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Ars Electronica 1987
Festival-Programm 1987
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Festival 1979-2007
 

 

Die Systemische Malerei
Ausstellung

'Peter Kotauczek Peter Kotauczek

Die Systemische Malerei verbindet die Möglichkeiten des "befreiten Bildes" (Weibel), also der elektronischen Bildmanipulation, mit den künstlerischen Ausdrucksmitteln wie Farbe, Struktur in der konventionellen Malerei. Damit können neue, bisher nicht mögliche Bildwerke geschaffen werden.

Maurice Denis schrieb 1890: "Ein Gemälde ist eine plane Fläche, bedeckt mit Farben in einer bestimmten Ordnung." Er meint damit, daß das eigentliche Bild erst im Kopf des Betrachters entsteht. Seurat hat mit seinen Werken gezeigt, daß diese Auflösung künstlerisch realisierbar ist. Die weitere Entwicklung der Malerei hat wohl einige Schwenks in die Gegenrichtung gebracht, aber den Trend zur bewußten Konzentration auf die Strukturproblematik fortgeschrieben.

Mit dem Systemismus hat die Malerei als letzte Kunstform jene Schwelle erreicht, die von den anderen Möglichkeiten der Kunstausübung, wie Musik, Literatur oder Darstellende Kunst schon im ausgehenden Mittelalter zu überschreiten begonnen wurde. Ich meine die Trennung von Kreation und Produktion.

Der Systemismus strebt in der Malerei die Überwindung des ehernen Prinzips der Einheit von Kreation und Produktion an, indem er in der Malerei das Prinzip der "Kunstmaschine" und des "Symbiotischen Systems" einführt. Damit wird auch in der Malerei der Schwerpunkt von der "Meisterlichen Hand" zum kreativ-schöpferischen Geist vorgeschoben, was die Malerei in Zukunft stark beeinflussen könnte. Die Arbeitsweise des Malers nähert sich der des Komponisten an.

Daß diese Entwicklung in der Malerei realisierbar ist, möchte ich mit dem von mir geschaffenen System beweisen und mit den damit gemalten Bildern dokumentieren. Ich arbeite mit Lasurfarben auf allen klassischen Malgründen.

Mit Denis bin ich der Meinung, daß Malerei im wesentlichen das Aufbringen von Farbe auf eine ebene Fläche ist. Wie das geschieht, bestimmt ausschließlich der Künstler. Ob er zwischen seinem Geist und der Leinwand ein, zwei, drei oder beliebig viele natürliche oder künstliche Werkzeuge einfügt, ist unerheblich und bestenfalls durch die Konvention vorbestimmt.

In meinem Falle besteht das System aus mir, drei Computern und einem ASR-System zum Auftragen der Farbe. Dieses Quintett aus Subsystemen ist zu einem interaktiven Gestaltungssystem verknüpft, als dessen Werk das Bild zu verstehen ist, welches bei Ausfall einer der fünf Komponenten nicht mehr denkmöglich ist. Daher ist das Gemälde ein Produkt des Gesamtsystems und nicht des Menschen "Künstler" allein. Man kann sagen: Ein Bild von einem Menschen erdacht, erträumt, aber nicht von Menschenhand geschaffen.

