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Ars Electronica 1986
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Zur Philosophie des Hologramms
Terminal Kunst – 2. Ausstellungsabschnitt

'Jürgen Claus Jürgen Claus

Zur Einführung in den Bereich der Holographie zunächst ein paar grundsätzliche Worte, gefolgt von einer Aufgliederung der verschiedenen Holographiearten und einigen Überlegungen zur Philosophie des Hologramms.
Der amerikanische Holograph Sam Moree, der mit Dan Schweitzer die New Yorker Holographic Laboratories leitet, nannte die Holographie "ein Datenspeichersystem, in das man alles hineinpacken kann. In diesem Sinne ist sie eine Reflexion des gesamten Universums."(1)

Dieses Datenspeichersystem verspricht die heute dominierenden anderen, weitgehend digitalen Speicher zu übertreffen. Voraussetzung dafür wäre intensivere Forschung und natürlich, wie könnte es anders sein, eine andere Budgetierung.

Durch holographische Verfahren kann man optische Speicher gestalten, die dem Mikrofilm, der Diskette und anderen weit überlegen sind. "Andere spektakuläre Resultate dürfen von den sogenannten 'Holographic Optical Elements' (HOE) erwartet werden. Da Hologramme nicht nur eine Speicherfähigkeit, sondern auch eine Abbildungseigenschaft besitzen, lassen sich in Zukunft aufwendige Optiken jeder Art durch Hologramme mit entsprechenden Abbildungseigenschaften ersetzen. Mit Hilfe der computergenerierten Hologramme lassen sich sogar optische Bauelemente mit neuartigen Strahlengängen herstellen, die von keinem glasoptischen Bauelement realisiert werden konnen."(2)

Das heißt, daß die Einsatzmöglichkeiten der Holographie noch überhaupt nicht ausgeschöpft sind. Wer sich auch hier dagegen sperrt, beziehungsweise nur die negativen Auswirkungen an die ominöse Wand gezeichnet sieht, sollte sich vor Augen halten, was eine dreidimensionale Aufzeichnungs- und Wiedergabetechnologie allein in der Medizin bewirken kann. Man kann davon ausgehen, daß unsere flächigen Röntgenaufnahmen armselige Atlanten zur Analyse von Körperschäden abgeben, verglichen mit den Möglichkeiten einer dreidimensionalen Betrachtung, wobei überdies die Impulsholographie mittels Rubinlaser auch Bewegungsobjekte aufgreifen kann.

Überblickt man nun, wie angekündigt, die verschiedenen Typen der heute verwendeten Hologramme, so lassen sich je nach Speicherungs-, Farb-, Auflösungsvermögen, je nach Belichtungsart, vier Grundtypen unterscheiden.

Erkennbar an seiner brillanten Tiefe, hohen Auflösung und Einfarbigkeit ist das LASERTRANSMISSIONS-HOLOGRAMM, das es seit 1964 gibt. Es kann als Film oder Glasplatte im Format bis zu 150´180 cm hergestellt werden, benötigt bei der Vorführung eine Laser- oder Quecksilberdampfdrucklampe und einen abgedunkelten Raum. Diese etwas komplizierte Vorführtechnik hat dazu geführt, daß dieser Hologramm-Typ in den letzten Jahren zurückgedrängt wurde.

1968 erfand Benton das WEISSLICHT-TRANSMISSIONS-HOLOGRAMM, auch REGENBOGENHOLOGRAMM genannt. Es wird, frei im Raum aufgestellt oder aufgehängt, von hinten mit einem Spot, einer Weißlicht-Punktquelle oder auch von der Sonne beleuchtet. Viele Künstler haben mit dem Spektralfarben-Bild gearbeitet, die üblichen Formate sind dabei 50´60 cm oder 40´30 cm. Diese Art Hologramm kann auch im Prägedruck vervielfältigt werden.

Das HOLOGRAPHISCHE STEREOGRAMM, 1973 durch Lloyd Cross entwickelt, ist üblicherweise 30 cm hoch und in einer 40 cm breiten Glastrommel angebracht. Sie dreht sich über einer 100-Watt-Glühbirne. Zur Herstellung wird die normale Filmtechnik zugrunde gelegt. Jede der feinen senkrechten Linien ist eine holographische Aufzeichnung eines einzelnen Filmbildes, insgesamt können es bis zu über tausend Einzelbilder sein. Die Technik der auch Multiplex- oder Integralhologramme genannten Arbeiten ist recht beliebt, da Bewegungen auf einfache Art wiedergegeben werden können und die Kontaktkopien relativ billig sind.

Das REFLEXIONS-HOLOGRAMM wurde 1961 durch Yuri N. Denisyuk in der Sowjetunion entwickelt. Es reflektiert bei Bestrahlung von vorn mit einer Weißlicht-Punktquelle, hat nur eine begrenzte Tiefenwirkung und erscheint nicht so hell wie der Transmissions-Typ. Ab 1977 wurde die Technik durch den erwähnten Nick Phillips und sein Team von der britischen Loughborough Universität weiterentwickelt.

