Nur Werner allein hat die nackte Realität gesehen
Vorschlag für eine wirklich "NEUE PHYSIK"
'Nick Herbert
Nick Herbert
Die Quantentheorie ist der weitreichendste und erfolgreichste Versuch, die physikalische Welt zu verstehen, den sich die Menschen je ausgedacht haben.
In den späten zwanziger Jahren hatten die Quantentheoretiker schon bis ins Detail die vordringlichsten physikalischen Probleme jener Zeit gelöst – wie nämlich Licht mit Atomen interagiert. Aber zusammen mit ihrer erstaunlichen Fähigkeit, die subtilsten Licht-Angelegenheiten vorherzusagen, hat diese noch junge Theorie einen Berg philosophischer Probleme aufgeworfen, und nicht als geringstes die bizarre Ansicht verbreitet, daß die Welt in gewissem Sinne "nicht real" sei, außer während einer Messung.
Viele Physiker, darunter auch Albert Einstein, Erwin Schrödinger und der französische Wissenschaftler und Aristokrat Prinz Louis de Borglie, haben gefühlt, daß das Aufgeben der Realität denn ein zu hoher Preis wäre für eine bloße Theorie, egal wie erfolgreich sie sei; diese Physiker haben in ihrem Innersten gehofft, daß die Herrschaft der Quantentheorie nur kurz sein würde, daß diese realitätsverleugnende Theorie fehlschlagen würde, sobald man sie auf Dinge außerhalb jenes Bereiches von atomarer Größe anwendet, wo sie ihre Ursprungserfolge hatte. Die neue Theorie blühte dessenungeachtet weiter auf, weit über die wildesten Träume ihres Erfinders hinaus, löste immer kompliziertere Probleme der Atomstruktur, eroberte die Komplexität des Atomkerns, zehntausendmal kleiner als das ohnehin schon winzige Atom, erstreckte ihren Bereich noch tiefer in die Materie bis in die sub-nuklearen Bereiche der Elementarpartikel Quarks, Gluonen und Leptonen –, die viele Physiker für die letztgültigen Bauteile der Welt halten.
Mit jedem Vorhersage-Erfolg wurden die Quantenphysiker mutiger. Mit dieser offenbar unbesiegbaren Theorie an der Hand suchten sie nach neuen Welten, die sie erobern könnten, und wendeten ihren Blick in den Makrokosmos, wo sie überzeugend die Quantenchemie des Ur-Feuerballs beschrieben haben, und jetzt wagen sie es sogar, die Geburt des Universums als einen großen Quantensprung zu beschreiben: Als Sprung vom Nichts zum Alles.
Mehr als sechzig Jahren der Verfälschung auf tausend verschiedenen Fronten ausgesetzt, hat die Quantentheorie alle Tests bestanden, die drei Generationen nobelpreishungriger Wissenschaftler sich ausdenken konnten. Auf allen einem Experiment zugänglichen Ebenen generiert die Quantentheorie konsistente Vorhersagen für alle sprunghaften Operationen der Materie. Konfrontiert mit einem Erfolg nach dem anderen hat die Mehrheit der Physiker still und leise beschlossen, daß es vielleicht doch nicht so ein schlechter Tausch war, die Realität zugunsten der immensen Vorhersagekraft der Quantentheorie aufzugeben.
Zusätzlich zur Verleugnung der Realität hat der wirbelsturmartige Erfolg der Quantentheorie ihre Grenzen zum Großteil weit über die Reichweite gewöhnlicher menschlicher Anliegen hinausgetragen.
Nachdem sie – zumindest im Prinzip – alle physikalischen Probleme gewöhnlichen Maßstabs gelöst hatten, waren die Quantenphysiker gezwungen, frische Phänomena entweder im tief mikroskopischen Reich der Elementarteilchen zu finden, oder aber subtile kosmologische Rätsel aufzusuchen, weit entfernt in Raum und Zeit von unseren täglichen Problemen.
