Video-Kunst-Stücke (Programm)
Eine Idee setzt sich durch
Samstag, 21. Juni 1986 22.00 Uhr, FS 1
ORF-Videonale 86
Video-Kunst-Stücke Eine Idee setzt sich durch
Im Anschluß: Perfect Lives – An Opera for Television by Robert Ashley Produktion: John Sanborn PART II: The Supermarket (Famous People) Portrait of the Old Man and Woman, Helen and John, in the landscape of a large Mid-western supermarket.
Video-Kunst-Stücke Eine Idee setzt sich durch
Diese Live-Sendung aus dem ORF-Zentrum Wien ist eine Hommage an den Videopionier Nam June Paik. Der Künstler, Komponist, Philosoph und Vater der Videokunst ist die Schlüsselfigur dieses elektronischen Mediums. Er wurde 1932 in Seoul geboren, studierte Musik und kam Anfang der 60er Jahre – über Wien – nach Deutschland, wo er sich der "Fluxus"-Bewegung anschloß. Das Interesse an den amerikanischen Künstlern dieser Bewegung brachte ihn nach New York.
1963 kreierte Paik mit 13 Fernsehapparaten eine Videoskulptur und zeigte sie in Wuppertal, in der ersten Videoausstellung, die es je gab.
Die Karriere dieses Künstlers kann man als eine Aneinanderreihung von essentiellen Innovationen im Bereich Video- und Televisionskunst sehen.
Der gebürtige Koreaner ist im Studio zu Gast und wird hier drei Videobänder live produzieren: "Piano Performance", "One For Violin" und als Europapremiere "Video-Ball".
Ebenfalls zu Gast sind Shigeko Kubota, Marie Josä Burki, Paul Gerrin und Hans Donner.
Die japanische Bildhauerin Shigeko Kubota zog nach ihrem Studium in Tokio nach New York und schloß sich wie ihr späterer Mann Nam June Paik, der sie mit dem Medium Video vertraut machte, ebenfalls der Avantgarde-Bewegung "Fluxus" an. Sie zählt zu den ersten Künstlerinnen, die sich diesem Medium widmeten und gestaltete bedeutende Bänder, wie Video Girls and Video Songs for Navajo Skies, Video-Skulpturen und -installationen, von deren einige die Werke von Marcel Duchamp zum Thema hatten. Nach diesen Hommagen auf Duchamp beschäftigte sie sich mit der Landschaftsstudie nach Monet, die sie ebenfalls zu Skulpturen baute. Die junge Schweizer Künstlerin, Marie José Burki, die in Genf lebt und an der Kunstschule studierte, gewann mit ihrem Band "An Elephant Never Forgets" 1986 beim Internationalen Festival in Locarno den Anerkennungspreis. Sie studierte an der Kunstschule in Genf Bildhauerei und beschäftigt sich mit multimedialen Installationen, in denen sie die Darstellung von Tieren als Metaphern für menschliche Situationen sowie Objekte, Video und Computer einsetzt.
Paul Gerrin wurde 1957 in New York geboren, war Student von Paik und hat sich in kurzer Zeit zu einem Experten im technischen Bereich des Video entwickelt. Er wird als Berater, Editor und Kodirektor von anderen Künstlern herangezogen.
In Wien ist er Assistent von Paik. Gerrin gestaltet zusammen mit Musikern, Designern und Modeschöpfern ideenreiche Videos und ist durch die Teilnahme an zahlreichen Video-Festivals bekannt geworden. Derzeit unterrichtet er als Instructor an der "New School For Social Research" in New York.
Hans Donner Der Österreicher gründete das Globo Network Graphic Design Department im Jahre 1974. Er schuf das Symbol für dieses TV-Netz sowie das Logo und ein einheitliches Erscheinungsbild des Unternehmens. Bei dieser Livesendung werden außerdem die Künstler Klaus vom Bruch, Valie Export, Ulrike Rosenbach und John Sanborn anwesend sein.
Ihre Biografien sind ausführlich im Kapitel über die Auftragsarbeiten der ORF-VIDEONALE 86 behandelt. Weitere Gäste im Studio: Wulf Herzogenrath und Dieter Ronte. Als Moderatorin dieser Sendung konnte Wibke von Bonin (WDR-Redaktion Kunst) gewonnen werden.
VORGESTELLT WERDEN AUSSCHNITTE AUS FOLGENDEN BÄNDERN: Nam June Paik: Global Groove 1973, Farbe, 30'
Mit "Global Groove" gelang Paik nicht nur die Schöpfung eines Trägers für die von ihm produzierten Kurzstücke, sondern auch die Erschließung eines größeren Publikums für die Videokunst und die Anerkennung der Beiträge seiner Freunde und Kollegen. Dieses Werk bildet einen Bezugspunkt für eine Generation aufstrebender Videokünstler in seiner aktuellen Mischung von Unterhaltungswert und gleichzeitigem strengen Festhalten an Paiks eigener Ästhetik.
