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Die Bildplatte - Anwendung in Kunst, Wissenschaft ...


'Peter Crown Peter Crown

Peter Crown
Präsident von Romulus Productions Inc.
Die optische Laser-Bildplatte ist für verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Gründen von Bedeutung. Für manche ist sie die beste Video-Bildqualität, die heute für den privaten Gebrauch verfügbar ist. Für andere ist sie die Informationsspeicher-Technologie mit der größten Kapazität – etwa 40 Gigabytes pro Seite. Für wieder andere ist sie ein Direktzugriff-Medien-Peripheriegerät für Computer. Ich halte die Laser-Bildplatte für eine wichtige Technologie (und wir sollten sie nicht mit dem überholten CED-Format verwechseln), und zwar aus all den vorgenannten Gründen. Sie ist in der Tat ein neues Medium, weil sie die Verarbeitungseigenschaften des Computers mit dem hohen Informationsgehalt von stehenden und bewegten Bildern, von Ton und Daten vereint.
Heute, nach etwa acht Jahren praktischer Erfahrung, tritt die Bildplatte langsam auf den Plan. Im Jahr 1985 war die Zahl der Filme, die in Japan auf Bildplatte verkauft wurden, gleich hoch wie jene auf Videoband. Dies zeigt, daß die Bildplatte für den Konsumenten sich in Japan früher als in anderen Ländern durchgesetzt hat, vielleicht auch eine Diskriminierung und den Wunsch nach besserer Bildqualität als jene, die mit VHS und Beta-Videobändern erzielt werden kann. In den Vereinigten Staaten ist der Markt für Konsumenten-Bildplatten wesentlich kleiner als in Japan. Man findet die anspruchsvolleren Projekte, die die interaktiven Aspekte des Mediums wirklich nutzen, hauptsächlich im industriellen, akademischen und militärischen Bereich. Da wird die interaktive Bildplatte für den Unterricht in Computer-Alphabetisierung in einer Versicherungsgesellschaft (Travelers), zur Ausbildung von Kassenbeamten in Banken (Bank of America) und zur Vorführung von Kosmetika in Warenhäusern (Biotherm; Merle Norman Cosmetics) eingesetzt.

Die Verwendung der Bildplatte durch Künstler oder für kunstnahe Aktivitäten hält sich noch in ziemlich engen Grenzen. Es gibt einige Videokünstler, deren Werke auf Platte verbreitet werden, hauptsächlich in Japan. Dazu gehören Nam June Paik, John Sandborn, Paul Gerrin und Kit Fitzgerald. Die Bildplatte als neues Medium, etwa als interaktive Kunstform, kommt nur in ganz wenigen Projekten zum Tragen, wie bei Graham Weinbren.
Das Potential und der Grund für die Aufregung um die Bildplatte lassen sich am besten an einigen Prototyp-Projekten demonstrieren. Das am häufigsten zitierte Beispiel ist "Aspen Movie Map", das am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde. Dieses System vermittelt dem Nutzer den Eindruck, als führe er rund um das Schisport-Städtchen Aspen, Colorado, um es nach Belieben zu erforschen. Auf dem Bildschirm sieht man die Straße vor sich. Drückt man den Steuerknüppel nach rechts, fährt man um die nächste Kurve. Wenn man das Restaurant auf dem Bildschirm berührt, erhält man einen Blick in das Innere des Speisesaales. Wenn man den Bildschirm noch einmal berührt, kann man die Tages-Speisekarte studieren usw. Das ist eine wunderbare Art, einen Ort kennenzulernen, wenn man nicht selbst dort sein kann. (Das Projekt wurde von DARPA, Defense Advanced Research Projects Administration, finanziert.)

Nachdem das MIT-Projekt bekannt geworden war, tauchte ein unerwartetes Problem auf. Alle, die ein Bildplattenprojekt durchführen wollten, glaubten, sie wären in der Lage, etwas ähnlich Kompliziertes wie das Aspen-Projekt realisieren zu können. Die Erwartungen waren weit höher, als die Geldmittel erlaubten.
Ein warmes, sehr persönliches Projekt des YIVO-Instituts in New York City steht vor seiner Vollendung. Ziel dieses Projektes ist die Erhaltung der osteuropäisch-jiddischen Kultur, die während des zweiten Weltkrieges fast völlig vernichtet worden war. Die Yivo-Platte enthält etwa 40.000 Fotos, die aus Zeitungen der Vorkriegszeit entnommen wurden. Diese Fotos werden von einer Computer-Datenbasis geordnet und sind jedermann zugänglich. Wenn ein Betrachter eine Szene, einen Verwandten oder sonst etwas Bemerkenswertes auf einem bestimmten Bild erkennt, kann er diese zusätzliche Information in die Datenbank eingeben. ("Das ist mein Onkel Karl, er war Bäcker in Warschau.") Ich bezeichne das als eine "lebende Datenbank", weil sie wächst und sich verändert, indem Menschen mit ihr arbeiten. Das gleiche Konzept wird an der Medizinischen Fakultät der Yale University mit 10.000 lungenpathologischen Dias versucht.