Je mehr sich die Domäne der physikalischen Grundlagenforschung vom Maßstab des täglichen Lebens entfernt, desto kostspieligere Apparaturen werden erforderlich, um diese fernen Bereiche einer experimentellen Untersuchung zugänglich zu machen. Aufgrund der großen Kosten dieser Experimente, ihrer technischen Komplexität und ihrer Ferne von unserem täglichen Leben, ist die direkte Beteiligung an Quantenforschung einigen besonders glücklichen Wissenschaftlern vorbehalten – aber ihre Anstrengungen kann der Rest von uns stellvertretend bei einem der größten intellektuellen Abenteuer des 20. Jahrhunderts teilen: Die Erforschung der seltsamen nicht-menschlichen Landschaft der Quantenwelt, den Kampf um Verständnis der in höchstem Maße fremden Logik dessen, was der verstorbene Heinz Pagels "den kosmischen Code" genannt hat: Quantenphysik als die Sprache der Natur.
Wird die ganze bizarre Quantenwelt immer existieren als das private Reservat von Mathematikern und Experimentalphysikern, oder können auch die gewöhnlichen Leute eines Tages Zugang zu diesem märchenhaften Königreich erhalten? Die neueste Forschung in die Tiefe der philosophischen Dimensionen der Quantentheorie suggeriert, daß eines Tages die grundlegende Quantenforschung wieder auf einen menschlichen Maßstab zurückkehren wird, und jedem Wesen, ohne Rücksicht auf seine Bildungslaufbahn erlauben wird, am Quantenabenteuer teilzunehmen, und gemeinsam mit Mathematikern und Physikern an einem Werk mitzuarbeiten, das ich "holistische Physik" nennen möchte. Die holistische Physik könnte eine dritte Front der Quantenforschung auf der Ebene der "gewöhnlichen" Erfahrungen eröffnen, mit billigem Equipment, das die konventionelle Quantenforschung im Bereich der Kosmologie und der Elementarteilchen ergänzen könnte; eine dritte Front, die eben von jenem Problem der Realität selbst ermöglicht wird, das Einstein und die anderen frühen Quantenphysiker so störte. Das Problem der Quantenrealität entsteht in erster Linie, weil die Quantentheorie die Welt auf zwei Arten beschreibt, nicht auf eine. Die Quantentheorie stellt ein Objekt völlig anders dar, je nach dem, ob es beobachtet wird, oder nicht. Jeder Physiker – ausnahmslos – verwendet diese zweifache Quantenbeschreibung in seiner Arbeit, aber die Physiker haben sehr divergierende Ansichten darüber, was "denn nun tatsächlich passiert" während dieser beiden Phasen der Existenz eines Objekts: Beobachtet-zu-werden und nicht-beobachtet-zu-werden.
Immer wenn ein Objekt – Bulldogge, Baseball oder Baryon – nicht unter Beobachtung steht, stellen die Quantenphysiker das Objekt als eine "Welle der Möglichkeit" dar, die sogenannte "Wellenfunktion" des Objekts. An Stelle eines definierten Wertes für Attribute wie Position, Geschwindigkeit und Spin, nimmt jedes der Attribute des Objekts zumindest mathematisch – einen weiten Bereich möglicher Werte an, Werte, die wellenartig bei verschiedenen Frequenzen oszillieren. Diese Art der Behandlung von unbeobachteten Objekten ist eine der seltsamsten Eigenschaften der Quantentheorie. Unbeobachtete Objekte werden nicht als wirkliche Dinge behandelt, sondern als Wahrscheinlichkeitswellen, nicht als tatsächliche Ereignisse, sondern als Bündel vibrierender Möglichkeiten.
