Cybermedia and the Fatal Attraction of Realities
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"Don't want, don't want, don't want to be part of your world."
David Byrne "Kameras weg! Kameras weg! Setzen! Runter!" Auf dem Balkon des Stadttheaters tanzte eine lebhafte surinamische Band in Erwartung der Ankunft Nelson Mandelas. Er sollte eine Ansprache vor den 15.000 herbeigeströmten Amsterdamern halten. Die Musiker blieben jedoch unsichtbar, da direkt vor ihnen eine Batterie (weißer) Pressekameras stand und sich langweilte. Das löste bereits die entsprechende Irritation aus.
Als die Nachricht kam, daß "der König von Afrika" das Gebäude betreten hat, baute 'die Media' sich rund um das Mikrophon in der Mitte des Balkons auf. Die Menge begriff, daß sie auch dies nicht zu sehen bekommen würde und begann zu skandieren. Spontan gingen Ausrufe wie "Kameras verduften!" über in die wütende Parole "Weg mit dem TV". Dies war eine Variante auf "Weg mit der ME!" (ME = mobiele eenheid, die niederländische Bereitschaftspolizei, die vorzugsweise bei Krawallen zum Einsatz kommt), wodurch die Bildjäger mit dem Einsatzkommando der Polizei gleichgesetzt wurden. Das diffuse, bereits einige Jahre alte antimediale Unbehagen bei einem Publikum, das ein Jahrzehnt lang zum unbedeutenden Dekor oder ebenso unbedeutenden Konsumenten herabgewürdigt wurde, schlug um in die Einsicht, daß die zynischen Medien-Agenten die Rolle der Ordnungshüter übernommen haben, um der Masse ihr Ereignis vorzuenthalten. 'Die Media' hat sich selbst immer mehr zum eigentlichen Ereignis erklärt und rückt sich mit all ihren technischen Prothesen mehr und mehr ins Bild. Für die Presseleute war die reale Masse auf dem Platz vor dem Stadttheater genauso imaginär geworden wie die Zuschauer zu Hause, die ihnen ebenfalls gleichgültig sind. "The masses of the people" fürchteten, daß sie lediglich die Rücken einiger Medienmännchen zu sehen bekommen würden, obwohl sie wußten, daß Mandela für sie kommen sollte und das Happening nicht als Open-air-Pressekonferenz gedacht war. Die Journalisten spürten, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis der erste Stein ihre High-tech treffen würde, und zogen sich aus einer anderthalb Meter breiten entmediatisierten Zone zurück. Dann erschien der "Royalty in exile" in der pressefreien Zone und sah sich ausführlich um, wer denn so alles für ihn gekommen war. Er bemerkte, daß seitlich von dem Balkon noch Tausende von Menschen standen und applaudierten und zwängte sich durch die Kameras hindurch, um auch sie zu begrüßen. Im Gegensatz zu allen Popmusikern, Fußballmannschaften, Königinnen und Politikern, die die Menschenmassen für ihre PR gebrauchen, rannte Mandela nicht gleich zum Mikro, sondern nahm sich Zeit, der Menge zu begegnen. Auch er schob 'die Media' beiseite für das Ereignis. Auf einmal wurde es mucksmäuschenstill und wider alle Erwartungen spulte Mandela keine Nummer ab, sondern wagte es, in aller Einfachheit einen Dialog mit den Anwesenden zu beginnen, um deutlich zu machen, worum es dem ANC geht. Nach einer halben Stunde beendete er seine Rede mit den Worten: "We respect you, we thank you and above all, we love you". Das hatten wir von "der Media' noch nie gehört.
