Stille elektronische Post
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Bechtold
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'Richard Kriesche
Richard Kriesche
Mittwoch, 25. Juni 1986 22.20 Uhr, FS 2 ORF-VIDEONALE 86 Elektronische Grüße
Im Anschluß: Perfect Lives – An Opera for Television by Robert Ashley, Production John Sanborn
PART V: The Living Room (The Solutions) Will and Ida discuss the trouble at The Bank
Im Mittelpunkt dieser Sendung steht die Nutzung des Mediums Fernsehen als Kommunikationsmittel durch Künstler. Gezeigt werden in Ausschnitten geschichtemachende Beispiele, wie die Satellitenübertragung der documenta 6 mit Joseph Beuys, Nam June Paik und Douglas Davies, "Good Morning Mr. Orwell", u.a. Hauptprogrammpunkt der Sendung ist die Uraufführung der österreichischen Produktion "Stille elektronische Post" von Gottfried Bechtold und Richard Kriesche.STILLE ELEKTRONISCHE POST Unser aller Lebensraum wird durch die elektronisch-digitalen Medien soweit verfremdet, bis er uns vollkommen fremd wird. Wie in der "Stillen Post" - einem Kinderspiel – die Information sukzessive verfremdet wird, wird in dieser "Elektronischen stillen Post" bereits von einer verfremdeten Wirklichkeit ausgegangen. Erst die Zerstörung des realen Raumes macht dessen neue elektronisch-digitale Grundlage sichtbar.
Zwischen den beiden ORF-Studios Linz und Dornbirn, zwischen Kriesche und Bechtold, wird die bestehende Kommunikationsleitung – Bild- und Tonleitung – genutzt und gemäß dieser Kommunikationsstruktur in Linz bzw. Dornbirn, in Oberösterreich bzw. Vorarlberg nur Teilwelten erstellt (geteilte Menschen, geteilte Klaviere, geteilte Kulturen etc.).
Das Computer- und Videoprojekt "Stille elektronische Post" zeigt auf, daß in den bestehenden Kommunikationssystemen subjektive Weltsichten verborgen liegen, die es anzusprechen gilt. Weltwerke, oder Kunstwerke im eigentlichen Sinn.
Produktion: Richard Kriesche und Gottfried Bechtold in Zusammenarbeit mit den ORF-Landesstudios Oberösterreich und Vorarlberg Regie: Alois Sulzer
Sprecher in typischer Haltung
Text:…" Diese Sendung zweier Künstler – Richard Kriesche und Gottfried Bechtold – ist dem elektronischen Raum gewidmet. Dieser imaginäre Raum ist das Produkt elektronischer Kommunikation. Der ORF hat dafür zwischen den beiden Bundesländern Oberösterreich und Vorarlberg eine Schaltung eingerichtet, um diesen imaginären Raum – oder das imaginäre Österreich – sichtbar zu machen. Durch diese Kommunikation wird der Raum auch nicht mehr abgebildet, sondern ein vollkommen neuer Raum wird mit all seinen neuen Objekten ausgebildet. Elektronische Kommunikation ist eine Neugestaltung der Welt, ist eine neue Ordnung der Dinge und Traditionen. So ist dieses Experiment auch ein Beitrag zu einer neuen Kunst außerhalb der Museen und Galerien, eben einer Kunst im öffentlichen Raum, einer Kunst, die ihr Entstehen diesem öffentlichen elektronischen Raum verdankt." Bild: Titel: Stille Post. Läuft über Bildschirm von unten nach oben. Kriesche/Bechtold kommen von beiden Seiten. Ton: Weltraummusik Text: "Servus, Richard." "Hallo, Gottfried." Bild: Mitte des Bildschirm ist unsichtbar zweigeteilt. Bild: Kriesche wirft Globus an Bechtold. Globus verschwindet in der Mitte, taucht aber kurz darauf wieder auf. Bechtold fängt ihn.
