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Ars Electronica 1990
Festival-Programm 1990
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Festival 1979-2007
 

 

MINDMUSIC
Synthetische Musik und die Musik der Synthese

'Konrad Becker Konrad Becker

Während das Körper/Geist-Problem ungelöst herumgeistert, wird am "Geist/Maschine-Interface" schon gearbeitet und der "einfache Umgang" von Mensch und Maschine, die "Benutzerführung", führt tief ins "philosophische Spaghetti" unserer kognitiven Strukturen. Es scheint, daß die Erhärtung kognitiver Fakten verbunden mit der gleichzeitigen "Aufweichung" (Software) unserer Raumzeitdaten nicht nur zu einer Verschmelzung von Natur- und Geisteswissenschaftlichen Disziplinen sondern geradezu ins universale Mischmasch (Hypermix) führt.

Die reflektierte Geräuschwahrnehmung in Form von Skalen und Musik verweist auf die Beziehung von mathematisch definierten (und maschinengenerierbaren) Strukturen zu psychophysischen Zuständen und Gefühlslagen wie "Stimmung" und "Entspanntheit". (Die Ableitung dieser Begriffe und Wörter, wie "personare" – "durchtönen" scheinen auf eine "sonic quality" subjektiver Strukturen hinzuweisen.) Das Experimentieren mit Resonanzmaschinen (Instrumenten) gehört wohl zu den ältesten kulturellen Tätigkeiten und die Bedeutung diesbezüglicher "metamathematischer" Strukturen läßt sich in den meisten Kulturen nachweisen. Die phytagoräischen Monochordexperimente der Umwandlung von Tonempfindungen in Zahlengrößen (und dem daraus folgenden Kanon) haben ihre Faszination nicht verloren und die Tatsache, daß so unwägbare "Dinge" wie "persönliche Stimmung" in Zusammenhang mit numerisch erfaßbaren musikalischen Systemen stehen, gewinnt durch die in zunehmendem Maße rechnergestützte und technifizierte Musikproduktion neue Bedeutung,.

"Die Musik – eine geheime arithmetische Übung der Seele."
(Leibniz)
Hinweis auf eine "Philosophie jenseits des Denkens" oder eine "Quantentheorie" der Psychophysik? (Breakjamdance?) Die Bedeutung der Suggestivwirkung des soziokulturellen Umfelds in der Musik erscheint zunächst schon deshalb klarer, weil über die transkulturellen Grundlagen der psychophysischen Wirkung von Musik wenig "harte" Fakten bekannt sind, die darüber hinausgehen, daß eine Beeinflussung des Körpermetabolismus wie Atmung und Herzschlag gegeben ist während die Wirkung kollektiver Suggestionen auf der Hand liegt. (I got the power!) Zu den bekannteren Tatsachen zählen Untersuchungen mittels EEG bei denen durch externe optische oder akustische Stimulation ein resonanzartiger Raport der Gehirnwellen festgestellt werden konnte. Die Eigenschwingung des Gehirns paßt sich an die Frequenz der Stimulation an, ein Effekt der "photic driving" oder "frequency following response" heißt. Einzelnen Frequenzbereichen und Spektren werden psychophysische Zustände (und griechische Buchstaben) zugeordnet, doch scheinen diese Messungen der komplexen Wellenaktivität des Gehirns nur bedingt gerecht werden zu können und bilden nur einen vagen Anhaltspunkt für eine Theorie der psychophysischen Musik.

