Eine kurze Geschichte des Go
'Anton Steininger
Anton Steininger
Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung hat der große chinesische Historiker Ben Gou folgendes von Go behauptet:"Es hat eine tiefe Bedeutung. Das Brett muß rechteckig sein, denn es stellt die Erde dar und die rechten Winkel künden von Rechtschaffenheit. Die Steine (der beiden Seiten) sind gelb und schwarz: diese Unterscheidung bedeutet Yin und Yang – auf dem Brett in Gruppen verteilt, stellten sie die himmlischen Heerscharen dar. Da diese Bedeutungen augenscheinlich sind, ist es den Spielern vorbehalten, ihre Züge zu machen. Das ist verbunden mit Königtum. Wenn sie den Spielregeln folgen, sind beide Partner und ihm unterworfen – das ist die Strenge des Tao." (2) Das früheste Go-Buch in zwei Bänden wurde von Yng Lung im 16. Jahrhundert während der Ming-Zeit (1) verfaßt. Es ist noch heute die Grundlage zur modernen Quellenforschung. Ein zweiter berühmter Autor, Wang Shi Deng, hat leider zur Niederschrift seines Werkes nur 1200 sehr alte Schriftzeichen verwendet und kann heute ohne wissenschaftliche Erklärungen nicht mehr gelesen werden.
In der Qing-Zeit (1) hat Weiqi das höchste Niveau erreicht und wurde sowohl von einfachen Leuten als auch am Kaiserhof gespielt. Ganze Generationen forschten nach Ursprung und Bedeutung des Spiels, sammelten Material und füllten Bibliotheken mit alten Aufzeichnungen.
Erst 1926/1928 wurde wieder ein so vielbändiges Go-Conpendium zusammengetragen und veröffentlicht.
1962 hat Li Yaotong das erste spezielle Go-Geschichtsbuch der Neuzeit in 21 Teilen mit über 40.000 Schriftzeichen geschrieben, sein Werk aber nie veröffentlicht.
Meine Kenntnisse der chinesischen Weiqi-Geschichte gehen auf Liu Shang-Cheng aus Chengdu/Sichuan zurück, den ich 1989 besucht habe und mit dem ich sieben Wochen lang die über 30 Kapitel durchgearbeitet habe.
Es gibt einige Theorien über den Ursprung unseres Brettspiels. Eine ehrwürdige Tradition behauptet, daß der legendäre Kaiser Shun (ca. 2250 v. Chr.) es erfunden hat um seinem trübsinnigen Sohn eine interessante Beschäftigung zu geben. Eine andere Quelle behauptet daß Go die Entwicklung einer Rechenmethode darstellt. Es gibt nur eine Schwierigkeit dieser Ansicht zu folgen: die Chinesen benutzen schon seit urdenklichen Zeiten ein 10er-System und rechneten mit Hilfe von Rechenhölzchen, dünnen Stäbchen von 12 bis 15 cm Länge. (Der Abakus war in China bis zum 2./3. Jahrhundert n. Chr. nicht bekannt.) So ein Rechensystem wird wohl kaum zu einem Netz von 19´19 Linien – oder einem 17´17-Gitter, wie vor kurzem auf Go-Brettern in einigen Provinzgräbern gefunden – geführt haben.
Glaubwürdiger sind, denke ich, schon Theorien, die Weiqi auf die göttliche Weissagung zurückführen. Das Go-Brett stellt den Ablauf des Jahres dar mit 360 Tagen und dem Mittelpunkt (10´10 Punkt), der heute noch Himmel heißt; die vier Jahreszeiten sind mit den 4´4-Punkten markiert. Man spielt auch heute noch aus Höflichkeit den ersten Zug im gegenüberliegenden Brettbereich – man schließt so den Höllenrachen im Norden, von wo alles Unheil die Mitte bedroht.
Bei Weissagungen wurden Stückchen oder Steine in zwei verschiedenen Farben auf ein flaches Brett mit einem Raster geworfen und ihre Positionen in bezug auf Richtung und Lage in verschiedenen "Astral-Häusern" rund um den himmlischen Äquator haben zu Vorhersagen geführt. (3) Heute noch werden im traditionsbewußten Japan die acht Vorgabepunkte "hoshi" (Sterne) und der Mittelpunkt "tengen" (Himmelsachse) genannt. Das Spiel wurde tatsächlich immer mit taoistischem Gedankengut in Beziehung gebracht.
