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Ars Electronica 1988
Festival-Programm 1988
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Festival 1979-2007
 

 

Wettergebäude


'Michael Bielicky Michael Bielicky

Architektur aus Wind und Wetter – ein städtebaulicher Eingriff in Alt-Urfahr Ost

Für das Projekt verantwortlich:
Thomas Lehner
Georg Ritter
Rainer Zendron
Markus Binder
Werner Katzmaier
Gotthard Wagner
Wilfried Hinterreiter
Franz Moharitsch
Sabine Gruber
Kurt Holzinger
Edith Stauber
Wolfgang Hofmann
Erich Klinger
Silvia Zendron
Bernd Richard
Johannes Knipp
Peter Hauenschild
Attila Kosa
Helmut Weber
Ernst Matscheko
Dieter Lasser
Heinz Reisinger
Ingrid Scheurecker
Alexander Dessl
Herbert Schager
Ruth Scala
Margit Knipp
Otto Mittmannsgruber
Peter Utz
Brigitte Schober
Brigitte Vasicek
Almud Wagner
Kurt Hennrich
Leo Schatzl
Wolfgang Lehner
Wolfgang Dorninger
Gustav Dornetshuber
Simon Ritter
Georg Pichler

KULTUR IST WIE DAS WETTER
DAS HEISST, KULTUR BRAUCHT NICHT GEMACHT ZU WERDEN. ES WIRD DESHALB AUCH NICHTS NUTZEN, ZU GLAUBEN, DASS SICH DER KULTUR ENTZIEHT, WER NICHT HINGEHT, WEIL SIE VIELLEICHT SCHLECHT IST. WEDER DAS WETTER NOCH DIE KULTUR SIND GUT ODER SCHLECHT, NICHT ZULETZT DESHALB, WEIL SIE SICH GRUNDSÄTZLICH DAUERND VERÄNDERN. AUCH WENN NIEMAND ES MITKRIEGT, WIRKT SICH DAS AUS. PRINZIPIELL FÄLLT AUF, WIE WENIG DIE MODERNE GESELLSCHAFT MIT ALL DEN IHR ZUR VERFÜGUNG STEHENDEN MITTELN ANZUFANGEN WEISS. GUTE AUSRÜSTUNG ALLEIN NÜTZT NICHTS. DER AUSDRUCK EINER KULTUR: DAS SIND NICHT ZUERST DIE KUNSTWERKE, SONDERN DIE LEBENSUMSTÄNDE, SO WIE AUCH DAS WETTER NICHT AUS MANCHMALIGEN WOLKENBILDERN BESTEHT, SONDERN DURCH SEINEN PERMANENTEN EINFLUSS SICH AUSZEICHNET. DER RICHTIGEN EINSCHÄTZUNG DIESER ZUSAMMENHÄNGE STEHT EINE ALS SOLCHE ETABLIERTE UND FALSCHE DEFINITION VON KULTUR GEGENÜBER. WÄRE DIE GESELLSCHAFT IN DER LAGE, IHRE FREIHEIT ANZUWENDEN, WÜRDE ES KEINEN DOMINIERENDEN KULTURBEGRIFF GEBEN.

