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Ars Electronica 1986
Festival-Programm 1986
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Festival 1979-2007
 

 

Vorwort


'Karl Gerbel Karl Gerbel / 'Hugo Schanovsky Hugo Schanovsky / 'Horst Stadlmayr Horst Stadlmayr / 'Hannes Leopoldseder Hannes Leopoldseder

PROF. HUGO SCHANOVSKY
Vorwort
Heuer findet zum fünften Mal in Linz die Ars Electronica, das große Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft, statt.

1979 erfolgte die Premiere im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes. Diese Verbindung erhielt sich auch 1980 und 1982 beziehungsweise 1984, wobei sich ein neuer Rhythmus der Veranstaltung als Biennale abzuzeichnen begann.

Erstmals wird allerdings heuer Ars Electronica terminlich vom Internationalen Brucknerfest im Frühherbst abgetrennt und in den frühen Sommer, genau: in die dritte Juni-Woche, verlagert.
Linz erhält damit neben dem traditionellen Brucknerfest ein zweites großes, dem zeitgenössischen Experiment weithin geöffnetes Festival.

Die kommunale Kulturpolitik und Veranstaltungsplanung erwartet sich von dieser neuen Weichenstellung Impulse, die weit über das kulturelle Leben hinaus auch in den Bereich der Wirtschaft und des Fremdenverkehrs bis hin zur Hotellerie reichen. Kultur erweist sich somit als Motor gesellschaftlicher Entwicklung.

Ich möchte als Bürgermeister im Rahmen dieser aufschlußreichen, eigens für die Ars Electronica konzipierten Publikation den verantwortlichen Organisatoren der LIVA und des ORF namens der Stadt Linz für die geglückte bisherige Zusammenarbeit danken.

Die Zukunft macht freilich eine Spezialisierung auf konkrete Aufgabengebiete notwendig. So wurde in der LIVA bereits eine eigene Abteilung zur Weiterplanung und Organisation der Ars Electronica eingerichtet. Der ORF wiederum bringt eigenständige, auf die Struktur des Festivals abgestimmte Teilveranstaltungen in das Gesamtprogramm ein. Seine Veranstaltungen konzentrieren sich in erster Linie auf das Landesstudio Oberösterreich. Hörfunk- und Fernseh-Berichterstattung weisen der Ars Electronica jenen nationalen und internationalen Rang zu, der diesem kulturellen Großereignis auch medienpolitisch gerecht wird.

Die Programmkonzeption der LIVA geht davon aus, daß Ars Electronica vor allem ein großes künstlerisches Ereignis ist, in dessen Mittelpunkt die Auseinandersetzung mit Kunst, Technologie und Gesellschaft steht. Mit dieser Themenstellung ist Ars Electronica einzigartig. Es gibt bisher kein vergleichbares Festival. Veranstaltungsorte neben dem Brucknerhaus und dem Landesstudio Oberösterreich des ORF sind auch die Neue Galerie, das Nordico, die Schiffswerft, der Posthof, das Musische Zentrum, die Linzer Stadtwerkstatt, der Hauptplatz und der Donaupark. Darüber hinaus wird es selbstverständlich auch wieder Projekte im offenen Raum für möglichst viele Menschen geben. Dafür vorgesehen sind der Hauptplatz mit dem Eröffnungsprojekt und der Donaupark, der ja als künstlerisch akzentuierte Kulturlandschaft ein besonderes Gepräge zeigt.

Zum Abschluß wünsche ich mir für die Landeshauptstadt, daß unser aufgeschlossenes Publikum das exklusive Kulturangebot der Ars Electronica auch optimal nützt. Ebenso mögen zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland den überregionalen Ruf des jungen Festivals verbreiten helfen.

Den Anstrengungen der Planer, der Organisation und der mitwirkenden Künstler und Wissenschafter aber gebührt unser aller Dank.