Die Medien ahnen, daß ihnen im kommenden Zeitalter der digitalen Interfaces ein Kampf um Leben und Tod bevorsteht. Das 0/1-Prinzip der Bits könnte einmal eine ja/nein-Analogie haben. Zwei schwindelerregende Szenarios drängen sich auf: Sagen wir "ja" zu den Medien, dann emigrieren wir nach Cyberspace, verlassen die Hardware unseres Körpers, und wird das Bewußtsein in Software eingeschrieben. Sagen wir "nein", dann wählen wir das "Exit to reality" und enden die Medien als Haushaltsartikel oder als Museumskunst wie Staubsauger und geflochtene Bauernkörbe. Die antimedialen Zwischenfälle nehmen von Tag zu Tag zu an Ausmaß und Frequenz, werden in der Presse jedoch sorgfältig ausgeklammert oder nicht als solche erkannt.
Keine einzige Zeitung erwähnte den obengenannten Angriff auf das publikumsunfreundliche Medienverhalten. Dennoch zeichnen sich international bereits die Konturen einer "Anti-media-movement" ab. Ihr Motto lautet, daß man zuerst einige Verbindungen unterbrechen muß, um überhaupt jemandem zu begegnen. Die Angewohnheit, vor dem Schlafengehen noch eben eine Telefonzelle abzureißen, einen Schaltschrank kurzzuschließen oder einen Zahlautomaten mit Beton zuzuschütten, Videokameras an Straßenkreuzungen mitzunehmen und beliebige Straßenkabel durchzuschneiden, erregt kein Aufsehen mehr. Diese gemeinsam geteilte Lebenskunst, die der Do-it-yourself-Hilfe entspringt, und auf simple Vergnügungen aus ist, ist über das Stadium der örtlichen Störung noch nicht hinaus. Wenn aber die 'uplinks' zum 'global village' en masse gekappt werden, liegt auf der Hand, daß viel mehr Erdenbürger ihre medienfreie Zeit für andere Dinge verwenden werden. Die Zuschauer haben es jahrelang genossen, sich ordentlich durch das Fernsehen abstumpfen zu lassen, doch auch das wird langweilig. Das Plädoyer für erzieherisches TV mit vertretbaren Sendungen schreckt sie erst recht ab.
Untersuchungen haben gezeigt, daß die Einschaltquoten beim Fernsehen neuerdings "beängstigend abnehmen". Sogar die restlichen Gruppen, die noch einen Apparat im Haus haben, leugnen, daß sie davon Gebrauch machen. "Die Scheu, zuzugeben, daß man Konsument ist, führt zu der Antwort, die wir von Alkoholikern kennen: 'Ich und Trinken?'. 'Die paar Sendungen kann man doch nicht Gucken nennen.'"
Die 'Mediastenkaste' bewegt sich ausschließlich innerhalb der permanenten Aktualität, weil sie es als ihre gesellschaftliche Aufgabe betrachtet, die Gefahr einer plötzlichen Rückkehr der Geschichte zu bannen. Zu diesem Zweck entledigt sie alle Ereignisse ihrer Ursachen und Folgen, in einer Produktion von Items ohne Zusammenhang und Konsequenzen. Sie ist sich dessen bewußt, daß, wenn die Massen ihr Handlungsvermögen wiederfinden, 'die Media' selbst das erste Opfer davon sein wird. Früher stellte 'die Media' einen Ausnahmezustand dar. Die Live-Bilder von der Mondlandung verdankten ihre Eindruckskraft der Tatsache, daß dies noch nie vorher zu sehen war: Die ganze Welt war eingeschaltet in die Faszination, zu Hause zu sitzen und die Erde zu verlassen. Das Versprechen schien wahr geworden zu sein, die unerträgliche Trägheit des Daseins verlassen zu können, um definitiv das technologische Universum betreten, in dem wir schwerelos von Ort zu Ort rauschen können.