VIELE LEUTE GEHEN ÄHNLICHE WEGE UMSONST. WAS DIE KUNST BETRIFFT, DAS HEISST, DIE FREIHEIT IN DIE HAND NEHMEN. UND DER BEGRIFF KULTURPOLITIK: AUSDRUCK FÜR DIE UNMÖGLICHKEIT, DURCH POLITIK ÜBER KULTUR ZU BESTIMMEN, DER MENSCH VON HEUTE TUT NICHT, WAS ER BRAUCHT. DESHALB WIRD JA WIRKLICH SCHON ALLES ZU EINEM PROBLEM. DAS IST NICHT NUR ÜBERALL SO UND DARUM WENDEN WIR UNS AUS AKTUELLEM ANLASS DER SITUATION VON LINZ ZU, VON DER ALLGEMEINEN ZUR SPEZIELLEN WITTERUNG. LINZ HAT MIT LINZ KEINE FREUDE. NACHDEM DIE STADT IN ÖSTERREICH LIEGT, GILT WOHL, WAS DAS WESEN DES ÖSTERREICHERS ANLANGT, AUCH FÜR DEN LINZER. ER GREIFT NICHT GERNE EIN INS GROSSE UHRWERK, LÄSST BESSER WERDEN, WAS NICHT GEMACHT SEIN WILL, LÄSST FREILICH AUCH MANCHES GEHEN, WIE ES WILL. MAG SEIN, DASS UNS EIN HAUCH VOM GELASSENEN WESEN DES DONAUSTROMES INS BLUT GEDRUNGEN IST. UND WENN UNS DER LEIDIGE RHYTHMUS DIESES JAHRHUNDERTS DRÄNGT UND STÖSST, WIR GLAUBEN NICHT, DASS ER RECHT HAT. WAS DER STADT ABER IN DIESEM JAHRHUNDERT NOCH ABGEHT, IST DIE GROSSZÜGIGKEIT. VIELLEICHT LIEGT DAS DARAN, DASS LINZ IMMER GEZWUNGEN WAR, ZU HANDELN, ALS IN DER LAGE, ZU WOLLEN. DAS KOMMT DAVON.

DIE GRÖSSTE BLAMAGE IST DAS LEBENMÜSSEN. AN DIESER BLAMAGE GEHEN AUSSERDEM NICHT NUR HAUFENWEISE EINZELSCHICKSALE ZUGRUNDE, SONDERN GLEICH DIE GESAMTE IDEE DES FORTSCHRITTS, IRGENDWIE EINE BRAUCHBARE QUALITÄT DER LEBENSBEDINGUNGEN HINKRIEGEN ZU MÜSSEN. WENN ES AUCH NOCH NICHT SO LANGE HER IST, ALS LINZ VOM SCHLAGL DES ZEITALTERS GETROFFEN WORDEN IST, HAT DIE STADT ZWEIFELSOHNE GEGENWÄRTIG DIE GELEGENHEIT, DIE GESCHWINDIGKEIT DIESER EPOCHE FÜR SICH ZU NUTZEN UND SICH FREIWILLIG, AUS EIGENEN STÜCKEN ZU VERÄNDERN. EINERSEITS DURCH DAS HOHE MASS AN UNWIDERSTEHLICHER VERLEGENHEIT, ANDERERSEITS DURCH DIE SICH ANKÜNDIGENDE LOSGELASSENHEIT SEINER SCHLUMMERNDEN KULTURELLEN ZEUGUNGSFÄHIGKEIT HAT LINZ DIE CHANCE, EINE GROSSE STADT ZU WERDEN, ZUMINDEST SO GROSS, DASS SIE AUCH VON IHREM GEISTIGEN HINTERGRUND HER IN DER LAGE SEIN WIRD, AUF EIGENEN BEINEN ZU STEHEN. DABEI NUR NICHT DEN FEHLER MACHEN, EINEN VERMEINTLICHEN KULTURELLEN AUFSCHWUNG IN RICHTUNG TOURISTEN- ODER FESTSPIELZENTRUM ZU UNTERNEHMEN. DAS WÄRE EIN MISSGLÜCKTER SCHRITT UND WÜRDE ZUDEM DAS TATKRÄFTIGE BODENSTÄNDIGE KULTURELLE POTENTIAL NUR AUSHÖHLEN.

