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Ars Electronica 1987
Festival-Programm 1987
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Infermental
Das elektronische Network der achtziger Jahre



Mit der Gründung des ersten internationalen Magazins auf Videocassetten INFERMENTAL in Budapest im Jahr 1980 strebten ungarische und polnische Experimentalfilmemacher die Schaffung eines unabhängigen Organs für innovative kinematographische Arbeiten an. Ein geistig offenes Forum, das in allen Filmformaten wie S-8, 16 mm, 35 mm und die diversen Video-Standards 3/4 und 1/2 Zoll, neuerdings auch Video 8, geschaffene künstlerische, wissenschaftliche und insbesondere interdisziplinäre Werke akzeptiert, steht jedem Künstler oder Wissenschaftler, der sich an das Network anschließt, zur Verfügung. Die Redaktion der jährlich erscheinenden neuen Ausgaben übernehmen jeweils internationale oder lokale Künstlergruppen in verschiedenen Städten und Ländern. Durch diesen Brauch ist eine weite Berücksichtigung von diversen Subkulturen und künstlerisch-wissenschaftlichen Formationen in aller Welt gewährleistet. Jede Ausgabe trägt die prägnanten Merkmale der Produktionsstätte und stellt den Kontext der internationalen Arbeiten letztendlich doch aus der spezifischen Sicht des aktuellen Gastlandes her. Trends, Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden durch die Bildung von verschiedenen Kategorien anhand der eingegangenen Arbeiten herauskristallisiert. Diese Gliederung ist die wichtigste Tätigkeit der jeweiligen Redaktion. Das vorhandene Konzept, das erstmals in dem Einladungsbrief an die Künstler und Wissenschaftler herausgeht, wird schließlich während der redaktionellen Arbeit insofern flexibel gehandhabt, als man erst nach der Sichtung aller eingegangenen Werke eine endgültige Strukturierung der Ausgabe vornimmt. Bei dieser Tätigkeit steht jeder Redaktion die Hilfe der Coordination (Köln) und ein Redakteur der vorangegangenen Ausgabe zur Verfügung, um ein gewisses "Knowhow" zu vermitteln. Die Finanzierung jeder Edition wird ebenfalls von der Redaktion besorgt, die bislang ausschließlich durch die öffentliche Hand unterstützt wurde. Das heißt, daß INFERMENTAL auch nur solange bestehen bleiben soll, wie sich Gruppen in aller Welt finden, die aus eigener Kraft eine Ausgabe mit Konzept und Finanzierung auf die Beine stellen können. Diese Handhabung verstärkt den wahren Network-Charakter von INFERMENTAL und auch dessen freie Erweiterung in jede Richtung. Als einzige Regel behält sich die Coordination und der "Rat" aller bisherigen Redakteure vor, sich gegen ausdrücklich kommerzielle Konzepte auszusprechen und in erster Linie innovative Ideen zu unterstützen.

Im folgenden möchte ich die Redaktionen und die Struktur der bisher fertiggestellten sechs Jahresausgaben vorstellen. Für diesen Herbst ist eine USA- und für das Frühjahr 1988 eine japanische Ausgabe durch die Gruppe Om/Rice in Tokyo in Aussicht. Bezüglich einer österreichischen Ausgabe stehen wir mit der Medienwerkstatt seit längerem in Verbindung.

INFERMENTAL I
(Berlin 1981/82)
Produktion: DAAD, DFFB
Redaktion: Gábor Bódy und Astrid Heibach
Assistent: Gusztáv Hámos
37 Beiträge, 8 Länder, 4 Stunden

Kategorien:
  1. The mirror as motif

  2. Analysis of mass media

  3. Artists' statements

  4. New Narrative

  5. Time and space articulation through human movement

  6. Vocal experiments
INFERMENTAL II
(Hamburg 1983)
Produktion: Filmbüro Hamburg
Redaktion: Oliver Hirschbiegel und Rotraut Pape
Supervisor: Vera Bódy
77 Beiträge, 15 Länder, 6 Stunden

Kategorien:
  1. Stress therapy

  2. Heroes & gnostics

  3. Modern life

  4. What I am

  5. Services

  6. Ritual mechanics
INFERMENTAL III
(Budapest 1984)
Produktion: Béla Balázs Studio
Redaktion: László Beke, Péter Forgács, Peter Hutton und Malgorzata Potocka
Supervisor: Rotraut Pape
99 Beiträge, 18 Länder, 6 Stunden

Kategorien:
  1. New claustrophobia

  2. Hard- and software

  3. Puppet

  4. Cut up

  5. Eccentrics

  6. Life feeling

  7. Personalities

  8. Tango and relatives
INFERMENTAL Extra-Ausgabe
Produktion: Sekretariat NRW
Redaktion: Werner Nekes, Egon Bunne, Marcel Odenbach und Ursula Wevers
Supervisor: László Beke
34 Beiträge, 7 Länder, 4 Stunden
INFERMENTAL IV
(Lyon 1985)
Produktion: FRIGO und Maison de la culture St. Etienne
Redaktion: FRIGO
Supervisor: Astrid Heibach
102 Beiträge, 14 Länder, 7 Stunden

Kategorien:
  1. Ethno-Mondiale

  2. Ethno-Occidentale

  3. Logique Emotionelle

  4. Narcisse

  5. Media Mystic

  6. Simulacre

  7. Société
INFERMENTAL V
(Rotterdam 1986)
Produktion: Con Rumore und Ministerie van W.V.C.
Redaktion: Leonie Bodeving, Rob Peree und Lydia Schouten
Supervisor: Egon Bunne
39 Beiträge, 13 Länder, 5 Stunden

Kategorien:
  1. The hero

  2. Desire

  3. Narrative Video

  4. Electronic Imagery

  5. Sound
INFERMENTAL VI
(Vancouver 1987)
Produktion: Canada Council und Western Front Video
Redaktion: Hank Bull und Vera Bódy
Supervisor: Gérard Couty (FRIGO)
59 Beiträge, 25 Länder, 6 Stunden
Special feature: Cross-Cultural Television
Redaktion: Hank Bull und Antoni Muntadas

Kategorien:
  1. Satellite Control

  2. Poetical Economy

  3. Fractal Grammar

  4. Telepathic Music

  5. Myxology
Special feature: Cross-Cultural Television

Die Ausgaben zirkulieren als Infospeicher (Oliver Hirschbiegel) um "infomagnetischen Lebensraum" (Gábor Bódy) um die Welt und verwirklichen damit den Wunsch der Gründer von INFERMENTAL: ein jury- und zensurfreies, unadministratives und eigenverantwortliches Organ mit Network-Distribution (jede Redaktion ist gleichzeitig Distributeur aller Ausgaben) etabliert zu haben. In dem durchorganisierten System der Fernsehanstalten und der weit vorprogrammierten steifen Struktur der Kulturinstitutionen (Museen, Galerien, Festivals) könnten viele der in Infermental veröffentlichten Arbeiten allein niemals einen Platz erhalten. Die anthologisierende und enzyklopädisierende Tätigkeit von INFERMENTAL wird sicherlich eine Zeitgeistdokumentation, die mit anderen Mitteln und Wegen nicht möglich gewesen wäre.