Eine Collage verschiedenster Bilder und Techniken. Zu sehen sind unter anderem: Charlotte Morman beim Spielen auf einem elektronischen Cello, Mitch Ryder und The Detroit Wheels singen "Devil with a Blue Dress on", Allen Ginsberg, John Cage, Filme von Robert Breer und Jud Yalkut und überarbeitete Stücke früherer Bänder und Experimente.
Peter Weibel: Casablanca-Werbespot 1985, Farbe, l'
In diesem Spot werden hoch entwickelte Techniken eingesetzt und auf witzige Weise auf den Film "Casablanca" bezogen. Dieses Band wurde vom Museum of Modern Art, Barbara, London, angekauft.
Hans Donner (Globo TV): Auswahl aus den Arbeiten der letzten Jahre
Nilton Nuris, Designer und Art Direktor seit 1974. Ruth Reis, Designer seit 1981. Ricardo Nauenberg, Art Direktor seit 1982. Alvaro Barala, Designer seit 1982. Sylvia Trenker, freiberufliche Designerin und Illustratorin seit 1974.
Zbigniew Rybczinski: Close to the Edit (Art of Noise] 1984, Farbe, 5.54'
Dieser Musik-Clip für die Gruppe "Art of Noise" produziert zeigt anziehende Bildwelten der 80er Jahre. Rybczinski spielt mit humorvoller Gefälligkeit, wobei er sich anlehnt an Ästhetik und Philosophie der traditionellen Avantgarde. Er bekennt sich offen zur eklektischen Tendenz; seine Arbeit und Attitude gewinnt dadurch an Lauterkeit.
Bruce Naumann: Lip Sync 1969, s/w, 30'
Der Bildhauer Bruce Naumann setzt sein Gesicht ein als Skulptur. Der Raum besteht zwischen dem Klang – seine Stimme sagt "Lip Sync" – und dem "auf den Kopf gestellten" Gesicht, das dadurch in seiner Wirkung gesteigert wird. Die weitere Steigerung besteht ebenfalls in der Reduzierung auf wenige Gestaltungselemente, die Wiederholung des Textes und der Tatsache, daß es asynchron ist.
Valie Export: Raum Sehen Raum Hören 1974
In diesem konzeptionellen Stück mißt die Künstlerin den Videoraum visuell und akustisch aus.
Douglas Davis: Austrian Tapes 1974, Farbe, 17'
Im Oktober 1974 produzierte die Grazer Künstlerproduzentengruppe "pool" (sie existierte von 1968 bis 1976, gegründet vom Autor und Richard Kriesche im Forum Stadtpark) in Zusammenarbeit mit dem ORF (Hans Preiner) "The Austrian Tapes" mit dem New Yorker Medienkünstler Douglas Davis, deren Konzeption leider nie realisiert wurde. Es sind drei Bänder zu je fünf Minuten. Sie sollten jeweils zu Beginn einer vollen Stunde das gewohnte Abendprogramm des Fernsehens unterbrechen: Dialog zwischen Zuschauer und Künstler. Zu Beginn des Bandes ist die Kamera auf Douglas Davis gerichtet, der von einem einzigen Scheinwerfer beleuchtet in einem Studio sitzt. Die Kamera zoomt soweit an ihn heran, daß nur noch Hände und Schultern zu sehen sind. Ein vorher aufgenommenes Tonband setzt ein: "Kommen Sie bitte näher an den Bildschirm vor Ihnen heran. Legen Sie Ihre Hände gegen meine Hände. Denken Sie darüber nach, daß wir einander berühren!" Er hält seine Hände gegen den Bildschirm (eine klare Glasscheibe zwischen sich und der Kamera). Die Aufforderung wird wiederholt. Dann berühren nur noch seine Fingerspitzen den Bildschirm: "Verbinden Sie bitte Ihre Finger mit den meinigen!" Die Kamera zoomt zurück in die Ausgangsposition. Dann fordert Davis den Zuschauer auf, mit ihm in gleicher Weise Kontakt durch Berührung der Gesichter, der Brust und des Rückens aufzunehmen.
Peter Campus: Three Transitions 1973, Farbe, 6'
In diesem dreiteiligen Band werden spezielle Fernsehtechniken eingesetzt, die den Eindruck von Grenzüberschreitungen ermöglichen.
1. Zwei einander gegenübergestellte Kameras sind durch eine weiße Papierfläche voneinander getrennt. Eine Kamera zeigt Campus mit dem Rücken zur Kamera vor der weißen Fläche stehend. Er beobachtet seine Aktion auf einem Monitor, der sich außerhalb des Bildes befindet, während er mit einem Messer die Papierfläche aufschneidet. Da die Bilder der beiden Kameras übereinandergeblendet werden, entsteht der Eindruck, als würde er seinen eigenen Rücken aufschneiden und durch sich selbst hindurchsteigen.
2. Campus' Gesicht ist zweimal übereinandergeblendet zu sehen, wobei eine der beiden Aufnahmen zuvor gemacht wurde. Er trägt blaue Farbe auf sein Gesicht auf und spart dabei nur Nasenlöcher, Augen und Mund aus. Durch die Blue-Box-Technik, mit der blaue Flächen ausgestanzt und durch neue Aufnahmen ausgefüllt werden können, wird sein geschminktes Gesicht zur Projektionsfläche seines zuvor aufgenommenen Videobildes.