Prof. Hugo Schanovsky
Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz
DR. HORST STADLMAYR/KARL GERBEL
Vorwort

Kunst ist der Statthalter der Utopie, das allein rechtfertigt sie.
(Max Frisch)
Ars Electronica versteht sich als ein zeitgenössisches Festival ohne historisierenden Blick, aber auch ohne Zukunftseuphorie und blinde Technologiegläubigkeit. Die Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH (LIVA), die für das Programm von Ars Electronica verantwortlich zeichnet, versucht, im Sinne Robert Rauschenbergs der Technologie jenen Platz zuzuweisen, der ihr zukommt: ein Werkzeug zu sein für die Verwirklichung künstlerischer Ideen und nicht Bedeutung.

Im Zeitalter der technologischen Revolution leben wir im Prozeß der Veränderung aller Lebensbereiche: diese Schlagwörter haben auch für die Gestaltung von Ars Electronica Gültigkeit. Neue Technologien ermöglichen die Militarisierung des Weltraums; eröffnen den Forschern Blicke in noch unbekannte Mikro- und Makrobereiche, revolutionieren die Medizin; erleichtern die Arbeit und/oder vernichten Arbeitsplätze; führen uns die Möglichkeit einer vom Menschen selbst gesteuerten Apokalypse vor Augen.

Ambivalent erleben so der Einzelne oder Interessengruppen diesen Prozeß der Neudefinition unserer Kultur.

Auch Künstler stellen sich dieser neuen Entwicklung. Viele haben Pinsel, Klavier oder Film gegen Computer, Video oder Laser getauscht und die Auseinandersetzung mit neuen Technologien ist zu einem Faktor im Kunstgeschehen geworden: Nam June Paik, Pionier der Videokunst, macht Technologie lächerlich; John Sanborn macht sie sanft; Cabaret Voltaire zeigt sie gewalttätig und Minus Delta t mystisch.

Ars Electronica, als Seismograph der künstlerischen Avantgarde im Spannungsfeld Kunst–Technologie, will nun diese Vielfalt der künstlerischen Annäherungen vorstellen. Künstlerische Projekte sollen aber das Publikum nicht zur Gewöhnung, zur einfachen Akzeptanz neuer Technologien anregen. Ars Electronica versteht sich auch als Ort der kulturellen Konfrontation, die eine kritische Dimension in das künstlerische und gesellschaftliche Nachdenken über unsere Zukunft einbringt.

Ars Electronica 1986 stellt 34 Projekte vor, davon sind 19 Auftragswerke von Ars Electronica initiiert. Künstler aus neun verschiedenen Ländern präsentieren originäre Ereignisse; Fertigprodukte aus dem Supermarkt der Kunst haben keinen Platz. Bewußt geht die LIVA bei Projekten unter dem Titel "Kunst im offenen Raum" neue Wege, hin zur ästhetischen, kommunikativen und nicht vordergründig technologischen Zurückgewinnung der "res publica". Zwei Projekte sind 1986 dafür beispielhaft:

AURORA ELETTRONICA, das Eröffnungsereignis am Linzer Hauptplatz in Licht, Laser, Musik und Multivision von KRYPTON. Der Linzer Hauptplatz ist dabei nicht nur Bühne, sondern Thema des Ereignisses selbst – mit einer neuen visuellen technologischen Sprache versuchen KRYPTON, den Platz ästhetisch zurückzugewinnen.

A. E.: BLA BLA BLA, eine Live-Performance-Oper von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von Arleen Schloss wird im Linzer Donaupark zu sehen sein. Odysseenhaft führt dieser Tag durch die zeitgenössische Kultur. Natürliche und technologische Medien verschmelzen zu einer Einheit ebenso wie Künstler und Publikum.

Auch bei Kunstereignissen im Konzertsaal oder anderen "geschlossenen" Räumen geht es der LIVA um Qualität und Vielfalt.

METAMUSIK, von Diamanda Galas, stellt das musikalische Zentralereignis von Ars Electronica 1986 dar. Mit ihrer Stimme und dem elektroakustisch manipulierten Gesangsmaterial schafft sie mit "The Divine Punishment" eine Stimmung maschinell lebendigen Rituals.

Der 1984 mit Peter Weibel begonnene Ars-Electronica-Schwerpunkt MEDIENOPER wird 1986 von John Sanborn und seinen Freunden und von Cabaret Voltaire fortgesetzt. Geht es John Sanborn um die Technologie als perfektes Werkzeug, so diagnostizieren Cabaret Voltaire Video, Computer, Film usw. als Werkzeuge des Zerfalls, die mit schwarzem Humor und als messerscharfe intellektuelle Waffe eingesetzt werden.