B. spricht nicht zu K., sondern zu B.
Text:
K: Fernsehen ist Fernweh. B: Fernsehen ist die unbefriedigte Sehnsucht nach dem "Ort ohne Zeit" und der "Zeit ohne Raum". K: Die Manifestation des Fernweh ist das Fernsehstudio. B: Das Fernsehstudio ist kein Ort, sondern unser Zustand. K: Es hat keine Geschichte, keine Zukunft, sondern Gegenwärtigkeit. B: Die Gegenwärtigkeit findet sich im Netzwerk, in der Verknüpfung der Fernsehstudios. K: Das Netzwerk ist die Beschreibung der Welt. B: In Bildern. K: Wir beide befassen uns mit Bildern. B: Im Netzwerk. K: Weil Bilder wirklicher sind als die Wirklichkeit. B: Sie sagen nichts aus zur Wirklichkeit, sie sind längst die Wirklichkeit. K: Bilder sind die Wirklichkeit der Mehrheit. B: Bilder des Netzwerks sind die Schönheit der Mehrheit. K: Oder: in der Schönheit der Bilder drückt sich die Wirklichkeit der Mehrheit aus.
B. spricht nicht zu K., sondern zu B.
B: Darum ist die Schönheit Vorarlbergs mit der Schönheit Oberösterreichs austauschbar. B: Darum haben wir zwei Studios verbunden, vernetzt, zur Beschreibung Österreichs.
Bild: Produktion "ORF-Kameramann" 3/4 Bild, 1/4 Bild Insert. Bilder, die Fremdenverkehrsprospekte zur Grundlage haben. Text: Text ist den Fremdenverkehrsprospekten entnommen. Ton: Profess. Sprecher off Geräusch O-Ton + Einspielung von Idealplatten (Geräuschplatten) Bild 2 / Bild 1 Bild: Spray ganz kurz.
Text:
B: Die elektronische Wirklichkeit ist eine Teilwirklichkeit. K: Die Ganzheit ist eine Illusion der Mehrheit. B: Fernsehen ist das Bild der Illusion der Ganzheit. K: Wirklichkeit ist, was jeder von uns verwirklicht. B: Richard, ist Oberösterreich bereit? K: O.k., Gottfried, Vorarlberg soll kommen!
Bild: Geteilter Bildschirm (unkenntlich). Links K., rechts B. sprayen die Konturen von Österreich. Bild 1 / Bild 2
Text:
K: Wirklichkeit ist Mehrheit. B: Mehrheit ist Schönheit. K: Demokratie ist elektronische Schönheit. B: Jede Betätigung ist Bestätigung. K: Ist Vorarlberg bereit? B: Ist Oberösterreich bereit?
O-Ton.
Bild: Bildschirm schwarz/weiß geteilt. Hier beginnt Klatschen, Rufen etc. zur Lichtsteuerung. Bildhälften erreichen etwa gleiche Helligkeit (eventuell Hereinnehmen des Klangbildes von beiden Bildern als Kurve oder ähnlichem als Insert).
Text:
B: Elektronische Bilder sind Superbilder. K: Die Natur ist nur noch deren grauer Abglanz. B: Fernsehbilder entleeren die Natur. K: Kunstbilder leisten dem Raubbau Widerstand.
O-Ton.
Bild: B. mit "Hirschknopfanzug" im Zentrum von Dornbirn. K. mit "Gamsbartanzug" im Zentrum von Linz. Mensch als Skulptur; ruhige, tragende Einstellungen. Bild 1 / Bild 2
Bild: B. und Bürgermeister von Dornbirn. Interviewsituation. K. und Bürgermeister von Linz. Interviewsituation.
Text:
K: Spricht er über die Bürger, über die Stadt … B: Spricht er über die Bilder, die die Bürger über sich und die Stadt haben … K: Spricht er bereits über ein Bild, das er für uns produziert … B: "Herr Bürgermeister, wir danken Ihnen für das zweiminütige Gespräch." (Namen der Stadt fällt nicht bzw. wird herausgeschnitten.)
O-Ton.
Bild: K. trinkt Wasser aus der Donau. B. trinkt Wasser aus Bodensee. Rituell, skulptural. Totale: K. geht vom Ufer zur Donau. Groß: K. schöpft Wasser und trinkt. (Einspielung der Zeitnehmung und Datum.) Bild 2 / Bild 1
Text:
B: Elektronische Kommunikation ist Teilwirklichkeit. K: Die eine Welt ist eine Illusion. B: Unsere Klaviere sind die ersten Prototypen einer elektronischen Teilwirklichkeit. K: Unsere Klaviere sind die ersten Gegenstände der globalen Kommunikation.
