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Ars Electronica 1989
Festival-Programm 1989
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Festival 1979-2007
 

 

European Mobile Media Art Project
ES REDUZIERT SICH ALLES AUF GEWISSE KONVENTIONEN: SATZUNG

' Ponton European Media Art Lab Ponton European Media Art Lab

SITZ: Hauptverwaltung Ditmar-Koel-Str. 28, 2000 Hamburg 11
Tel: 040/3192454
NAME: PONTON (Mobile Media Art Project) Basisteam
VAN GOGH TV – RADIO (spezifische Sendestationen und Produktionen) Basisteam und unterschiedliche Gäste
GESTALTUNG VON SENDUNGEN
Das Basisteam erzeugt, sammelt oder stellt Sendematerial her, PONTON verwaltet das Material und zentralisiert, archiviert es (Ton/Bild). Die Bänder stehen dem Basisteam zur freien Verfügung, das Material kann so individuell bearbeitet werden, so können aus dem gleichen Bandmaterial unterschiedlichste Filme entstehen. Das Copyright ist bei PONTON und wird mit allen Beteiligten geteilt. Bei kommerzieller Nutzung, außerhalb von Pontonprojekten, muß PONTON (VAN GOGH TV) als Coproduktion oder Produktion erwähnt werden, und 50 Prozent des Gewinns gehen an PONTON. Bei Gastfilmen oder Fremdbeiträgen wird immer nachgefragt, ob das Material authentisch bleiben soll oder ob es auch überarbeitet werden darf. Sendungen werden von einzelnen hergestellt oder von Teams zusammen gestaltet, Bei Livesendungen sind trainierte Teams die Regel, eine kollektive Gestaltung der Sendungen, Mixer, Schriftgeneratoren, Kameramänner arbeiten selbständig ohne Regisseur.

1. Gegendarstellungen
werden in den Sendungen direkt ausgeführt, oder Gegendarsteller können beim Sender erscheinen und sich erklären. Es wird aber nicht auf alle Gegendarstellungen reagiert. Wir sind nicht für eine demokratische Meinungsfreiheit, in der jeder unseren Sender benutzen kann, sondern behalten uns das Entscheidungsrecht vor.

2. Verlautbarungsrecht
Betrifft auch das oben Erwähnte. Verlautbarungsrecht gibt es bei uns nicht. Die subjektive Art der Selektion und Eloquenz unserer Programme sowie politische und offizielle Statements müssen von uns neu gestaltet werden. Außerdem sehen wir die Nutzung von Verkehrsfunk eher im poetischen Sinne für künstlerische Situationen und Liebesgrüße. Computernetzwerke, Mailboxen, Amateurfunk, Telefon und ähnliche interaktive Medien werden einbezogen.

3. Anspruch auf Sendezeit
wird ausgehandelt oder mit dem eigenen Sender und der eigenen Frequenz hergestellt … Jährlich zwei bis drei Mal, jeweils einen Monat, und in dieser Zeit bis zu 24 Stunden. Für das Schaffen eines Pontonklimas ist ein durchgehendes Senden von Nöten (symbolische, einstündige, Avantgardehäppchen aus demokratischem Pluralismusalibi kennen wir zur Genüge), da Zuhörer und Zuseher an die neuen Rezeptionsformen gewöhnt und sensibilisiert werden müssen. Diese Sendungen stehen unter der künstlerischen Kontrolle des PONTON-Teams oder der Redaktionen. Wir beanspruchen das Recht der freien künstlerischen Meinungsäußerung.

4. Allgemeine Verantwortung
Das PONTON-Team trägt die gesamte Verantwortung für die Programme und Aktivitäten, doch ist zu berücksichtigen, daß künstlerische, poetische und subjektive Aussagen anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen als dem Strafgesetzbuch.
Im Sinne einer subjektiven, das heißt auch individuelleren Ausdrucksweise liegt die Verantwortung bei einer Wahrheitsfindung, die gesellschaftlichen Gerichtsbarkeiten übergeordnet ist. Durch Transparenz von Produktionsprozessen und individueller Ausdrucksweise wird Neutralität nicht angestrebt.

5. Besondere Verantwortung
Bei Sendeschwierigkeiten liegt eine besondere Verantwortung beim Sicherheitsdienst, zur Erhaltung des Senders.
Parole: Das Material ist wichtiger als der Mensch.

6. Auskunftspflicht
Da das Van-Gogh-Team unter Schweigepflicht steht, gilt außerhalb des Senders die Auskunftspflicht nicht. Andererseits steht jede öffentliche Person unter Auskunftspflicht.

