Videokunst - erweiterte Formen
'John G. Hanhardt
John G. Hanhardt
Seit die Videokunst vor etwa 20 Jahren in Erscheinung getreten ist, hat sie sehr entscheidende Beiträge zur amerikanischen Kultur geleistet. Die Anfänge lassen sich in die frühen sechziger Jahre zurückverfolgen, auf Nam June Paiks Einbeziehung des Fernsehgerätes in seine neue Kunst; aber erst Mitte der sechziger Jahre, als Sony Corporation seine tragbaren Fernsehkameras und -recorder auf den amerikanischen Markt brachte, erfuhr Video als Kunstform weitere Verbreitung. Dieses "Portapak"-System befreite das Medium aus den räumlichen und finanziellen Grenzen des Fernsehstudios und gab es den einzelnen Künstlern unmittelbar an die Hand. Die starke Anziehungskraft des Video lag in seiner leichten und flexiblen Handhabung. Es bedurfte keiner Teams und keiner Fachleute; man konnte ganz allein damit arbeiten, entweder im eigenen Dachboden-Studio oder im Freien; was die Kamera auf Videoband aufnahm, konnte man sofort auf dem Schirm sehen. Die elektronische Aufzeichnungsfähigkeit des Video ermöglichte es, daß man, im Unterschied zum Film, nicht auf die Bearbeitung des Bandes warten mußte, bevor man sehen konnte, was die Kamera aufgenommen hatte. Die rapide Entwicklung der Videotechnologie – Einführung der Farbe, höher entwickelte Editiersysteme, verbesserte Kameras – sind zum Teil für das dramatische Vordringen des Video in so kurzer Zeit verantwortlich. Daneben aber auch die Tatsache, daß sich Künstler, die schon mit anderen Kunstformen arbeiteten, vom Medium stark angezogen fühlten. Sie gingen an Video mit ästhetischen und theoretischen Vorstellungen heran, die sich mit den Eigenschaften dieses neuen Mediums weiter ausformen ließen und die wiederum dazu beitrugen, den ästhetischen Dialog des Video zu gestalten.
So tauchte also zur Mitte des Jahrhunderts ein neues elektronisches Medium für bewegte Bilder auf, das zu einer Herausforderung für die mechanische, industrielle Technik des Film-Systems als vorherrschendes Mittel zur Aufzeichnung und Darstellung von Bildern werden sollte. Video setzte sich an die Schnittstelle der zeitgenössischen Kunst und der neuen Technologien, die unsere Kultur verändern sollten. Der Unterschied und die Beziehungen zwischen Video und Fernsehen hat jedoch tiefgreifenden Einfluß auf die Entwicklung beider Medien. Die statistischen Zahlen über vorhandene Fernsehgeräte und über die vor dem Fernseher verbrachte Zeit waren unglaublich. Nach Ansicht vieler Soziologen hat das Fernsehen – das mächtigste Unterhaltungskonsumgut – unsere Gesellschaft zu einer "Fernseh-Kultur" gemacht. In dem Versuch, für seine Arbeit ernsthafte Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden, sah sich der einzelne Künstler mit der Dimension des Fernsehens im eigenen Heim und mit der Art der Programmgestaltung konfrontiert.
Die Frage "Was ist Videokunst?" enthält häufig die Schlußfolgerung, das Medium selbst sei irgendwie verantwortlich für das, was aus dem kommerziellen Fernsehen geworden ist. Fernsehen war nicht etwas, bei dessen Betrachtung wir entweder eine neue Form der visuellen Kunst oder ein ernsthaftes erzählerisches Ausdrucksmittel erwarteten. Schon die Umstände des Fernsehens im eigenen Heim waren voller Widersprüche: man saß in einem gut beleuchteten Raum vor einem relativ kleinen Bildschirm, umgeben von audio-visuellen Ablenkungen. Das Programm selbst wurde ständig von Werbespots unterbrochen, die im Hinblick auf ihre Plazierung und ihre Wirkung das waren, was das Fernsehen dem Zuschauer eigentlich ins Haus lieferte. Fernsehen wurde zu einem Verkaufsinstrument, zum wirksamsten Mittel der Förderung und Schaffung von Bedarf an neuen Produkten. Daher forderte die Struktur des Inhalts von Fernsehgeschichten vom Zuschauer nur wenig Konzentration.