Andererseits, wenn ein Objekt beobachtet wird, so befindet es sich immer an einem bestimmten Ort, mit bestimmter Drehrichtung und Geschwindigkeit anstelle verschwommener Bereiche physikalischer Möglichkeiten. Während des Meßvorgangs selbst verschiebt sich die mathematische Beschreibung abrupt – von einer weitgespannten Skala möglicher Attribute (unbeobachtetes Objekt) zu einzelnen tatsächlichen Attributen (gemessenes Objekt). Dieses plötzliche messungsbedingte Umschlagen der Beschreibung heißt "Kollaps der Wellenfunktion" oder einfach "Quantensprung". Die Natur des Quantensprungs ist das größte Geheimnis der Quantenphysik. Ob diese drastische Verschiebung in der Mathematik einer tatsächlichen Ortsveränderung in der realen Welt entspricht, oder ob sie eine rein mathematische Spitzfindigkeit ist, bleibt unter den Physikern eine höchst kontroversielle Angelegenheit.
Nicht jede physikalische Interaktion zählt als Messung. So ändert etwa die Auswirkung der Gravitation auf ein Objekt dessen Wahrscheinlichkeitswelle, aber führt nicht selbst zu einem Quantensprung. Viele Physiker glauben, daß die Essenz einer Messung darin liegt, eine "Aufzeichnung zu machen", und dieser Auffassung will ich mich hier anschließen. Keine Aufzeichnung, keine Messung. Nur jene Interaktionen in der Natur, die permanente Spuren (Aufzeichnungen) hinterlassen, zählen als Messungen. So ist der Lichtblitz in Deinen Augen – registriert als Muster neuraler Impulse – eine Messung, der (unbeobachtete) Sturz eines Spatzen vom Baum hingegen nicht. Nur aufzeichnende Geräte haben die Macht vielwertige Möglichkeiten in einwertige Tatsachen zu verwandeln. Wenn wir die Quantentheorie ernst nehmen, existiert die Welt nicht wirklich, außer unter dem Einfluß spezieller Aufzeichnungsgeräte, ohne Aufzeichnung, existiert sie nur als eine Horde von sich vermischenden halbrealen Möglichkeiten. Nachdem nur ein kleiner Teil der Welt das Glück hat, mit einem Meßgerät in Kontakt zu stehen, ist der Großteil der Welt den Großteil der Zeit "nicht real", zumindest in seiner mathematischen Darstellung.
Einige Physiker, die sich vom antirealistischen Standpunkt der Quantentheorie gestört fühlten, zogen es vor, anzunehmen, daß unbeobachtete Objekte real bleiben, das heißt, daß sie die ganze Zeit definite Attribute besitzen, egal ob diese nun beobachtet werden oder nicht. Bei dieser Auffassung, die ich "gewöhnlichen Realismus" nenne, entsteht die Unklarheit der Quantentheorie nicht aus einer objektiven Unklarheit der Attribute der Quantenobjekte, sondern aus des Physikers eigener Unkenntnis der Werte der unbeobachteten Attribute. Ebenso ist der Quantensprung nicht ein wirkliches physikalisches Ereignis, sondern eine reine buchhalterische Prozedur, die dem plötzlichen Zuwachs an Kenntnis entspricht, das beim Beobachter im Augenblick der Messung entsteht. Die Grundlage des gewöhnlichen Realismus ist – wie der britische Physiker Paul Davies es ausgedrückt hat daß "große Dinge aus kleinen Dingen gemacht sind", wobei "Ding" für ein Objekt steht, das definite Attribute besitzt egal, ob beobachtet oder nicht.
So attraktiv diese dem "gesunden Menschenverstand" entsprechende Position scheinen mag, die Mehrheit der Physik weist sie strikt zurück und besteht darauf, daß Quantenphänomene auf ihre eigene Art betrachtet werden müßten, und nicht in überholte philosophische Formen gepreßt werden dürften, wie den gewöhnlichen Realismus. Der Gründervater der Quanten, und strikter Antirealist Werner Heisenberg hat erklärt, "ein Atom ist kein Ding", und die realitätssüchtigen Physiker wie Einstein, Schrödinger und Prinz de Broglie mit jenen verglichen, die glauben, die Erde sei flach. "Die Hoffnung, daß uns neue Experimente zurück zu einer objektiven Welt in Zeit und Raum führen, ist etwa so wohlbegründet", sagt Heisenberg", wie die Hoffnung, das Ende der Welt in den unerforschten Gebieten der Antarktis zu entdecken".