7. Jugendschutz
besteht darin, daß Jugendliche gar kein Fernsehen gucken sollten.

8. Beweissicherung
führt durch Archivierung zur Immobilität und setzt den Gedanken der Kriminalität voraus. Wir sind lediglich für die natürliche Beweisaufnahme gemäß dem menschlichen Stoffwechsel. Das Gästebuch und der Thermodrucker als sichtbares Denkmal. Signieren kann jeder, muß aber niemand.

9. Bemühung um die Einigung von Ost- und West-Europa
Die dritte Weltmacht. Schaffung des KSVA (Kultur-spezifisches Verteidigungs- und Angriffssystem).

10. Politische Grundsätze
Jeder Mensch ist kein Künstler. Ohne Geld keine Musik, jeder muß arbeiten für sein Leben. Propaganda und Werbung sind verboten. Es gibt nur Chefs und Kontrollinstanzen im KSVA. Elektronische Überwachung (Video) ist notwendig und geht bis in die intimsten Bereiche. ISDN-Installation eines Netzwerkes im sozialen Wohnungsbau.

11. Religiöse Themen
Es gibt nur einen Gott, den elektrischen Strom. Plus und Minus sollten nicht vertauscht werden.

12. Sittliche Weltordnung
Politiker dürfen nur noch privat auftreten. Medien (Zeitungen und TV, Radio) dürfen nicht mehr über Kriminalität und Krieg berichten, d.h. es fällt die Werbezeit aus. Das Kunstforum untersteht der Kontrolle des KSVA, Visas werden nicht ausgestellt.
INTERVIEW MIT MINUS DELTA T IN LENINS ARBEITSZIMMER (1. Mai '89)
Von Sabine Vogel
Netzwerk bedeutet in der Welt der Computer die Verbindung von Systemen. Wenn die diesjährige Ars Electronica das Festival unter das Thema "Netzwerk der Systeme" stellt, so ist damit ein eindeutiger Anspruch formuliert: Es stehen nicht mehr ausschließlich Einzelprodukte im Mittelpunkt, sondern eine Qualität des Zusammenhangs ist gefordert. Während die Einzelobjekte aus einem größeren Zusammenhang gelöst werden, gliedert ein Netzwerk verschiedene Bereiche dem großen Zusammenhang ein. Netzwerk kann als Vertriebssystem verstanden werden, als rein technische Einrichtung, wie zum Beispiel Telefax, oder als Kommunikationssystem. In der Kunst ist Netzwerk einsetzbar als Neubezeichnung für die jahrhundertealte Idee des Gesamtkunstwerkes. Die entscheidenden Bedingungen, das Vorhandensein eines Inhaltes, nicht die Klärung der Frage des Wie, sondern des Was und Warum sind Voraussetzungen des Zusammenhanges. Netzwerke scheitern allzu oft an dieser Voraussetzung. Nur wenigen multimedial arbeitenden Künstlern ist es gelungen, ihr jeweiliges Konzept konsequent umzusetzen. Minus Delta t (kurz MDT) ist ein Beispiel dafür, daß ein solcher Anspruch umgesetzt und weiterentwickelt werden kam.

Eine Gruppe multimedialer Künstler beschloß 1978, in internationaler Zusammenarbeit parallel an gemeinsamen Projekten zu arbeiten. MDT, von Karel Dudesek, Gerard Couty und Mike Hentz (Chrislo Haas, Bernhard Müller, Wolfgang Hofmann ausgeschieden) gegründet, ist zugleich Name und Programm: MDT ist ein Begriff aus der Computersprache und bezeichnet die Möglichkeit der Vorwegnahme der Zukunft durch statistische Berechnungen. Im Laufe der nunmehr zwölfjährigen Zusammenarbeit wurde MDT mit Performances, Musikauftritten und verschiedenen Projekten bekannt, zum Beispiel "Die Macht der Uniform" von 1981 oder das "Bangkok-Projekt"; ein sechs Tonnen schwerer Granitblock wurde auf einem LKW von Europa nach Asien transportiert. Im Hinblick auf den größeren Zusammenhang, der hinter den verschiedensten Projekten der Gruppe steht, können schon an dem Stein-Transport die ersten grundsätzlichen Merkmale bezeichnet werden: "Der Stein war ein Katalysator, er hatte eine ähnliche Funktion wie ein Magnet oder ein Sender.

