Schaf-Musik-Konzert-Schloß
'Henning Christiansen
Henning Christiansen
Ich habe schon früher mit Schafen zusammengearbeitet. Zum ersten Mal in Graz bei "Animal Art", Herbst 1987. Damals mit nur einem Schaf und dazu zwölf Hühnern und einem Hahn. Sie waren sehr friedlich und gingen um meinen Arbeitstisch in unserem Käfig herum, trotz viel und kräftiger Lautsprechermusik. Der Hahn saß immer ganz oben und sein Krähen wurde über Mikrophon und Delaybehandlung verstärkt. Der Hahn war sehr begeistert und hat extra viel gekräht – stolz wie ein Hahn. Das Schaf hat nicht viel gesagt. Das zweite Mal war auf Hövikodden, Oslo, Henie-Onstad Kunstcenter, bei der Aufführung von NORDLYD am 28. März 1987, diesmal mit vier erwachsenen schwangeren Schafen in einem großen Kellerraum, und da haben wir, Björn Nörgaard, Ernst Kretzer und ich, entdeckt, was der Geruch der Schafe für die Konzertvitalität bedeutet. Wir haben sozusagen die Natur im Museum gerochen. Das Konzert hieß TIEFLAND und dauerte vier Stunden. Björn Nörgaard hatte eine Landschaft aus Sand, Kies und Lehm aufgebaut.
Das dritte Mal war im Foyer des Musikhauses in Aarhus, Dänemark beim NOMUS Festival für neue nordische Musik, zusammen mit fünf Schafen, zwei erwachsenen und drei schwarzen Lämmchen. Die fünf Schafe waren neben einer Palme eingezäunt (Innenraumgartenanlage). Das Motiv wurde deswegen biblisch und die Zuschauer erwarteten, daß ich wenigstens eins der Lämmchen opfern würde, aber das geschah nicht, weil ich erstens Schafe sehr liebe, und zweitens, weil das religiöse Opfer nicht mein Anliegen ist. – Ich arbeite als Komponist gerne mit Tieren unter dem Motto: "Save the Nature – use it." Ich meine, wir müssen mit Tieren und Pflanzen wie mit Freunden (ja, wie einer Familie) umgehen. Wenn man mit der Natur unter ihren Bedingungen verkehrt, haben alle viel davon.
Diesmal, auf der Donauwiese vor dem Brucknerhaus, wähle ich 30 Schafe, auch weil ich denke, daß dann keiner in Österreich erwartet, daß ich Schafe opfern will. Ich bin zwar gut befreundet mit Hermann Nitsch und verstehe ihn ganz gut, er ist aber Opferpriester und für ihn geht es um die Urreligion, aber ich bin Skandinavier und für die Skandinavier (Wikinger) war das Essen, glaube ich, wichtiger als das Opfer, oder auch war gerade das Essen immer das Opfer.
Vor dem Brucknerhaus soll es stattfinden, das gibt mir viele Gedanken. Erstmals Bruckners große, nach der Natur angelegten Symphonien, aus der Zeit der blühenden Orchesterkultur, der großen Gefühle und des Hineinschauens in die Klanglandschaft (Soundscape). Doch immer in die Landschaft eines Konzertraumes und mit pinguingekleideten Musikern, vielen Geigen.
Ursprünglich stammen die meisten Instrumentklangideale ja von Tierstimmen her oder von anderen Naturphänomengeräuschen. So z.B. die Geigen: man hat wohl herausgefunden, daß ausgespannte Därme, getrocknet, Geräusche von sich geben konnten. Man sagt ja auch ganz lustig: "Meine Därme schreien." Das wurde dann kultiviert, "raffiniert", und man hat viel für den Geist des Menschen erreicht (Save the Nature, use it). Die Saiten haben sozusagen dem Menschen Innerlichkeit zugespielt. Heute aber besteht für mich die Möglichkeit, die Schafstimmen durch Elektrizität so zu behandeln, daß sie als Instrument im Dienst unseres heutigen Klangausdruckes verwendbar sind und uns außerdem über unser heutiges Verhältnis zur Natur – auch unserer Natur als Menschen, zum Nachdenken bringen.
Ich habe schon mehrmals mit Tierstimmen gearbeitet, z.B. habe ich im ROMA ZOO aus Tierstimmen eine Suite gemacht, die ich SYMPHONY NATURE nannte, habe auch mit Wolfsgeheul gearbeitet und Kanarienvögeln (Das grüne Vogelchorklavier – Nordjütlands Kunstmuseum) ("Die Freiheit ist um die Ecke" – Gelbe Musik in Berlin) und auch Affengesang, alles auf Tonbändern bearbeitete Natur. Für mich ist es jetzt sehr wichtig, wo und in welchem Zusammenhang man solche Werke aufführt. Ich war schon damit in Konzerträumcn, auch in Theaterräumen, aber ich bin mit den Umgebungen für diese Tiermusik nicht zufrieden, ich muß neue "Konzertsäle" für solche Werke konstruieren und deswegen mache ich dieses relativ große "Konzertschloß" auf der Wiese vor der Donau vor dem berühmten Brucknerhaus besonders gern, es ist ideal für mich und ich schreibe ein neues Motto: "Schafe statt Geigen." Die Wiese gehört sozusagen den Schafen, es ist ihr Gebiet, sie gehören da hin und der Mensch kommt, um sie zu besuchen.
Zusammen mit der Schafmusik, die aus einem Container strömt, praktiziere ich jetzt im Container Zwei eine andere Idee. Ich habe versucht, Griegs Peer Gynt-Suite, "Zurück zur Natur" zu bringen. Indem ich sie bearbeite, stelle ich mir vor, was Edvard Grieg im GUDBRANDSDAL in Norwegen gehört hat, bevor er diesen Klang für den Konzertsaal in die damalige Tonsprache umsetzte, man muß bedenken, daß gerade Griegs Peer Gynt-Suite noch heute eines der populärsten Orchesterstücke ist. Dieses Stück "Orchesterliteratur" reiße ich also jetzt aus seinem Konzertrahmen und bringe es mit Schafmusik auf der Wiese, vor der Donau, vor dem Brucknerhaus zusammen. Es interessiert mich natürlich auch, dieses Musikstück in der Form aus Norwegen nach Österreich zu transportieren. Übrigens war Transport von Musik früher gar nicht so einfach wie heute, es hat sowohl praktische als auch kulturelle Probleme gegeben, die wir heute kaum mehr wahrnehmen. Musik fliegt uns leicht und unbeschwert um die Ohren.
Das Bild, die Räume, wo die Musik stattfindet, schiebe ich hiermit in den Vordergrund.
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