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Ars Electronica 1990
Festival-Programm 1990
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Festival 1979-2007
 

 

Keplers Letzter Traum


'Frances-Marie Uitti Frances-Marie Uitti

"Mit dieser Symphonie der Stimmen kann sich der Mensch in weniger als einer Stunde die Ewigkeit erspielen und einen kleinen Vorgeschmack von der Herrlichkeit Gottes, des höchsten Künstlers bekommen …"
'Kepler's Last Dream' – 'Keplers letzter Traum' – eine allegorische Oper im Kleinformat basiert einerseits auf seinen Schriften insgesamt und im besonderen auf seinem 'Somnium'. Letzteres war sein 1609 geschriebenes metaphorisches Werk über die Geographie des Mondes, welches eine leidenschaftliche Beweisführung zugunsten der unbeliebten Kopernikanischen Lehre verbirgt. Das musikalische Material befaßt sich mit dem allegorischen Wesen des Somnium und spiegelt es in doppelten und dreifachen komplexen Bedeutungsebenen. Verhältnis, Geschwindigkeit und Höhe gestalten die Geometrie des Werkes, zu dessen Orchestrierung viele neu bespannte und gestimmte Celli, Stimme, visuelle und elektronische Mittel eingesetzt werden. Tautologien und Kontraste sind Bestandteile des Werkes und gewisse Bezüge werden hergestellt, wie zum Beispiel: Kepler glaubte, daß innerhalb der "Symphonie der Stimmen" die planetarischen Geschwindigkeiten in entsprechenden Frequenzen wiederzufinden sind (Do, Re, Mi etc.) und daß die Töne der Erde in der "Harmonie der Sphären" Fa und Mi seien oder in weiterer Interpretation FAMINE – Hungersnot, dieser wahrhaft traurige Zustand unseres Planeten …

Somnium war eine der ersten Sciencefictionphantasien, und die vorkommenden Charaktere lassen unschwer Persönlichkeiten aus Keplers eigener Geschichte erkennen. Duracotus ist Kepler, die Verkörperung der Wissenschaft. Fiolxhilde war die Unwissenheit und die Mutter der Wissenschaft. In Keplers Erzählung war sie eine Zauberin und in Wirklichkeit war Keplers leibliche Mutter Katharina wegen Hexerei angeklagt und erlitt ein langes, qualvolles Verfahren. Somnium kleidet seine Charaktere in mythologische Gestalten und dabei liegt der Geschichte eine ganz ernsthafte wissenschaftliche Abhandlung zugrunde.