Man erwartete von ihm nicht, daß er dem Programm seine volle Aufmerksamkeit schenkte: seine Aufmerksamkeit sollte von den Werbespots gefesselt werden. Es waren die 60–Sekunden-Spots, die vom Programm unterstützt werden sollten und nicht umgekehrt. So wurde also die Werbung oft zum interessantesten, phantasievollsten "Programm" im Fernsehen. Öffentliche Rundfunkanstalten und Kabel boten alternative Programmformen an; aber die Allgegenwart des kommerziellen Fernsehens brachte den Seher dazu, vom Medium den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erwarten. Diese Einstellung wurde noch verstärkt durch die Technologie des Fernsehens, wie sie dem Konsumenten präsentiert wurde.
Der Produktionsprozeß blieb dem Seher verborgen und seiner Einflußnahme entzogen. Es war nicht das Kommunikationsmedium, das es vorgab zu sein, sondern vielmehr ein Einweg-Kanal, über den Programme ausgestrahlt wurden, die keinerlei Innovation zuließen.
Die ersten Künstler, die sich mit der Entwicklung von Video als Kunstform auseinandersetzten – u.a. Nam June Paik, Bruce Nauman, Vito Acconci, Richard Serra, Nancy Holt, Peter Campus, Frank Gillette, Juan Downey – kamen aus anderen Bereichen zu diesem Medium - aus der Musik, der Performance, der Architektur – und waren fasziniert von der Möglichkeit, das vorherrschende Fernsehmodell zu unterwandern und ihre Arbeiten über das Fernsehen verbreiten zu können. Das Umfeld, in dem sie arbeiteten, war die Welt der Kunst, und schließlich faszinierten sie die konzeptuellen Eigenschaften des Mediums, der Umstand, daß man im Rahmen seiner Bildaufzeichnungskapazitäten auf Zeitbasis die visuellen und die Tonbeziehungen in einer ganzen Reihe von neuen Optionen erforschen konnte. Diese Optionen wurden zum Teil durch den intertextuellen Charakter des Mediums bestimmt: während man die einmaligen Möglichkeiten der Aufzeichnung und Veränderung von Bildern erforschte, konnte man es gleichzeitig mit anderen Kunstformen kombinieren. Video war nicht nur ein zweidimensionaler Bildschirm von Schwarzweiß- und später auch Farbsequenzen, man konnte auch für den Soundtrack schreiben und komponieren. Der Künstler konnte die Kamera auf sich selbst richten und persönliche Erzählungen und Körperkunst zum Ausdruck bringen und erforschen; er konnte es mit hinaus ins Freie nehmen, Ereignisse aufzeichnen und interpretieren und Videolandschaften schaffen. Diese bildverändernden Eigenschaften des Video resultierten zum Teil aus den Eigenschaften des Mediums selbst; man konnte Effekte erzeugen und später, mit der Entwicklung des Farbgebers und des Video-Synthesizers, diese ausgezeichneten Bilder in völlig abstrakte Sequenzen umwandeln.
Aber zurück zu meiner ursprünglichen Frage, was die Videokunst ausmacht und wie sie in Museen ausgestellt wird. Die Frage, die wir uns stellen sollten, ist nicht, ob Video eine Kunstform ist, sondern wie Video unseren Kunstbegriff verändert. In seinem bedeutenden Aufsatz "The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction" (Das Kunstwerk im Zeitalter der mechanischen Reproduktion) stellt Walter Benjamin in seiner Betrachtung über die Herausforderung von Photographie und Film im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert die gleiche These auf. Wie bei jedem neuen Medium widersetzen sich die Traditionen einer neuen Technologie, die scheinbar nur die Realität aufzeichnet anstatt sie durch künstlerische Vision oder Ästhetik zu verändern. Videokunst unterscheidet sich ontologisch von Film und anderen visuellen Künsten; aber sie besteht nicht, wie wir schon festgestellt haben, im luftleeren Raum, sie bleibt nicht unberührt von den ästhetischen Anliegen von Malerei, Bildhauerei, Performance-Kunst, Film, Musik, Theater und Tanz. Sie nimmt alle diese Formen auf und verwandelt sie in eine außerordentlich suggestive und komplexe Ikonographie von Genres, Stilen und Formen. Gegenwärtig konfrontiert die Diskussion namens Videokunst den Text des Kunstgegenstandes, der von einem Markt äußerst streng kodifiziert wird, der durch andere Definitionen und Kunstformen geschaffen wurde. Video steht am Schnittpunkt des Ausdrucks – ständig eröffnen neue Technologien Möglichkeiten für die Schaffung von Bildern.
