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Vom Bild zur Digitalkultur


'Edmond Couchot Edmond Couchot

Die Technik der Bildautomation hat sich radikal geändert, als sie vom Optischen zum Numerischen überging, und gleichzeitig auch die entsprechenden weltdarstellenden Systeme. Nach der Darstellung der Realität – oder des Ersatzes durch den Ausdruck der individuellen Vorstellungskraft – folgt die Simulierung der Realität nach mathematischen MODELLEN. Das (automatische) Digitalbild ist, in der Tat, nicht mehr die optische Projektion der Realität auf einen Darstellungsgrund (Grund des Bildes in der Perspektiv-Konstruktion, die photographische Platte, der Filmstreifen oder das Videoband), sondern eine MATRIZE aus Nummern, die zu elektronischen Mikroimpulsen reduziert sind. Aus dieser Matrize entsteht keine mehr oder weniger analoge Darstellung der Realität, sondern seltsame, paradoxe, vollkommen HYBRIDE Kreationen. Das digitale Bild ist eine Kunst der HYBRIDATION oder, wenn man will, der KREUZUNG. Zuerst die Hybridation des künstlerischen und informatischen Könnens, der Technik und der Sprache, des Rechnens und des Bildes, des Symbols und der Materie (sott und hard), der Darstellung und der Simulierung, da eines der Paradoxone der synthetischen Bilder ist, daß sie den realistischsten Fotografien zum Verwechseln ähnlich sein können. Das traditionelle Verhältnis zwischen Bild, Subjekt und Realität wird auch stark verändert. Man kann zum Beispiel sagen, daß beide Betrachter und Schöpfer von jetzt an mit dem Bild eins werden dank interaktiver Techniken, die ein direktes Handeln in ihm durch Anweisungen oder Analogsysteme erlauben. So werden aus der Realität, die durch die Synthese nur noch eine digitale Simulation ist, keine flüchtigen Darstellungen, sondern Hybriden aus Bild, Schöpfer und Zuschauer. Ebenso, ab dem Augenblick, wo die Bilder nur mehr aus Nummermatrizen bestehen, ist es sehr leicht und verlockend, nicht nur die neuesten Formen zu erfinden, sondern auch die Bilder zur Gänze oder zum Teil zu vermischen und Bilder aus heterogenem Ursprung zu mixen und zu kreuzen (Bilder, Zeichnungen, Fotos, Filme, Video, verschiedene Texte und selbstverständlich reine synthetische bi- oder tridimensionale Bilder.) Diese außergewöhnliche Kreuzungsfähigkeit, die das digitale Bild charakterisiert, ist vielmehr als die einfache Nebeneinanderstellung bildlicher Elemente, die verschiedene Art, Ursprung und Funktionen haben. Es ist eine ORGANISCHE ANORDNUNG, die noch nie gesehene Gegenstände und Wesen zum Leben erweckt, deren Existenz die Herstellung des Sinnes in Frage stellt.

Dieses Phänomen ist nicht allein die Eigenschaft des Bildes, es zeigt sich durch alle Digitaltechniken und kündigt sich in dieser Weise als ein entscheidendes GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN an, welches das ganze Feld der TECHNO-KULTUR betrifft. Deshalb hat man jeden Grund zu glauben, daß dieses Phänomen mehr als eine Öffnung zu einer neuen visuellen Welt uns die Keime einer ANDEREN KULTUR bringt, einer Kultur, die alles in sich enthält, sowohl das Schlechteste als auch das Beste.