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Ars Electronica 1986
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Festival 1979-2007
 

 

Der virtuelle Raum – Die elektronischen Umfelder von Mobile Image


'Gene Youngblood Gene Youngblood

"Wir müssen in dem Ausmaß schaffen, in dem wir in der Lage sind zu zerstören" – sagen die Urheber von "Electronic Cafe". Seit 1977 arbeiten Kit Galloway und Sherrie Rabinowitz als "Mobile Image" zusammen; sie haben sich der eingangs zitierten Herausforderung mit einer Reihe von Arbeiten gestellt, die die "im Entstehen begriffene Umwelt" der elektronischen Telekommunikation zum Inhalt haben. Wenn sich diese Projekte irgendeiner geschichtlichen Periode zuordnen lassen, dann der "Kunst und Technik"; aber ihre Bedeutung liegt gerade in jenem Ausmaß, in dem sie über die Widersprüche dieser problematischen Tradition hinausgehen. Tatsächlich definiert das einzigartige Unternehmen der "Mobile Image" neue Wege für Kunst UND Technik; sie geben der ersteren neues Leben und humanisieren die zweitere, indem sie die zentrale kulturelle und politische Frage unserer Zeit aufwerfen.

Die kurze Geschichte von künstlerischen Telekommunikationsprojekten steht im Schatten der Revolution in der Kommunikation – jener mythischen Wandlung von Kultur und Bewußtsein, die zumindest eine Generation lang ständig vor sich zu gehen schien. Bei der Revolution der Kommunikation handelt es sich nicht um Technik; es handelt sich vielmehr um mögliche Beziehungen zwischen Menschen. Sie setzt eine Umkehrung der bestehenden sozialen Beziehungen voraus, wodurch sich die heutige hierarchische Massenkultur in autonome, selbständige "Realitäts-Gemeinschaften" auflösen würde – in Gruppen von politisch relevanter Größe, die sich durch Telekommunikationsnetze als Gemeinschaften verwirklichen und daher nicht durch die Geographie, sondern durch Bewußtsein, Ideologie und Wollen definiert sind. Nur als Mitglieder einer solchen Gemeinschaft wären wir in der Lage, sowohl Modelle möglicher Wirklichkeiten (Kunst) zu entwickeln als auch die kulturellen Zusammenhänge zu kontrollieren, in denen diese Modelle veröffentlicht und angenommen würden (Politik). Kontrolle der Zusammenhänge bedeutet Kontrolle der Bedeutung und ohne Kontrolle der Bedeutung kann es weder Freiheit noch Kreativität geben. Es ist daher unvermeidlich, daß Künstler, die mit Telekommunikation arbeiten, ein hohes Maß an ethischer Verantwortung tragen, denn diese Geräte repräsentieren unsere einzige Hoffnung auf eine Bewältigung der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen in der Tat in dem Maße schaffen, in dem wir in der Lage sind, zu zerstören; dies wird aber nicht möglich sein, wenn wir nicht die Zusammenhänge kontrollieren können, die den Sinn unseres Lebens bestimmen.

Der ethische Imperativ ist vor allem die Schaffung alternativer Modelle für die Entwicklung dieser Technologien durch alle Gemeinschaften des Wollens als wesentliche Instrumente für die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Bedauerlicherweise spiegelt die Geschichte künstlerischer Telekommunikationsprojekte nur in geringem Maße die Akzeptanz dieser Verantwortung wider. Die meisten dieser "Werke" waren entweder Routineanwendungen von Satelliten für Telekonferenzzwecke (1) oder die ebenso routinemäßige Verwendung von Computer, Videotext und Faksimile-Netzen für den Austausch von Werken, Informationen und Ideen" (2) – oder es handelte sich um Rundfunkereignisse, die dem an das Kabelnetz angeschlossenen Fernsehteilnehmer oder einem in Vortragssälen von Museen (3) versammelten Publikum persönlichkeitsbezogene Aufführungen von "Star-Künstlern" boten. Der Anspruch war der, daß etwas, das tagtäglich in Wirtschaft und Industrie und von Nutzern von Computernetzen getan oder allabendlich von den Rundfunkmachern angewandt wird, dadurch etwas Besonderes wird, daß es von Künstlern gemacht wird. Tatsächlich aber tritt nichts zutage, was nicht schon vorgegeben, vordergründig erkennbar oder Routine ist – was nicht schon im kommerziellen Zusammenhang veröffentlicht wurde.