3. Campus verbrennt sein eigenes Spiegelbild. Der Spiegel, den er in der Hand hält, ist in Wirklichkeit ein blaues Blatt Papier, in das durch Blue-Box-Technik sein Bild eingestanzt ist.
Shigeko Kubota: Duchampiana 1978, Farbe, 42'
In dieser Reihe – vorwiegend für Installationen verwendet – bezieht sich die Künstlerin auf die Bedeutung und das Werk von Marcel Duchamp. "Akt eine Treppe herabsteigend" wird über Video in der Zeit aufgelöst und neu interpretiert.
Ulrike Rosenbach: Inner Landscape – Insight Image 1984, Farbe, 25'
Vier Sequenzen über den menschlichen Körper – könnte der Untertitel zu dieser Videoarbeit sein. Bauch, Herzgegend, Hals und Augenpartie sind die Körperteile, die zur "Sprache" kommen. In Überblendungen mit Bildern der Natur entstehen Aussagen über die Bedeutung, die die Künstlerin ihnen gibt. Das Fallen eines machtvollen Wasserfalls kommt zusammen mit den Bildern der Bauch-Magen-Gegend. Das Bild einer Blume berührt sich mit der Herzgegend. Dazu sind sirrende Synthesizertöne und Motive aus dem Klavierkonzert von Beethoven zu hören.
Es entsteht ein Videogedicht mit Versen, ein intensiver Eindruck, der den Betrachter zur Beobachtung am eigenen Körper anregt.
Valie Export:
Menschenfrauen, Unsichtbare Gegner, Praxis der Liebe
Aus diesen drei Filmen sollen Teile herausgegriffen werden, die sich innerhalb der Filme mit dem Medium Video beschäftigen.
Marie José Burki: An Elephant Never Forgets 1985, Farbe, 17.30'
Mit diesem Band gewann die Künstlerin den Preis von Locarno 1985. Es behandelt die Geschichte von Hannibal und dem Zug über die Alpen. Poesie, Landschaft, Installation sind die Ausdrucksmittel der Künstlerin, die Tiere als Metaphern für menschliche Gefühle einsetzt. Der Computer spielt in diesem Band ebenfalls eine Rolle, dadurch wird ein Vokabular zwischen Technik, Geschichte, Natur und Mensch angesprochen.
Klaus vom Bruch: Das Propellerband 1979, Farbe, 30'
Videoband aus der Serie: Warum wir Männer die Technik so lieben. Ein Dutzend amerikanischer Soldaten versucht den Propeller einer B–17 anzuwerfen. Rhythmisch eingeblendet erscheint ein "junger Pilot" der "Heldentat" entgegenblickend. Hergestellt mit Dokumentationsmaterial, aufgenommen auf Saipan, 1945.
John Sanborn + Dean Winkler: Luminare 1985, Farbe, 5'45"
Eine phantasievolle Reise durch transparente Landschaften der Zukunft. Formen entstehen, entwickeln und bewegen sich – als Ideen – und geleiten die Phantasie durch unbekannte Gebiete. Eine neu geschaffene Galerie enthält Gemälde moderner Meister, in einem digitalen Sanktuarium zum Hinübergleiten in die Zukunft verurteilt. Ein bemerkenswert lebensechtes Wechselspiel zwischen Tänzern und belebten Formen findet vor dem Hintergrund computergespeicherter, leuchtender Kulissen statt: Ein metaphorischer Musterstreifen, der die mit vereintem Talent und Können von Künstlern, Programmgestaltern und Darstellern mögliche, erschreckende Bildersprache darstellt. Diese kreative Gemeinschaftsarbeit geht an die Grenzen sowohl der Video- als auch der Computertechnologie und liefert neue Möglichkeiten für das Medium.
Japanische Studenten: Fall 1984, Farbe, 6'
Studenten der Universität von Tokio produzierten dieses Band in Gemeinschaftsarbeit. Auf eine Fläche fallen verschiedenste Dinge herab. Durch die Auswahl der Dinge und die Realisierung ließen die japanischen Studenten ein unterhaltsames witziges Band entstehen.
Inge Graf + ZYX: Step 4/to Electronic Futurism 1984, 4'
Als Music Clip produziert stellt es die Diplomprüfung für die Künstlerin Inge Graf an der Hochschule für angewandte Kunst dar. Sie hat damit nicht nur die Auszeichnung ihrer Abschlußprüfung erhalten, sondern auch den Albert-Paris-Gütersloh-Preis gewonnen, was dokumentiert, daß die Hochschule die Kunstform Video als gleichwertig mit Malerei und Skulptur oder anderen traditionellen Medien anerkennt.
Wibke von Bonin: 100 Meisterwerke 1986
Klavier Integral von Nam June Paik Redaktion der Sendung: Kunst-Stücke-Team Fachberatung: Grita Insam Regie: Martin Kraml
|