Die Herausforderung an das Museum, das die Anliegen der zeitgenössischen Künstler interpretieren und auf sie reagieren will, besteht darin, diese Arbeiten zu präsentieren und für sie einen entsprechenden Kontext zu schaffen. Ein Teil dieses Kontextes ergibt sich automatisch aus der generellen Ausstellungspolitik eines Museums zeitgenössischer Kunst, das einen Überblick über Malerei, Bildhauerei, Photographie, Performance, Musik, Tanz, Druck und Zeichnung gibt und damit die Bezüge herstellt, die Video zu diesen Disziplinen hat. Die technischen Probleme, die sich bei der Ausstellung von Videokunst ergeben, sind nicht größer als jene bei der Aufstellung von Skulpturen. Man muß für die Videobänder ein Umfeld schaffen, das eine klare und bequeme Betrachtung ermöglicht und in der die Höhe des Sockels, die Beleuchtung und die Tonregelung die Betrachtung des Werkes unterstützen. Techniker und Hilfspersonal zur Bedienung der technischen Geräte sorgen dafür, daß während der Ausstellungsdauer richtige Farbausgewogenheit und Schallpegel gewährleistet sind. Die Präsentation von Einkanal-Videobändern, die auf einem einzigen Monitor gezeigt werden, erfolgt in Einzel- oder Gruppenshows, in denen die historischen, formalen und anderen entscheidenden Merkmale der Arbeiten in Katalogen und Programminformationen beschrieben werden. Auf diese Weise läßt der Zuseher seine vorgefaßten Vorstellungen über das, was er auf dem Fernsehschirm zu erwarten hat, hinter sich und widmet dem Werk die Aufmerksamkeit, die es verdient. Der temporäre Charakter des Betrachtens von Videobändern widerspricht unseren vertrauten Gewohnheiten bei Galeriebesuchen und beim Fernsehen zu Hause. Wenn man durch eine Galerie geht, passiert es leicht, daß man den einzelnen ausgestellten Objekten nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt; wir verschaffen uns einen Überblick über Werke, und wir gehen an Stücken vorbei, die unsere Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen. Das geschieht auch, wenn wir auf den Monitor in der Galerie sehen wir sind es gewohnt, "Fernseh-Zeit" zu erwarten, schnelle und leicht lesbare Erzählungen. All das ist für die Videokunst nicht charakteristisch. Damit soll aber nicht gesagt werden, Videokunst wäre statisch oder besonders kompliziert; es bedeutet aber, daß Video an uns Ansprüche stellt. Vom Betrachter wird erwartet, daß er die Zeit aufbringt, die für die bereichernde Erfahrung erforderlich ist, die eine hervorragende Arbeit zu bieten vermag.
Videokunst besteht aber nicht nur aus Einkanal-Videobändern, die für Galerien und/oder für die Ausstrahlung im Rundfunk geschaffen werden. Es gibt auch erweiterte Formen der Videokunst: Skulpturen und Installationen, die in den Galerieräumen multimediale und formale Probleme stellen. Auf diese Arbeiten möchte ich meine Aufmerksamkeit konzentrieren, weil sie, wie ich meine, das Medium öffnen und eine Reihe von Problemen und Fragen aufwerfen, die für unser Verständnis seiner kreativen Verwendungsmöglichkeiten von fundamentaler Bedeutung sind. Diese Arbeit erfordert eine Neuüberprüfung der grundsätzlichen Ontologie des Video, der Unterschiede zwischen Video und Fernsehen sowie des intertexturalen Charakters des Mediums. Die sechs Werke, die ich hier besprechen möchte, sollen nicht historisch die Form repräsentieren, die von den Anfängen an Teil der Videokunst war. Vielmehr repräsentieren sie, keineswegs erschöpfend, einige der gegenwärtigen Strömungen. Sie zeigen anschaulich die Flexibilität des Video, sowohl im Hinblick auf seine konzeptuellen Möglichkeiten, aber auch im Hinblick auf seine Technologie. In diesen Projekten finden wir eine ganze Reihe von Fragen rund um die Beziehung des Bildes (Monitor-Schirm) zum Monitor (Fernsehgerät). Sowohl der Bildschirm als auch sein Gehäuse werden als integrale Elemente eines Ganzen gesehen: dieses Ganze verwandelt das Medium in eine plastische Form, die die volle Erfahrung des Mediums nahebringt.