Bild: Klassische Aufnahmen von Klavierspielern. Zwei Spieler am Klavier. Davon nur eine Hälfte bespielbar. Neben den Noten ist auf dem Klavier ein Monitor, der den anderen Spieler zeigt. O–Ton. Gershwin: Rhapsodie in Blue. Bild 1 / Bild 2
Text:
K: Die Schönheit unserer Heimat … B: Ist eine kollektive Übereinkunft. K: Sie ist die Schönheit der Ökonomie und der Mehrheit. B: Sie ist die Schönheit der Fremdenverkehrsprospekte. K: Die Fremdenverkehrsprospekte sind für Fremde … K: Bei diesen Superbildern haben wir subjektive Bilder gefunden … B: Am selben Ort, zur selben Zeit. K: Als Insert eingeblendet. B: Elektronische Kommunikation ist Teilwirklichkeit. K: Die eine Welt ist eine Illusion. B: Unser Chor ist ein elektronischer. K: Telekommunikation ist seine Grundlage …
Bild: Wie auf Seite 4. Thematischer Schwerpunkt spitzt sich auf Heimat zu. Bild 2 / Bild 1 Bild: Ein Chor ist zweigeteilt. Lücken in der Aufstellung. Singt ein gemeinsames Lied.
B: Global ist seine Perspektive.
O-Ton. (Heimatlied) Bild 1 / Bild 2
Text:
K: Der elektronische Raum ist unser wirklicher Raum. B: Er ist die Nachricht vom fehlerlosen Raum. K: Er ist die Nachricht vom sich selbst kontrollierenden Raum. B: Fernsehbilder sind die ersten und die letzten Boten dieses Raumes K: Automatisch, ewig und fehlerlos.
Ton: Schleife live ¡¡¡ Schleife Bild: B. macht als blinder Kameramann – dann auch K. als blinder Kameramann – Aufnahmen von einem Modell im Zentrum der Stadt (Miß Oberösterreich bzw. einen Weltmeister aus Vorarlberg oder auch Miß Vorarlberg). 1/4–Insert ORF – versteckte Kamera. Diese zeigt B. bzw. K. an der Kamera. Bild 2 / Bild 1
Text:
B: Der elektronische Raum ist der Raum der Teilwirklichkeiten. K: Er hat nichts mehr mit dem Sehen und Hören zu tun, sondern mit Kunst B: Mit der Kunst des Sehens und Hörens. K: Elektronische Demokratie.
Bild: K. und B. treten blind vor das Publikum. Getrennt in Halbbild des Monitors. Über Ansage des Publikums treffen sie sich mit der Augenbinde zu einem Ganzbild. Beide Kameras zoomen auf ins Schwarz. O-Ton. Bild 1 / Bild 2
Text:
K: Der Schönheit der Mehrheit haben wir die Schönheit der Minderheit hinzugefügt. B: Objektives mit Subjektivem gezeigt. K: Teilansichten … B: Telekommunikatives Fernsehen.
Bild: Wie auf Seite 4. Stimmungsbilder. Das 1/4–Insert geht am Ende in Ganzbild über. 3/4–Bild wird zu 1/4–Bild. Bild 2 / Bild 1
Text:
B: Der elektronische Raum ist ein Kunstraum … K: An dessen Ende das Ende von Kunst liegt. B: Ja, die Vollendung dieses Raumes ist das Ende von Kunst. K: Erst in diesem Finale verschmilzt Wirklichkeit mit Schönheit.
Bild: LIVE Computerspiel/Graphik. Über ein Digitalisierungstableau schießen B. nach Linz und K. nach Dornbirn. Abschießen mit Bleistift als Gamsbart.
Graphik erscheint am Bildschirm von K. und B., nicht jedoch am Tableau. Nach "gelungenem" Abschuß erscheint Graphik am Bildschirm. K. verschwindet aus dem Bild (Spiegeleffekt). Graphik am Monitor löst sich auf.
Schlußtitel.
Ende.
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