Peter Weibel:
COMPUTERMALEREI
"Die Kunst ist tot. Es lebe die neue Maschinenkunst Tatlins", stand auf einem Schild, mit dem im Juni 1920 anläßlich einer Dada-Ausstellung George Grosz und John Heartfield gegen die Kunst demonstrierten. Mit diesem Schild wurde eines der wichtigsten Ziele der künstlerischen Avantgarde zwischen den zwei Weltkriegen, nämlich die Mechanisierung der Kunst, proklamiert. Vom Theater bis zur Musik hat diese Mechanisierungstendenz große Triumphe gefeiert, vom "Ballet mécanique" eines George Antheil und Fernand Léger bis zur "Partiturskizze einer mechanischen Exzentrik" von László Moholy-Nagy. Abgesehen vom "Tubismus" eines Léger und Henryk Berlewis Mecano-Faktur-Malerei hat jedoch die Malerei am obstinatesten sich dieser Mechanisierungstendenzen widersetzt, mit denen die Kunst im Werk, im Instrument, in der Komposition selbst den zeitgenössischen sozialen Formen der industriellen Gesellschaft Widerhall geben wollte. Max Ernst hat die paradigmatische Bedrohung gespürt und zwei berühmte Gemälde zum Problem der Mechanisierung der Malerei gemacht. Das eine hieß ursprünglich "Abstrakte Kunst, konkrete Kunst" und hat die "dripping"-Technik, ein mechanisiertes Farbtröpfeln in die Kunst eingeführt, das später gerade das Gegenteil, nämlich Jackson Pollocks "abstrakten Expressionismus" ermöglichen sollte. Das zweite Bild "Der Surrealismus und die Malerei" (1942) zeigt ein animalisches, vogelartiges Fabelwesen, dessen Hand ein mechanisch anmutendes Gemälde mit vielen überlagerten Ellipsen malt. Jean Tinguely hat eine Art Autodestruktion der Malerei eingeführt, indem er 1959 erste Zeichenmaschinen entwarf, die aus seinen mechanischen Lautreliefs (tonerzeugende Maschinenreliefs) entwickelt wurden und ab 1959 seine Meta-Matische Malerei begann, das sind bewegende Maschinen, die sich selbst bzw. ein Papier, ihre Maschinerie bemalen. Meta-Matis, mechanisierte Malerei, mechanische Malmaschinen haben die klassische Auffassung von Künstlerpersönlichkeit, Gestus, Hand als Malereifundamente zerstört. Etwas später haben Warhols Siebdrucke ebenso entscheidend das mechanische Element in die Malerei eingeführt. Die Computermalerei ist ein weiterer Schritt in der Mechanisierung der Produktion von Malerei, die aber nicht die Ergebnisse randomisiert wie bei Tinguely oder fremd-determiniert reproduziert wie bei Warhol. Sondern die freien künstlerischen Entwürfe, die auf einem digitalen Bildschirm, der für jede Imagination zugänglich ist (analog oder digital) hergestellt werden, werden durch einen zweiten Computer geschickt, der die bildmäßige Vorgabe auf dem Bildschirm in ein Programm mechanisch abzählbarer Schritte umsetzt. Von dort gehen dann die Impulse aus, durch welche mit einer beweglichen Konstruktion mehrerer Luftpinsel das Gemälde auf ein mechanisches Gestänge übertragen wird, indem der mechanische Pinsel in Schichten mehrmals über die horizontal aufgespannte Leinwand fährt. Durch diese Mechanisierung eines Teilabschnittes der Produktion von Malerei kann der Künstler nach fertiger Skizze auf dem Computer nach Hause gehen und der Malroboter vollendet in den nächsten zwölf oder 24 Stunden sein Werk automatisch. Die mechanische, teilautomatische Produktion von Malerei ist ein historisch längst fälliger Schritt, der durch die digitale Technologie ermöglicht wird. Insofern sind die Erfindung Peter Kotauczeks und andere vergleichbare mechanisch-digitale Zeichenhilfsgeräte sehr wichtig. Denn die Mechanisierung der Produktion (auch von Malerei) ist eine notwendige Adjustierung an die bereits stattfindenden Mechanisierungen der Wahrnehmung durch alle möglichen Sehmaschinen und der (musikalischen) Konstruktion etc. Diese Mechanisierung der Malerei öffnet nicht für das industrielle Handwerk (Großmalerei auf Kacheln, keramischen Wänden, Häusern, Metallen, Tüchern etc.), sondern auch für den Künstler ein neues, weites Feld. Das dabei en passant alte Farbtheorien wie Divisionismus (Segantini), Pointillismus, Rastertechnik und "Blotting Line" revitalisiert werden, erweist Kotauczek als Pionier gemäß Bazon Brocks These, daß Avantgarde rückwirkend Traditionen schafft.