Die Neutralität des Steines ermöglichte, daß Menschen mit den unterschiedlichsten Projektionen uns und dem Stein begegneten. Dieser Gegenstand hat Freiraum geschaffen, einen politischen, gesellschaftlichen Freiraum, zum Beispiel für Gespräche – sozusagen ein Kontaktstein. So wie Radio- und Fernsehsender auch nur ausstrahlende Medien sind, die einen Rahmen darstellen beziehungsweise zum Anlaß genommen werden. Ein Raum, der die Möglichkeit bietet, etwas eigenes zu machen oder mit einzusteigen" (MDT).

Der explizite Anspruch von MDT ist es, die Kunst in den Alltag zu integrieren, die Trennung der Bereiche aufzuheben. Für ihre künstlerischen Arbeiten setzen sie verschiedenste Mittel und Medien ein, die nach unterschiedlichen Codierungsarten mit politischen, ökonomischen und künstlerischen Gliedern verknüpft sind. Eines der weitreichendsten Projekte der Gruppe zur Zeit ist die Medienarbeit. Mit den beiden Teams Van Gogh TV und PONTON, Fernseh- und Radiosender, begeben sie sich zu den verschiedensten Anlässen in die Netze der Massenkommunikation und installieren ein multikulturelles Netzwerk. Konzeptionen und Realisation ihrer Arbeit heben Beschränkungen und Kontextbezüge der Topographie und des enggesteckten Kulturrahmens auf. VAN GOGH TV und PONTON werden als unabhängige Forschungslaboratorien begriffen, die "im Bereich der Ästhetik und Vermittlung intermediär und zeitgemäß an einem Gesamtkunstwerk des öffentlichen Raumes" (MDT) arbeiten. Im Rahmen der diesjährigen Ars Electronica plant MDT eine Vernetzung kultureller Parallelitäten in Europa. Künstlerische Produktionen, Impressionen und Kommentare aus acht osteuropäischen Ländern werden gesendet. In Linz wird MDT nicht nur innerhalb eines vorhandenen Netzwerkes agieren, an das eine unüberblickbare Anzahl von Teilnehmern angeschlossen ist, sondern sie bauen hierin ihr eigenes Netzwerk auf: eine Vernetzung des Mediendorfes der Ars Electronica, der Stadt Linz und der näheren Umgebung und verschiedener Orte in acht Ländern Osteuropas.
S.V.:
Wann habt ihr das erste Mal mit dem Medium Radio gearbeitet?
MDT:
Das war 1981, Radio Bellevue in Lyon. Dieser Sender war jedoch vor allem ein Dienstleistungsradio, in dem wir zwar Meldungen, Beiträge in subjektiver, individueller Form brachten, aber die später im PONTON-Projekt umgesetzten Vorstellungen noch nicht eingelöst haben. Dokumentation oder Service und Präsentation von Kunst und Kultur ist was anderes, als den Sender und das Programm zur Kunst zu machen.
S.V.:
"PONTON-Projekt" bezeichnet eine Container-City oder einen großen Medienbus, ausgerüstet mit Computern, Sendestation und Mischpulten. Wann habt ihr diesen Bus das erste Mal eingesetzt?
MDT:
Zuerst auf der Ars Elektronica 1986; aus einer mobilen Einheit haben wir diskettengespeichertes Bildmaterial per Slow-scan-Verfahren in die Basisstation-Container-City übermittelt. Gezeigt wurden vier Stunden Radio, zwei Stunden TV. Ein Jahr später stand der Medienbus auf dem documenta-Gelände in Kassel. Rund um die Uhr sendete die Radiostation einen Monat lang. Die Kasseler haben ihre Tapes vorbeigebracht, Anlaufstation war unser Bus. Nach zwei Wochen wurden 50 Prozent des Programms von lokalen Künstlern und Taxifahrern gestaltet. Die anderen 50 Prozent stellten Radio TV Rabotnik, Radio Bellevue, Frigo und andere internationale Gäste.
S.V.:
Eine Vernetzung der Stadt?
MDT:
Ja, aus dem Potential einer Stadt schöpfen. Die Erforschung einer Stadt mit künstlerischen Mitteln. Der entscheidende Unterschied unserer Radio-Arbeit zum kommerziellen Funk ist immer, daß internationale Künstler vor Ort mit lokalen zusammen arbeiten, so entsteht eine multikulturelle Vernetzung, wofür die verschiedensten technischen Einrichtungen notwendige Hilfsmittel sind.
In Kassel konnten wir anfangs nur illegal senden, später wurde der Sender als Klangskulptur von Regierung und Bundespost rückwirkend legalisiert.
Wir waren von der documenta-Leitung eingeladen worden, die Radiostation sollte unser Beitrag sein, was dann von den Organisatoren aber mit dem Argument, es handle sich bei Radio nicht um Kunst, abgelehnt wurde.
Videokunst und Performance sind mittlerweile etabliert, aber die Medien werden weiterhin aus der Kunst ausgeschlossen, werden als Kommerz oder aus Unverständnis abgelehnt. Radio ist die Möglichkeit, Konzeptkunst zur akustischen Realität zu machen.
S.V.:
Dem Begriff der Medienkunst und des Netzwerkes wird mehr und mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht. Daß nur wenige diese Begriffe füllen können, liegt nicht nur am Problem der fehlenden Inhalte, sondern oft an rein technischen Widrigkeiten, wie zum Beispiel dem Aufbau einer Organisation und eines eingespielten Teams. Wie habt ihr diese Voraussetzungen einer Netzwerkarbeit gelöst?
MDT: Dank unserer mehrjährigen Sendeerfahrung und Teamarbeit kennen wir die Organisation eines Projekts oder eines Senders.
Mittlerweile arbeitet während der Projekte ein Team von etwa 15 Leuten, die trotz aller Unterschiede einen gemeinsamen Nenner finden. Nach dem documenta-Radio wurden wir von der Frankfurter Buchmesse und dem Hessischen Rundfunk eingeladen. Unser Frankfurter Programm richtete sich gänzlich auf die Literatur aus: Live-Hörspiele, Lesungen, Tips und Musikeinlagen. Während der gesamten Zeit saß in einem kleinen VW-Bus nebenan der Chef des Kirchenfunks und achtete auf unsere politische, religiöse und ethische Integrität und rief des öfteren zur Mäßigung auf.
S.V.:
Das nächste Projekt war dann ein Fernsehsender in Osnabrück?
MDT:
Ja, der nächste Schritt war, vom Ton in den Bildbereich überzugehen. Osnabrück war das erfolgreiche Experiment, unser System mitten rein in das offizielle Mediennetz zu installieren.
Das bedeutet natürlich, daß ein ökonomisches TV-Produktionssystem entwickelt werden mußte. Nach zehn Tagen Vorproduktion sind wir zehn Tage auf Sendung gegangen, drei Stunden täglich. Es gab ein Produktions- und Redaktionsteam, dessen Zusammensetzung täglich wechselte. Als letzten Schritt haben wir mit dem Live-Studio begonnen, das heißt Live-Mix und Live-Cut.
Osnabrück war das erste Laboratorium, wo wir mit 15 Leuten TV gemacht haben und die Kombination Vorproduktion und Live-Studio in die Praxis umsetzen konnten – was vom Inhaltlichen und Technischen her für die Live-Produktion sehr lehrreich war. Die Verarbeitungszeit entfällt, und im Studio entsteht ein Klima wie auf einer Bühne. Wir wollen mit dem Medium Video so weit kommen, daß die Leute die Kamera, das Equipment, benutzen wie die Musiker ihre Instrumente, die zwar üben, aber dann spielen, spielen, spielen. Ohne Schnitte, manchmal mit Überblendungen von Video-tapes oder Kommentaren. Dieses Konzept werden wir in Linz ausbauen und bestimmt vier bis zwölf Stunden Live-Sendungen ausstrahlen.
S.V.:
Wenn euer Schwerpunkt auf Live-Sendungen liegt, warum reist ihr dann vorher zwei Monate durch Osteuropa?
MDT:
Wir haben verschiedene Modelle: Wir drehen jetzt im "Osten", was natürlich auch ein Vorwand ist, um dort ein Netzwerk aufzubauen. Das eine ist das Live-Prinzip, das wir schon in Osnabrück getestet haben, das andere ist das Ost-Projekt, eine Geschichte einzuführen (wie das 30 und eine Nacht Projekt), wo wir zu dritt eine narrative Geschichte oder eine Performance inszenieren. Außerdem ist das gefilmte im "Osten" gedacht als Vergleich im Live-Programm vor Ort in Linz, da dort die gleichen Themen behandelt werden. Wie 1980 die Uniform-Aktion oder 1982 das Stein-Projekt.
In Ostberlin sind wir zum Beispiel eingeladen, zu einem Video-Kurs. Aktionen werden von uns inszeniert und gefilmt.
Dabei soll die jeweilige Kultur berücksichtigt werden, bis hin zum spezifisch lokalen Humor natürlich ist die Verständigung ein Problem, aber Gestik und Bild überbrücken Sprache. Damit haben wir durch das Asien-Projekt schon Erfahrungen, zum Beispiel das Filmen in eine bestimmte Performance einbinden, ohne dies deutlich in den Vordergrund zu stellen, damit die Leute nicht unnatürlich oder verärgert werden. Wir wollen mit den Leuten direkt zusammenarbeiten, natürlich nicht "versteckte Kamera", sondern zugleich diskret und transparent sein.
In unserem Ostprojekt ist es sowohl wichtig, wie die Leute untereinander verbunden sind, als auch deren Wünsche und Projektieren, die auf den Westen gerichtet sind. Unsere Reise ist also nicht nur eine Vorproduktion, sondern wichtiger Bestandteil des Projekts für die Ars Electronica. In den vier Tagen des Festivals ist es nur möglich, einen Sender symbolisch zu installieren, denn die Effektivität im kulturpolitischen Sinne tritt erst nach einem Zeitraum von 14 Tagen ein. Wir werden daher eine transparente multimediale Produktionsstätte in Linz installieren, die eine Verkoppelung verschiedener Modelle zeigt:
  1. Permanentes Live-Studio, das heißt In-Szene-Setzen von Gästen, Publikum und Ars-Gästen,