DIE GANZEN STÜRME DER BEGEISTERUNG BRINGEN UNS ALLE MITEINANDER UM NICHTS WEITER, SOLANGE SIE NUR IM DIENST DER UNTERHALTUNG AUFBRAUSEN. ANGESAGT IST DIE FORCIERTE UND PERMANENTE AUFWERTUNG DER GEGENWARTSKULTUR UND DAS IM SPÜRBAREN ZUSAMMENWIRKEN MIT DER BRILLANTEN ROUTINE DES ALLTAGS. AVANTGARDE IN LINZ HEISST: SICH STÄNDIG ÄRGERN. BISHER. UM EINER WEITERFÜHRENDEN NEUEN TRADITION PLATZ ZU MACHEN, MUSS IN LINZ EIN KLIMA GESCHAFFEN WERDEN, IN DEM MAN LUFT HOLEN KANN, KONKRET UND KONSEQUENT: STRUKTUREN, AKTIVITÄTEN, AUSEINANDERSETZUNG, OFFENHEIT. DAS HEISST: PERMANENTE ARBEITSSTÄTTEN FÜR DIE ERPROBUNG UND ANWENDUNG NEUER IDEEN UND MEDIEN, AUSBAU UND AUSSTATTUNG BEREITS VORHANDENER STRUKTUREN, LAUFENDE NATIONALE UND INTERNATIONALE VERANSTALTUNGSTÄTIGKEIT AUF DEM GEBIET MODERNER KUNST, VERSTÄRKTER ZUGANG FÜR KÜNSTLER ZU DEN MASSENMEDIEN, EINSATZ VON RADIO UND FERNSEHEN ZUM UNABHÄNGIGEN GEBRAUCH DURCH KULTURSCHAFFENDE, ABSAGE AN PERFEKTIONISMUS UND SPEZIALISTENTUM, LEGITIMIERTE MITSPRACHE VON KÜNSTLERN BEI GESELLSCHAFTLICHEN ENTSCHEIDUNGEN, EINBEZIEHUNG IN FRAGEN DER STADTPLANUNG UND STADTGESTALTUNG, VERSTÄRKTE AUSDEHNUNG MODERNER KUNST AUF DEN ÖFFENTLICHEN RAUM, AUFBAU EINER UMFASSENDEN KOMMUNIKATIONSSTRUKTUR FÜR EINE FREIMÜTIGE ÖFFENTLICHE DISKUSSION, ZEITGENÖSSISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT REGIONALEN BRÄUCHEN, SCHAFFUNG VON SELBSTVERWALTETEN ATELIERS, PROBERÄUMEN UND WERKSTÄTTEN UND PLATZ FÜR DIE UNVOREINGENOMMENHEIT UND UNDEFINIERTHEIT, DIE NOTWENDIG IST, UM MIT VOLLER ABSICHT EINE KONSTRUKTIVE VERÄNDERUNG ZUZULASSEN.

FÜR DIESE MASSNAHMEN GIBT ES EINFACHE LÖSUNGEN, DIE VIEL UNAUFWENDIGER UND ERGIEBIGER SIND, ALS ALLE AUSGABEN, DIE BETRIEBEN WERDEN, UM DAS VOLK LEDIGLICH BEI GUTER LAUNE ZU HALTEN. FÜR DIE ERNEUERUNG DES GESELLSCHAFTLICHEN SELBSTVERTRAUENS IST DIE KUNST VON GRÖSSTER WICHTIGKEIT. IN IHREM INTERESSE MUSS DIE GESELLSCHAFT WERT DARAUF LEGEN, DER KUNST PLATZ ZU GEBEN, UM NEUE PERSPEKTIVEN UND ORIENTIERUNG ZU ERMÖGLICHEN. ES WÄRE NICHT WÜNSCHENSWERT, WÜRDEN DIE KÜNSTLER ANGESICHTS DER GESELLSCHAFTLICHEN VERFAHRENHEIT ZUM SCHLUSS KOMMEN, DASS ES GESCHEITER WÄRE, IHRE KRÄFTE NICHT WEITER ÖFFENTLICH ZU VERGEUDEN UND HERMETISCH WEITERMACHEN, ABGESCHLOSSEN, SO WIE DIE ALCHEMISTEN ES VORZOGEN, DIE WENIGSTENS WUSSTEN, WOZU DAS GANZE, NÄMLICH FÜR DAS HÖHERE IN EINEM SELBST. AUCH WÄRE ES EINEM VERSTÄNDLICH, WENN DIE AKTIVEN KRÄFTE SICH ENTSCHLIESSEN TÄTEN, DAS HEIMATLAND ZU VERLASSEN, DARUNTER WÜRDE ALLERDINGS ZUR HAUPTSACHE DAS HEIMATLAND ZU LEIDEN HABEN. SEIT EINIGEN JAHREN KÜMMERT SICH DIE STADTWERKSTATT MIT ERHEBLICHER MÜHE, ABER NICHT VERGEBLICH, UM DIE KULTIVIERUNG DER STADT MIT FINANZIELL ZWAR GERINGEN, DAFÜR KÜNSTLERISCH UND KULTURELL ANSPRUCHSVOLLEN MITTELN. DIE GRUNDLAGEN UND DIE FRÜCHTE DIESER ARBEIT ZEIGEN WIRKUNG: ZUM EINEN ANHAND DER IN ÖSTERREICH EINMALIGEN VITALITÄT UND VIELSEITIGKEIT DER ABSEITS DES KOMMERZES AGIERENDEN JUGENDKULTUR, DIE ZU EINER BEMERKENSWERTEN EIGENSTÄNDIGKEIT UNABHÄNGIGER KRÄFTE AUF KÜNSTLERISCHEM GEBIET GEFÜHRT HAT.