Schon allein die Situation einer kontinuierlichen, monotonen Stimulation erzeugt ein Phänomen (Void) in bezug auf den funktionalen Zusammenhang von gleichförmiger Stimulation und "gar keiner" Stimulation. Diese (monotone) Stimulation entspricht einer langen Tradition der Wahrnehmungssteuerung (Mantra) und ist aus den hypnoiden Effekten repetitiver Musik bekannt. Die "Subjektivierung" der Musik ist scheinbar verbunden mit einer "Objektivierung" und "Deartefakturierung" hinter deren Formeln und / oder chaotischen Elementen der Komponist gleichsam verschwindet. Trotzdem ist Musik aber auch ein Mythos, das Modell einer Weltanschauung und dieser Bezugsrahmen bestimmt was wir hören bzw. als Signal oder Musik "wahr-nehmen". (Dementsprechend viele Ausprägungen musikalischer Strukturen lassen sich finden.) Die Bedeutung musikalischer Systeme liegt jedoch nicht nur in ihrer stabilisierenden sondern vielmehr in der transformativen und entgrenzenden Wirkung. Die ekstatische Faszination des "entmenschten Musikers" als "Erzeuger" denaturierter Klänge ist ein "roter Faden" von den Ursprüngen schamanistischer Ritualmusik bis hin zu zeitgenössischen Formen populärer Musik. Funktionale Formen von Trance- und Tanzmusik lassen gewisse transkulturelle Elemente hervortreten, in denen nicht nur der Ton sondern auch der Klang die Musik macht. Unter Betonung der höchsten und tiefsten Frequenzlagen wird mittels spezifischer Rhythmusmuster ein Klangraum geschaffen in dem sich wirksame Interaktionen der räumlichen Vibrationsmuster z.B. in Form von Dissonanz und Schwebung ausbreiten, im Sinne einer architektonischen Musik. (Kultische Bauwerke wurden früher in Relation zu harmonikalen Proportionen gebaut als Teil einer numerisch strukturierten Kosmogonie in der auch das Muster des Tanzschritts eine Verbindung vom "kosmischen" zum "profanen" darstellt. (z.B. Kochrezept)

Ist die Maschine die ultimative Kapelle der chemischen Hochzeit?

Wenn ja, welcher Geist ist in der Maschine?

Als frühes Beispiel der Abbildung einer Zahlenstruktur auf eine resonanzfeldartige Ebene als numerisches System einer (mythologischen) planetaren Intelligenz gelten (manche) sogenannte "Magischen Quadrate", die starke Ähnlichkeit mit den Resonanzmustern der "Chladni – Figuren" aufweisen. Aber auch die von Gravitationskräften ("die Liebe der Gestirne") bestimmten Bahnen der Planeten wurden in analogen Modellen einer "Musik der Sphäre" interpretiert. (Harmonicae Mundi) Trotz des Aspekts universaler Muster gehört die Mustertranszendierung, die "Deprogrammierung" und das "Löschen" reaktiver Konditionierung zum Wesen transformativer Musik.

Der Begriff "Gehirnwäsche" ist völlig zu unrecht negativ belegt. Seltsam wenn man bedenkt welch hohe soziale (und zuletzt ökologische) Bedeutung dem "Weißen Riesen" und seinen Heerscharen von synthetischen "Vollwaschmitteln" im Kampf um die "unbefleckte Empfängnis" (weißer als weiß) zukommt. Wenn es stimmt, daß die Eindämmung vieler Seuchen (Black Death) vorwiegend auf Grund verbesserter hygienischer Maßnahmen gelang, warum "Deodorant" statt Gehirnwäsche bei mentalen "Entsorgungsproblemen"? Will man konstruierte Grenzen unserer suggestiven "Wirklichkeiten passieren, so sind "Dehypnotisierungs-Programme" Mittel der Wahl (Waschen und Schleudern). Das Symbol der "unbefleckten" Akustik ist das "Weiße Rauschen" (White Noise – bekannt aus Funk und Fernsehen), die gleichzeitige, chaotische Überlagerung aller Frequenzen und das Hören von "allem" und "nichts" im erwähnten Zusammenhang mit "monotoner Stimulation" (konstante Vibration). Nicht zuletzt aufgrund dieser subjektiven, orakelhaften und "rauschhaften" Eigenschaften kann eine Geräuschorientiertheit transformativer Musik erklärt werden. "Neue Musik" ist (zunächst) Lärm (Geräusch) und man kann an den Veränderungen kultureller Hörgewohnheiten verfolgen, wie ein zunächst als sinnlos empfundener "Lärm" sich langsam in sinnvolle Signale "wandelt" und schließlich als "Musik" angenommen wird (In Analogie zu einem kulturellen Prozeß in dem sich "dissonante" Intervalle in einen erweiterten "Harmoniebegriff" einfügen.) "Das neue ist der Tod des alten", doch Hörmuster des Menschen sind (ähnlich dem Ping-Pong Ball der Graugänse) nach dem von Stoffwechselveränderungen und Hormonausstößen begleiteten Aufbrechen des sozialen "Ei's " (Pubertät) wirksam und dauerhaft geprägt. (Ein Umstand der gealterten Schlagersängern ein treues Publikum verschafft").