Wie erfolgreich auch immer das holographische Kino und Fernsehen in der Zukunft sein werden: Sollten sie tatsächlich einen Durchbruch erleben – worüber die Meinungen auseinandergehen –, dann werden auch sie die Realität anpeilen, werden die Körperhaftigkeit der uns umgebenden Dingwelt voll ausspielen. Künstlerisch interessant ist offensichtlich der Weg, holographischen Illusionsraum und realen Raum in einer Art skulpturaler Synthese zu vereinen.

Ich will mich schließlich noch einmal der anfangs gestellten Frage zuwenden: Was macht das PHÄNOMEN Holographie aus, jenes Phänomen, das sich unter anderem durch ein zunehmendes, intensives Publikumsinteresse darstellt? Da ist sicher zunächst die unbekannte technische Komponente. So einleuchtend, im Wortsinn, das fertige Hologramm ist, so schwer ist für viele, die noch nicht in ein Holographie-Labor geschaut haben, der Entstehungsprozeß verständlich. Der Gedanke, daß sowohl Schall- wie auch Lichtwellen aufgenommen werden können, trägt zur Klärung auch nicht bei.

Als zweites trägt zum Phänomen Holographie auch die Unmöglichkeit bei, das Medium klar in bestehende Kategorien wie Fotografie, Druck etc. einzuordnen. Man kann immer leichter sagen, was das Medium nicht ist. Robert Arn hat das auf folgende Kurzformel gebracht: "Eigentlich hat die Holographie weniger mit Fotografie als mit Tonbandaufzeichnungen, dem Entschlüsseln von Geheimschriften oder dem Tiefgefrieren von Kaffee zu tun. Hat man einmal verstanden, wie ähnlich sich diese scheinbar völlig verschiedenen Prozesse sind – Zerlegen und Aufbauen –, so hat man damit die Eintrittskarte zur modernen Welt im Kopf."(3)

Im selben Text meint Arn, man solle im Hologramm kein Bild sehen, sondern eher eine Landkarte beziehungsweise eine Aufzeichnung von RAUM. Insofern sei Holographie ein bildhauerisches Medium. "Die Tatsache, daß der andere wichtige Teil der Skulptur – ihre Masse – der Holographie völlig fremd ist, verbindet sie noch mehr mit der traditionellen Bildhauerei. Reale Objekte und Hologramme können interagieren und in diesem Prozeß unentdeckte Wege durch den Raum eröffnen, Wege, die wir als Betrachter zwar durchlaufen, aber vielleicht nicht ganz verstehen. Nein, Holographie ist keine 3-D-Fotografie.

"Was ist Holographie also?", fragte der Autor schließlich. "Ich weiß es nicht. Letztlich kann keiner diese Frage beantworten, weil wir nicht wissen, was Raum tatsächlich ist. Hologramme sind ein aufgezeichneter Atlas des Raumes an sich – ein Atlas, dessen Seiten sowohl nur Quadratzentimeter von Wundern als auch weite unentdeckte Galaxien zeigen. Und das erste Hologramm, das Sie sahen, war ein künstlerisches. So sind vielleicht die holographischen Bildhauer des Nichts die wirklichen Raum-Menschen."

Möglicherweise ist es dies, was hinter dem Phänomen Holographie steht: Der Mensch erlebt zum ersten Mal in seiner Geschichte, daß der Spiegel auch den flüchtigen Moment bannt, daß die uns im Spiegel entgegenschauende dreidimensionale Spiegelwelt nunmehr zur dreidimensionalen Illusionswelt werden kann, die dauerhaft besteht, immer wieder abrufbar, nachvollziehbar, nachprüfbar. Über diesem grundsätzlichen Erlebnis verblassen für den Besucher der Holographie-Ausstellungen die Fragen nach künstlerischem oder nichtkünstlerischem Wert des Hologramms. Nachdem die Bücher der Welt die kleinen, großen, alltäglichen und heroischen Momente im Wort festhielten, der Film und die Fotografie die Bildwelt speicherten, wurde mit der Holographie ein Medium in die Welt gesetzt, das nunmehr den Raum selbst bannt. Ein Schritt weiter in dem uralten Kampf des Menschen gegen seine und der Dinge Sterblichkeit.

(1)
Interview mit Sam Moree, in: Ausstellungskatalog Licht-Blicke – Holographie: die 3. Dimension für Technik und Kunst. Deutsches Filmmuseum Frankfurt/Main 1984, S. 300zurück

(2)
Udo Reinert, Holographie – Stiefkind der Technologie-Forschung, a.a.0., S. 274zurück

(3)
Robert Arn, Holographie, a.a.0., S. 227zurück