Zwei Jahrzehnte später wurde den Zuschauern bewußt, was dies eigentlich bedeutet. Indem sie alles zu Information macht, ist 'die Media' imstande, jedes Ereignis zu gleichen Bildern zu nivellieren (alle niederländischen Medien verglichen die Rede von Mandela mit dem Zujubeln der Fußballnationalmannschaft). Da 'die Media' allgegenwärtig ist, hat der Raum seinen Inhalt verloren, sodaß er mit Bildern von einem Anderswo ohne 'Andersheit' gefüllt werden kann. Der einzige Kontext des Ortes, den man sieht, ist das Item, das danach folgt. Die mediale Brille ist identisch geworden mit der touristischen Erfahrung des "Heute hier, morgen dort". Es besteht keine Notwendigkeit, sich mit anderen zu konfrontieren, darüber gibt es Infos. "Warum sollten wir miteinander reden, wenn wir so gut kommunizieren können?" Die anderen sind zu Hindernissen geworden, oder zu Objekten, an denen man interessante Eigenschaften entdecken kann. Und wenn die langweilig werden, geht man einfach weiter.
Jetzt ist die Wirklichkeit der Ausnahmezustand. Daß sie dadurch eine riskante Verführung darstellt, kommt den Medienleuten entfernt bekannt vor. Sie können dies psychisch deuten als ein romantisches Gefühl, das sie früher auch hin und wieder hatten, in ihren bestimmten 'Momenten'. Oder sie tun den Ruf nach Wirklichkeit als Nostalgie oder als Angst vor der Technik ab. Der Angriff auf die Medien wird zweifellos als undemokratisches Verhalten von Vandalen angeschwärzt werden, und das Desinteresse als eine beunruhigende Entwicklung, der mit Aufklärung zu begegnen ist. Und doch ist der Widerwille gegen die Flimmerkiste nicht mehr als ein Ausdruck des allgemein menschlichen Bedürfnisses nach einem 'Draußen', wo man 'eigene Erfahrung' machen kann. Die Wirklichkeit wird als Domäne des nicht Vorhersagbaren gesehen, und das deckt sich nicht länger mit dem Wunder der Technik. Die moralischen Werte der antimedialen Bewegung (Respekt, Dankbarkeit, Liebe?) können verhindern, daß sie ihre Abneigung soweit treibt, die Medien definitiv zu vernichten. Die Medien müssen eben etwas zurückschrauben. Die antimediale Bewegung könnte den Informationskanälen einen Platz im Maschinenpark des täglichen Lebens zuweisen und sich danach nicht weiter darüber aufregen.
Nun, da 'die Media' sich in die Enge getrieben weiß, kommt sie mit einer Antwort, die ihre Konsumenten ein für allemal in den Bildschirm 'sucken' muß: Cyberspace, "the medium to end all media". Das Gerücht von dem "neuen Raum", das im real existierenden Weltdorf umgeht, lädt die laufende Forschung auf mit enormen Erwartungen auf unbegrenzte Möglichkeiten. Das Epos vom Cyberraum ist bereits geschrieben von einem gewissen William Gibson. Die Videokids halten nervös Ausschau an der Pforte ihrer Arcades und die Militärs experimentieren eifrig mit dem totalen Interface zwischen Körper und Maschine. Alte Hippies schwingen sich in Datenjacken und -handschuhe, um ihren östlichen Traum vom ungehemmten Reisen ins universale Bewußtsein persönlich, ohne die früheren Entzugserscheinungen zu verwirklichen. Und schließlich sind da noch die Videokünstler, die mit ihrer ästhetischen Moral die neue Cybererfahrung leer halten wollen, um zu verhindern, daß sie mit lauter Banalitäten gefüllt wird. Den frühen Werken dieser Pioniere ist noch nicht zu entnehmen, inwieweit Cyberspace in nächster Zukunft eine private Erfahrung bleiben wird, oder das virtuelle Vehikel der Hyperkommunikation zwischen den Weltbürgern wird. "Cybermedia" ist das Synonym dieses im Bau befindlichen öffentlichen Raumes.