TERMINAL KUNST von Jürgen Claus in den Foyers des Brucknerhauses führt an Hand verschiedener Labors dem Publikum neue Technologien als interaktive Systeme vor Augen.

Ars Electronica 1986 soll in diesem Sinn Treffpunkt für neugierige und kritische Zeitgeister sein, denen Kultur eine lebendige und lustvolle Sache ist.

Dr. Horst Stadlmayr
Karl Gerbel

Vorstandsdirektoren der Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH (LIVA)
DR. HANNES LEOPOLDSEDER
Ars Electronica als Medienfestival
Computerkultur-Tage Linz mit ORF-Videonale


Im Vorwort zum Katalog der ersten Ars Electronica im September 1979 habe ich geschrieben: "Das ORF-Landesstudio Oberösterreich will einen Impuls setzen, um in Linz ein Zentrum für elektronische Kunst – einen spezifischen, aber sehr entscheidenden Bereich der Avantgarde – ins Leben zu rufen". Diese Formulierung deklariert die Absicht des ORF in der Gründerphase der Ars Electronica. Mit der Etablierung dieses Festivals ab 1986 in Linz kann diese Absichtserklärung als eingelöst betrachtet werden. Ausgangspunkt für die ursprüngliche Ars-Electronica-Konzeption von Hubert Bognermayr, Herbert W. Franke und mir – war die Überlegung, ein Forum der Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Mikroelektronik im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich zu schaffen. Das Thema Kunst und Technologie war damals noch mehr als heute von Kontroversen geprägt. In der Zwischenzeit aber sind manche der Kritiker von damals zu Befürwortern von heute geworden. Diese Änderung ist charakteristisch für die Umbruchszeit der achtziger Jahre. Noch nie hat sich technische Innovation derart explosionsartig vollzogen wie beim jetzigen Wandel zur Informationsgesellschaft.

In diesem Sinn geht der ORF als Rundfunkanstalt bei Ars Electronica 86 wiederum neue Wege in der Mitwirkung bei einem Festival: Elektronische Kunst, nichts anderes bedeutet Ars Electronica, ereignet sich im elektronischen Medium Fernsehen, dem wirksamsten Kulturtransporteur unserer Zeit. Gleichzeitig konzentriert sich das ORF-Landesstudio Oberösterreich auf jenen harten Kern der ARS ELEGTRONICA, der 1979 Ausgangspunkt war: digitale Kunst, Computerkunst, Computer und Kultur.

Der ORF faßt daher seine Ars-Electronica-Projekte, für die er gesamtverantwortlich zeichnet, unter den "COMPUTERKULTUR TAGEN LINZ" zusammen. Computerkultur ist als Signalbegriff zu verstehen. Der Computer ist das Logo der Informationsgesellschaft. Eine neue Kultur ist im Werden. Die Computerkultur erfordert ein neues Alphabet, eine neue Sprache, ein neues Denken, ein neues Lernen.

Die Ars Electronica Computerkulturtage umfassen bewußt ein dreifaches Angebot:
  1. Das künstlerische Angebot – 12 internationale Video- und Computerkünstler schaffen für Ars Electronica Original-Videos, die in einer Video-Vernissage live im Fernsehen uraufgeführt werden.

  2. Das mediale Angebot – die ORF-Videonale präsentiert innerhalb einer Woche vom 20. bis 27. Juni 1986 20 Programmstunden mit Video- und Computerkunst. Eine Fernsehwoche mit anderen Bildern.

  3. Das wissenschaftliche Angebot – das Symposium über Computerkultur vereint internationale Wissenschafter, Künstler und Experten zur theoretischen Erörterung der neuen Bildkultur.
Das dreifache Angebot der Ars Electronica COMPUTERKULTUR TAGE ist eine mehrfache Einladung in die Zukunft: Für die Künstler, für das Fachpublikum und für die breitere Öffentlichkeit durch eine Fernsehwoche mit anderen Bildern.

Dr. Hannes Leopoldseder
Intendant des ORF-Landesstudio Oberösterreich