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Ars Electronica 1987
Festival-Programm 1987
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Festival 1979-2007
 

 

Raumklänge
Waterworks

'Alvin Curran Alvin Curran

"WATERWORKS" - Ein Concerto grosso fur Schiffshörner und Feuerwerk, Himmelstrommeln, Synthesizer und Tubabläser
Konzept, Komposition und Live-Elektronik: ALVIN CURRAN (Rom)
Feuerwerk: PIERRE-ALAIN HUBERT (Marseille)

Pyrotechnik: Ing. Alfred Pokorny (Sollenau)
Schiffshörner: Fa. Zöllner (Kiel)
Schiffshornspieler: Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Anton Voigt am Brucknerkonservatorium (Linz)
Baßtubaspieler: Mitglieder der Militärmusik Oberösterreich unter der Leitung von Hauptmann Eduard Stallinger (Linz)
Computerprogramm: Gerd Eiden (Berlin)
Tontechnik: Nicola Bernardini (Rom)
Technische Koordination: Dipl.-Ing. Kay Rebensburg (Berlin)

Mit freundlicher Unterstützung der Ersten Donaudampfschiffahrtsgesellschaft (Linz)

Gemeinsame Veranstaltung von Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH (LIVA) und Österreichischer Rundfunk/Landesstudio Oberösterreich


WATERWORKS – ein Concerto grosso für Schiffshörner und Himmelstrommeln – ist ein großangelegtes Environmentkonzert, bei dem zwei natürliche Phänomene – die Menschenstimmen ähnlichen Rufe der riesigen Schiffshörner und das grandiose visuelle und aktistische Schauspiel eines Feuerwerks – ihre Zaubermacht zu einem einzigen künstlerischen Großereignis vereinen.

Als Auftragswerk für das Ars-Electronica-Festival konzipiert, sind für die Realisation der Musikpartitur ein Orchester aus 22 Schiffshörnern (11 computergesteuerte und 11 manuell gespielte), 6 Baßtuben, 2 Digitalkeyboards und gespeicherte natürliche Klänge erforderlich. All diese Elemente werden dann integriert mit den Tempi, dem Rhythmus und den Sequenzen des Feuerwerks von Pierre-Alain Hubert. Es wird bei diesem Concerto grosso nicht einfach sein festzustellen, wer nun Solist und wer Orchester ist, da sich die Beteiligten ständig in diesen Rollen abwechseln.

Seit etwa zehn Jahren lasse ich mich in meiner Arbeit von martimen Klängen inspirieren und bringe sie zur Darstellung. Unter denn Namen MARITIME RITES sind diese Stücke in unterschiedlichster Form gestaltet worden: Chöre, die auf größeren und kleineren Seen von Ruderbooten aus singen, eine zehnteilige Radiofolge, bei der Solisten wie John Cage, Pauline Oliveros, George Lewis, Malcolm Goldstein, Joe Celli, Leo Smith, John Gibson, Steve Lacy und Clark Coolidge mitwirkten, im Zusammenspiel mit meinen Aufnahmen von diversen Nebelhörnern, Glocken, Bojen, Gongs etc., die ich entlang der amerikanischen Ostküste gemacht und zusammengestellt hatte, und auch Schiffshornkonzerte in den Häfen von La Spezia, Amsterdam und Kiel.

Diese früheren Schiffshornkonzerte waren für festliche Anlässe komponiert und hingen musikalisch davon ab, welche Schiffe gerade im Hafen lagen und bereit waren mitzumachen. Dabei wußte man vorher wirklich nicht, welche Töne kommen würden – das heißt, die Tonhöhe schied a priori als Kompositionselement aus, und man konnte nur Längen und Dichten festlegen; trotzdem ergaben sich jeweils ganz erstaunliche Tonkombinationen.

Im vergangenen Juli erhielt ich den Auftrag von der Stadt West-Berlin, für den WASSERKORSO im Rahmen ihrer 750-Jahr-Feier ein Schiffshornkonzert zu komponieren Es wurde am Ufer des Tegelsees aufgeführt, und ich setzte zwölf Hörner ein (sowohl elektrische als auch pneumatische), die von der Firma Zöllner aus Kiel kamen. Hier konnte ich, auf Grund der feststehenden Töne der Hörner, zum ersten Mal eine exakt notierte Partitur erstellen. Dieses 22 Minuten dauernde Werk wurde von einem Computerprogramm und einem elektronischen Interface, das Gerd Eiden erstellt hatte, automatisch gesteuert und erklang vor 100.000 Zuschauern.

Mit dieser Erfahrung von Berlin und unter sorgfältiger Berücksichtigung der speziellen Größe und der akustischen Gegebenheiten des Ausführungsortes an der Donau in Linz habe ich nun das "Orchester" wesentlich vergrößert und elf manuell gespielte Hörner auf zwei Brücken und auf beiden Ufern zusätzlich zu der fixierten Gruppe der elf computergesteuerten Hörner am Ufer gegenüber des Brucknerhauses vorgesehen. Außerdem werden sechs Tubaspieler ihre tiefen Baßtöne, Melodien und Akkorde beisteuern. Ich werde einen bescheidenen Solistenpart übernehmen und auf zwei Keyboards spielen – eines ist mit einer Auswahl von Schiffshornklängen programmiert und das andere mit Feuerwerksklängen. Um diese etwas eintönige Klangfärbung noch bunter zu gestalten, werde ich Fragmente gespeicherter Umweltklänge aus der ganzen Welt und auch Andeutungen von Melodien von Bruckner und Händel einschleusen. Das alles wird in rhythmischer Übereinstimmung die explosive Traumwelt des Feuerwerkes von Hubert mitgestalten.

Pierre-Alain Hubert:
IN DER NACHT HABEN REGENBOGEN KEINEN SCHATTEN


"Mit Donnerschlägen und Feuerwerken muß man die schlaffen und schlafenden Sinne ansprechen."

Friedrich Nietzsche
Feuerwerke vereinen die mythische Macht des Feuers mit der verfeinerten Ästhetik eines barocken Festes. Sie entstehen aus der blendenden Symbiose von Mineral und Kosmos und sind gleichzeitig ein Produkt elementaren, fundamentalistischen Gedankengutes und fortschrittlichen Wissens um chemische Phänomene.

Eine ephemere Kunst, die vernichtet und selbst vernichtet wird. Wahrhaft zwielichtiger Kunst entspringt diese imaginäre nächtliche Welt. Zugleich Merkur und auch Jupiter.

Im Zeichen von LUFT und FEUER fixiert. Aber dennoch interdimerisional enthüllt dieser Garten grellen Lichts auch das Ausmaß der Erde und des Wassers, das seinerseits zum flüssigen Spiegelbild wird. Der Pyrotechniker oder Feuerwerkskünstler versucht uns allabendlich die Geburt der Sonne und der Galaxien vorzuführen. Äußerst emotional veranlagt, kennt er es tot und gleichzeitig voller pulsierendem Leben, intim und universal, er kennt Tränen und Lachen. Er verkörpert Karneval und Fastenzeit: Barock und doch frugal. Er scheint zum Widerspruch in sich selbst berufen. Aus all diesen Gründen sind Feuerwerke Kunst, die alte Tradition und doch ewig jung ist.

Und der Feuerwerker materialisiert diese Zelebration und macht daraus eine zweideutige Hommage. Durch das Medium der Elemente kann er nur eine Zukunft des Details bieten, in welcher seltene Mineralien, kostbare Metalle und wissenschaftliches Bemühen in wenigen Augenblicken zu Staub und Asche werden … Eine poetische Mineralogie des Nichts.

Pierre-Alain Hubert