Meine Gesellschaft hat an der Herstellung eines Prototyps für Heimunterhaltungs-Bildplatten – den Criterion CAV-Ausgaben der Filme "King Kong" und "Citizen Kane" mitgewirkt. Diese Platten enthalten die Filme in hervorragender technischer Qualität, daneben aber auch ein 300 Seiten starkes Textbuch und Fotos, sowie eine Erzählung des Films auf dem zweiten Tonkanal. Die Interaktivität der Platten ist Level 1– manuelle Steuerung –, aber es wird zumindest ein College-Kurs für Filmmacher mit Verwendung von Computer und Platte entwickelt. Es waren das die ersten Film-Platten, die diese zusätzlichen Elemente enthielten; die Idee wird bereits von anderen Plattenherstellern aufgegriffen, ein Beweis dafür, daß wir auf dem richtigen Weg sind.
Wenn das Medium also so großartig ist, warum ist es dann nicht stärker präsent? (In Amerika gibt es mehr als 26 Millionen Videorecorder und etwa 200.000 Videoplattenspieler.) Meiner Ansicht nach gibt es dafür mehrere

Gründe:
  1. Ungeeignetes und unzulängliches Konsumenten-Marketing

  2. Begrenztes Vorhandensein der Software

  3. Nicht-genormtes ComputerInterface

  4. Computer-Phobie

  5. Das "Dragon's Lair"-Syndrom.
Um die Dinge im richtigen Licht zu sehen, dürfen wir nicht vergessen, daß es noch vor gar nicht allzulanger Zeit weder Heim-Videorecorder noch Personalcomputer gab, ganz zu schweigen vom Computer im eigenen Heim. Ich bin überzeugt, daß sich die Bildplatte sowohl im privaten Konsumenten- als auch im Industriebereich weiter ausbreiten wird.

Welches werden nun die künftigen Anwendungsbereiche sein? Hier nur einige Beispiele:
  1. Elektronische Bücher – z.B. ein Histologie-Lehrbuch mit Balkencode für den Zugang zur Bildplatte, das diesen Sommer veröffentlicht wird;

  2. Bild-Datenbanken zu Hause und am Arbeitsplatz;

  3. Hochzeilige Platten. Das brächte eine Verbesserung bei Platten mit Gemälden, Fotos, Grafiken etc.;

  4. Bildinformation auf Wunsch für Einkauf, Lernen etc.;

  5. Interaktive Spiele;

  6. Interaktive Kunst-Platten;

  7. Simulation für Freizeit, für Lernzwecke.
Die Zukunft der Bildplatte könnte von ihren nahen Verwandten, der Kompakt-Audioplatte (CD), CD-ROM und Kompaktplatte-Interaktiv (CDI) beeinflußt werden. Die stärkere Akzeptanz der Kompaktplatte im Vergleich zur Bildplatte legt den Schluß nahe, daß dieses Medium den Zugang zu einer weitverbreiteten Nutzung des Mediums bilden könnte. Auf welchem Weg auch immer, die Bildplatte hat schon jetzt wachsenden Einfluß auf die Art und Weise, wie wir mit Bildern, Ton, Text und Daten umgehen.

ROMULUS PRODUCTIONS INC. ist eine private Gesellschaft zur Herstellung von Video, Film und Bildplatten und zur Beratung im Bereich der interaktiven Kommunikation mit Computern und Laser-Bildplatten. ROMULUS nahm seine Produktion im Jahr 1980 auf und erhielt 1981 im Staat New York die Körperschaftsrechte.

PRODUKTION
ROMULUS produziert Filme, Videobänder und interaktive Bildplatten für Körperschaftskunden. Zu diesen Produktionen zählen medizinisch-wissenschaftliche Bildungs- und Dokumentarthemen. Spezialitäten der Gesellschaft sind unter anderem: 3–D-Computeranimation, Computergrafik und die Herstellung von hochentwickelten Darstellungstechnologien.

LEITENDE FUNKTIONÄRE
Peter Crown, Dr. phil. – Präsident. Vor der Gründung von Romulus Productions Inc. war Peter Crown in Forschung, Erziehung und im öffentlichen Fernsehen tätig. Er vollzog den Übergang von der medizinischen und der Fernsehforschung zur Video/Film-Produktion zu der Zeit, als er Forschungsdirektor bei Television Laboratory bei WNET/13 in New York war. Er unterrichtete an der Columbia University, am New York Medical College und am Hampshire College. Er bringt in ROMULUS eine Kombination von Erfahrungen in Technik, Computer, Film- und Fernsehproduktion ein.

Jennifer Scanlin – Vizepräsidentin. Jennifer Scanlin hat Erfahrungen in Computerwissenschaften und Film- und Videoproduktion. Bevor sie zu ROMULUS kam, war sie freischaffende Produzentin von Filmen und Videobändern und unterrichtete an der University of Massachusetts Videoproduktion.