In den Cybermedia ist der Abstand zwischen Subjekt und Objekt, der den alten Medien soviel Schwierigkeiten bereitet hatte, aufgehoben. All diese Reflexion über den und die Kritik am Platz des Ichs in der Welt und das Geleier von einer vermeintlichen Wirklichkeit, die nicht in den Bildern wiederzufinden sei, muß jetzt endlich einmal aufhören. Die puristische Engstirnigkeit, die menschliche und virtuelle Wirklichkeit streng getrennt halten will, wird durch die Erkunder von Cyberspace in die Prähistorie der politischen Metaphysik verwiesen. Dieses altmodische Bedürfnis, Grenzen zu ziehen, ersetzen sie durch eine demokratische Sicht der Wirklichkeit: Wenn einem die nicht gefällt, betrachte man sie durch den Cybergoggle doch einfach ganz anders.
Die Medien des zwanzigsten Jahrhunderts haben ihr Versprechen vom 'global village' als Ort maximaler Mobilität nicht einlösen können. Die erwartete Entwurzelung aller Erdbewohner durch eine fortschreitende Mediatisierung wurde als Teil des unentrinnbaren Prozesses des menschlichen Fortschritts angesehen. Durch die Einrichtung einer weltumspannenden Infrastruktur, in die jeder sich einschalten kann, sollte letztendlich jede Region von selbst auf die Rolltreppe der Geschichte in Richtung Wohlstand und convenient life gelangen. Der technische Fortschritt besteht auch jetzt noch aus der Konstruktion eines Sets ideologisch neutraler Netzwerke und Vorkehrungen: Von Verkabelung, Autobahnen und (Flug-)Häfen bis zur Verarbeitung von Abfall, der Mobilität von Arbeitskraft, Rohstoffen, Gütern und Informationen. Diese transregionalen Strukturen könnten wie eine Wolke über den überlieferten Traditionen und Nationalitäten hängen. Die Media-Idee war, daß durch das Übersteigen lokaler Identitäten diese von selbst verschwinden würden, oder, sollten sie dies nicht tun, aus globaler Perspektive gesehen uninteressant würden innerhalb der infrastrukturellen Entwicklungen. Die Funktion der Regionen in dieser Planung ist die kultureller Rohstofflieferanten für ein abwechslungsreiches Programmangebot. Wenn Regionen nicht mitmachen (können), kommen sie auf die Liste der abgeschriebenen Gebiete, die vergebliche Rufer in einer Informationswüste bleiben werden.
Doch die Medien haben nie internationalisierend gewirkt, im Gegenteil, sie erwiesen sich als Mittel zur Konsolidierung der örtlichen Verhältnisse. Bei einer universalen Kommunikation kann jeder an seinem eigenen Platz sitzen bleiben. Nicht jedem ist es gelungen, die eigenen Lebenswelt und – gewohnheiten touristisch erfahren zu lernen. Immer mehr Regionen (Mittlerer Osten, Sowjet-Regionen, China) beginnen, als Störsender zu interferieren beim Projekt der Transnationalisierung. Alte Medien, wie Religionen, halten weiterhin starrköpfig an eigenen, absoluten Werten fest und machen Krawall in der Family of Men. Sie wollen einfach nicht glauben, daß wir in einer einzigen Welt leben (Haben sie die Sendung von der Mondlandung verpaßt?). Diese Lektion wird ihnen schon noch erteilt werden, wenn sich zeigen wird, daß ihr lokaler Atomkrieg den Rest der Welt total kalt läßt. Ihre Katastrophen sind nicht unsere.
Cybermedia bildet die Endstation des Gedankens vom globalen Netzwerk. Es nimmt Kurs auf die Vollendung des Infrastrukturellen, unter dem zwingenden Motto: "Ein System oder kein System". Ihr Traum ist es, alle medialen Räume im Haus Cyberspace unterzubringen. Bislang habe die Menschheit in kleinen Zimmerchen gewerkelt, doch jetzt eröffne sich die Möglichkeit, das Ganze zu übersehen und alle Verbindungen zu legen. In Zukunft werden wir mühelos von allen Radioprogrammen, allen Filmen, allen Archiven und Bibliotheken hinüberwechseln können zu allen möglichen Privatgesprächen, Telekonferenzen und Teleshops wo auch immer auf der Welt.
