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Ars Electronica 1986
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Festival 1979-2007
 

 

Cosmic Circus
- Theatraction

'Roland Kayn Roland Kayn

Ein "kybernetisches" Bewegungsspiel mit der kybernetischen Musik-Komposition "Makro" von Roland Kayn

Idee, Ausstattung und Inszenierung:
Jo Röhrig

Ensemble:
Mirjam Van der Grinten, Greet Neuteboom, Bianca Remrer, Addie Nijhuis, Rob Stütterheim

Künstlerische und technische Leitung:
Jo Röhrig

Regieassistenz und Zusammenstellung Kostüme:
Toi Van Gelder

Zusammenstellung Masken:
Maarten Ruarus

Dekor- und Maskenberatung:
Frits Van der Ven

Spannrahmen:
Schmiede Vogels, Den Haag

Fotos:
Robert Collette

"All the world is a stage, and all men and women merely players …" "… Creeps in the petty pace from day to day, to the last syllable of recorded time, and all our yesterdays have lighted fools the way to dusty death. … Life's but a walking shadow, a poor player that struts and frets his hour upon the stage …, it is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing."
(As you like it/Macbeth)

Lauschend nach der kybernetischen Musik-Komposition "MAKRO" von Roland Kayn, entstand die Idee für "COSMIC CIRCUS". Das wahrnehmbare Entstehen von Klängen referierte an die eigene Arbeit über das Entstehen von Bewegung. Aus Improvisationen heraus begann die Probenarbeit das zu widerspiegeln, was die Musik bereits durchgemacht hatte: "kybernetische Prozesse".

Kybernetik ist eine Wissenschaft, die sich mit dem Studium von Steuerungs- und Regelprozessen in Organismen, Gemeinschaften und in der Technik beschäftigt und dabei Analogien untersucht, die zwischen diesen Prozessen bei Lebewesen und Maschinen besteht. Der Begriff Kybernetik führt auf Plato zurück. Er beinhaltet im nautischen Bereich die Lehre von der Steuermannskunst mit den vier Instanzen, die den vier Phasen eines kybernetischen Prozesses zugrunde liegen: Zielsetzung (Kapitän), Planung (Lotse), Zuordnung (Steuermann) und Arbeitsleistung (Ruderer).

So wie "kybernetische Musik entscheidend durch Prozeßplanung bestimmt wird, bei der Regel- und Steuerungsvorgänge nach bestimmten Kriterien wechselseitig voneinander abhängen" (so Kayn), so bestimmen vergleichbare, wechselseitig voneinander abhängende Faktoren im Darstellungsprozeß szenische Resultate, die nicht im voraus festgelegt sind, Die Musik wurde Partner im Spiel, wodurch sich zwischen Klang und Bewegung unterschiedliche Beziehungen entwickelten. Sie kommen in der Identifikation miteinander, im Dialog zueinander, in der Reaktion aufeinander und auch im Transzendieren von Raum, Geschehen und Stimmung zum Ausdruck.

Hier resultieren lebende und mechanische Prozesse in einem Zusammenspiel von elementaren Theatermitteln: Körper, Klang und Raum, akzentuiert durch Licht, Schatten, bewegliche Flächen und Masken.

Ein Spiel zwischen hören und anhören, zuhören, gehören, hinhören, verhören, überhören, umhören, abhören … bis aufhören zu hören – zwischen sehen und ansehen, zusehen, aussehen …, bis absehen zu sehen, bis uns vielleicht "Hören und Sehen vergeht" und wir lauschend und schauend leben und erleben …, aber laßt uns erst mal diesen "Zirkus" überleben!
Jo Röhrig

Roland Kayn
Makro


Mit dem Verfügbarwerden einer hochkomplexen Technik ergibt sich für den Komponisten heute das Problem, inwieweit es möglich ist, ästhetische Absichten in eine adäquate Sprache, die von der Maschine verstanden werden kann, zu codieren. Bei der Generierung ästhetischer Information mittels Computerprogrammen ist der Ausgangspunkt meistenteils vom totalen Kalkül inspiriert. Die ideologische Position wird von der Absicht gekennzeichnet, "saubere" kunsterzeugende Prozesse zu verwirklichen, nämlich derart, den subjektiv-kreativen Zufall in einen Zufall objektiver Observanz umzufunktionieren.