Anstelle des gewöhnlichen Realismus schlug Heisenberg ein neues Bild der Quantenrealität vor – ein Modell dessen, was die Quantenobjekte wirklich tun, wenn sie gerade nicht beobachtet werden – das darauf basiert, die Quantentheorie sehr ernst zu nehmen, nicht als bloßes Rechenwerkzeug, sondern als tatsächliches Bild der Existenz auf der Quantenebene. Um diese Vision der Quantenrealität zu konstruieren, nahm Heisenberg die vibrierenden Möglichkeiten der Quantentheorie wörtlich: Die Attribute der unbeobachteten Objekte existieren – so Heisenberg – genau wie in der Theorie dargestellt, als Möglichkeiten, nicht als Tatsachen. Das unbeobachtete Atom hat nicht wirklich eine definite Position, sondern nur eine Tendenz, eine Neigung, gleichzeitig auf mehreren möglichen Orten zu sein. Das unbeobachtete Atom ist in Heisenbergs Bild nicht wirklich irgendwo, sondern potentiell überall. Nach Heisenbergs Ansicht ist ein Atom sicherlich real, aber seine Attribute leben in einem existentiellen Schwebezustand "auf halbem Wege zwischen Idee und Faktum", einem schwankenden Zustand einer erweichten Existenz, den Heisenberg "potentia" nennt, eine Welt frei von einwertigen Tatsachen, aber erfüllt mit Milliarden von unrealisierten Möglichkeiten.
Nachdem die Quantentheorie für alles gilt, nicht nur für Atome, existieren alle Objekte ohne Ausnahme in diesem teilweise unrealen Status einer "objektiven Undefiniertheit" (Abner Shimoni), bis jemand (oder etwas) beschließt, sie zu betrachten. Im Akt der Beobachtung – von den Physikern "Meßakt" genannt – wird eine der vibrierenden Möglichkeiten des Objekts zum Zustand voller Aktualität erhoben, und alle anderen Möglichkeiten verschwinden spurlos. Welche der Möglichkeiten bei einer Messung zur reellen wird, ist eine Frage des reinen "Zufalls", das heißt, die Gründe dafür (sofern existent) liegen außerhalb der Welt der physikalischen Gesetze.
Heisenbergs seltsames Bild der Quantenwelt als halb-realer Möglichkeiten, die nur während des Meßvorganges aktualisiert werden, wird von vielen Physikern als die wahrscheinlichste Annahme angesehen, wie die Welt tief innen wirklich funktioniert. Sicherlich unterstützen wesentlich mehr Physiker Heisenbergs Ansicht, als die dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Ansichten des gewöhnlichen Realismus. Dem durchschnittlichen Physiker erscheint der Gedanke, daß die gewöhnliche Welt den Großteil ihrer Zeit in einem unrealistischen Zustand verbringt, keineswegs hoffärtig. Nachdem die Quantentheorie die Welt so korrekt beschreibt, die wir sehen – so argumentieren sie –, wäre es unsinnig, nicht ernst zu nehmen, was sie uns über jene Welt erzählt, die wir nicht sehen.
Nachdem keine Messung uns jemals wird berichten können, wie die unbeobachtete Welt aussieht, kann man Heisenbergs Bild der Quantenrealität weder bestätigen noch widerlegen. Manche Philosophen haben argumentiert, daß aufgrund ihrer intrinsischen Unbeweisbarkeit Realitätsmodelle der Heisenbergschen Art für Wissenschaftler nicht von Interesse sein können; sie fordern uns dringend auf, unsere Aufmerksamkeit woanders hinzuwenden, zu Theorien, die Konsequenzen in jener Welt haben, die wir sehen und angreifen können.
Eine wichtige Funktion jedenfalls, die ein Modell der ungesehenen und unsichtbaren Realität ausfüllen kann, ist es, unser Denken in unbekannte Gebiete erweitern zu helfen. Und zu diesem Zweck kann sogar eine schlechte Landkarte bei neuen Entdeckungen helfen.