Das ewige Geleier früherer Wirklichkeiten, die das Projekt der Modernität ein Jahrhundert lang frustriert haben, wird abgekappt, indem diese ein für allemal durch ein neues Wirklichkeitsprinzip ersetzt werden. In Cybermedia sind alle 'formats' von Sprache, Zeit, Territorium, Identitäten wie Geschlecht, Rasse oder Lebensstil, Umwelt, Gesundheit und Alter in den universalen 0/1-Code umgesetzt. Einschalten bedeutet überall alles zu sein. Das aus grauer Vorzeit stammende Verlangen, den sterblichen Körper zu verlassen, wird kombiniert mit einem genauso alten Streben nach einer herrschaftsfreien, kommunikativen Gemeinschaft reiner Menschen. Der Weltfrieden wird auf einem Abstraktionsniveau realisiert, auf dem ein wenig Krieg spielen nur bedeuten kann, in Rückstand zu geraten. Historisch gesehen ist Cyberspace wohl noch herleitbar vom Krieg als dem Vater aller Dinge, doch in der Praxis ist auch in der Genealogie der Technik die verhängnisvolle Übertragung von genetischem Material fatal geworden für diesen Vater. Ebenso war SDI geplant als Höhepunkt des Kalten Krieges, verursachte jedoch zum Schrecken des militärisch-industriellen Komplexes dessen abruptes Ende.
Die Bedrohungen, die das Reich der Freiheit der Cybermedia umringen, sind Legion. Einerseits sind da die unbelehrbaren Dissidenten, die gruppenweise allen Datenströmen im Weltreich der Infrastruktur ihr 'format' auferlegen wollen. Das Verschwinden von Zeit/Raum-Unterschieden sehen sie als Möglichkeit, allen Konsumenten direkt ihren Willen aufzuerlegen. Andererseits tauchen finstere Subjekte auf, die ihre eigene Einsamkeit und den gemeinschaftlichen Konsens durchbrechen, indem sie Amok laufen in Cyberspace. Mit ihren elektronischen Dolchen stechen sie blind auf alle zufälligen Passanten ein. Aber es drohen auch Gefahren von innen. Corporations, auf die Gibson bereits hinwies, errichten neue Grenzen für ihre Databuildings und sollen sogar den gesamten Cyberspace ihrer Verwaltung unterstellen können. Eine Exklusivität, die die demokratische Intention unterminiert und zu Widerstandshandlungen herausfordert, die die totale Zugänglichkeit auf ihre Flagge geschrieben haben. Außerdem kann die Elektroatmosphäre in no time verschlammen mit sich reduplizierendem Datenabfall, verfallenen Environments, umherschwirrendem Geräusche, virtuellen Billboards, die entlang dem Datenstrom aufgestellt sind, spontanen Crashes durch Overload oder Mangel an Rechenkapazität. Cyberspace läßt auch repressive und therapeutische Anwendungen zu, die den Glauben an die wertfreie Kommunikation antasten.
Leute fragen uns: "Haben diese Cybermedia eine Perspektive?" Künstlerische und populäre/wissenschaftliche Fachblätter legen Rauchschwaden, um die Einführung der Cyberware so attraktiv wie möglich zu machen. Die Laien, die nicht im voraus abhaken, kommen nicht weiter als bis zu der Frage nach der Technik. Die Fortgeschrittenen dagegen verstricken sich in der Frage nach der Ethik. Sie hoffen auf eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Sicherheit der neuen und über die Entsorgung der alten Medien.