  2. Konsequentes ZensurStudio,

  3. 3. Privates Live-Studio, also unsere Privat- und Arbeitssituation in der Container-City

  4. 4. East-West-Recycling-Studio und intermediäre Infrastruktur, also über BTX und Vernetzung mit Datenbanken, die die anonyme Öffentlichkeit kommunikativ mit einbezieht.
Dem Land Oberösterreich und der Stadt Linz werden im Hinblick auf die Ars und die lokale Bedeutung innerhalb von Netzwerken eine gesonderte Bedeutung zukommen. Zudem läuft das Programm täglich unter bestimmten Themen: Der erste Tag steht unter dem Thema "Ich und die Welt", alles was Umwelt betrifft, z.B. zufällige Parallelitäten in Europa oder die individuellen Mythologien und deren Konsequenzen. Ein privates Tagebuch unserer Ostreise. Zweiter Tag: "Re-public-TV", Möglichkeiten der Manipulation und Konditionierung durch TV, aber auch die Hoffnungen, die produziert werden. Dritter Tag: "Bilder diesseits ihrer Welt", d.h. Konzepte des Geistes, Illusionen, Wünsche und deren akustische und visuelle Umsetzung. Vierter Tag: "Debile immobile Monotonie", sozusagen, was die Welt und nicht die Herzen bewegt, demokratischelektronische Hypnose, frei wählbar über die Fernbedienung, austauschbare Inhalte und Philosophien.
In der kurzen Zeitspanne der vier Tage wollen wir klare Aussagen machen und die Medien entmystifizieren, einen offenen Raum schaffen und nicht sofort Grenzen durch Qualitätsfragen setzen, sondern erst einmal Inbalte schaffen und Modelle etappenweise lebensfähig machen.
S.V.:
Ihr nanntet vorhin das 30-und-eine-Nacht-Projekt. Was ist darunter zu verstehen?
MDT:
Das ist unser nächstes großes Radio-Konzept, an dem wir jetzt schon arbeiten. Wir haben uns zur Aufgabe gestellt, den Bereich der Massenmedien mit der individuellen Perfonnance-Idee zu koppeln. "30 und eine Nacht" ist ein 31tägiges Hörspiel, das live inszeniert und live übertragen wird zum Beispiel in einem kleinen Bundesland in Österreich. In einem 300-Kilometer-Radius wird gesendet, so daß unser Projekt über eine Fläche des Bundeslandes permanent verfolgbar ist. Eine mobile Einheit wird von Ort zu Ort fahren, in den verschiedenen Stationen eine "Bühne" und eine "Fläche" aufbauen, wo die Leute des jeweiligen Dorfes arbeiten können. Das Drehbuch für das Hörspiel: Eine Reise um die Welt mit verschiedenen Hauptrollen. Die Stationen, die im Bundesland angefahren werden, sollen gleichgesetzt werden mit den fiktiven Städten in derWelt, zum Beispiel, der Spielort Tokio wird auf St. Pölten übertragen. Dabei werden die kulturellen Prägungen des Bundeslandes direkt in das Hörspiel eingebaut – dann sind es halt keine Burgherren, sondern Samurais, Sagen, Fakten, örtliche Ereignisse und traditionelle Bräuche, eine Inszenierung in der urbanen Struktur der Städte und Dörfer, gekoppelt mit der internationalen Geschichte des Hörspiels. Die Reisestationen bekommen eine neue geographische Bezeichnung, das Bundesland wäre dann in der neuen, subjektiven, von uns geschaffenen Geographie "die Welt". Das Drehbuch soll frühzeitig publiziert werden und als Libretto an die verschiedenen Städte verteilt werden, so daß jeder Einwohner sich vorbereiten kann und in diesem interaktiven Hörspiel eine Rolle übernehmen kann. "Das Fernsehen im Radio."
Die meisten Netzwerkideen scheitern an den Interessenlagen (Politik und Macht). Uns geht es hauptsächlich darum, unsere Beiträge weder an Sender zu verkaufen (Video-Kunst) noch ein Kunst- oder Kultur-Radio zu etablieren (Audio Art). Da das Radio kulturell mit dem jeweiligen Ort verbunden ist, kann es eine neue Basis schaffen, aus dem künstlerischen Motiv heraus und nicht vom kommerziellen Ansatz (Preise, Ärger, Geld) her Potentiale freizusetzen.
PERESTROIKA – VODKA – PRAWDA – TV
Kunst- und Unterhaltungskombinat (K. u. K.)
VAN GOGH TV TOURNEE IM OSTEN VON EUROPA, MAI, JUNI, JULI 1989