548 v. Christi Geburt hat Zhuo Qinming in seinem Geschichtswerk Zhuo Zhuan (4) zum erstenmal das Spiel erwähnt. In einem Zitat schildert er nicht unmittelbar ein Spielgeschehen, sondern vergleicht Spiel-Fachausdrücke mit staatsmännischen Handlungen. Er schreibt: "Wenn man einen Spielstein in die Hand nimmt und dann überlegt, welche Position man besetzen möchte …" Er weiß auch um die moralische Stärke eines Meisterspielers, wenn er behauptet: "Man muß immer der eigenen Spielweise treu bleiben, sonst kann man nicht bestehen." Da Schach eindeutig erst später aus Indien gekommen ist, kann nur Go gemeint sein. Es muß schon sehr verbreitet gewesen sein.
Nicht sehr höflich urteilt Confucius in seinen Analects (5) : "It would at least be better to be a gambler or a go-player than not to use the mind at all and do nothing all day but eat and drink." Aber Go war bei echten Confucianern nicht so sehr beliebt; es war eher bei Buddhisten und Taoisten verbreitet. Einfach in seinen Grundideen seine Rätselhaftigkeit, wie das Tao selbst, ist es eingebettet in eine Serie von Erkenntnissen, welche jede zuerst erarbeitet sein muß, um zur nächsten Bewußtseinsebene vorzudringen.
Wenn Schach ein Kriegsspiel zweier rivalisierender Monarchen darstellt, ist Go eine Analogie auf den Schöpfungsprozeß. Das Spiel beginnt vor einem leeren Brett. Jeder Stein hat den selben Wert wie jeder andere auch. Einer nach dem anderen wird gesetzt – nicht bewegt –, Formen werden gebildet und ringen ums Überleben, ein Kampf wird angezettelt, Gebiete schrumpfen oder dehnen sich aus und endlich, wenn jedes Potential wirksam wurde, ist das Spiel zu Ende: der Spieler mit dem größeren Gebiet gewinnt. Die seltene Faszination dieses Kräftemessens drückt der Kaiser Zhaoji (in den letzten Jahren der Nördlichen Hong-Dynastie) (6) in einem eigenhändig verfaßten Gedicht so aus:Die Welt, mit klarer Freude, sag' ich ist das Weiqi-Brett: ohn' Kummer; Die Geister geben heißem Kampf sich Hin, im Kopf der Zeitsinn nimmer. Sie über Weiqi-Züge sitzen, Jedem ist denn klar im Herzen Erlassen Edikte mochte Kaiser Alle Zeit: zum Wettkampf geht er! In der Zeit der Süd- und Nord-Dynastien (1) kommen neben Go-Büchern, die die Hierarchie der Spieler festlegen, richtige Probleme stellen und lösen, Partien analysieren und der Struktur des Spiels gewidmet sind, hübsche Märchenerzählungen vor.
Es wird von drei Einstufungs-Staatssitzungen berichtet, wo 278 Leute ihren Go- und damit ihren gesellschaftlichen Rang erhalten haben. Seit dieser Zeit kennen wir neun Stufen der Spielstärke, wie sie auch ähnlich die Japaner übernommen haben. Der beste Spieler bekommt den 1-Ping "Ru shen" (= ins Feenparadies gegangen). "Shou tan" – mit Hand sprechen – wird Go jetzt bezeichnet. (8)
Aus der Überlieferung weiß man, daß mehrere Go-Magazine regelmäßig herausgekommen sind. Den wertvollsten Go-Fund machte man zu Beginn unseres Jahrhunderts in Dunhuang. (4) (7) Ein Mönch verkaufte eine Menge Kultgegenstände und Schriften an einen englischen Forscher aus den vielen Höhlen. Dunhuang war der erste Ansatzpunkt der neu eindringenden buddhistischen Lehre. Eine riesige Klosteranlage wurde angelegt und entwickelte sich zum größten Glaubens-Zentrum, wo alle wichtigen Schriften kopiert und gesammelt wurden. Die wertvollsten Schriftstücke wurden auf Seidenrollen festgehalten. Kaiser Liang Wu hat selber Beiträge zu diesen Büchern verfaßt. Heute befindet sich die Rolle mit einer prachtvollen Malerei, die einen Kaiser darstellt, wie er vor einem Schirm mit einer Go-Spieler-Darstellung mit seinem Sohn spielt, im British Museum, London. Vor zwanzig Jahren wurde durch Zufall ein chinesischer Forscher dort fündig und konnte das Bild wieder unserem Bewußtsein schenken.
