Klangmikado
'Waltraud Cooper
Waltraud Cooper
aus der Serie "Digitale Poesie" Musik: Gerhard E. Winkler
Unter dem Titel "Digitale Poesie" habe ich eine Reihe von Arbeiten zusammengefaßt, deren zentrales Thema die Umsetzung von Sprache/Dichtung ins Visuelle ist. Die Mittlerfunktion eines hiebei verwendeten Computercodes führte später dazu, daß sich mein künstlerisches Anliegen in eine Richtung entwickelte bzw. sich in dem Sinne erweiterte, alle Formen künstlerischen Ausdrucks, sprachliche, visuelle, musikalische, gleichzeitig zu verwenden und mittels Computer und Computercode direkt ineinander umzusetzen.
Ein Beispiel für diese Arbeitsweise ist das Projekt "Auf der Suche nach den vergessenen Namen", eine computergesteuerte Neoninstallation für das Künstlerhaus Graz. Ihr Kernstück ist ein Computerkeyboard, in das Besucher – im Sinne einer kollektiven Aufarbeitung unserer künstlerischen und wissenschaftlichen Vergangenheit – die wiedergefundenen Namen eintippen und speichern können. Sie werden von einem Computer via Computercode zu Licht und Klang transformiert. Geistige Leuchten. Klingende Namen.
Ein ähnliches Prinzip verfolgt der "Friedensfries", eine computergesteuerte Neoninstallation zum Thema "Alle Menschen werden Brüder" im österreichischen Konferenzzentrum der UNO-City Wien, dessen Lichtgeschehen durch Schillers "Ode an die Freude" gesteuert wird, ergänzt durch Aussagen zum Frieden, die Besucher aus aller Welt auf einem Keyboard wiedergeben können.
Bei der in Planung befindlichen künstlerischen Gesamtgestaltung eines neuen Institutsgebäudes der Universität Graz wird als Grundlage für die Musik- und Lichtgestaltung die Chronik der Universität herangezogen, zusammen mit wichtigen Schriften berühmter ehemaliger Lehrer – wie etwa des Quantenphysikers und Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger – und wird immer wieder ergänzt durch neu hinzukommende Veröffentlichungen zeitgenössischer Wissenschaftler. Musik: Anestis Logothetis.
Texte allgemeiner Natur, aber auch Gedichte, Prosa, waren es, die von Besuchern der Biennale Venedig 1986 über Computer und Computercode in Licht- und Klangspiele transformiert wurden.
Auf ganz anderen Prinzipien und Überlegungen beruht ein – nicht ausgeführtes – Projekt für ein EDV-Gymnasium im Großraum Linz, wo mit Hilfe von Elektronik und Computer das Geschehen an der Schule selbst zum Anlaß wird, um sie mit Licht zu erfüllen: Eine lebende Plastik, eine Licht- und Klangplastik, die mit der Schule mitlebt.
Mit diesen Beispielen wäre ansatzweise der künstlerische Umkreis beschrieben, innerhalb dessen das Klangmikado zu sehen ist. Auch hier geschieht die Umsetzung über Elektronik und Computer, auch hier ist es erst der Besucher, der Beteiligte, der Interessierte, der die Umsetzung auslöst, der die künstlerische Arbeit vollends zur Ausführung bringt, der sie praktisch vollendet. Bei Klangmikado kreiert jedes Spiel mit den überdimensionierten, transparenten Mikadostäben über Elektronik und Computer eine neue Klangwelt, wird zu einer neuen Komposition.
Gerhard Eduard Winkler: ZUR MUSIKALISCHEN KONZEPTION DES „KLANGMIKADOS“ Symbole, Signale und Evokationen von Bedrohung, Angst und Zerstörung korrespondieren mit der zugrundeliegenden Form-Idee des unverbunden und unvermittelt auf uns Einstürzenden – Kennzeichen jeder Über-Zivilisation.
Daß all dies spielerisch-beiläufig ausgelöst wird, widerspricht bei Gott nicht unserer täglichen lebensbedrohlichen Erfahrung: Wer weiß denn wirklich noch, welcher Knopfdruck Spiel und welcher tödlicher Ernst ist?
Heitere Gelassenheit, zarte Eleganz und die unendlich sensitive Motorik des "Mikado"-Spieles sind unsere Waffen.
Salzburg, Sommer 1987
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