Zweifellos ist Nam June Paik die Schlüsselfigur in der Geschichte der Videokunst; kürzlich wurde ihm am Whitney Museum of American Art eine umfassende Retrospektive gewidmet. Seine Arbeit umfaßt alle Bereiche und Formen des Video. In einem Brief an John Cage aus den späten fünfziger Jahren spricht er erstmals von seinem Interesse an den Möglichkeiten des Fernsehens. 1963 hatte er seine erste Videokunst-Ausstellung – die erste jemals veranstaltete Ausstellung dieser Art –, in der er Fernsehgeräte in Skulpturen verwandelte. Seine späteren Skulptur-Installationen veränderten unsere traditionelle Betrachtungsweise des Mediums, weil er aus den Elementen dieses Mediums kraftvolle und geistreiche Metaphern schuf.
Die Elemente sind der Monitor selbst, die Beziehung des Betrachters zu diesem, und die für den Bildschirm geschaffenen Bilder. Paik verändert den gesamten Betrachtungsprozeß, er entzieht das Medium seinem gewohnten Kontext und seiner gewohnten Position. In "TV Garden" (1974–78) werden etwa 30 Fernsehapparate von verschiedener Größe in einem abgedunkelten Galerieraum aufgestellt, umgeben von Pflanzen und Bäumen; wenn der Betrachter die Galerie betritt und auf der erhöhten Rampe um den "Fernsehgarten" herumgeht, sieht er mit sich veränderndem Blickpunkt verschiedene Gruppierungen von Videobildern. Fernsehapparate stehen mit der Rückseite zum Betrachter, seitwärts, auf dem Kopf oder aufrecht, sie sind zum Teil von Farnen und Pflanzen verdeckt. Die sich daraus ergebende Videoumwelt oder -landschaft verwandelt die Apparate in eine Art elektronische Flora und erleuchtet in ständig laufenden Bilddarstellungen und dem Rhythmus des Soundtrack den Garten selbst. Das für diese Installation geschaffene Videoband ist eine sich ständig verändernde Collage von Bildern und Tönen. Für diese Bänder verwendete der Künstler seinen Paik-Abe-Synthesizer, der aufgezeichnete Bilder mit grellen Farb- und Tondarstellungen beschichtet und koloriert. "V-yramid" (1982), ein weiteres Werk in der Ausstellung, wurde vom Whitney Museum für seine ständige Sammlung erworben. Diese turmartige Skulptur besteht aus 40 miteinander zu einem Muster verschieden großer Fernsehgeräte zusammengefügten Apparaten. Wenn das für diese Arbeit geschaffene Videoband gespielt wird, wird durch die Positionen der Apparate die Collage von bewegten und beschichteten Bildern und Tönen gedreht und nebeneinandergestellt. Wie in "TV Garden" wird auch hier das Heimfernsehen umgestaltet und zu einem Kunstwerk gemacht. Komposition des Videobandes, Bewegung der Kamera und Farbe bilden die Skulptur; wir sehen, wie sich das Videoband durch die verschiedenen Positionen der Fernsehgeräte verändert und verwandelt.
Mary Lucier's Werk "Denman's Col (Geometry)" (1979–81) erforscht die formalen Kompositionseigenschaften der Multi-Monitor-Mehrkanal-Installation. In diesem Projekt werden fünf Monitore mit unterschiedlich großem Bildschirm mittels einer Konstruktion zusammengefügt, von der die Monitore in einem abgedunkelten Raum der Galerie herabhängen. Die Videobänder zeigen Farbaufnahmen von Stadtansichten, unterschnitten mit Bildern von verschiedenen Getränken, die in Gläser gefüllt werden. Die Eleganz der Bilder, ihre Farbe und Komposition schaffen ein heiter-gelassenes Ambiente, in dem wir den Bilderzyklus betrachten. In diesem Werk sind die Bedienungselemente durch die Konstruktion verdeckt, so daß wir nur den Bildschirm sehen. Durch die Rotation der Bilder um die Oberflächenebenen der Skulpturen wird eine desorientierende und unwiderstehliche Videolandschaft geschaffen.