Liu Bang (l. Kaiser der Han-Dynastie) und Kaiserin Chi Fouren waren anerkannte Go-Spieler. Aber auch andere Reichsgründer wie Chao Chao (Wei-Reich) oder Sun Che (Wu-Reich), Berater – Liang Zhuge, Zhou-Reich – und hohe Militärs (Fei Yi – General des Zhou-Reiches) (1) sind als Go-Spieler namentlich überliefert.
Schon reflektierten berühmte Philosophen in tiefschürfenden Gedankengängen menschliche Handlungen auf dem Go-Brett. Hwan Tan teilt im "Shin Lun" ("Neue Dokumente") Spieler in drei Kategorien: Spieler mit hohem Niveau legen den Schwerpunkt auf ausgeglichene Strategie; mittelmäßige Spieler lieben vor allem das persönliche Kräftemessen; schwächere Spieler spielen zaghaft um den eigenen Schutz.
Ben Gou ist der zielstrebigste Verfechter der positiven Einstellung zum Go; er sammelt eine Menge Lehrmeinungen und setzt Schwarz-Weiß dem weiblich-männlichen Prinzip gleich. Er überliefert auch das chinesische Sprichwort "alle Dinge dieser Welt entstehen aus Mann und Frau". Die Erde wird eckig gesehen und spiegelt den runden Himmel wider – die Konstellation der Sterne am Himmel, der Makrokosmos, entspricht den Stellungen am Brett.
Viele Schilderungen historischer Begebenheiten, aber auch Märchen geben Zeugnis davon, daß Go in der West- und Ost-Jin-Zeit richtig aufgeblüht ist. Wohl die berühmteste Go-Geschichte handelt von dem jungen Holzfäller Wang Chu, der nach des Tages Plage ein bißchen ausruhen wollte. Er suchte sich eine verborgene Waldlichtung. Dort sah er zwei Jungen über einem Baumstamm geneigt sitzen. Er schlich sich näher und sah sie abwechselnd Steinchen auf ein Brett mit Linien legen. Er bewunderte die schönen Ketten und Formationen, die diese Weisen aufs Brett zauberten. Nach einer kurzen Weile verbeugte sich der eine der Spieler und sagte zu Wang Chu: "Es ist Zeit heimzugehen, weil sonst erkennt dich keiner mehr." Er suchte seine Axt, die er am Waldesrand zurückgelassen hatte, fand aber nur mehr einen rostigen Klumpen Eisen und ein morsches Stück Holz. Kopfschüttelnd machte er sich auf den Heimweg. Zu Hause erkannte ihn niemand mehr, denn er war mehr als hundert Jahre von zu Hause abwesend.
Eines der bekanntesten Schlachtfelder der chinesischen Geschichte ist bei Feishüe (383 n.Chr.). In diesem Kampf standen eine Million Di-Eindringlinge nur 80.000 Ost-Jin-Verteidigern entgegen. Nur durch die Gelassenheit bei einer Go-Partie am Vorabend des Kampfes in Front der Soldaten konnte Chie An, der General, seine Krieger davon überzeugen, daß er in völliger Gelassenheit der Dinge harre und keine Furcht habe. Seine Ausstrahlung der Ruhe führte tatsächlich dazu, daß sich die Angreifer nach blutigen Verlusten zurückziehen mußten.