ZUM ANDEREN VERFÜGT LINZ MIT DER STADTWERKSTATT ÜBER EINE DAUERHAFT AKTUELLE ADRESSE FÜR INTERNATIONALE AVANTGARDE- UND GEGENWARTSKULTUR, DIE AKTIVITÄTEN DER STADTWERKSTATT HABEN IN MEHRFACHER HINSICHT AUF DEN STÄDTISCHEN RAUM BEZUG UND EINFLUSS GENOMMEN, ANHAND DES VIERTELS ALT-URFAHR OST WURDE IN STÄDTEPLANERISCHER HINSICHT EIN ENTSCHEIDENDES UMDENKEN AUSGELÖST ZUGUNSTEN DER BEWAHRUNG UND BELEBUNG DES STADTKERNS. STADTWERKSTATT-PROJEKTE HABEN EINIGES DAZU BEIGETRAGEN, DEM KÜNSTLERISCHEN PROFIL VON LINZ EINEN VITALEN AUSDRUCK ZU GEBEN. UND WIE ÜBERALL PROFITIERTEN AUCH IN LINZ DIE INSTITUTIONEN VON DER UNZENSURIERTEN KUNST, WENN IHNEN NATURGEMÄSS AUCH DAS WESENTLICHE FREMD BLEIBEN MUSSTE, NÄMLICH DER FREIGEIST UND DAMIT DIE BEGABUNG, ETWAS ZU VERÄNDERN.