Ich möchte Heisenbergs Ansatz der Quantenrealität genau in dieser Weise anwenden beim Versuch, die Quantenideen auf völlig neue Gebiete anzuwenden. Um die gewöhnliche Physik zur erwähnten "holistischen Physik" zu erweitern, der demokratischen Wissenschaft der Zukunft, schlage ich vor, uns Heisenbergs Bild davon "wie die Welt wirklich funktioniert" anzuschließen, mit besonderer Bedachtnahme auf die Beziehung zwischen Geist und Materie.
Während die moderne Wissenschaft die Welt der Materie ganz gut bewältigt hat bleibt die Welt des Geistes noch ein tiefes Mysterium, ein intellektuelles Schwarzes Loch, undurchsichtig für das systematische Verständnis. Es ist nur fair zuzugeben, daß wir – was das wissenschaftliche Verstehen des Geistes betrifft – noch auf offener See treiben. An den hohen Erklärungsstandards gemessen, die wir von der Physik und anderen Naturwissenschaften verlangen, haben wir es noch nicht einmal bis zu einer schlechten Theorie gebracht, ganz zu schweigen von einer guten.
Spekulationen über die Herkunft der inneren Erfahrungen im Menschen und anderen Lebewesen waren selten, vage und oberflächlich. Sie umfassen die Ansicht, daß der Geist eine "auftretende Eigenschaft" ist, die die unbewußte "Hardware" des Gehirns betreibt. Diesen eher sanften Spekulationen würde ich gerne meine eigene hinzufügen – daß der Geist kein rares Phänomen im Zusammenhang mit gewissen komplexen biologischen Systemen ist, sondern daß er überall zu finden ist, allgemein in der Natur, ein fundamentaler Quanteneffekt, den Supraleitern und Laserröhren eher verwandt als den Computerschaltkreisen.
Als Eckstein einer holistischen Physik nehme ich an, daß jedes Quantensystem eine "Innenseite" und eine "Außenseite" hat, und daß das Bewußtsein im Menschen wie in anderen fühlenden Wesen identisch ist mit den inneren Erfahrungen einiger Quantensysteme. Das äußere Verhalten eines Quantensystems wird durch die Quantentheorie beschrieben, seine innere Erfahrung ist das Thema einer noch zu entwickelnden neuen "inneren Physik". Die Größe des Quantensystems, das im Gehirn für unsere familiäre menschliche Form des Bewußtseins verantwortlich ist, kann aus den subjektiven Messungen von bewußten Datengrößen abgeschätzt werden – auf wieviel Information kann man gleichzeitig achtgeben? Die physikalische Likation des menschlichen Bewußtseinssystems kann aus den Aktionsorten sogenannter psychedelischer (bewußtseinserweiternder) Drogen geschlossen werden – Chemikalien, die eher die Bewußtseinsstruktur als solche ändern, als nur mit ihren Inhalten herumzufuhrwerken.
Die Ansicht, daß das Bewußtsein ganz eng mit der Quantentheorie verflochten sei, ist nicht neu. 1924 hat Alfred Lotzka, einer der Begründer der modernen theoretischen Biologie bereits spekuliert, daß eines Tages die damals neue Quantenphysik vielleicht das Phänomen des menschlichen Bewußtseins erklären würde können. Erst jüngst hat der Neurobiologe Sir John Eccles vorgebracht, daß ein nichtmaterieller Geist die Kontrolle über die Materie des menschlichen Gehirns übernimmt, und zwar über quantenmechanische Akte auf bestimmte intrinsisch ineffiziente neurale Synapsen. Der Weltklasse-Mathematiker John von Neumann und der Nobelpreisträger Eugene Wigner behaupten, daß die Quantentheorie in Wirklichkeit formell unvollständig ist, und daß der am wenigsten drastische Weg, die Quantentheorie mathematisch konsistent zu machen, die Einführung des Bewußtseins als notwendigen Komplicen eines jeden Quantensprunges ist. Trotz dieser Unterstützung durch gewisse prominente Physiker und Biologen wurde bisher kein ernstliches experimentelles Programm entwickelt (und schon gar nicht ausgeführt), das die Hypothese des Quantenbewußtseins testen würde.