Aus der T'ang-Zeit sind uns zwei berühmte Dichterpersönlichkeiten überliefert, die Go spielten: Du Fu und Bei Jü Yi. Der Erstere hat sich nach Jahren als Berater am Kaiserhof nach Chengdu zurückgezogen und dort in einer strohgedeckten Hütte noch die schönsten Gedichte verfaßt. Es wurde ein Berufs-Go-Spieler-System mit zwei Berufsbezeichnungen eingeführt: "Ji Bushi (Go-Doktor) und Ji Dai Zan ("Er wartet auf den Ruf des Kaisers"). Sie begleiteten die Eunuchen am Kaiserhof und waren direkt dem Kaiser unterstellt – also zwei wichtige Funktionäre. Die berühmtesten Ji Dai Zan sind uns mit Wangji Xin, Gu Shi Yan und Hwa Nang dem Namen nach überliefert.
Der wohl bekannteste Go-Spieler, Tang Xuan Zung, hat sich sogar mit dem Kaiser im Jahre 755 auf die Flucht nach Chengdu begeben, als zwei Generäle eine Revolution an der Grenze dazu benutzten, die Macht an sich zu reißen.
Er übernachtete auf diesem Zug eines Abends in einer einsamen Hütte am Berg und schlief in der einen Kammer auf dem Stroh, das eilig herzugebracht worden war; im zweiten Raum bleiben die beiden Besitzerinnen, Mutter und Tochter, zurück. Er fand sofort den wohlverdienten Schlaf nach den Strapazen der beschwerlichen Reise. Es ging schon auf Mitternacht, als er von einem Gespräch munter wurde. Er verfolgte den Diskurs der beiden Frauen, die sich in der stockfinsteren Nacht die Züge einer imaginären Go-Partie zuriefen. Er prägte sich das Spiel ein und wollte am Morgen die beiden Frauen fragen, wie sie dazu kämen, Go zu spielen. Sie waren aber verschwunden, als er aufwachte. Aus dem Gedächtnis spielte er die Partie nach und mußte mit Bewunderung feststellen, daß diese vollkommen war, ohne jeden Fehler.
Aus dem Jahre 475 n.Chr. ist das erste koreanische Go-Buch überliefert.
China hat schon immer Partei für einen der koreanischen Staatsverbände ergriffen und seine Kultur auf die Halbinsel weitergegeben.
Im China der Song-Zeit (1) haben sehr viele Amateure das Spiel gepflegt. Das wertvollste Werk, die "Go-Geschichte in 13 Kapiteln", ist uns aus dieser Zeit erhalten. Gelehrte sind sich über den Namen des Verfassers nicht einig, manche nennen Zhang Ni als Verfasser dieses Go-Geschichtswerks, das in der Form der Strategien des Sung Wu (11) (Kriegstheoretiker aus dem Frühlings-und-Herbst-Reich) (1) alles Wissen der Zeit über Go zusammenträgt, andere wieder glauben Zhang Jing zu kennen, der auf den meisten Dokumenten als Autor genannt wird. Es werden sechs Fragen gestellt und auch beantwortet. Viele Verhaltensvorschriften wollen mit manchen schlechten Gewohnheiten aufräumen und haben auch heute noch ihre Gültigkeit.
Praktische Partien werden gesammelt und zusammengefaßt, es werden viele Fachausdrücke erläutert und neben der Theorie auch praktische Tips gegeben. Professor Li Yü Chen (13) hat zu seiner Anthologie 1988 selber neun verschiedene Versionen gesammelt und von acht anderen Fassungen Kenntnis erhalten. Es sind im ganzen 20 verschiedene Auflagen von diesem Werk erschienen.
