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Ars Electronica 1990
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Festival 1979-2007
 

 

Academy Leader


'William Gibson William Gibson

"Ride Music beamt zurück zu Basis."
Er phast raus auf einem Vektor aus Zug-Pfeifen und dem einen speziellen in Stahl gravierten Abhang aus Wintersonne, den diese Art von Darbietungen bevorzugt, und hinterläßt einen schwachen Hauch von Players Navy Cut und von aufsperrenden Piano Bars in Ost-St. Louis, dieser gefährliche alte literarische Herr, der so viele von uns hinausgeschickt hat, mit versiegelter Order, vor Jahren ...

Inspektor Lee hat uns einen neuen Blickwinkel gelehrt Frequenzen der Stille; leere Wände auf Straßenniveau. Im flachen Feld. Wir werden Feldarbeiter. Decodieren das Fachwerk. Wir patrouillieren die tiefen Fehler entlang. Unter den Lichtern. Maschinenträume. Die Menge, dahingerissen im Vertrauen ... Shibuya Times Square Piccadilly. Ein geparkter Wagen, eine Arena aus Gras, ein Brunnen, gefüllt mit Erde. Im langsamen Herbst zur Dämmerung. Die Nacht entlang. In den Höhlen des Hyatt. Zur Stunde der Halogenwölfe ... Die erinnerte Stunde. In Radio-Stille ...

Nur ein Zufalls-Bediener im Benzin-Riß der Geschichte, Wachtmeister...
Das zusammengesetzte Wort cyberspace aus kleinen und jederzeit verfügbaren Sprachkomponenten. Neologischer Spasmus: der zugrundeliegende Akt der Pop-Poesie. Geht einem jeden Konzept voraus. Schlüpfrig und hohl – in Erwartung einer empfangenen Meinung.

Alles, was ich getan habe: Worte gefaltet wie gelernt. Nun wachsen andere Worte in den Lücken heran.
"Herrschaften, dies ist weder jetzt noch wird es jemals irgendwann meine Angelegenheit sein..."
Nun zu dem, was ich tue.

Ich bearbeite den Transitaspekt. Vektoren von Neon Plaza, lizenzierte Konsumenten, ursprüngliche Akte, unerhört...

Die Architektur der virtuellen Realität ausgedacht als ein Zusammenwachsen von Träumen: Tätowierläden, Schießbuden, Flipper-Hallen, schlecht erleuchtete Stellagen gefüllt mit stockfleckigen Jahrgängen von Herrenmagazinen, Chili-Kneipen, Geschäftslokale unbefugter Zahntechniker, von Feuerwerk und Köderfischen, Wettlokale, Sushi-Bars, Lieferanten sexueller Applikationen, Pfandleiher, Wonton-Stände, Stundenhotels, Würstelstände, Tortilla-Fabriken, Chinesische Gemüsehändler, Schnapsbuden, Kräuterhändler, Chiropraktiker, Barbiere, Bars.
Dies sind kommerzielle Träume. Über ihnen erheben sich verwickelte Altstadtviertel, Zonen einer eher privaten Phantasie ...

Transitwinkel setzt uns ab vor diesem staubigen Kartentisch in einer Untergrundpassage in der Darwin-Freihandelszone, Musik-Gesumm der Serums-Analyse-Durchschnitte für Kalifornien bis Oregon, Faktoide über EBV-Mutationsraten und spezifische Translokationen am Bruchpunkt beim cmyc-Onkogen.

Kelseys zweite Woche in Australien und ihr Bruder bleibt stur in der Wohnung, treibt Television, spielt wieder und wieder Gladiator Skull und ein neues japanisches Spiel namens Foltergarten. Sie geht Meilen von Hallen durch, die wieder Santa Barbara sein könnten oder Singapur, kauft britische Modezeitungen, stiehlt italienischen Lidschatten; nur die Sterne in der Nacht sind anders, Kreuz des Südens, und die Chinesenbuben durchflitzen die Plätze auf Kohlenfaser-Skateboards mit Neon-Verzierungen.