VOR DEM HINTERGRUND DER MOMENTANEN FRAGE (HERBST 1988) UM DAS EXISTENZRECHT DER STADTWERKSTATT IN IHREM STAMMHAUS IN DER FRIEDHOFSTRASSE IN ALT-URFAHR OST ZEIGT SICH, DASS VERTRETER DER ÖFFENTLICH KEIT IMMER NOCH NICHT ERKANNT HABEN, WOZU ES SICH LOHNT, FÜR DIE LEISTUNGEN MODERNER KULTUR ERNSTHAFT UND AUSREICHEND PLATZ ZU LASSEN. DIE GRÖSSTE HERAUSFORDERUNG IST DER FREIE RAUM. UND DER IST HERGESTELLT. DIE WICHTIGSTE AUFGABE DER STADTWERKSTATT IST IHRE ANWESENHEIT UND DESHALB MUSS AUCH WERT DARAUF GELEGT WERDEN, DASS SIE DORT BLEIBT, WO SIE DIESE AUFGABE ERFÜLLEN KANN. LINZ BRAUCHT EINE GEISTIGE KONZENTRATION IM ZENTRUM, DER EINZIG NOCH MÖGLICHE UND DAFÜR AUCH AUFBEREITETE BODEN IST ALT-URFAHR OST MITTEN IN DER STADT. DER UMBRUCH, DER IN DIESEM VIERTEL GEGENWÄR TIG STATTFINDET, MUSS EIN AUFBRUCH WERDEN. DIE VERANTWORTLICHEN SIND AUFGEFORDERT, DIE HERAUSFORDERUNG ANZUNEHMEN, AUS DIESEM INNERSTÄDTISCHEN VIERTEL DAS KULTURELLE HERZ VON LINZ ZU MACHEN, DAS SELBSTÄNDIG FUNKTIONIERT. DIESES VORHABEN IN KOOPERATION ALLER BETEILIGTEN KRÄFTE ZU LÖSEN, IST UNUMGÄNGLICH, WENN AUS LINZ IN ABSEHBARER ZEIT NOCH WAS WERDEN SOLL. DIE KONZEPTE SIND BEREIT, EINE VIELVERSPRECHENDE AUSGANGSPOSITION IST GESCHAFFEN, NICHTS WÄRE SCHMERZHAFTER, ALS DIESE SICH ANBAHNENDE CHANCE DURCH EIN UNVERMÖGEN IM JETZIGEN MOMENT ZUNICHTE ZU MACHEN. ZUMINDEST GEHT ES DARUM, FÜR DIE NÄCHSTEN HUNDERT JAHRE EINE ENTSCHEIDUNG, ZU TREFFEN, DIE DIE EXISTENZ EINES VITALEN UND ANIMIERENDEN UMFELDES FÜR DIE ZUKUNFT GARANTIEREN KANN. DAS VIERTEL ALT-URFAHR OST IST DIE BASIS FÜR EINE KÜNFTIGE KULTURELLE ACHSE, DAS NEUE RÜCKGRAT FÜR DIE AUFRECHTE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER EIGENEN KULTUR.
DER RUHELOSE ÜBERGANG VON EINEM INS ANDERE
DAS PROJEKT WETTERGEBÄUDE
Baulücke Friedhofstraße–Schulstraße (Piazetta)
Alt-Urfahr Ost
täglich von 16 bis 22 Uhr

Wettergebäude – Vom Regen in die Traufe – der ruhelose Übergang von einem ins andere. Das Wettergebäude ist ein Gebäude, das nicht vor Wind und Wetter schützt, sondern aus Wind und Wetter besteht, aus Luft, Wasser, Hitze, Turbulenzen, und in dem der Donner schallt.

Das Wettergebäude ist eine Anlage, ein Wetterwerk, welches durch Maschinen und Geräte, wie Schneekanonen, Ventilatoren, Brennkörbe, Backsteinspeicher, Wasserrohre und Heizkanonen angetrieben wird. Die dadurch hervorgerufenen Sprühnebel, Wasserfontänen, Hitzeschleusen, Windstränge und aufsteigenden Dämpfe formen die sich aus Wetter bildende Architektur. Die Wetteranlage ist für das Publikum begehbar. Es soll dem Betrachter auf engem Raum möglich sein, verschiedene Klimata hautnah zu spüren. Das Wetter ist pure Energie, das Wetter ist Gewalt. Ort des Geschehens ist der freie Platz Piazetta, vor dem Stadtwerkstatthaus Friedhofstraße 6 in der Altstadt Urfahr. Täglich während der Ars Electronica treibt das Wettergebäude in der Abendzeit sein Unwesen. Betreut wird die Anlage vom diensthabenden Wetterwart, der zur Aufgabe hat, die Wettermaschinerie nach der allgemeinen Wetterlage auszurichten, das heißt praktisch, die Schneekanonen gemäß den Winden einzustellen, die Feuerung der Brennkörbe zu überwachen und zum gegebenen Zeitpunkt die Dampfanlage mit Wasser zu beschicken.