Eine hübsche Geschichte handelt von Liu Zhong Fu, einem erfahrenen Meisterspieler, der zur Verbesserung der Spielkultur nach Hangzhou gesandt wurde. Er stieg in einem öffentlichen Gasthaus ab und hängte ein Spruchband vor die Tür mit den Bemerkungen: "Ich bin Berufsspieler; jeder, der mit mir spielt, muß mit Schwarz anfangen; jeder muß ein Silbergeld einsetzen". Es kamen viele Interessenten. Zuerst verlor er zehn Tage lang, dann stellte er fest: "Eure Spielweise ist minderwertig. Ich zeige Euch nun, wie es richtig geht. Ich spiele hundert Partien mit dem besten Spieler hier und verliere keine einzige." Die Leute waren wütend, mußten aber dann doch feststellen, daß die Behauptung richtig war und nicht bloß Größenwahn. Er stellte bei einer kritischen Situation den Zusehern die Frage nach dem besten Gegenzug seines Gegenspielers. Aus dem Publikum kamen einige verschiedene Ratschläge, aber er zeigte ihnen nach 20 Zügen, daß nichts mehr zur Rettung der Spielsituation beitragen konnte und er jedenfalls gewinnt. Neidvoll mußten alle sein hohes Spielniveau anerkennen und er wurde herzlich in die Stadtgemeinschaft aufgenommen und gab vielen Unterricht. Später kam er sogar an den Kaiserhof nach Kaifeng1 und konnte 20 Jahre lang seinen Meistertitel verteidigen.
Li Yinün lebte anfangs der Süd-Song-Dynastie (1); er war Berufsspieler am Kaiserhof und hat ein Go-Buch herausgegeben, in dem er neben den "13 Kapiteln" auch andere Werke verarbeitet hat, die nicht mehr auf uns gekommen sind. Das einzige Original ist heute in der Staatlichen Bibliothek in Beijing im Tresor verwahrt. Er hat darin auch 37 Leben-und-Tod-Probleme gestellt, hat sogenannte "Joseki" (10) in bis zu 35 Variationen angeführt und die drei klassische Partien der Kaiser San Zou, Si Ma Yen und T'ang Xuan Zhong der Nachwelt überliefert. Die Wissenschaftler unserer Zeit sind allerdings nicht einig darüber, ob nicht die Partie des Kaisers Sun Che mit Lü Fan eine Fälschung ist. (12) Der berühmte Astronom Yi Xing (11) spielte auch mit den Berufsspielern am Kaiserhof und mit seinem Fürsten. Eine nette Geschichte erzählt, daß die Partie mit dem Kaiser T'ang Xuan Zhong nicht gerade günstig für den Kaiser stand, als die Konkubine Yang Guifei dazukam und um die Laune des Herrschers fürchtete. Sie packte ihr Schoßhündchen und ließ es am Brett spazierengehen, um die Steine in Unordnung zu bringen. Der Gelehrte ließ sich dies zur Lehre sein und gab auf. Zur Hofprüfung für den höchsten Gelehrten-Rang mußten die Bewerber vier Fertigkeiten beherrschen: Geige (Saiteninstrument), Weiqi, Kalligraphie und die Malkunst.
Go erreichte auch Japan im 6. Jahrhundert als Teil der ersten Welle importierter chinesischer Kultur. Der Legende nach sind zwar schon 200 v. Chr. 300 Jungen und Mädchen nach Japan gefahren, um nach Heilkräutern der Langlebigkeit zu suchen. Es sind auch Funde aus der Zeit der 3-Kämpfenden-Reiche in Japan nachzuweisen. Der Kulturaustausch erfolgte auf zwei Wegen: über Korea als Vermittler und zweitens durch japanische Gesandtschaften an den Kaiserhof. Es sind allein 19 Delegationen während der T'ang-Zeit (1) nachzuweisen, die nach Souzhou gekommen sind; Shanghai (9) war zur damaligen Zeit noch Meeresboden. Zuerst war Go bei buddhistischen Mönchen populär, wurde aber bald von den Aristokraten am kaiserlichen Hof eingeführt. Die Legende berichtet, daß ein japanischer Prinz, Gu Siyan, nach der chinesischen Schreibweise des Namens, der eine der Delegationen angeführt hatte, ganz stolz auf seine Kenntnisse, um eine Partie mit dem besten Spieler des Kaiserhofes nachgesucht hatte. Es wird erzählt, daß er schon nach 33 Zügen die Partie verloren hatte; er spielte nämlich eine Treppe (10) , die nicht für ihn gelaufen ist. Heute noch wird im Shosoin-Schrein in Nara (15) ein schönes Go-Brett chinesischer Herkunft aus dem Jahre 756 aufbewahrt, das Kaiser Shomu gehörte. Die Popularität, die Go bei den Adeligen der Nara-Zeit genoß, wird auch in Lady Muraskaki's Novelle "Genji Monogatari" geschildert. Dazu gibt es zahlreiche Illustrationen und Farbdrucke; eine prächtige Serie besitzt das Japanische Institut der Universität Wien.
