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Ars Electronica 1986
Festival-Programm 1986
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Festival 1979-2007
 

 

Das digitale Piano


'Richard Teitelbaum Richard Teitelbaum

Musikautomaten gibt es schon seit dem 14. Jahrhundert, und Komponisten wie Hassler, Mozart (z.B. die Große Phantasie in f-Moll, KV 608 für mechanische Orgel), Beethoven, Strawinsky, Hindemith und andere haben dafür Werke geschaffen. Fraglos am gründlichsten hat sich mit diesem Medium der Exilamerikaner Conlon Nancarrow befaßt, dessen außergewöhnliche "Studies for Player Piano" erst kürzlich "entdeckt" wurden, nachdem sie jahrelang nicht beachtet worden waren.

Mit dem Auftauchen digitaler, elektronischer Hardware, wie sie z.B. bei dem MARANTZ PIANOCORDERSYSTEM Verwendung findet, wird es möglich, ein oder mehrere Pianos mit Computern in einen Dialog treten zu lassen und so ein Echtzeit interaktives piano-Performancesystem zu schaffen, wie Sie es im heutigen Konzert hören werden. Dieses System unterscheidet sich ganz wesentlich von früheren Musikautomaten, es vereint gleichzeitig menschliches und "nichtmenschliches" Musizieren. Hierbei dient der Computer als Verlängerung und Erweiterung des Körpers und des Geistes des Komponisten – er ermöglicht ihm, pro Klavier achtzig "Finger" einzusetzen und eine unendliche Vielfalt an augenblicklichen musikalischen Reaktionen und Transformationen dessen, was er spielt, im Augenblick seines Spiels.

Bei der gegenwärtigen Struktur meines Systems wird das Material, das der Pianist auf einem Keyboard spielt, sofort in den Computerspeicher eingegeben, dort kann es gespeichert, überlagert, verzögert, transponiert, umgekehrt, sonstwie verändert werden und dann auf Geheiß des Performers an eines der zwei anderen Pianos weitergegeben werden zum "Playback". Dies kann entweder simultan, also gleichzeitig, geschehen oder zu einer bestimmten, wählbaren späteren Zeit, oder für späteren Abruf gespeichert werden. Jeder Teil des Materials kann rückgeführt und als Ostinato verwendet werden; mit Fußpedalen zur Regelung des gesamten Lautstärkenniveaus beider Nebenpianos kann der Künstler diese ausgleichen und sie an- oder abschwellen lassen.

Seit einigen Jahren befasse ich mich damit, die Spontaneität und das "direkte Eingehen auf den Augenblick" der Improvisation mit dem höheren Maß an Kontrolle und Vielfalt der strukturierten Komposition zu vereinen. Mit analogen Synthesizern versuchte ich dieses Problem dadurch zu lösen, daß ich ein komplexes elektronisches System oder Netzwerk "komponierte" und verschiedene Klang- und Steuerungsmöglichkeiten schuf, die zur direkten Auswahl und Kombination zur Verfügung standen. Das ergab eine große Auswahl an farblichen, stimmlichen, Registrier- und (in letzter Zeit) auch rhythmischen Möglichkeiten. Durch die Erweiterung der Steuerung des Zeitbereiches und die direkte Manipulierbarkeit von Details, die uns digitale Speicherung und Steuerung gebracht haben, wird die Vorstellung einer "Echtzeit-Komposition" allmählich zur Wirklichkeit.

Bei SOLO FOR THREE PIANOS wählt der komponierende und aufführende Künstler eine Reihe von Programmen, die musikalische Prozesse darstellen: sie befehlen den Computern (und dem Klavier) auf den Performer in verschiedenster Weise zu wirken, ähnlich wie eine traditionelle Partitur die Handlungen der Darsteller leitet. Vor einigen Jahren meinte John Cage, daß Komposition letztlich heißt, daß man anderen Menschen sagt, was sie zu tun haben – er fand das eine wenig elegante Lösung. Ich persönlich finde es philosophisch lohnend und auch musikalisch befriedigend, wenn ich nun die entfremdete Funktion des "Gehorsamleistens" Maschinen übertrage, die leicht in der Lage sind, Aufgaben zu lösen, die über die Möglichkeiten eines menschlichen Performers weit hinausgehen, während ich hingegen die Freiheit mir bewahre, dem Spiel der Phantasie und Inspiration freien Lauf zu lassen.

Eine derartige Einstellung zu Musik hat weitreichende Auswirkungen, und die Möglichkeiten einer weiteren Entwicklung sind, glaube ich, unermeßlich.

Richard Teitelbaum

System Design und Software-Technik:
Mark Bernard
Technik für das Konzert in Linz: Stefan Tiedje