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Ars Electronica 1990
Festival-Programm 1990
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Festival 1979-2007
 

 

Alles will etwas, auch wenn es nichts will


'Zelko Wiener Zelko Wiener

Jede Kommunikation zwischen Menschen setzt die stille Übereinkunft voraus, daß neue Informationen an sich positiv sind und das damit wachsende, persönliche Gesamtwissen eine erstrebenswerte Tugend darstellt; man lernt ja fürs Leben und schließlich: Wissen ist Macht.

Doch wie jede menschliche Tugend verfügt auch der idealisierte Informationsaustausch über eine Anzahl von Ecken, Kanten und Haken, analog zu Begriffen wie freie Meinungsäußerung, Massenmedium oder Zielgruppe.

Wer zu wem etwas zu sagen hat, scheint vorbestimmt der wertfreie Sinn von Botschaften liegt nicht zuletzt darin, von einer Person an eine andere übertragen zu werden – wie unverständlich und unsinnig diese Botschaften auf den ersten Blick auch wirken mögen.

Welche Inhalte sich über welche Medien sinnvoll vermitteln lassen, hängt ganz von der literarischen Form ab, in der diese bestimmten Informationen verschlüsselt werden; das Vokabular zum Entschlüsseln dient als Verpackung und verführt zum Konsum.

Durch Umkehrung ihrer eigentlichen Funktion können alle drei Informationsparameter, also Inhalt Medium und Form den menschlichen Geist wieder so verlassen, wie sie eingedrungen sind: bei dem einen Ohr hinein und bei dem anderen wieder hinaus.

Der absolute Null-input vollbringt eine ähnlich überdurchschnittliche, neuronale Leistung, wie auch dessen genaues Gegenteil: die widerstandsfreie Verinnerlichung von Information.

Beide Zustände sind extrem und selten genug, in der Regel und mehr oder weniger freiwillig hängt man sich wahllose Schlaglichter an das Bewußtsein, Verkürzungen, im besten Fall Verfälschungen der Originalinformation.

Damit wandern immer wieder aufs neue fragmentarische Botschaften in das bereits angeräumte, geistige Inventar.

Wie immer dieses "Wissen" auch beschaffen sein mag, es stellt sich als rekursives und labiles Potential dar, jederzeit bereit sich von Grund auf neu zu konfigurieren.

Die unausgesetzte, geistige Durchmischung und Verarbeitung von Daten nimmt keine Rücksichten auf deren zeitlichen Eingang; nichts ist so anfälliger für den vertikalen Umbruch durch neue Informationen, als ein Wissenssystem, das scheinbar festgefügt und bewährt erscheint.

In der rückwirkenden Ordnungskraft liegt die besondere Qualität und gleichzeitig die größte Schwäche der menschlichen Wissensspeicherung. Auf die Ausnützung dieser Tatsache verstand sich blendend das ganz große Gesellschaftsspiel: immer schon standen auf der gleichen Münze nur zwei Seiten zur Wahl: Glaubenwollen oder Glaubenmüssen, jedem das seine.

Die Renitenten und Ungläubigen faßten die Münze gar nicht erst an, ihre Rolle blieb immer gleich, die der ethischstatistischen Variablen. Wenn alles mit rechten Dingen zugehen soll, dann muß irgendwen der Teufel holen, um wenigstens die schwere Arbeit des eigenen Überzeugtwerdens zu legitimieren.

Das doppelt und dreifach abgesicherte, übergeordnete Ziel von Botschaften – und hier verfolgen die archaischen Gegenpole Kunst/Wissenschaft, Religion/Politik eine ähnliche Absicht – ist die unmittelbare, geistige Veränderung des Empfängers im Sinne des Senders.

Um dieses Ideal der Informationsübermittlung zu erreichen, muß das bestehende Weltbild dramatisch und kurzfristig zerstört und wieder aufgebaut werden, immer und höher auf dem runden Podest der Moral. Die entsprechende Architektur ist so verschieden und so alt, wie auch das dynamische Verhältnis von Gesellschaft/Absicht/Medium – das Alphabet bleibt das gleiche, auch als hexadezimaler Code.

So verbreitet heute das Wissen um unterschwellig bis offen manipulativ wirkende Kommunikation auch sein mag, so wenig Chancen hat der einzelne, sich auch dem geringsten Eingriff von außen zu entziehen.

Je mehr Informationen angeboten werden, geformt aus den modular organisierten Up-dates, umso notwendiger wird die Vorselektion. Die Kriterien dazu liefert die geistige Subebene von persönlicher Erwartung und angestrebter Wunscherfüllung. Womit man wieder an den Anfang gelangt, dem freiwillig/unfreiwilligen Glauben an eine Sache, die sich eben von selbst bestätigt oder die einem bestätigt wird.

Hier setzt "Mind Cinema" als Modellversuch an, interpretativ geht es dabei um weniger als nichts, ganzheitlich um alles, nämlich um das Ganze.

Der Zuschauer sieht keine Bilder und hört keine Töne, die nach den üblichen Methoden von Kinofilmen oder Videos aufgebaut sind, selbst wenn diese sich physisch oder konzeptuell selbst reflektieren.

"Das innere Kino" liefert einzig minimale, opto-akustische Grundinformationen. Der psycho-aktive Puls vermittelt weder Inhalte noch eine ausgeprägte Ästhetik, er soll ausschließlich die eigene, subjektive Imagination auslösen.

Der geistigen Autonomie des Betrachters stellt sich keine vorgeformte Welt entgegen. Das individuelle Muster bestimmt und interpretiert sich selbst – oder bekommt zumindest eine kleine Chance dazu.