Weniger bekannt dürfte es sein, daß auch ein Noh-Spiel "Go" existiert, das auf wenigen Begebenheiten der berühmten Novelle basiert. Es ist insofern von Interesse, zu sehen, wie taoistische Ideen zusammen mit Go in Japan aufgenommen und im buddhistischen Kontext bereichert worden sind. Hier sind zwei kurze Textstellen in englischer Übersetzung daraus. Die beiden Darsteller der unglücklich Geliebten des Prinzen Genji, Utsusenü und Nokiba No Ogi singen, als sie eine Go-Partie beginnen: "When playing Go resentments must clear away and thoughts become like the moon arising at night.
… They are in the ocean of endless births and deaths, and Go stones are like the numberless grains of sand upon the beach. Even though they struggle, their hearts remain gentle … In the game their hands reveal benevolence. The mantra Aum reverberates in the sound of the pieces striking the board. Before our eyes the boundaries of life and death become visible, the pattern of Nirvana itself. The white and black of the pieces are the colors of day and night. The star points are the nine lights of heaven and the three hundred and sixty intersections are the number of the days of the year …"
Als in Japan die kriegerischen Taira und Minamoto (16) die Aristokraten als Befehlshaber des 12. Jahrhunderts verdrängten, förderten sie das Go-Studium als nützliche Einführung in Strategie und Taktik der Kriegsführung. Als moralische Tugenden erachtete man Ruhe, Ausgeglichenheit, Mut, Großzügigkeit und Höflichkeit als oberstes Leitbild. Vieles am Verhaltenskodex, der noch heute in Japan bei den Turnieren der Meisterspieler beachtet wird, entstanden zur damaligen Zeit. Der erste Tokugawa Shogun Yeasu (17) errichtete 1620 n. Chr. ein staatliches Go-Büro in Edo (18) und gewährte großzügige Staatsrenten und machte so die großen Go-Familien zu Professionals. In der friedlichen Tokugawa-Zeit wurde Go auch beim einfachen Bürger beliebt, besonders in den drei Städten Edo, Kyoto (19) und Osaka (20) . Go-Clubs wurden eröffnet und das Go-Brett gehörte zur Standard-Ausrüstung der Teehäuser und Bordelle der Städte.
Kurz gesagt, Go wurde, so wie heute, keine intellektuelle Studie, sondern ein Laster.
(1) Chinesische Zeitrechnung: Zhang-Dynastie ca. 1600 bis 1100 v.Chr. Zhou-Dynastie 1100 bis 221 v.Chr. Westliche Zhou 1100 bis 771 v. Chr. Östliche Zhou 771 bis 221 v.Chr. Frühling- und Herbstperiode 770 bis 476 v. Chr. Zeit der Kämpfenden Staaten 475 bis 221 v. Chr. Han-Dynastie 206 v. Chr. bis 220 n. Chr. Westliche Han (Hauptstadt Changan = Xi'an) 206 v.Chr. bis 8 n.Chr. Östliche Han (Hauptstadt Luoyang) 25 bis 220 n.Chr. Die 3 Reiche 221 bis 589 n.Chr. Wu (HauptstadtNanking) 220 bis 280 n.Chr. Shu (Hauptstadt Chengdu) 220 bis 261 n.Chr. Wei (Hunnen – Hauptstadt Luoyang) 220 bis 265 n.Chr. Jin-Dynastien 265 bis 420 n.Chr. Westliche Jin (Hauptstadt Luoyang/Xi'an) 265 bis 316 n.Chr. Östliche Jin (Hauptstadt Nanjing) 317 bis 420 n. Chr. Nord- und Süd-Dynastien Nördliche Wei (Toba) (Hauptstadt Datong) 386 bis 534 n.Chr. Östliche Wei 534 bis 