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Ars Electronica 1989
Festival-Programm 1989
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Festival 1979-2007
 

 

Maryanne Amacher




In ihrer früheren Arbeit hat Maryanne Amacher die Welten der verschiedenen Formen vom Klang im Raum erforscht. Auch wissenschaftliche Psychologen hatten versucht, den Klang zu ergründen, doch nie mit sehr großem Erfolg. Aus gutem Grund: Im wirklichen Universum gibt es viel zu viele mögliche Kombinationen von Mustern. Nur eine Künstlerin von der Größe Amachers konnte entscheiden, welche Fragen gestellt werden sollten – und ihre Antworten sind in die Geschichte der modernen Kunst eingegangen. Viele ihrer wegbereitenden Vorstellungen von räumlichen Klangmodellen und sich gegenseitig beeinflussenden Wahrnehmungen entwickelten sich in Formen von akustischen Installationen, die heute immer beliebter werden.

Doch Amacher gab sich nie mit dem Klang allein zufrieden, und in den achtziger Jahren wandte sie sich immer mehr den herausfordernden Bildern des Eintauchens in Räume des Klangs und des Sehens zu. Ich sehe ihre Arbeit als die Erforschung einer Anzahl von wichtigen Themen an den Grenzen zeitgenössischer Wahrnehmungspsychologie, eine Erforschung der Art und Weise, wie subtile Umweltveränderungen unsere Sicht der Welt von einem zum anderen Moment beeinflussen. Amachers Arbeit beschäftigt sich eingehend mit dem, was passiert, nachdem man sieht und hört: die Nachbilder und die Nachklänge. Auch wenn sie mit mehreren Medien arbeitet, gilt ihr Hauptinteresse doch dem Verständnis der Wahrnehmung von Raum und Dauer, deren Manipulation und der Suche nach Möglichkeiten, Menschen das Gefühl zu geben, daß sie an einem anderen (meistens angenehmeren) Ort sind. Sie legt gleichzeitig diese Einflüsse frei und schafft durch deren Umwandlung mittels ihrer Kunst die Möglichkeit, die Medien derart einzusetzen, daß sie Veränderungen in der persönlichen Umwelt des Zuschauers/Zuhörers bewirken. Es scheint klar zu sein, daß diese Art umweltorientierter Skulptur ein wesentlicher Bestandteil der Architektur unserer Wohnräume werden wird, wenn sich die augenscheinlichen Trends fortsetzen. Um genauer zu sein, werde ich einige Beispiele von der Art und Weise, in der mir diese Arbeit wichtig und ungewöhnlich erscheint, beschreiben.

Subjektives Translozieren: Durch die Übertragung von Geräuschen aus entlegenen Standorten kann man anfangen, die Wirkung hervorzurufen, daß man nicht mehr zu Hause ist, sondern in einer anderen Stadt, in einem Gewitter, an einem völlig anderen Ort. Oberflächlich gesehen ist das offensichtlich, doch es gehört viel mehr dazu; die Verschiebungen hängen vielfach von akustischen Techniken ab, die die lokalen Hintergrundgeräusche auf subtile Weise dominieren – nicht übertönen – können. Amacher hat die Kontrolle von Klängen gemeistert, die relativ "schwach" sind, jedoch neue Empfindungen von Ort und Orientierung bewirken.

Räumliche Klangskulptur: Durch die Verbindung und Modulation von mehreren entlegenen Quellen kann sie neue Umwelten schaffen, andere neue Wirkungen ausnutzend. In der Kunst geht es oft um Versuche, verschiedene Strukturen zu überlagern, doch Amachers Arbeit zeigt, daß man viel mehr mit Überlagerungen von Klang erreichen kann, als man je erwartet hätte. Der Raum wird zu neuen Arten von Orten, einige mit keinen vergangenen Erfahrungen vergleichbar.

Lokalisation und Unterschiedspulsation (Difference-Beats): Ist es möglich, Wirkungen wie diese aus dem 5 cm großen Lautsprecher eines Fernsehempfängers zu erzielen? Wissenschaftler auf dem Gebiet der Psychoakustik haben schon lange gewußt, es gibt gewisse nichtlineare Effekte von bestimmten Hochfrequenzklängen, die subjektive Lokalisationen ihrer Quellen an überraschenden Stellen bewirken, z.B. in der Nähe vom oder im Kopf des Hörers. Es scheint sehr wahrscheinlich zu sein, daß manche Geheimnisse der klassischen und modernen Instrumentationseffekte von diesen manchmal subliminalen Einflüssen abhängen, die Amacher in ihrer Kunst zu isolieren und in neuen Strukturen und Geweben wieder neu zu kombinieren versucht.

Ich habe den Eindruck, daß Amacher als Folge ihrer außerordentlichen Achtsamkeit und Beharrlichkeit auch andere solche Wirkungen entdeckt hat, die von den Psychoakustikern noch nicht verstanden werden. Jetzt will sie ihre neuen Ideen in einer Reihe von Stücken verfolgen, jedes ein Raum noch vollständigerer Erfahrung. Es gibt nur wenige Individuen, die ihre Stärke, Beharrlichkeit, Intelligenz, ihren Mut und ihre Sensibilität besitzen – doch die Bühnen, die sie aufbaut, werden uns allen die Möglichkeit eröffnen, diese Qualitäten zu erfahren.