DDR – Polen – UdSSR – CSSR – Ungarn – Jugoslawien – Austria

Impressum:
Technisches/Daten/Einführung
Ein Auto, Videokameras, Taperecorder, Photoapparate, Tapes, Infomaterial, ein Zelt. Vor der Abfahrt ein Rundbrief, adressiert an verschiedene schon vorhandene Kontakte.
Die Reise-Route:
Ost-Berlin, Frankfurt an der Oder, Posznan, Warszawa, Stynort, Ketrzyn, Walily, Kruszyniany, Suwalki, Sejny, Zegary, Krasnogruda, Mackowa Ruda, Stanczyki, Gizycko, Sulimy, Warszawa, Lodz, Posznan, Ost-Berlin, Dresden, Leipzig, Halle, Stelin, Ost-Berlin, Warszawa, Brest, Vilnius, Riga, Leningrad, Moskwa, Brest, Warszawa, Krakow, Katowice, Ostrau, Prag, Brno, Wien, Budapest, Szeged, Pecs, Zagreb, Graz, Linz, München, Düsseldorf, Osnabrück, Hamburg,
Die Hauptrollen:
drei Personen von VAN GOGH TV, welche sich abwechselnd folgende Rollen teilen:
Der SCHWIMMER:stürzt sich in die Brandung des Geschehens, moderiert, treibt, emotional und sachlich, die Dramaturgie.
Der KAMERACHEF:
filmt und nimmt den Ton konzentriert auf, sorgt für Licht und andere technische Voraussetzungen. Beteiligt sich, wenn nötig, auch am Aktionsgeschehen. Filmt offen, aber auch beiläufig diskret.
Er ist geübt in den Techniktänzen Kameratango und Samba.
Der BADEMEISTER:
überwacht das Geschehen, sorgt für die Sicherheit der Beteiligten, behält den Überblick, hilft dem Schwimmer, trägt Impulse zu, hilft technisch und dramaturgisch aus und beteiligt sich an der Aktion.
Die MINISTER
sind regionale Mitarbeiter und Übersetzer, die sich mehr oder minder aktiv am lokalen Geschehen beteiligen.
Die GÄSTE
stoßen zur Gruppe oder arbeiten selbständig an den gleichen Thematiken im Vorder- und Hintergrund.
Die FAHRTENSCHWIMMER:
von VAN GOGH TV RADIO EAST spezifisch ausgesuchte Persönlichkeiten, durchlaufen, wenn nicht schon technisch versiert, einen Kamera- und Tonschnellkurs und erhalten leihweise eine Kamera, Tapes und technische Geräte für eine bestimmte Zeit, um selbständig produzieren zu können.
Das ZIEL
ist es, zu den gegebenen Themen für das Programm (RE-publik TV Immobile debile Monotonie u.a.) das Gegenstück, im Sinne von Dokumentationen, Inszenierungen und Meinungen zu sammeln (dazu gehören Statements von unterschiedlichsten Menschen über ihre Zukunftsvisionen). Eine Art künstlerisches Tagebuch.
Durch die Qualität des lebendigen Zufallsprinzips reisen wir von einer Atmosphäre (Klima) in die nächste. Vom Autohändler zum Lehrer, vom Künstler zum Bauern, vom Richter zum Analphabeten, vom Fluß zum Strom, ohne die Landessprache zu sprechen, diskutieren wir sofort auf höchstem Niveau … Französisch, Deutsch, Tschechisch, Englisch, Italienisch, Spanisch, und wir mixen dazu die für uns neuen Elemente aus dem Polnischen, Russischen, Litauischen, Lettischen, Ungarischen, Romanischen, Tartarischen und Jugoslawischen.