Das Zeiterlebnis in der Musik, das "timeing", ist bestimmt von einer "Gleichzeitigkeit", die nicht nur in der Simultanität der Polyphonie sondern auch in der periodischen Skalierung der Frequenzen (z.B. Oktaven) und Obertöne zum Ausdruck kommt. Möglicherweise könnten die Ergebnisse des konnektionistischen "parallel processing" ein Licht auf die Qualität des "gleichzeitigen" in der menschlichen Informationsverarbeitung bzw. polyrhythmischen Modulation des Bewußtseins werfen.

Trotz der absoluten Relativierung und Unschärfe aller wissenschaftlichen Daten tauchen immer wieder Konstanten auf. Eine der ältesten bekannten Strukturen ist die "Fibonacci-Reihe" (in der sich eine Zahl aus der Addition der beiden vorangegangenen Zahlen bildet). Diese Reihe hat signifikante Eigenschaften sowohl in bezug auf das Verhalten von Populationskurven, der Blattbildung der Pflanzen (Philotaxis) aber auch dem menschlichen Proportionsempfinden wie im Verhältnis des "Goldenen Schnitts". Zu den "neueren" Konstanten zählen z.B. die nach dem Physiker Feigenbaum benannten Zahlen aus der Chaosforschung.
Es bieten sich aber nicht nur Naturkonstanten und deren Subelemente als operationale Definitionen an sondern schlichtweg jedes "denkbare" Zahlenverhältnis ("der Musikant mit dem Taschenrechner in der Hand"?).
Ist das Paradox ein musikalischer Oszillator? Werden die Konzepte linearen Denkens von der Materie "überrollt", wo der erweiterte Bezugsrahmen der "subjektiven Wissenschaft" noch durchaus "Sinn" machen kann? ("Music norm, Mind" – Dr. Franc H. Kiss)

Nach dem sich so freundliche Begriffe wie "charm", "flavour", "quark" und Symmetrie in die wissenschaftliche Terminologie eingeschlichen haben, warum nicht ein Wort wie "Symphatie" für Phänomene diskreter Resonanz subjektiver Wissenschaft?

Monotonprodukt und das Institut für wissenschaftliche Sensation arbeitet seit Beginn der 80er Jahre unter anderem an der Umsetzung von metamathematischen Strukturen, Naturkonstanten und Resonanzmustern in Modelle "bionischer", psychoktiver Automatenmusik. Veröffentlichungen, Installationen und Langzeitexperimente beinhalten unter anderem elektroakustische Umsetzungen von Wurzeln, Potenzen und Perioden, Pi-Faktor, Fibonacci-Reihe, Feigenbaum-Zahlen, "Magische Quadrate" usw.

Die elektroakustischen Strukturen von "Mind Cinema" beziehen sich unter anderem auf die "Entdeckung" von Perioden der Ziffernsummen in der Fibonacci-Reihe (siehe Abbildung – wissenschaftliche Sensation).