Im Gegensatz dazu waren alle Projekte von "Mobile Image" echte Alternativen zu bestehenden Praktiken in der Telekommunikation. In einem Manifest, das dem Geist, wenn nicht der Substanz nach dem der italienischen Futuristen vergleichbar ist, regten sie 1975 an, die einzigartigen Möglichkeiten der neuen Technologien zu erforschen, unabhängig davon, ob die Ergebnisse künstlerisch wären oder nicht, und unabhängig davon, ob sie von der Kunstwelt überhaupt zur Kenntnis genommen würden. In der Tat sehen sie im Telekommunikationsprojekt als "Kunst-Ereignis" einen tiefgreifenden Widerspruch; es erhebt sich dabei die grundsätzliche philosophische Frage, in welcher Weise ein Werk das Ausmaß der Kreativität beeinflußt. Kunst als die vorbereitete Erfahrung, als das Meisterwerk, ist die monumentale Version der Kreativität. Aber es gibt da noch jene andere Qualität des Lebens, die auf der Strecke bleibt", sagt Galloway, "des Lebens, das sich zwischen den einzelnen großen Spektakeln abspielt. Zwischen den großen Augenblicken kann es eine Qualität der Kunst und des Lebens geben, aber die Berechtigung, auf dieser Ebene zu arbeiten, wird durch die Betonung der Kunst (4) entwertet" – die dadurch zur Antithese der Säkularisierung der Technik wird. Wenngleich Galloway und Nabinowitz häufig Kunstmetaphern zur Charakterisierung ihrer Arbeit heranziehen, so glauben sie doch, daß dies grundsätzlich eine Falle ist. "Solange wir vom 'Künstler' sprechen, gehen wir nicht wirklich an das Problem heran", stellt Galloway fest. "Es scheint, als würden wir an ein Problem herangehen: Da ist also diese unterernährte, unbeachtete Subkultur mit dieser großen Last auf ihren Schultern, und alle sind verpflichtet, ihrem lokalen Künstler zu helfen. Aber das Problem ist nicht eines der Kunst. Es ist ein Problem der Anerkennung des Wertes der Kreativität in einer gesunden Gesellschaft."

TELEKOMMUNIKATION ALS UMWELT-DESIGN
Ihre Lösung ist die Metapher vom Umwelt-Design. Im Wesen populistisch, interessant für die Technik, aber auch für Verhaltenswissenschaften und Kunst, spiegelt sie die soziopolitische Tendenz ihres Unternehmens wider. "Wir sehen Kommunikations- und Informationssysteme als Umfelder, in denen Menschen leben", erklärt Rabinowitz. "Daher betrachten wir die Ästhetik dieser Umwelt, die Gestaltung des Raumes. Die Art, wie man einen Raum gestaltet, bestimmt darüber, was mit der darin enthaltenen Information geschieht." Sie appelliert an die Architektur: Informations-Umfelder können so erhebend und inspirierend sein wie Kathedralen (Computernetze) oder so schmutzig und unmenschlich wie Ghettos (die Massenmedien). Wie- man von Gebäuden sagt, sei seien entweder demokratisch oder repressiv, so bestimmt die Architektur des elektronischen Raumes die möglichen Beziehungen zwischen Menschen, legt sie die Konturen des Wollens fest. Aber die Metapher hat ihre Grenzen." Die Membran ist nicht so körperhaft wie die eines Gebäudes. Der Unterschied besteht darin, daß in einem elektronischen Raum die Information zur Umwelt wird. Das ist wie bei einem Fluß: die Technologie, die bestimmt, wie die Information fließt, ist das Flußbett; aber das Wasser – die Information selbst – ist die Umwelt, in der der Nutzer tatsächlich lebt, mit der er in Wechselbeziehung steht. "Das ist unbestelltes Land", sagt Galloway, "ein Entwicklungsgebiet. Wir alle sind Astronauten, die lernen müssen, in einer neuen Umwelt zu leben.