Da die derzeitige Kapazität automatischer Programmierung im elektroakustischen Bereich der Musik im Hinblick auf die Integrierung mit realer Phänomene begrenzt ist, kam es bei dem Projekt MAKRO darauf an, kybernetische Strategien anzuwenden, die es in direktem Zugriff ermöglichten, die Prozesse in der Realzeit – also im Moment ihres Entstehens – zu beeinflussen. Der Komponist erscheint hierbei als Operator und zwar als externes Stellglied im Kreisprozeß des "Mensch-Maschine-Systems".

Als das Essentielle an nicht-vorprogrammierter und -zielorientierter maschineller Kybernetik fungiert die Unbestimmtheitsrelation innerhalb des Verlaufs, wie das Erreichen eines Schwellenwertes, die sich aus einem Annäherungsvorgang zu einem Sollwert ergebende indifferente Abweichung und Anpassungsverhaltensweise. Bei biokybernetischen Operationen treten als Endpunkte vielfältige Streuungen auf und führen zu "unwahrscheinlichen" Ereignissen. Die aus dem Wirken verzweigter Regel- und Steuerungsvorgänge hergeleiteten Komplexionen – sowohl im Mikro- als auch im Makrostrukturellen in Erscheinung tretend können vom Komponisten als "natürlich" angenommen werden. Der Biokybernetiker rechnet mehr mit der behavioristischen Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit und der beim Produktionsvorgang augenblicklich gegebenen Realität, als etwa mit präfabrizierter operationeller Logik, wie sie bei computergenerierten Prozessen zur Anwendung kommt. Die Instabilität der elektroakustischen Systeme ist bei MAKRO als generatives Prinzip gleichsam einkalkuliert und zwar bis hin zu ihren Fehlfunktionen.

Das Realisationskonzept zur Komposition MAKRO sah vor, in Annäherung zur Theorie des "Schwarzen Kastens" (black box) miteinander vermaschte Regelkreise aufzubauen. Schwarz wird der Kasten bekanntlich deshalb benannt, weil die Vorgänge in seinem Innern schwer durchschaubar sind: Lediglich die In- und Outputs, die in die black box hinein-, heraus- und wieder hineinführen (Kreisrelationen), gaben die Möglichkeit, innere Vorgänge mittels eines externen Eingriffs probabilistisch zu steuern und aus der Abhängigkeit des Ein- und Ausgangssignals normatives Verhalten abzuleiten. Die Funktionen der im Innern des "Kastens" wirkenden Aggregate, einem Verbund von beispielsweise Frequenzteiler, Produktmodulator, Flip-Flop-Schaltung, Verstärker und Nachhallmaschine, waren im Hinblick auf einen gerichteten Zugriff nicht regelbar. Es ging darum, die sich selbst organisierenden Systeme (self-organizing systems) auf der Basis von Reiz und Reaktion anzustoßen und zu testen. Das Spezifische des Konzepts bestand darin, vorab nicht programmierbare Situationen zu generieren. Regelungstechnisch bedeutet das, Systeme zu erfinden, die aus einer Gruppe von Übertragungsgliedern mit Vermaschungspunkten bestehen. Als charakteristisch für solche Systeme gilt, daß die Inputs, sofern sie der linearen Klasse angehören, zunächst ihren Eigenschwingungen folgen. Bleibt das System hierbei stabil, klingen die in ihm hervorgerufenen Resonanzen schnell ab. Es tritt Stille ein. Sofern extern, oder durch die rückgekoppelte zeitliche Versetzung eines Signals bedingt bestimmte Störfaktoren auf den Regelkreis einwirken, geht das System in Instabilität über und schaukelt sich diffus schwingend bis zum Schwellwert seines gerade noch möglichen Funktionierens auf (Autokorrelation). Diese ex- und interne Steuerung der Prozeßverläufe bestimmt in MAKRO integral die Gesamtstruktur.

Die Produktion des Werkes wurde im August 1977 in Studio 2 und 3 am "Instituut voor Sonologie" der Utrechter Rijksuniversiteit durchgeführt.