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Ars Electronica 1986
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Video Science Art
Terminal Kunst – 2. Ausstellungsabschnitt

'Manfred Kage Manfred Kage

Der Begriff VIDEO SCIENCE ART stammt von dem älteren Begriff Modern Science Art, den ich um 1965 geprägt habe, in Zusammenhang mit meinen kristalloptischen Bildern. Diese sind der Versuch einer Synthese der beiden Disziplinen Kunst und Wissenschaft.

Es zeigt sich, daß die damaligen Ansätze viel zu eng gefaßt waren, und durch die Ausweitung meiner Arbeitsgebiete in Richtung Mikro-Fotografie, Raster-Elektronenmikroskopie und vieler anderer Themen hat sich ergeben, daß der Gesamtbegriff Modern Science Art ausgeweitet wurde auf sämtliche Bereiche zwischen naturwissenschaftlichen Objekten und künstlerischen Darstellungen. Viele der alten wissenschaftlichen Aufnahmen waren mit großer künstlerischer Akribie ausgearbeitet. In den letzten 30 Jahren hatte sich das Klima verschlechtert, d.h. es galt in wissenschaftlichen Kreisen als unfein, zu schöne Bilder für Lehrbuchzwecke zu haben, weil sie den Verdacht erregten, manipuliert zu sein.

Jedoch ist die Optimierung von wissenschaftlichen Strukturen mit ästhetischen Kategorien ein sehr wesentliches Anliegen der Bildung im Bereich der öffentlichen Wissenschaft. Von daher kam ich zu einer echten Integration von Kunst und Wissenschaft. Der Inhalt der von mir geschaffenen Bilder enthält demzufolge wissenschaftlich exakte Basis-Strukturen. Das heißt, jedes Detail im Bild ist deutbar und beschreibbar. Trotzdem wird der ästhetische Anspruch erfüllt.

An dem Punkt begann in den siebziger Jahren mein Interesse an Video. Es kam unter anderem zu einer Zusammenarbeit mit Bodo Kessler, der Kameramann war für den Dali-Film "Impressionen aus der hohen Mongolei". Für diesen Film hatte ich den Auftrag, die Flugsimulationen von Dalis UFO zu filmen. Das wurde mit Hilfe von mikroskopischen, rotierenden Strukturen gemacht. Es sollten phantastische Details, die etwa der Oberfläche der Mongolei entsprechen, verbunden werden mit der Präzision von Hubschrauberflügen über dieser Fläche und trotzdem mit der Dali'schen Vision von fabulierenden und phantastischen Einzelheiten einer vergangenen Kultur eine Einheit bilden.

Die Proben hatte ich damals alle mit Video gemacht. Ich wurde im folgenden zu einem Videofan, weil die Kontrolle viel besser war, und auch die Schnelligkeit der Produktion mich faszinierte. Die Frage stellte sich mir: Kann ich mit den gleichen Grundstrukturen meiner bisherigen Bilder auch auf dem Video-Gebiet arbeiten? Ich übertrug damals den Begriff Modern Science Art auf den der VIDEO SCIENCE ART, womit ich mich absetzte von der heute verbreiteten Video Art.

Der Begriff stellt für mich die Verknüpfung dar von wissenschaftlichen Methoden im Bereich der Mikro- und Makrowelten mit dem Konzept der Video Art. Ich erarbeite einen neuen "Videosizer", das ist ein Instrument analog dem Synthesizer in der Musik, mit dem ich elektronisch erzeugte Videobilder mache. Das ist prinzipiell nichts Neues, in Amerika gibt es eine ganze Generation solcher Geräte, die jedoch alle im Ergebnis zur Flächigkeit tendieren. Ich hingegen bin auf der Suche nach Tiefenstrukturen, beispielsweise dreidimensionalen Fahreffekten. Zu dem wissenschaftlichen Basismaterial, Mikro- und Makrostrukturen, Fahreffekten und organischen Aufnahmen kommt die Verfremdung im Videosizer. Davon stelle ich einige signierfähige Bänder her.

In einer ZDF-Produktion "Die Stimme der Sylphiden" habe ich diesen Videosizer erstmalig eingesetzt. Ich stelle mir hier viel Möglichkeiten der weiteren Entwicklung vor, z.B. lassen sich solche Bänder auf die Tempi der Musik schneiden, es folgen sehr kurze Sekundensequenzen mit langen Fahrtszenen. Natürlich muß der Zuschauer sich erst an die Vielfalt solcher Mikrowelten gewöhnen, da er ja zumeist nur gewohnt ist, den Menschen mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten im Bild wahrzunehmen.

Man sollte vielleicht noch hinzufügen, daß ich meine Bänder auf Broadcast Version U-Matic (BVU) produziere, das ist ein für das Fernsehen sendefähiger Standard. Davon können dann Bänder auf jedes beliebige System gezogen werden. Ich hoffe in Zukunft auf eine Verteilung der Video Science Art, die einem Marktanteil von einem halben bis ein Prozent entspricht, wobei ich mir die Verteilung hauptsächlich über Video-Clubs vorstelle.