Balladen aus Energie
(PERFORMANCE oder DRAMATURGISCHE STRATEGIE)
Mit Witz, Gymnastik, Clownerien und Exotik werden Entspannung, Klima und Vertrauen erzeugt. Danach werden Klischees und Small talk getilgt, Konzentration möglicherweise durch Streit gefördert (zum Beispiel eine westliche Produktromantikschimpftirade inszeniert oder ähnliches). Wichtig ist es, eine eigene Meinung zu vertreten, auch mit dem Risiko lückenhafter Information. Urteile fällen, um das Argumentationsfeuer zu schüren, zu locken, und heiligen Philosophenstreit und Tanz. – Die Kamera läuft schon lang.

Ballade 1
Wir betrügen und stehlen nicht, sind keine heimlichen Voyeure, sondern wir fordern den Wegzoll der fahrenden Sänger, als Künstler haben wir unsere Geschichten zu erzählen und sind keine journalistischen Registriermaschinen, Die Instrumente der Lieder und Balladen sind wir, die Menschen und die modernen Medien. In Erwartung, auch hier als öffentliches, kollektives Ritual einen TV- und Radiosender als Skulptur zu etablieren, knüpfen wir unterdessen ein Network, fördern Kulturaustausch, Heiraten, Karrieren und vieles andere.

Ballade Kultur 2
Kultur ist für uns (vielleicht nicht für alle) eine Lebensform mit Moralbegriffen, Zielen, Ideologien, Praxis, Rassismus, Nationalismus, Identifikation von der Tradition bis zur Gegenwart. Das sind ökonomische Einflüsse, arm, reich, RELATIV, Relation, VALUTA, GRAUzonen des TAKIPALISMUSES, sozialistischer SURREALISMUS, MONARCHISTISCHE Nachgeburten, SOLARISIERTE Bräuche, internationale BÜROKRATEN, OrdnungsWÜNSCHE, Künstler, HÄNDLER, Dienstleistung, sinnliche und erotische Menschen mit VISAABTEILUNG, KOMMERZIELLE Exotik und PROSTITUTION für die VISIONEN. Ausgestorbene Tartaren, Tiere, Träume, ANPASSUNG aus Höflichkeit oder HOFFNUNGSLOSIGKEIT, TELEVISIONS-TOURISMUS.
Lebensqualität auf dem Prüfstand – was kostet die Welt oder der Lebensraum Ost? Was wir noch nicht haben, werden wir immer den anderen neiden.
Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König. Wir wollen die Größe des Menschen zeigen, seine Schönheit, sein Leben und seine Hoffnungen, Der Binnenmarkt führt zur Monarchie der individuellen Werte (vereinigtes Europa – NEO ROYALISTIC TV).
TRÄUME SIND HARTE ARBEIT WO SCHWEISS ZU BLUT WIRD UND BLUT ZU GOLD.

Ballade Kultur 3
Sky Channel = Pershing 1
Super Chanel = Pershing 2
MTV = Pershing 3
Der dritte Weltkrieg wird ein Informationsweltkrieg, statt Panzer werden Sattelittenschüsseln und Wirtschaft eingesetzt.
Sechs Jahre Satellitenempfang und viele Warenhäuser wird es in Osteuropa brauchen, bis die Menschen weniger Alkohol trinken werden (VODKA TV), für was soll der Mensch denn arbeiten, wenn nicht für Ware … TV steuert zu Tischdecke, Video, Hifi, Parfüm, Kleider … in dem noch so entfernten und armen Bauernhaus kommt die Droge elektronisch über den Äther geschossen, und das Delirium beginnt.
Gleichgeschaltet werden Intelligenz und Eleganz.