Wenngleich auch Lesen solcher Kataloge selten ist, so sollte dem geneigten Leser vor Augen geführt werden, wie dieses Wettergebäude angelegt ist. So möge er angeregt werden, in vier Tagen zweckentbunden zehn Tonnen Koks zu verheizen, hundert Kubikmeter Wasser zu versprühen und verdampfen zu lassen und die elektrischen und benzinbetriebenen Motoren, welche Luft und Wasser bewegen, laufen zu lassen. Die Energie verpufft ins Nichts, ins reine Dasein. Ein selbsttätiger Raumkörper auf einem freiliegenden Schotterfeld in der Altstadt. Motoren rauschen und dröhnen und eine spuckende, sprühende, plätschernde Apparatur werkt. Das Wetter um des Wetters willen – das Wetter um der Architektur willen ein Gebäude zu kreieren, das nicht exakt gestaltet ist, sondern ein wild getriebenes, von Maschinen beherrschtes Menschenmachwerk mit veränderlicher Gestalt. Die Präzision verschwindet im Spiel der Kräfte. Die ungebrochene Allgewalt der Schwerkraft. Die Wassermengen unterschwemmen den Schotterplatz, das Wasser sammelt sich in riesigen Lachen, die nebenan führende Straße vermurt.
ALLGEMEINES ZUM WETTER
Wetter ist die schier endlose und doch begrenzte Hülle des bescheidenen Planeten Erde. Wetter ist Urgewalt, Wetter ist amorphe Energie. Massen von Kälte und Hitze geraten aneinander in einem Gemenge aus Luft und Wasser, welches in Geschwindigkeit ausartet und in der Schwerkraft den Niederschlag findet. War es das Wetter, das die Götter heraufbeschworen? Das Wetter im Gemüt des Volkes, das Wetter im Gemüt eines Selbst. Das Wetter entzieht sich dem menschlichen Urteil. Und wie läppisch ist der Versuch und wie kräftig sind die Anstrengungen der Menschheit, die Sache der Natur zu beherrschen. Und so startet die Stadtwerkstatt nun denVersuch, ein Wetterchen zu veranstalten. Freiheit hat nichts mit Göttlichem zu tun, Freiheit ist die größere Vision, Vision ist über der Macht.

Das Wettergebäude ist die Vision, ist das Offenhalten von Möglichkeiten, den Lebensnerv gegen die Beschränkung der durch sich selbst auferlegten Wirklichkeitsdogmen zu richten. Die Wirtschaft läßt nicht mit sich reden. Sie schweigt und zieht durch. Der Künstler ist kein Dekorateur der Wirtschaft, wenn die Wirtschaft als Allmacht und aus Zweckrationalismus den Vorteil um den Vorteils willen praktiziert (Krematismus) – in der Suche nach der Angleichung an das göttliche Prinzip – auf der Suche nach der Diktatur über die Mittel. Der Künstler ist nicht auf der Suche nach der Allmacht, er ist auf der Suche nach der Vision. Das unbeherrschte Wettergebäude, es ist ein Energieverpuffungsmodell zur Errichtung eines Gedankens für eine weitere Perspektive, in dieser Altstadt von Urfahr zu leben.

Es ist der Versuch gegen die allmächtigen Herren der Wirtschaft, welche die Altstadt Urfahrs für ihr kapitales Wetter benutzen. Es ist ein Unternehmen, durch die beschränkte Freiheit der Kunst in die gesellschaftliche Wirklichkeit fundamental einzugreifen. Alt-Urfahr Ost ist ein verlorenes Gebiet für den ungezügelten Lebensnerv. Dieses Architekturmodell des Wetterhauses durchstößt die Grenzen des zweckgebundenen Wirtschaftsbaus und rüttelt an den zusammengebrochenen Gedankengebäuden, die im festen materiellen Niederschlag erstarrt sind. Ein Exempel, ein mehr als symbolischer Akt angesichts der sich ankündigenden Verbauung dieser freien Altstadtfläche, ein vorübergehendes Denkmal gegen die allzu engen Absichten, festzulegen, hier ein Nobelviertel zu errichten.

Wenn Architektur ausschließlich als Hülle verstanden wird, die den Menschen samt seinen Sachen vor Einflüssen der Witterung schützt, dann wird es notwendig, ein Gebäude zu errichten, das aus Witterung besteht.

Ansonsten wären in diesem Bereich Architekten, Künstler jeglicher ernstzunehmender Aufgabe beraubt.

Fußnote:
Alt-Urfahr Ost ist ein seit Jahrzehnten brachliegendes Altstadtgebiet – Grundstücksspekulationen und ein von der Stadt Linz initiierter Architektenwettbewerb, der eine Durchmischung von Alt und Neu vorsieht, bestimmen Künftiges. – Ein zähes Ringen um die bestehenden sozialen und kulturellen Strukturen und ein Kampf um das Stadtwerkstatthaus setzen ein.