550 n. Chr. Nördliche Qi 550 bis 577 n. Chr. Westliche Wei 535 bis 557 n. Chr. Nördliche Zhou 557 bis 581 n. Chr. Qi 479 bis 582 n. Chr. Liang 479 bis 582 n. Chr. Chen 557 bis 589 n. Chr. Sui-Dynastie (Hauptstadt Luoyang) 581 bis 618 n. Chr. T'ang-Dynastie (Hauptstadt Charngan = Xi'an) 618 bis 907 n. Chr. 5 Dynastien (907 bis 960) und 10 Königreiche 902 bis 979 n. Chr. Song-Dynastien Nördliche Song (Hauptstadt Kaifeng) 960 bis 1127 n. Chr. Südliche Song (Hauptstadt Hangzhou) 1127 bis 1279 n. Chr. Yuan-Dynastie (Mongolen – Hauptstadt Beijing) 1261 bis 1368 n. Chr. Ming-Dynastie (Hauptstadt Beijing) 1368 bis 1644 n. Chr. Qing-Dynastie Mandschuren – Hauptstadt Beijing) 1644 bis 1911 n. Chr.zurück
(2) Übersetzung aus Needham, Joseph. Science and Civilization in China, Vol. IV: 1, Cambridge, 1962zurück
(3) See the discussion in Needham, op. cit., pp 261–334, passimzurück
(4) Liu Shang Cheng. China Weiqi. Chengdu/Sichuan, 1985, Shu Rong Verlag.zurück
(5) Analects, Book XVII, Chapter XXII (Legge's translation)zurück
(6) in der Übersetzung von Prof. Luo Tilun, Fremdsprachen Institut der Universität Chengdu; aus Liu Shang Cheng, op. cit., Seite 607.zurück
(7) Dunhuang war der Endpunkt der legendären Seidenstraße im Reich der Mitte und eine wichtige Wüstenoase.zurück
(8) Liu Shang Cheng, op. cit., Seite 180.zurück
(9) Souzhou ist heute eine Binnenstadt, liegt am Kaiserkanal. Man spricht vom "Paradies im Himmel und von Souzhou und Hangzhou auf Erden". – Shanghai ist mit 10 Millionen Einwohnern der wichtigste Hafen der VR China.zurück
(10) Treppe – Fachausdruck für eine Stellung der Steine am Brett, bei der sie immer nur eine Freiheit besitzen, die vom Gegenspieler genommen werden kann. Freiheit ist die Möglichkeit, auf den angrenzenden Schnittpunkt, der frei ist, einen Stein zu setzen und so zu verbinden. Wenn kein gegnerischer Stein danebensteht, hat ein Stein vier Freiheiten. Joseki ist der japanische Ausdruck für eine für beide Spieler ausgewogenen Zugfolge, die auch bei uns so gebraucht wird.zurück
(11) Liu Shang Cheng, op. cit., Seite 37. Sogar Eisenhower und Truman sollen die strategischen Erkenntnisse dieses Buches studiert haben.zurück
(12) Liu Shang Cheng, op. cit., Seite 44/45.zurück
(13) Li Yü Chen, Shanghai, 13 Kapiteln des Weiqi.zurück
(14) Liu Shang Cheng, op. cit., Yi Xing – Astronom, Mitte 8. Jahrhundert.
(15) Nara – im 8. Jahrhundert n.Chr. die Hauptstadt, Sitz des Kaiserhofes und der hohen Geistlichkeit.zurück
(16) Taira, Minamoto – rivalisierende Adelsfamilien, die nur kurze Zeit die Statthalter der Kaiser stellten.zurück
(17) Tokugawa – Familie, die endgültig für Jahrhunderte die Obermacht an sich brachte und als "Shogun" der Kaiser die tatsächliche Herrschaft in Japan bis zur Neuzeit ausübte.zurück
(18) Kyoto – an die Nara-Zeit anschließende Hauptstadt Japans.zurück
(19) Edo – heutiges Tokyo – damals Sitz des Shogunats.zurück
(20) Osaka – größtes Wirtschaftszentrum Japans und heute zweites Go-Zentrum neben Tokyo.zurück
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