Viele primitive Völker organisieren ihr Leben rund um eine Doktrin namens "Animismus", den Glauben, daß jedes Objekt ein "Fühlendes Inneres" wie wir selbst besäße. Die Annahme eines Quantenbewußtseins, die zu einer Art "Quantenanimismus" führt, behauptet auf ähnliche Art, daß das Bewußtsein ein integraler Teil der physikalischen Welt ist und nicht eine auftretende Eigenschaft spezieller biologischer oder Computer-Systeme. Nachdem alles auf der Welt auf irgendeiner Ebene ein Quantensystem ist, erfordert diese Annahme, daß alles auch auf dieser Ebene bewußt sei. Wenn die Welt tatsächlich Quanten-animiert ist dann gibt es eine immense Menge unsichtbarer innerer Erfahrung rund um uns, die derzeit für die Menschen unzugänglich ist, weil ja unser eigenes inneres Leben in einem kleinen Quantensystem gefangen ist, das tief im Fleisch unseres Gehirns isoliert daliegt. Wir brauchen nicht in den Weltraum hinauszugehen, um völlig neue Welten zu bevölkern. Neue experimentelle Welten von unvorstellbarer Verschiedenheit können unsere eigene schon längst umgeben und durchdringen.
Halbausgegorene Versuche, das Bewußtsein zu erklären, wie etwa Geist-als-Software, oder Geist-als-auftretende-Eigenschaft, nehmen sich selbst nicht ernst genug, um die experimentellen Fakten anzugehen, unsere allerintimste Datenbank, nämlich, wie der Geist sich selbst von innen anfühlt. Andererseits, der suggestivste Beweis für das Quantenmodell des Geistes ist, daß das Heisenberg'sche Modell der Quantenereignisse in der Welt extrem mit unseren eigenen Erfahrungen kongruiert, was es denn heißt, ein fühlendes Wesen zu sein. Wenn ich so nach innen schaue, so fühle ich mich nicht wie "Software", was immer das heißen soll, sondern viel eher als schimmerndes (wellenförmiges?) Zentrum zweideutiger Potentia (Möglichkeiten?), um die immer mehr solide Wahrnehmungen und Ideen andauernd koagulieren (Quantensprünge?). Diese grobe Übereinstimmung des internen Gefühls mit externer Beschreibung könnte natürlich trügerisch sein, aber es zeigt zumindest, daß das Quantenmodell des Geistes erfolgreich der introspektiven Evidenz gegenübertreten kann, auf eine Weise, wie sie andere Modelle nicht einmal versuchen.
Aufgrund des zweifachen Charakters der Quantenbeschreibung sagt das Quantenmodell des Geistes zwei grundlegende Typen der subjektiven Erfahrung voraus: eine klare, bestimmte, Computer-Daten-ähnelnde Spielart von Erfahrung (Bewußtseinstyp eins), aufgebaut aus Quantensprüngen; und eine verschwommene, unbestimmte, zweideutige Erfahrung (Bewußtseinstyp zwei), ein Insider-Blick in einige der vibrierenden Quantenmöglichkeiten des Gehirns. Die vibrierende Natur dieser bewußten Möglichkeiten wird von den Menschen normalerweise aus demselben Grund nicht erfahren, aus dem die Wellenstruktur des Sonnenlichts so lange der Beobachtung entgangen ist – Sonnenlicht besteht aus Wellenlängen, die zu kurz sind, um unter normalen Bedingungen wahrgenommen zu werden. Beim Quanten-Animismus-Modell entspricht der Quantensprung – Heisenbergs objektiver Übergang vom halb-realen Potential zur soliden Wirklichkeit – einer bewußten Entscheidung im menschlichen Geist, oder im Geist eines anderen fühlenden Wesens, um irgendeine zweideutige Erfahrung des Typs II in einen wesentlichen eindeutigeren Typ-I-Status umzuwandeln.