1979
– Gründung der Stadtwerkstatt
Werkstatt der Stadt
– Vorerst in der Galerie MAERZ
Aktion gegen die Zubetonierung des Linzer Hauptplatzes
– Reise nach Holland
Studien über neue Stadtgestaltung

1980
– "Anstiftung zur Initiative"
Ausstellung zur Wohnstraße in der Galerie MAERZ
– Erster Auftritt der Musikgruppe POST
Baumkonzert vor dem FORUM DESIGN
– Einzug in das Haus Friedhofstraße 6, Linz-Urfahr
Adaptierung der Räumlichkeiten
Aufnahme des Kulturbetriebes
– Einzelausstellungen Linzer Maler
Franz Blaas, Hans Priesner, Herbert Schager, Mario Michaelis Huemer, Robert Oppeneigner, Der Traunseer u. a.
– Präsentationen der Filmhochschulen Braunschweig und Wien sowie COOP London
– Experimentalfilm- und Filmklassiker

1981
– Kontinuierlich disziplinübergreifende Veranstaltungspraxis mit FADI Sampler und Josef Matthias Hauer-Abend
– Frauentage
– Produktion des Theaterstücks "Der Spekulant" von Gerald Wilhelm
– Gemälde (Secco) entlang der hofseitigen Feuerwand
– Wie denn der Hausbrauch ist? Ein häufiges Umbauen zufolge der wechselnden Notwendigkeiten

1982
– Die "Unabhängigen Filmer Linz" (UFL) präsentieren erstmals ihr Jahresprogramm
– Mai-Musik" die Deutsche Welle wogt
Konzerte der Einstürzenden Neubauten, Abwärts, Konstantin Wecker …
– Existenzbedingte Maßnahme
Ein Großteil des Hauses wird für Wohnateliers freigegeben
– Beteiligung an der Ausstellung "Wohnfreiheit"
– Vortrag von Bazon Brock über das Existenzrecht unabhängiger Kulturarbeit

1983
– Gestaltung der Hausfassade mit dem Sgraffito, Alchemia
– Veranstaltungszyklus "Tönende Jugend"
u. a. Konzertzusammenführung. Snakefinger, San Francisco, mit dem Männerchor LYRA Linz
– Gerüstkonzert POST-Musik
– Drei Uraufführungen der Theaterstücke von Gerald Wilhelm
"Wechselbeziehungen"
"Das Nachtgespenst"
"Auf der Suche nach dem Glück"
– Hermann Nitsch liest aus dem Orgien-Mysterien Theater
– Teilnahme an der Ausstellung "Wechselstrom"

1984
– Ausstellung in der Johannes Kepler Universität Linz
– Stadtwerkstatt Plakat "4 Jahre optisches Megaphon"
Plakatausstellung in der Galerie MAERZ
– Beitrag zur Ars Electronica
Festakt "Singing Pool", eine Simultanveranstaltung im Stadtteil Alt-Urfahr Ost
"Black Stage, Black Tracks", Medientheke im Brucknerhaus
– Jahresprogramm UFL bei den österreichischen Filmtagen Wels
– "6 Land- und Musikstreiche", ein Zyklus heimischer Musik

1985
– Vorführung "Linzer Luft von damals" zur Ausstellung "Linzer Luft"
– Innviertler Landlermusik "Familie Burgstaller"
– Musikzyklen "Schall-Mai" und "Welche Zeiten – Solche Musik" mit Arto Lindsay, Cassiber, Blurt u.a.
– Ein Konzertabend der Stadtwerkstatt mit Gästen im Brucknerhaus
– 5-Jahre-Jubiläum, viertägige festliche Feier
– Auftritte der Stadtwerkstatt-Musikanten unter verschiedenen Vorzeichen
"Orchester Democratis", "Wurtzer"
– UFL bei den österreichischen Filmtagen Wels
– Videoarbeit bei FRIGO, Lyon

