sie dazu gekommen, Undergroundfilme zu machen?

RK: Noch bevor ich nach New York gekommen bin, in ich auf alles gestanden, das ausgefallen war, wenn ich wo das Wort Scheiße gesehen habe, fand ich das toll! Es klang so aufregend und war nicht, was ich von daheim gewohnt war. Dazu hatte Football gehört und schlechtbezahlte Jobs und na, so halt. Viel später dann wurde mir klar, daß dieser Markt noch immer besteht. Das heißt, es handelt sich nicht um einen Markt, sondern einfach um Leute, die etwas sehen wollen.

KH: Was ist das Cinema of Transgression?

RK: Tja! Ich und Nick Zedd, wir alle waren große Fans von Andy Warhol, Ehrenwort, von allen Berühmtheiten, und so. Also, Nick sagt: "Ich werde es Cinema of Transgression nennen, damit wir etikettiert, identifiziert und bekannt werden können." Nick war ja auch der Herausgeber des Underground Film Bulletin (so 4 bis 5 Jahre lang) und er schrieb 90% der Artikel. Da ging's um Filmemacher und uns. Eine Zeitlang gab es eine ganz schöne Gruppe von Leuten, die solches Zeug machten, aber sie sind jetzt überall hin verstreut.

KH: Das war also der Anfang?

RK: Ja. Die 80er.

KH: Und für welchen Markt produzieren Sie jetzt?

RK: Als ich anfing, gab es keinen so riesigen Markt, aber es ging los. Da gab es Zeitschriften, "Film Threat Magazine" und "Film Threat Video", die ausgesprochen für diese Leute gemacht werden. Übrigens, "Film Threat" soll demnächst im ganzen Land erhältlich sein, in 7 bis 11 Ländern, wie BIG TIME! Das Publikum für diese Magazine ist der amerikanische Underground, das ist das große Publikum, und das gibt es. Es bringt auch Artikel über Musik, Film und Video, das wär's. Mein Markt ist der gleiche wie für obskure, unheimliche Filme – es ist das gleiche Publikum, das sich für "Incredibly Weird Film", eine Veröffentlichung von Research Magazine interessiert. Da gab's hier ja einen richtigen Kult mit den Leuten, die solche Filme machen. Dann gibt es Jack Stevenson in Boston von Living Color Productions, der ein unglaublicher Sammler von Filmen ist – der ist also ganz verrückt danach. Jack sammelt die obskursten Filme, nihilistische und existentialistische Filme – einfach ganz ausgefallene. Ich habe schon einige Filmvorführungen von ihm gesehen und die sind echt gut!

Zur Zeit ist mein Markt überall, vor allem aber in den Plattengeschäften. Dorthin kommen vor allem Männer, Weiße, zwischen 20 und 30 Jahren alt, mit einem zwanghaften Verlangen etwas zu kaufen, wie CDs. Mir selbst ist dieser Drang so ziemlich vergangen, aber wir haben doch nicht wenige CDs (lacht). Zu diesem Drang gehört, daß man irgendwas Obszönes haben will, das man seinen Freunden zeigen kann. Na ja, Sie wissen ja, wieviel Zeit die Leute vor dem Fernseher zubringen.

KH: Wie steht's mit dem neuen feministischen Markt für Pornofilme?

RK: Ich kenne einige Mädchen im Pornomarkt, vor allem für die neueren Sachen (wie The Taste of Latex). Vor ein paar Jahren habe ich kurz mit dieser Szene kokettiert, aber jetzt kann ich's einfach nicht ernst nehmen (lacht).

KH: Ist das, was Sie machen, wirklich gewalttätig?

RK: Es sind Hirngespinste! Zum Beispiel, hier im Village ist ein Club, da schwelgen sie wirklich in solcher Phantasterei. Ich ging mit meinem Mädchen dorthin und dort waren lauter solche Leute, die dir die Füße lecken wollen. Aber ich kann einfach nicht mehr in diese Lokale gehen (lacht). Es hat so eine lange Tradition, das blutrünstige Theater. Es gibt's schon seit Urzeiten und ist eine Art von Unterhaltung. Allerdings sind die Publikumsreaktionen sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, wo man es vorführt und welche Kultur dort herrscht.