Dieses Quantenmodell des Geistes eröffnet eine neue Perspektive auf die bewußte Erfahrung, die zu einer neuen Quantenpsychologie führen könnte, die unsere inneren Erfahrungen in testbarer Weise mit dem externen Verhalten bestimmter Gehirn-residenter Quantensysteme verbinden könnte. Die Probleme menschlicher Wahrnehmung, Emotion und Persönlichkeit ebenso wie der mysteriöse außerphysische Ursprung der Quantensprünge kann sehr wohl zu einer disziplinierten Hochzeit von mutiger Introspektion mit der Quantenbiologie führen. Über die Quantenpsychologie hinaus kann die Feststellung, daß hinter jedem sichtbaren Quantenprozeß eine unsichtbare psychische Erweiterung desselben steht zu einer neuen Art von Physik führen – zu holistischer Physik, bei der menschliches Bewußtsein zu einer essentiellen Komponente eines jeden Experiments wird.
Im Zentrum einer holistischen Physik steht eine neue Meßmethode, die ich "rapprochement" nenne, um sie vom Akt der Messung in der herkömmlichen Physik zu unterscheiden. Während eine normale Messung uns über die Äußerlichkeit eines Dings informiert, verbindet das Rapprochement den Betrachter mit den bisher verborgenen Innerlichkeiten des Objekts, und erlaubt ihm, das Innenleben des Quantensystems direkt zu erfahren.
Eine konventionelle Messung kann nicht ins Innere eines Objekts eindringen, um sein Quantenpotential zu untersuchen, weil jede konventionelle Messung – wie vorsichtig auch immer – unausbleiblich einen Quantensprung auslöst, der alle Potentiale außer einem auslöscht. Diese neue Art von Messung – rapprochement – andererseits, verbindet den Geist des Betrachters direkt mit dem Potential des Objekts ohne Intervention eines Quantensprungs. Der volle Inhalt des inneren Lebens des Objekts in Verbindung mit dem inneren Leben des inneren Lebens des Betrachters und ihre vermengten Potentiale bereichern sich gegenseitig, ohne ein Potential über das andere zu erheben oder Vorurteile zu haben.
Um ein Rapprochement zu erreichen, benötigt man einen Weg zur Verbindung zwischen dem Geist des Betrachters und dem "Geist" des Objekts, ohne Aufzeichnungen zu machen; man benötigt ein sogenanntes "oblivious link", eine "vergeßliche Verbindung", die physisch das bewußtseinsrelevante Quantensystem des Gehirns mit dem betreffenden Objekt verbindet, ohne einen Quantensprung auszulösen. Nachdem das Innenleben physischer Objekte fast sicher unverständlich ist – in menschlichen Termini –, werden die ersten wirklich benutzbaren "oblivious links" zweifellos zwischen zwei menschlichen Zentren des Bewußtseins aufgebaut werden, nicht zwischen einem menschlichen Bewußtsein und irgendeinem "unbelebten" System. Quanten-intime Verbindungen in Angelegenheiten des Geistes zu unbelebten Objekten werden später kommen, nachdem wir Erfahrung mit solchen Verbindungen bei Menschen erworben haben.
Nachdem Magnetfelder recht leicht in das Gehirn eindringen können und die Wellenfunktionen nicht zusammenbrechen lassen, könnte ein möglicher Kandidat für ein "oblivious link" zwischen zwei Gehirnzentren etwa ein sich langsam veränderndes Magnetfeld sein. Zwei Menschen mit ihren Köpfen ins gleiche Magnetfeld eingetaucht könnten die ersten Leute sein, die tatsächlich das Vergnügen eines Rapprochements erleben, einer neuen Art von Quanten-mediatisierten Telepathie.