1986
– Internationale Netzarbeit mit Eman, Infermental und Trans Europes Halles
– Zweiteiliger Musikzyklus "Ritonale" mit SWANS, Eliott Sharp, …
– Filmvorführungen von UFL in Budapest
– Badewannenkonzert bei der Ausstellung "Wohnen von Sinnen", Düsseldorf
– Bau eines Ziegelturmes im Donaupark Linz, ein Denkmal der Arbeit
– Ars Electronica
"Prima Vista", Mobile Installationen, Trans World Telefon Concert
– "Warschau Bö" in Zürich: Konzerte, Filme, Performance
– Fassadengemälde "Glühendes Vehikel", Linz
– Videoproduktionen "Das Band" und "Nebenraum", Filmtage Wels
– Vorlesung an der Johannes Kepler Universität Linz
– Veranstaltungsprojekt "Momentane Bräuche"

1987
– Regeneration der Vereinsstruktur, personell und am Haus
Umwidmung der Wohnateliers zu Werksräumen: Siebdruckerei, Grafik, Bureau, Werkstatt, Kellergalerie, Übungsraum, Greenroom, Café und Veranstaltungssaal
– Konzert "Laibach" Neue slowenische Kunst
– Studenten der Linzer Kunsthochschule präsentieren ihre Abschlußarbeiten in der Stadtwerkstatt
– Ars Electronica – Beitrag: Stadtwerkstatt – TV in Sendung
Platzkonzert der Hauptplatzbaustelle
– Filmtage Wels: Kabelfernsehen im Hotel Greif
– Wortnetzung: Literarischer November in der Stadtwerkstatt gemeinsam mit der Grazer Autorenversammlung
Rolf Schwendter, Anselm Glück, Erich Klinger, Walter Pilar

1988
– Block 38 Block 88: Literatur und Film
– Tonspuren – 5 Abende mit neuer Musik: Heinz-Klaus Metzger, Kläring Quartett, Anestis Logothetis, Rosegger Heimat, Patricia Jünger, Heiner Göbbels, Wolfgang Dorninger u.a.
– Differenz Kino. Zur Erhellung der Kinokultur in Linz
Gemeinschaftsveranstaltung mit Linzer Kinoinitiativen
– "Schöne neue Stadt" Streit im Quartier: Ausstellung, Vorträge und Diskussion über moderne Städteplanung am Beispiel Alt-Urfahr Ost
– Ars Electronica 88: Vom Regen in die Traufe, Wettergebäude
– Herausgabe des Bandes "Im Moment", Schriften zur Gegenwart
VIDEOCLIP ZUR ARS ELECTRONICA 1988
Video in 3 Versionen (3 min./1,5 min./20 sek.)
Abgetastet auf 35–mm-Film (Kinofassung)

Konzept und Ausführung:

CL.AR.
Clipartists

Leo Schatzl – Kurt Hennrich

Schnitt und Digitaltricks:
Ingrid Kollmer
Roger Kühne
Wolfgang Svatek

Grafik und Anirnationsdesign: Andy Kieteubl

Digitale Videobearbeitung: Synchro Video Ges.m.b.H. Wien

Musik: Wolfgang Dorninger, Die Ind, Linz

Für die freundliche Unterstützung danken wir außerdem:
Verein zur Förderung offener Werkstätten und Kulturhäuser Wien, Sektion K/V
AKH Wien, Zentrales Institut für Radiodiagnostik Hr. Prof. Pokieser, Hr. Dr. Gritzmann
Fa. Olympus Optical & Co. Ges.m.b.H., Wien
Fa. Peter Dopplinger Lichttechnik, WIEN
Stefan Nagy, Sabine Bitter, Anita Kaya, Michael Krammer, Gabi Thurner, Walter Parzer, Wolfgang Hofmann, Geko Eiter, Nora Schöpfer, Magi NeuMann, Matt Heckert, Sigi Brückl

CL.AR. Clipartists, Leo Schatzl – Kurt Hennrich
A–1090 Wien, Pfluggasse 5/16, Tel. 0222/318456
A–1160 Wien, Thaliastraße 164, Tel. 0222/459849 (ab 11/88)