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Ars Electronica 1989
Festival-Programm 1989
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Festival 1979-2007
 

 

Fünf Absätze über Kommunikation/Interaktion


'Warren Burt Warren Burt

1.
Seit 1968 mache ich Werke der Klang-, Film-, Video-, Tanz- und Installationskunst, die ihren Schwerpunkt auf der Idee der Interaktivität haben. Dies wurde auf unterschiedliche Weise und in vielen verschiedenen Kontexten durchgeführt. Auf dem Sensus Technological Playground – dem Spielplatz der Technologie an der Expo '88 in Brisbane, Australien, hat diese Interaktivität die größte Publizität gefunden. Es wurde das 3DIS-System von Simon Veitch, ein hochentwickeltes Computervisions- und MIDI-Steuerungssystem, verwendet. Ein IBM-Computer analysierte den Input von vier Videokameras und registrierte so die An- oder Abwesenheit von Publikum an verschiedenen Orten. Eine große Zahl verschiedener Interaktionsprojekte, die alle einfach, direkt und vergnüglich waren, waren aufgestellt worden. Wenn man zum Beispiel in einen leeren Fensterrahmen die Hand streckte, ertönte das Klirren zerbrechenden Glases. Oder wenn man sich über ein Tempelhüpffeld bewegte, erklangen Vogelrufe und Baulärm. Der Gesamtklang war sehr dicht – eine überaus aktive Collage. Und die meisten der etwa 8.000.000 Besucher drückten ihre Begeisterung aus. Der Öffentlichkeit zugängliche interaktive Klangskulpturen sind zweifellos eine beliebte Kunstform.

2.
Bei meiner Arbeit mit elektronischer Musik verwende ich auch interaktive Prozesse. Hier ist die Interaktivität jedoch eine private, Realzeit algorithmische Prozesse liefern musikalische Informationen. Beim Anhören dieser Musik verändere ich sie, forme sie und arbeite sozusagen mit einem anderen improvisierenden Performer zusammen. Für diese Arbeit schreibe ich manchmal meine eigenen Programme oder verwende andere Programme, wie Intelligent Musics "M" oder Twelve Tone Systems "Sound Globs". Bei "Justice, Equality and Beatings V (Bruckner-Hommage)", das ich für Ars Electronica gemacht habe, spielt eine Hand auf der Orgel, und die andere führt eine Maus, die das algorithmische Kompositionsprogramm "Sound Globs" steuert, welches einen mikrotonal gestimmten Synthesizer steuert. Durch Differenzen zwischen dem Tuning des Synthesizers und der Orgel entstehen rhythmische Schwerpunkte. Sowohl das Tuning des Synthesizers wie auch die Kompositionsabläufe des Programms können in Realzeit gesteuert werden, so daß ich während der Performance die Abläufe und Anordnungen auswählen kann, die für die Akustik des betreffenden Raumes am besten geeignet scheinen.

3.
Das 3DIS-System von Simon Veitch wurde auch bei "Hear the Dance, See the Music – Fair Exchanges" eingesetzt. Dies ist ein Tanzprojekt, das von den Choreographen Shona Innes, Sylvia Staehli und Jane Refshauge sowie den Komponisten Ros Bandt und mir realisiert wurde. Bei diesem Werk wurde die Technologie in unserem Arbeitsprozeß interaktiv eingesetzt. Alle Entscheidungen über Klang, Choreographie, Lichtregie etc. wurden kollektiv getroffen. Es gab keinen künstlerischen Leiter. Die Gruppe wandte ebensoviel Zeit für die Entwicklung ihrer eigenen Gruppendynamik auf wie für die Entwicklung der aufgeführten Stücke. Ebenso wird für das Gemeinschaftswerk "Anyway, you can always put language down to experience", das Chris Mann und ich für die Ars Electronica vorbereiten, verschiedene interaktive Technologie verwendet, und es ist auch das Ergebnis persönlicher Interaktivität, indem hier die Ergebnisse von 15 Jahren gemeinschaftlicher Beschäftigung mit Sprache, Musik, Rede und Verfahren einfließen.

4.
Diese Interaktivität fand ihren Niederschlag auch in Arbeiten für den Rundfunk. "Words and Sounds in the Australian Landscape" war eine zweistündige gemeinsam erarbeitete Radioklanglandschaft, die von Chris Mann, Kris Hemensley, Walter Billeter, Les Gilbert und mir im Rahmen der australischen Zweihundertjahrfeier für die Australian Broadcasting Corporation gestaltet wurde. In meinem Radiostück "Samples III for computerprocessed orchestral sounds" habe ich interaktive elektronische Verfahren verwendet, um 50 kurze Stücke für Orchester zu schreiben. Diese wurden vom Adelaide Symphony Orchestra gespielt, und dann wurde jedes aufgezeichnete Fragment in einen Digitalsampler eingespeichert. So konnte dann mit jedem Fragment improvisiert werden und orchestrale Klanggewebe geschaffen werden, die anders nicht erzielt werden könnten. Aus 100 derartigen Klanggebilden wurde ein 84 Minuten dauerndes Radiostück erstellt, das sich mit der Rundfunkaufführung von Orchestermusik befaßt, den Orchesterklang "klassischer Radiomusik" jedoch in neue Dimensionen erweitert.

5.
Interaktivität liegt auch meiner Videosynthesenarbeit zugrunde. Ich verwende auch dabei – ähnlich wie bei meinen Musikstücken – eine Art von interaktivem Improvisationsprozeß in Realzeit. Während ich die Bilder betrachte, kann ich sowohl die globalen Aspekte der visuellen Form (Farbe, Gestalt, Bewegung, Geschwindigkeit) wie auch gewisse Einzelheiten des Bildes gestalten. Es ist für mich wesentlich, daß ich das tun kann, wenn ich Werke schaffen soll, die von "Leben" erfüllt sind, die sozusagen organisch sind. Als Beispiele dieser Arbeit möchte ich meine zweistündigen Videowerke "Moods" (1979) und "24 Meditations" (1986) nennen, die beide dieses Jahr beim "Steirischen Herbst" gezeigt werden.