Sie pausiert vor dem Verkäufer ohne Lizenz, sein Gesicht gefurcht mit den bleichen Narben des Sonnenkrebses. Er hat ein Dutzend Kassetten zum Verkauf, ihre Plastikgehäuse sind zerkratzt und staubig. "Ganze Stadt da drin", sagt er, "Kyoto, um einen Zwanziger gehört's dir." Sie sieht den Sicherheitsmann, groß und breit, im Kevlar-Anzug, blauäugig, hereinkommen um den alten Mann hinauszuwerfen, als sie die Münze impulsiv hinwirft und das Ding aufhebt, was immer es ist, und dreht sich um mit blankem Lächeln und segelt wie ein Schwan am Wächter vorbei. Sie ist eine Konsumentin mit Lizenz, unberührbar, und im Zurückblicken sieht sie den Verkäufer zwinkern, seine Herausforderung grinsen, keine Spur von der 20-Dollar-Münze.

Keine Spur von ihrem Bruder, als sie in die Wohnung zurückkommt. Sie setzt sich die Brille auf und zieht die Handschuhe an und steckt das virtelle Kyoto in den Schlitz ...

"Wenn sie einmal perfektioniert sind, sterben Kommunikationstechnologien niemals ganz aus, sie schrumpfen nur, um spezielle Nischen in der Gesamt-Infrastruktur auszufüllen. Kristall-Radios wurden als Mittel vorgeschlagen, isolierten Agrar-Stämmen die optimalen Aussaat-Zeiten mitzuteilen. Der Mimeograph, einer der vielen neueren Dinosaurier der städtischen Büros, leuchtet noch immer mit unvermindertem Samisdat-Potential in den Hinterstübchen dieses Jahrhunderts, als spätviktorianische Antwort auf Desktop-Publishing. Banken in unzähligen Dörfern der Dritten Welt kurbeln noch immer die Tagessummen auf schwarzen Burroughs-Addiermaschinen herunter, Meter um Meter blasser indigo-Ziffern auf lange – auf seltsame Weise festliche – Papierlocken druckend, während die Sowjetunion, noch nicht dem Wegwerf-New-Tech-Spaß verschrieben, die letzte verläßliche Quelle für Vakuumröhren geworden ist. Das 8-Spur-Bandformat überlebt in den Lkw-Rastplätzen des tiefen Südens als Medium für Country-Musik und gesprochene Pornographie.

Die Straße findet ihre User für Dinge – Anwendungen, von denen die Hersteller niemals geträumt hätten. Das Mikrokassetten-Diktaphon, ursprünglich gedacht für schnelle Diktate von Funktionären und Managern, wurde zum revolutionären Medium von Magnetisdat, weil es die heimliche Verbreitung verbotener politischer Reden in Polen und China ermöglichte. Piepser und Funktelefon werden zu ökonomischen Werkzeugen im wachsenden Konkurrenzkampf im illegalen Drogengeschäft. Andere technische Artefakte werden unerwarteterweise zu Kommunikationsmitteln. Die Spraydose gebiert die städtische Graffiti-Matrix. Sowjetische Rocker pressen Eigenbau-Flex-Schallplatten aus gebrauchten Lungenröntgen-Fotos ..."

Fünfzehn Steine gegen weißen Sand.
Die Sandalen eines Riesen, der von einem Zwerg besiegt wurde.
Ein Pavillon aus Gold, ein anderer aus Silber. Ein Wasserfall, wo die Leute beten ...
Ihre Mutter nimmt die Brille ab. Ihre Mutter blickt auf den Timer. Drei Stunden. "Aber du magst ja keine Spiele, Kelsey...',
"Es ist ja kein Spiel", Tränen in ihren Augen, "es ist eine Stadt".
Ihre Mutter setzt die Brille auf, bewegt den Kopf hin und her, nimmt die Brille ab.
"Ich möchte dorthin fahren", sagt Kelsey. "jetzt ist es anders. Alles ändert sich."
"Ich möchte dorthin fahren", besteht Kelsey. Sie setzt die Brille wieder auf, weil der Blick in den Augen ihrer Mutter sie schreckt.
Die Steine, der weiße Sand, wolkenverhangene Berggipfel, Inseln im Fluß...
Sie will dorthin fahren...

"Die gezielten Nummern des ACADEMY LEADER waren hypnogogische Zeichen, die dem Traumstatus des Films vorausgingen."