Das Bewußtsein darf durch die neueste Psychedelica keinen bleibenden Schaden erleiden. Und N.G.O.s wie "Save the TV" fordern Garantien, daß die Abstand haltenden Medien erhalten bleiben. Die Zweifler sind der Meinung, daß Cyberspace, genau wie Starwars, zwar technisch möglich ist, in der Praxis jedoch in der Simulationsphase stecken bleiben wird. Um es wie Telefon oder TV weltweit einzuführen, ist eine derartige Investierung in Hard- und Software nötig, daß alle Produktionskraft dem zivilen Konsum entzogen werden müßte. Sie erwarten, daß Cyberspace nie über das Niveau des privaten Bewußtseins hinauskommt und als hyperindividuelle Kirmesattraktion enden wird, vergleichbar mit Orgonkasten, Dreammachine und Megabrain. Die Neomaterialisten weisen auf die Grenzen der Kommunikation hin. Wir haben, so behaupten sie, einander schon längst nichts mehr zu melden und wollen einander nicht mehr begegnen, auch nicht in Cyberspace. Das Andere kann problemlos konsumiert werden, ohne damit Kontakt zu haben. Medien übermitteln etwas, strahlen aber nichts aus. Kontakt hat man mit einem ordentlichen Stück Stahl oder Beton, ohne den Zwang zum Input oder Austausch, der den Cybermedia inhärent ist. Die Visionäre schließlich geben Ukasses heraus, in denen sie prophezeien, daß das Cyberprojekt eine der Ruinen der postindustriellen Selbstüberschätzung wird. Sie meinen dies nicht abfällig. Sie sehen das Versagen des Megachip als Herausforderung für den Künstler, um mit den abgeschriebenen Elektronika die Ruinen-Ästhetik zu aktualisieren.
Um diese Interpretationswut zu besänftigen, greifen die Cyberphilosophen auf eine Denkfigur zurück, die schon jahrhundertelang hoch im Kurs steht: die Hegelsche Konstruktion der "Aufhebung". Der Gegensatz zwischen dem Virtuellen, vormals bekannt als "der Geist" oder "das Imaginäre", und der Wirklichkeit, vorgestellt als das absolute Prinzip, wird versöhnt in dem eingängigen Reklameslogan "virtual reality". Die Anziehungskraft dieses Logogramms könnte sich vielleicht als herbe Enttäuschung herausstellen. Besonders unter den Anti-Medialen besteht ein großer Widerwille gegen den gesamten Marketinggedanken. Sie sehen in Cyberspace lediglich eine reale Zunahme der Anzahl Medien und weisen die Kritiker zurück als ein Nebengeräusch, das nun einmal zur Einführungsphase eines neuen Produktes gehört. Die Sicherheit, daß der Inhalt von Cyberspace einfach aus allen vorherigen Medien besteht, macht sie gleichgültig gegenüber dem Versprechen eines "neuen mythischen Raumes". Mit einem vollständig animierten Arsenal von Bildern würden sie sich noch abfinden können, weil die Kameras dann aus der Öffentlichkeit verschwinden könnten. Doch Cybermedia soll mehr werden als ein 3D-Videospielchen und ihr Hunger nach Bildern wird sie weiterhin zwingen, die Studios zu verlassen und sich mit extramuralem Straßenbildmaterial zu ernähren.
Der Charme der Cybermedia liegt in der Naivität, mit der sie an die Welt herantritt. Sie meint, daß die Faszination des Künstlichen ausreicht, um die Wirklichkeit auszulöschen. Die Welt entfernt sich stets weiter weg vom eigenen Terminal. Dies beunruhigt die Wirklichkeit nicht im geringsten. Sie kennt das allzu menschliche Bedürfnis nach dem Illusionären und wartet, bis auch dies wieder vorbei ist. Es ist jedoch die Frage, ob die antimediale Bewegung auch so viel Geduld aufbringen kann.
Stichting terbevordering van de illegalewetenschap (BILWET) i.o. Foundation for the advancement of illegal knowledge (ADILKNO) Stiftung zur Förderung der illegalen Wissenschaft (Filwis).
(Übersetzung: Siegfried Arends)
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