Invitation
'Peter Gente
Peter Gente
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'Adelheid Paris
Adelheid Paris
SYMPOSION Hannes Böhringer (Berlin) Heinz von Foerster (Pescadero) Vilém Flusser (Sao Paulo/Robicon) Friedrich A. Kittler (Bochum) Peter Weibel (Wien/Buffalo) Jean Baudrillard (Paris) Gestaltung: Peter Gente und Adelheid Paris (MERVE Verlag Berlin)INVITATION Als wir eingeladen wurden, zu einem internationalen Symposion zum Thema "neue Technologien" einzuladen, waren wir von diesem Thema gar nicht begeistert. Gehört doch dieser Begriff zu den Ausgeburten eines soziologisierten Akademismus, der am laufenden Band solche intellektuellen Schablonen wie neuer Irrationalismus, Neostrukturalismus, neue Innerlichkeit, neue Übersichtlichkeit, neue Wilde, Postmoderne, Zeitgeist, Risikogesellschaft etc. produziert. Solche Begriffe fordern ein Pro und Contra heraus, nehmen in deutschsprachigen Landen schnell Züge eines Religionskrieges an, ohne die Symptome eines akademischen Herdentriebes zu verleugnen. Sie haben nur kurze Konjunktur, da immer neue Oberhirten mit der richtigen falschen Lehre auftauchen.
"… sie leben nur mit Mühe noch in den Regionen fort, die von denjenigen, die arbeiten, verlassen worden sind. Diese Auseinandersetzung (um den Strukturalismus), die sehr fruchtbar gewesen ist, wird jetzt nur noch von den Mimen und Schaustellern geführt" (M. Foucault). Spannender als das Pro und Contra akademischer Modediskussionen sind allemal die Philosophien der Mode, an denen Roland Barthes, Jean Baudrillard oder Ernst Simmel gearbeitet haben. Wir haben selbst bei Spezialisten vergeblich nachgefragt, woher der Begriff "neue Technologien" komme. So haben wir uns an die Philosophie gehalten. Aus der Design-Diskussion um "neue Materialien" entwickelte sich die von Jean-François Lyotard inspirierte große Ausstellung "Les Immateriaux" (1985). Hier wurden neue Technologien und Kunst der Avantgarde mit einem zugleich etymologischen und kommunikationstheoretischen Konzept verknüpft und exportiert. Ein Philosoph als Ausstellungsmacher.
Der Name "ars electronica" evoziert den Ursprung der Musik aus der Mathematik. Wir haben solche Theoretiker nach Linz eingeladen, die arbeiten;
Heinz von Foerster, einen Neffen Wittgensteins, der Rundfunkprogrammdirektor war, bevor er das legendäre Biological Computer Laboratory gründete, wo die Theorie der selbstreferentiellen Systeme geboren wurde;
Vilém Flusser, einen durch und durch Prager Intellektuellen, der nach Brasilien emigrieren mußte, dort eine Transformatorenfabrik leitete und seine Theorie des alphanumerischen Codes erarbeitete;
Jean Baudrillard, fasziniert wie kein zweiter Philosoph von dem Neuen, das er als ein Rausch der Simulationen erfährt. Hier wird der Philosoph zum Schriftsteller und Chronisten:
Friedrich A. Kittler – an dem A. ist noch die adornitische Herkunft zu erkennen – macht aus der Literaturwissenschaft eine Theorie der Aufschreibsysteme, die ihr Material aus der Technikgeschichte holt;
Peter Weibel, wir haben ihn Polyartist genannt, zeigt, wie sich künstlerische Praktiken und theoretische Reflexionen bis zur Unterscheidbarkeit mischen können.
Hannes Böhringer hat als einer der wenigen den Rat von Kojève, Griechisch zu lernen, befolgt und erweist die Fruchtbarkeit antiker Begrifflichkeit für die aktuelle Kunst.
Wir haben diese Namen hier nicht nach der Reihenfolge ihres Auftretens auf der Szene von Linz aufgeführt, sondern nach der Ordnung des Alters: 1911, 1920, 1929, (1936), 1943, 1945, 1948, (1950) sind sie geboren.
Der mündliche Vortrag läßt uns hören, was einer zu sagen hat, Zwingt Gehör zu Gehorsam? Die Vortragenden sind unterschiedlichen Alters und von unterschiedlichstem Temperament. Sie sind arbeitende Denker, sie sprechen zur Zeit. Der Mensch als Rechenmaschine, der Mensch als Schreibmaschine oder Nachrichtenzentrale, der Mensch als Vampir, der Mensch als Techniker oder Erfinder, der Mensch als Verhaltenstier. Erkennen ist ihre gemeinsame Tätigkeit, ihre Erkenntnisse, das, was sie uns zu geben haben. Wir Hörer sind die stummen Frager: Was ist neu an den Technologien, wenn sie sich wie ein Virus rapide verbreiten? Brauchen die Mittel, die uns aus der Hand gleiten und gleichzeitig Chaos und Kontingenz offenbaren, neue Erfindungen oder Menschenerkenntnisse? So ungefähr könnten die stummen Fragen zur Zeit lauten. Dahinter stehen dringendere Fragen.
Redner und Hörer: im Schatten der Worte hört man das Raunen der Zeit.
Peter Gente Adelheid Paris
Die Vorträge erscheinen im Merve Verlag Berlin
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