In Ira Schneiders "Time Zones" (1980) schafft ein Kreis von 24 Sockeln, auf denen je ein Monitor steht, einen Ring von bewegten Bildern. Hier wird das Fernsehen anerkannt und die Bilder direkt betrachtet; ihre Position wurde nicht verändert. Mit dieser Installation hat Schneider ein ehrgeiziges Projekt realisiert, das ein globales Bild von Video als Kommunikations- und Künstler-Medium schafft. Jeder der 24 Fernsehapparate stellt eine der Zeitzonen der Welt dar. Schneider hat die Bilder fotografiert und/oder gesammelt; in einem komplexen Drehbuch von Bild- und Tonmaterial vermittelt der gesamte Zyklus der 24 Videobänder das Gefühl der sich verändernden Zeit auf der ganzen Welt und einen lebendigen Eindruck von der Qualität kultureller Unterschiede und physischer Zeit.
Eine Mischung von Video und anderen Medien zur Ergründung ästhetischer und theoretischer Fragen zeigt die jüngste Installation von Frances Torre, "The Head of the Dragon" (1984). Dieses Projekt verwendet Videoband, Ringleitungs-Video, Filmschleifen-Installation, Zeichnung und Skulptur zur Schaffung einer verbindlichen und komplexen Arbeit über eine Metapher des menschlichen Geistes. Wenn sich der Betrachter durch den Galerieraum bewegt, entwickelt sich aus den verschiedenen Elementen ein kognitives Modell des Geistes als dem Platz, an dem die Ursprünge des menschlichen Bewußtseins erforscht werden können. Der wiederholte Zyklus von Videobändern ist eine Erweiterung der Rammbock-Struktur: an der Stirnseite dieser Struktur ist ein Monitor befestigt, der eine lebende Schlange zeigt, die sich auf der anderen Seite der Türe, gegenüber dem Rammbock befindet. Dieses Reptil-Motiv, das sich in allen Teilen des Projekts wiederholt, beruht auf der These des Biologen Paul MacLean, wonach das menschliche Bewußtsein reptilen Ursprungs sei. Dieses tiefschürfende und komplexe Werk postuliert die intertexturale und multimediale Eigenschaft der Videokunst.
Die Ringleitungs-Eigenschaft des Video wird in William Anastasis "Transfer" (1968) sichtbar. Darin befindet sich eine an dem Monitor angebrachte Kamera gegenüber der Steckdose. Auf dem Monitor sieht man das Bild der Steckdose und von Steckern. Diese frühe, so trügerisch einfache Arbeit eines anerkannten Vertreters der Minimal Art kommentiert das Medium und die Ursprünge seines Prozesses. Indem es sich selbst darstellt, setzt das zweidimensionale Bild die Ursprünge seiner Bildwelt in sich selbst voraus. Als Ausdruck der Anliegen der Minimalisten schafft diese Arbeit von Anastasi einen unübertroffen klaren, subtilen und in sich selbst ruhenden Ausdruck. Durch die Erforschung des Mediums in Relation zum Standort seiner tatsächlichen Aufstellung behandelt "Transfer" die Wahrnehmung der Darstellung.
Die Qualität und Vielfalt der Arbeiten von Künstlern in allen Teilen der Vereinigten Staaten und in anderen Ländern sichert die Zukunft der Videokunst. Sie ist ein Medium, das sich durch die Ästhetik der Künstler und die technischen Entwicklungen ständig verändert. Der Betrachter zu Hause und der Galeriebesucher werden sich mit neuen Räumen im eigenen Heim und in der Galerie konfrontiert sehen, weil das post-industrielle technische Zeitalter neue Paradigmen unserer Kultur schafft. Wie die industrielle Revolution Fotografie und Film hervorgebracht hat, so hat uns das elektronisch-technische Zeitalter das Video gebracht. Seine Zukunft wird Einfluß darauf haben, wie wir die Welt um uns sehen und wie wir sie schließlich neugestalten und erhalten. Der Künstler, der schon immer mitgewirkt hat, Veränderungen herbeizuführen und Werte zu bewahren, wird aus den Quellen dieses außergewöhnlichen Mediums Video neue Werke und Ideen schaffen.
John G. Hanhardt Kurator für Film und Video Whitney Museum of American Art
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