Alan Rath
'Renny Pritikin
Renny Pritikin
Künstler sind schon seit jener Zeit ihre Illusionen über die Technik als Allheilmittel für die Krankheiten der Welt losgeworden, als die utopischen Theorien der italienischen Futuristen mit dem Schrecken kollidierten, den die Wissenschaft im Ersten Weltkrieg losließ. Und dennoch blieben die Künstler vom Neuen fasziniert, das die zeitgenössische Wissenschaft liefert. Alan Rath ist ein Künstler, der nicht nur Microcomputertechnologie in sein Werk einbezieht, sondern in seinem (selbstfinanzierten) Studio allein an den höchstentwickelten und innovativen Grenzen dieses Feldes arbeitet, wie etwa auch der Komponist Paul DeMarinis (oder erst kürzlich die Computerisierung von Mark Paulines Maschinerie). Er hat Methoden entwickelt, bis zu acht Bilder digital zu speichern – kein Band, kein TV – und auf die in seinen Skulpturen verwendeten Monitore abzurufen. Und dennoch ist Rath einer der wenigen Künstler auf diesem Gebiet, die verstehen, daß die erzielbaren spektakulären Effekte allein nicht genug sind, daß man sich auch mit den zeitgenössischen ästhetischen Grundsatzfragen auseinandersetzen muß, wenn man mehr als nur eine oberflächliche Attraktion erreichen will.
Raths neun Arbeiten in "Systems for Neo-Pagans" verwenden Satire, um den Druck aufzuzeigen, der auf den Werten in den postmodernen kulturellen Bedingungen lastet. Rath zeigt die Liebe des Insiders zur neuen Technologie, in Kombination mit einer ausgefeilten Abneigung für utopische Ansprüche, die sich immer auf die Manipulation von Konsumenten reduzieren. In einem der Schlüsselstücke der Ausstellung. In "Something 4 Nothing" (1) arbeitet der Künstler auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Er impliziert, daß die Fernsehwerbung auf den Verkaufspunkt des Titels hin ausgerichtet ist" aber so ist ja auch das ganze Fernsehen als solches, in seiner simplen Ökonomie von Anbieter und passivem Konsumenten. Er suggeriert, daß die Austauschrate das Suspekte daran ist. Und geht noch einen Schritt weiter. Dieses scheinbar simple Werk erwirbt eine schneidende Kälte, wenn die Betrachter plötzlich begreifen, daß die beiden Monitore, auf die sie gebannt starren, darauf bestehen, daß die Betrachter tatsächlich "NO THING" (2) sehen, daß es sich um ein Artefakt, eine Aufmachung aus kultureller und politischer Ideologie handelt. Diese Anliegen laufen parallel zu vielen theoretischen Schriften der Gegenwart, die behaupten, daß die Informationsgesellschaft als eine verstreute Form allgemeiner Überwachung angesehen werden kann, wobei die Existenz des Individuums nicht mehr Bedeutung hat, als die Quersumme der Führerscheinnummer, seine Kreditkartendaten und die Telefonrechnung zusammen. Und so sind auch Raths Gedanken über das Fernsehen konsistent mit der Idee, daß die Gesellschaft sich in eine endlose Serie von Spektakeln entwickelt, die von Medien und Werbung geboten werden, und in die sich ein entfremdetes und passives Publikum mit einer Art Schattenexistenz hineinprojiziert. Und schließlich kommt Rath aus einem wissenschaftlichen Background zur Kunst, er argumentiert dafür, daß das Programmieren eine Kunstpraktik werden soll. Sein Werk besteht darauf, sich selbst – das Kunstobjekt – als nur eine Darstellungsform der Kultur zu identifizieren und eine Isolation der Kunstwelt abzulehnen. Indem Wissenschaft, Sprache, Rundfunkmedien, Ultraschall-Überwachungstechniken und vieles andere eingebunden werden, adressieren sich seine Werke an die gesamte Gesellschaft, die Geschichte, soziale Formen und die Psychologie.
Rath verwendet einen entmystifizierenden Ansatz, der – vom Minimalismus kommend – seine Elektronik in einer kunstlosen bildhauerischen Offenheit darstellt, die idealerweise für die in neue Zusammenhänge gestellten Materialien eine Großartigkeit erzielt, die sie im "wahren Leben" niemals gehabt haben. Die sysiphushaft greifende Hand in "I Want" ist genau deswegen witzig, weil sie eine so aufwendige Technologie in Betrieb setzt, um eine so simple Metapher auf so hanebüchene Weise darzustellen. Rath beleidigt seine Mittel, um sein Ziel zu zeigen. Und schließlich zieht Rath in seinem Stück "Not Broken" (3) die Bilanz und fragt, was denn in einer Fernsehwelt "zerbrochen" oder "kaputt" sein kann, wenn Statik, Sprache und Bilder der Politiker und Entertainer beliebig und ewiglich wiederverwertbar (4) sind in einer Welt, in der die Tatsache, daß ein System funktioniert, noch lange nicht bedeutet, daß es nicht dysfunktional ist.
(1) Ein Wortspiel mit dem Gleichklang zwischen "Four" (4) und "for" (für); für Österreicher: vgl. "Ich bleib dir 3, 4x4".zurück
(2) "No Thing" heißt "kein Ding" und ist im Englischen zusammengeschrieben als "nothing" – trotz etwas anderer Aussprache – sowohl das Wort als auch der Begriff des "Nichts" – ein sprachlich und begrifflich unübersetzbares Wortspiel: Man sieht nicht nur kein Ding, sondern tatsächlich ein Nicht-Ding, ein "Nichts" und dennoch nicht nichts.zurück
(3) "Broken": ge-, zer-brochen, kaputt – und das in jedem nur erdenklichen Sinne (to break in a horse – zureiten usw.). Auch dieses Wort- und Sinnspiel bleibt unübersetzbar.zurück
(4) "Recyclable" ist noch viel stärker als unser deutsches "wiederverwertbar"zurück
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