Die "Telepathie", die beim Rapprochement erfahren wird, wird sich ganz anders anfühlen als ein reiner Austausch von Daten. Die Verbindung zweier Zentren Heisenberg'schen Potentials über ein "oblivious link" macht keine Aufzeichnungen. Diese neue Erfahrung von "Essenz-Verschmelzung-von-Innerem-zu-Innerem" sieht eine augenblicksbezogene Impression, die sofort vergessen wird. Und tatsächlich ist die Erfahrung eines mehrwertigen Potentials (Bewußtseinstyp II) dergestalt, daß sie schon von ihrer eigenen Natur aus vergessen werden muß, nachdem nur einwertige Erfahrungen (Bewußtseinstyp 1 oder Quantensprünge) im Gehirn oder sonstwo auf der Welt aufgezeichnet werden können. Eine der Aufgaben eines Quantenpsychologen wird es sein, die relativen Proportionen der Bewußtseinstypen I und II – den Anteil von, grob gesprochen, "Tatsache" und "Phantasie" – im Geist verschiedener Persönlichkeitstypen zu bestimmen. Obwohl die Erfahrung des Rapprochements bald vergessen wird, hat sie dennoch einen Dauereffekt auf die Teilnehmer. Die Quantenpotentiale – und somit der gesamte Aspekt ihrer zukünftigen Entwicklung – beider Partner in der Quantenverbindung wird drastisch verändert durch ihren intimen Austausch des Essentiellen.
Ob nun die holistische Physik die Körper/Geisteswissenschaft der Zukunft, oder nur ein philosophischer Grubenhund sein wird, hängt davon ab, ob der menschliche Geist wirklich das Private innerhalb irgendeines Quanten-Geistsystems ist (unbekannt) und von unserem Erfindungsgeist (auch nicht ausprobiert) bei der Konstruktion von "oblivious links", die ohne Sprung Gehirnzentren mit Systemen von außenliegender Materie verbinden.
Der deutsche Licht- und Materialforscher Walter Heitler und andere haben behauptet, daß die Quantentheorie danach verlangt, daß die Trennung der Welt in eine objektive äußere Realität und einen selbst-bewußten Betrachter nicht länger aufrecht erhalten wird. "Subjekt und Objekt sind untrennbar von einander geworden", sagt Heitler. Und trotzdem, ich habe über zwanzig Jahre lang experimentelle Quantenphysik betrieben, ohne auch nur einmal mit meiner Apparatur zu verschmelzen. Obwohl Quantenobjekt und Quantenmessungsgeräte in den frühen Phasen der Messung tatsächlich verschmelzen, so wird diese holistische Vereinigung immer vom Kollaps der Wellenfunktion unterbrochen, von der Produktion einer einwertigen Aufzeichnung im inneren der Meßapparatur. Ein Physiker erfährt niemals eine grundlegende Vereinigung mit der Außenwelt bei einer konventionellen Quantenmessung, weil der Quantensprung immer im letzten Augenblick interveniert und klar und deutlich den Betrachter vom Objekt seiner Betrachtung isoliert.
Anders als die konventionelle Physik würde die holistische Physik tatsächlich die Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt aufheben. Sie würden, was sie im Laboratorium der holistischen Physik suchen. Es bestünde sogar die echte Gefahr einer Vergessensoperation des "sich im Raum Verlierens" ohne jemals zurückzukommen. Das wird aber wahrscheinlich ohnehin letzten Endes mit unserer Spezies geschehen. Wissenschaftler, die ja normalerweise allumfassende nicht-intellektuelle Experimente leid sind, werden sich wahrscheinlich zurückhalten. Aber sobald sie die Begeisterung des Rapprochements kennengelernt haben, werden gewöhnliche Männer und Frauen nicht zögern, ihr Wesen in Materie selbst aufzulösen, immer bizarrere Geistesformen zu kontaktieren, zu erforschen und zu adoptieren, und so aus dem gewöhnlichen Bewußtsein zu erwachen wie aus einem langen und einsamen Traum, und die ganze Raumzeit mit dem Tang eines neuen Bewußtseins anzufüllen, das sich einst menschlich nannte.
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