Von der Ästhetik angenehmer Zustände
'Ernst Graf
Ernst Graf
Wer sich mit den östlichen Meditationstechniken beschäftigt hat, kennt ziemlich sicher die Falle, die sie für die westliche Mentalität bereithalten. Man hat den inneren Monolog glücklich zum Verstummen gebracht und denkt sich erfreut "jetzt hab ich's": und damit ist man auch schon wieder dort, wo man angefangen hat. Ähnliches passiert zumindest dem Anfänger auch bei Methoden wie dem autogenen Training. Die Chance ist groß, daß sich zu dem Satz "Ich bin ganz ruhig" justament die Antithese einstellt, nämlich der Gedanke "verdammt, ich bin ja gar nicht ruhig".
Nun könnte jemand einwenden, daß dann die Leute eben mehr Geduld aufbringen und sich ihre inneren Reisen etwas mehr Arbeit kosten lassen sollen. Schließlich ist auch Entspannung nicht ohne Mühe zu haben.
Anderseits wird beispielsweise Yoga bald zum Full-Time-Job, wenn man wirklich Resultate haben will; und sämtliche Autosuggestionstechniken werden immer mit dem Zwiespalt betrachtet sein, wer wem was sagt.
Mind Machines haben den Vorteil, daß die Vorarbeit nicht jedesmal von neuem geleistet werden muß, wenn einer sich aus seinem selbstfabrizierten Ego-Gefängnis befreien will. Chemischen Hilfen sind sie insofern ganz entscheidend überlegen, als bei der Maschine die Einwirkung in Real Time geschieht. Ich muß vorausschicken, daß ich mich hier ausschließlich mit den audiovisuellen Geräten beschäftigen werde – und das nicht bloß, weil ihnen meine Sympathie gehört; jene Maschinen, die unmittelbar mit elektrischen Impulsen die Gehirnwellen beeinflussen, sind nur für spezielle medizinische Einsätze unter ärztlicher Aufsicht bestimmt.
Auf den ersten Blick scheint es ein Widerspruch in sich selbst zu sein, wenn man einen angenehmen Zustand definieren will. Trend hat sozusagen die Negativdefinition geliefert mit seiner Feststellung, daß das Ich nicht Herr im eigenen Haus ist. Was wäre demgegenüber das Erstrebenswerte? Buddha hat es ausgesprochen: "Mein Denken erhebt sich, beruhigt sich, festigt sich und wird frei ... Ich weiß: von dem, was nicht da ist, ist es leer, was aber geblieben ist, das ist da." Im Prinzip versorgt uns die Mind Machine mit einem stark reduzierten und dafür umso kräftiger strukturierten Input. Die Reduktion ist nicht Selbstzweck und zielt auch nicht auf so etwas ab wie Sensory Deprivation; vielmehr ist ganz einfach eine Rhythmisierung und Geometrisierung der Sinnesdaten beabsichtigt. Dem "Mind" werden Muster vorgegeben, die er von sich aus erzeugen würde, wenn er bei sich wäre: dadurch verringert sich sehr die Wahrscheinlichkeit, daß er sich zwischendurch die Stolperfrage nach dem "Erfolg" der Prozedur stellt.
Die FOCUS 101 ist zwar ein Computer und doch eng verwandt mit einem Musikinstrument, das ich 1972 mit Arnold Keyserling gebaut habe, dem Chakraphon. Genau genommen müßte man es allerdings eher ein Musikalisierungsinstrument nennen, weil es durch seine Schwingungen bestimmte Punkte der Wirbelsäule identifizieren hilft, die auf die jeweilige Frequenz ansprechen.
Die Konstrukteure der ersten Mind Machines saßen in den USA und hatten wie Grey Walter mit Musik nichts im Sinn; wenn sie eine Schwingung beispielsweise im Alpha-Bereich vorgaben und das Gehirn mitzog, war ihnen das genug. Hinter der FOCUS 101 steht im Gegensatz dazu die europäische Musiktradition und letztlich die Intervallehre der Pythagoräer. Das Gerät berücksichtigt beides: die "Natur" der menschlichen Physis und die durch zweieinhalb Jahrtausende eingeübte (oder eingeprägte) Bevorzugung ganzzahliger Schwingungsverhältnisse. Paradoxerweise ergibt sich bei einem solchen Anreiz eine Maschine, wie man sie von vornherein erhalten hätte, wenn man gleich vom binären System des Computers ausgegangen wäre. Die Ästhetik der Lösung liegt also auch darin, daß Mensch und Maschine tatsächlich im Ein-klang sind.
Eine Besonderheit der FOCUS 101 ist es, daß die Leuchtdioden einzeln ansteuerbar sind. Nicht ein Lichtfleck vor dem Auge also, sondern es kann beispielsweise auch die Diagonale gespielt werden; infolge der Fünfer-Anordnung der Lichter vor jedem Auge und der möglichen Kombinationen zwischen den beiden Augen steht eine Unzahl von Figuren für die Erzeugung eines inneren Raumes zur Verfügung. Dieser Raum ist die Voraussetzung für Zentrierung und Ausrichtung nach der Körperachse: also letzten Endes die Grundlage von Konzentration ohne Anspannung.
Es ist mein besonderer Ehrgeiz gewesen, daß man dem Gerät auch ansieht, was es kann und wie es arbeitet. Bei der Koppelung der optischen und akustischen Elemente zu einer integrierten audiovisuellen Maske ist das klar. Anderes erscheint vielleicht willkürlich, wie etwa die ungewohnte Anordnung der Steuergerät-Tastatur im gleichseitigen Dreieck. Aber auch hier ist die Botschaft gar nicht so schwer zu entziffern: daß Einfachheit sein muß, bevor sich ein angenehmer Zustand einstellt.
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