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Ars Electronica 1988
Festival-Programm 1988
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Festival 1979-2007
 

 

Als das Verwünschen noch geholfen hat – "5 hören"


' Hans Peter Kuhn Hans Peter Kuhn

"ALS DAS VERWÜNSCHEN NOCH GEHOLFEN HAT"
Klanginstallation für den Linzer Hauptplatz

Während der Zeitdauer der Ars Electronica steht in einer Ecke des Hauptplatzes ein Mikrofon auf einem Stativ, dessen Kabel in einen nahegelegenen Gully führt. Am diagonal gegenüberliegenden Ende des Platzes steht ein Lautsprecher, dessen Speisekabel aus einem nahegelegenen Gully kommt.

Ein Text auf einem an dem Mikrofon befestigten Schild fordert den zufälligen Passanten auf, seine Frustrationen, seinen Ärger in das Mikrofon zu sprechen, seine schlechte Laune sozusagen in den Gully zu kippen. Wie von Wunderhand werden all die Flüche und Verwünschungen im Untergrund der Kanalisation umgewandelt in Lobpreisungen und freundliche Wünsche an die Mitmenschen. Sie sind am anderen Ende des Platzes in dem dort aufgestellten Lautsprecher zu hören.
"5 HÖREN"
Die Klangperformance 5 HÖREN beschäftigt sich in sechs kurzen und unaufwendigen Szenen mit Grundbegriffen des Hörens. Jede Szene hat einen Titel, der dem Publikum bekannt sein soll, z.B. durch einen Programmzettel.

Szene 1: "Man kann eine Nadel fallen hören"
Auf der Spielfläche steht ein Tisch und ein Stuhl. Der Performer betritt die Bühne, setzt sich auf den Stuhl, schaut ins Publikum und wartet, daß Ruhe einkehrt. Ist es ruhig geworden, wartet der Performer noch eine Weile, bis das Publikum anfängt, wieder unruhig zu werden. Nach weiterem Warten wird es wieder ruhig und der Performer greift mit langsamen Bewegungen eine auf dem Tisch liegende Stecknadel und läßt sie vor sich auf den Boden fallen. Wegen der außerordentlichen Ruhe im Saal ist das Geräusch der fallenden Nadel von allen gut zu hören.

Szene 2: "Dialog"
Auf der Spielfläche stehen zwei Stühle, vor beiden ein Stativ mit einem Mikrofon, auf dem einen Stuhl steht ein Spulentonbandgerät, auf dem anderen Stuhl sitzt der Performer. Der Performer beginnt einen alltäglichen Dialog, mit den Worten "Guten Abend" und schaltet das Tonbandgerät ein. Dieses antwortet mit der Stimme des Performers: "Guten Abend." Im weiteren wiederholt das Tonband die Phrasen des Performers, bis jener entrüstet ausspricht: "Jetzt halt mal das Maul!!", woraufhin das Tonbandgerät erwidert: "Werd' nicht frech …"

Szene 3: "Möbel"
In dieser und den folgenden beiden Szenen ist ein zweiter Performer erforderlich, der vor Ort eingewiesen werden kann. Auf der Spielfläche befinden sich zwei (knarrende) Stühle, die mit Kontaktmikrofonen versehen sind. Der erste Performer betritt mit äußerster Mühe schleichend die Bühne, um beim Hinsetzen den größten Krach zu veranstalten. Nachdem es ihm gelungen ist, in einer denkbar unbequemen Haltung den Stuhl zum Schweigen zu bringen, schleicht sich der zweite Performer herein. Er hat selbstverständlich das gleiche Problem. Beide konzertieren eine Weile gemeinsam auf den Stühlen, um die Bühne dann schleichend zu verlassen.

Szene 4: "Musik 1"
Wieder stehen zwei Stühle auf der Bühne. Der erste Performer betritt die Spielfläche, mit einem Walkman ausgerüstet, der Frank Sinatras"My Way" in seine Ohren bläst. Der Performer singt in der aus Bus und Straßenbahn bekannten Weise mit. Ebenso verhält sich der kurz danach aufgetretene zweite Performer, dessen Band selbstverständlich das gleiche Stück, nur zeitlich ein wenig versetzt, spielt. Der Zuhörer hört aber im Grunde nur die Transformation der Musik durch den Mund der Performer.

Szene 5: "Musik 2"
An Stelle der Walkmänner tragen die Performer in dieser Szene je einen Ghetto-Blaster, der auf maximalen Pegel eingestellt ist.
Auch diese beiden Geräte laufen asynchron und spielen "My Way". Selbstverständlich singen die beiden Performer wieder mit, was aber wegen der großen Lautstärke der Apparate keiner wahrnimmt.

Szene 6: "Das Museum"
Auf der Spielfläche steht eine weiße Säule, wie sie in Museen benutzt wird, um kleine Plastiken auszustellen. Auf dieser Säule befindet sich ein Walkie-Talkie. Über die im Saal befindlichen Lautsprecher hört man, langsam eingeblendet, wunderschöne Vogelstimmen – eine Frühsommer-Morgenstimmung. Langsam entwickelt sich darüber die Klaviersonate Nr. 21 in B-Dur von Franz Schubert. Nachdem sich Vogelstimmen und Klavier etabliert haben, hört man aus dem Walkie-Talkie eine Stimme: "Hallo!" Nach einer längeren Pause wieder: "Hallo!" Dieser Vorgang wiederholt sich mehrmals, dann blendet der Schubert aus und kurz danach auch die Vogelstimmen und Stille kehrt ein.