Ballade Kultur 4
… is a good film, with a good actor, a good sound, a good light, a beautiful picture, a GARANTY, that your art is GOOD?
Wieso habt ihr es nötig, andere Länder und andere Leute zu filmen, macht doch selber was …
Das ist doch Dokumentation, das ist doch keine Kunst …
Man muß doch mit den Leuten leben, ihre Arbeit teilen, erst dann kann man über sie reden. Das ist doch nicht seriös …, ihr seid doch nicht kompetent …
Das Land ist nicht nur weit, sondern auch tief …
Ihr könnt ja nicht mal unsere Sprache sprechen …
… nicht zwei Wochen, dafür braucht man doch zehn Jahre …
… entweder richtig oder gar nicht …
was glaubt ihr denn eigentlich, ihr kommt hier als reiche Westler und denkt, ihr könnt euch alles erlauben …
… laßt die Leute doch in Frieden, die haben doch selbst genug zu tun

Ballade 5
Do you know the magic of a 100 $ bill
Do you know why fashion have different values in different places
Do you know why the east is sacrificing there environment by taking western contamined waste in exchange for dollars
Do you know the greed that comes after 40 years of abstinence of consuming goods
Do you know why a communist idealist looses integrity in front of a Mercedes
Do you know why Alkohol TV is the best Government Programm
Do you know Blackmarketing via Satellite dishes of western consumerideologie
Do you know the fun we have participating in the 3 Worldwar
This is an Bussness and Informationwar
Do you know the pleasure of lying and inventing fals artificial realitys
Do you know es reicht

Ballade Sprache 6
Saoul comme des Polonais Andju (litauisch) Ajja (indisch), ich machen ein demi tour (frallemand), mit polski dobri samochond (pol.) big shitting bull (Durchfall), le lait cet de la merde, Kurva (slavinternational) no co, ein gut kulturni show in London, dwesto pedesset stuki, chleb no maslo yes, mleko bead. Pardon ich soll den Wagen drive out, Herba oder Kawa, Zloty change bitte du D-Mark haben, no to jest gut, Kingdom of Latvia Inspiracie-Piracie theatralne, Kapitan, Kafka, ein Sitzer, no to Panje artista, super avngardna grupa Minus Delta t, Sexorthodoxia, no filming waiting one minute please, ce stumpf ok dacord, Pane mate Kuponi, njet, milicia, ok, informacia, Graeberkultur, ange transport alles gut, die sind ein wenig stumpf drauf hier, da müssen wir ein wenig Pfeffer reinbringen, der kennt sich doch aus, feeling machen, dirrekt Kamera einschalten, der dritte soll die andren beschaeftigen, was geht nicht, alles geht. Tschaschula Budaika, etot beoutulka Vodka tiascholi.

PONTON Team:
ANITAS, Malika Ziouch, Dreher Christoph, Frigo, Rabotnik TV, Benjamin Heidersberger, Dieter Sellin, Rolf Wolkenstein, Ottmar v. Poschinger, Gföllner, Küntzel Tillmann, Walter Hauser, Armin Medosch, Nina v. Kreisler, Claude Hentz, Florian Reckert, Gusztav Hamos, Erika Pasztor, Gföllner Leopold, Susanne Leibgirries (Centrale Berlin West), Ernst Mitzka
Projektkoordination: Elvira Bolz
Studio Hamburg: Katrin Hill
PONTON Reiseteam: Hentz Mike, Dudesek Karel, Sanglard Nene
Ostkoordination
DDR: Christoph Tannert, Miottke, J. Rötsch
POLEN: Anda Rottenberg, Marek Kijekski, Woijek Darski
UDSSR: Indulis Bilsen – Eastbam
CSSR: Davis Simek – Libuse
UNGARN: Janos Vetö, Elisabeth Mackl
AUSTRIA: Hattinger Gottfried
Texte: Sabine Vogel, Ponton, Ulrike Dumjahn
Übersetzer: Sigfried Komorowski, K. Dudesek u.a.
STRUKTUR: mobil und statisch, mit Wohnung, Computer handschriftlich und per Telefon. Hardware teils vorhanden, je nach Projekt wird zusätzlich Material angemietet.
SPONSOREN: Sony, Schauland, Volvo, Bundesministerium für Unterricht und Kunst/Wien, Pewex, Hochschule für Bildende Künste, Lamm Electronics, Gföllner JODAG/Wels, Exper. Film Büro/Osnabrück, Austria Tabak/Wien