Aber Lernen und Kreativität beruhen auf Erfahrung: Spielen, Herumexperimentieren mit Gegenständen, Trödeln ohne Zeitdruck – und plötzlich kommen die Entdeckungen. Diese Werte finden in der jüdisch-christlichen Ethik der Rationalisierung, die unsere Kultur beherrscht, keine Anerkennung. Die meisten Telekommunikationsprojekte sind überrationalisiert. Es besteht ein starker Druck, sie zu rechtfertigen, weil der elektronische Raum eine sehr teure Liegenschaft ist. Aber es muß einen Central Park geben. Wenn wir unsere Nutzung ausschließlich als Kunst oder Kommerz rationalisieren, wird es schwierig sein, alternative Modelle zu kultivieren. Wir sind im Begriff zu kultivieren. Es gibt da diese Vielzahl von Möglichkeiten, und sie werden nicht genützt, nicht erprobt." Entsprechend schlagen auch die Künstler keine "Kriterien für das Design des Ewigen" vor. Ihre Projekte sollten als explorative Prototypen, als Umwelt-Simulationen, als experimentelle Laboratorien verstanden werden, in denen Strategien für Freiheit und Würde im Informationszeitalter am lebenden Objekt erprobt werden. Sie gestatten es uns, "im elektronischen Raum zu verweilen", als Erforscher einer im Entstehen begriffenen Umwelt, in der wir alle in zunehmendem Maße leben werden.

Im Jahr 1975 formalisierten Galloway und Rabinowitz Jahre des Nachdenkens über die Revolution der Kommunikation und ihre Bearbeitung durch Künstler: unter Konzentration auf Echtzeit-(live)Telekommunikation, bestehend aus "Speicherzeit" – Videobandaufnahmen – planten sie vier Projekte, um das zu erforschen, was sie für die vier unverwechselbaren Merkmale der Satellitenkommunikation halten. Thematisch sollte sich jedes Projekt mit einem Aspekt des Konzeptes der Dimension befassen – für sie die zentrale philosophische und politische Frage, die sich aus der Revolution der Kommunikation ergibt, und der Grund für die Wahl des Satelliten als Medium. Eine Interpretation der Dimension war das Konzept "eines Raumes ohne geographische Grenzen" (heute nennen sie ihn in Anlehnung an den Computer-Jargon "virtuellen Raum"). Dies wurde zum Thema ihres ersten Experiments "The Satellite Arts Project" aus dem Jahr 1977. Ein weiteres war die Vorstellung von der Dimension als geographische Beziehung: sie wurde in ihrem zweiten Projekt "Hole in Space" (1980) realisiert, das als "unsichtbare Skulptur" charakterisiert wurde, in der die verbindenden Geräte und nicht die daraus entstehende Darstellung wichtig waren. Das dritte Projekt sollte eine internationale Variation von "Hole in Space" sein und das Ausmaß der multiethnischen oder interkulturellen und nicht so sehr der geographischen Beziehungen behandeln sollte. Ihr viertes Projekt hatte mit der Dimension der Beobachtung zu tun – es benützte den Satelliten, um anders nicht erzielbare Sehweisen zu erreichen. Das ist Inhalt von "Light Transition", das ebenso wie das internationale "Hole in Space" – noch nicht realisiert werden konnte. Und jetzt ist da "Electronic Cafe", ein hybrides multimediales Computer/Video-Netz, dessen Thema die politische Dimension, die Dimension der sozialen Organisation ist. "Electronic Cafe" stellt eine logische Weiterentwicklung in den Werken von "Mobile Image" zu der Vorstellung vom elektronischen Raum als Gemeinschaft, als eine "virtuelle" Umwelt, in der wir leben, dar. Um seine Bedeutung für die Künstler und auch für die Sozialgeschichte zu erkennen, ist es notwendig, die vorhergehenden Projekte zu verstehen.
"THE SATELLITE ARTS PROJECT"
In ihrem ersten Experiment, "The Satellite Arts Project", das 1977 in Zusammenhang mit der NASA realisiert wurde, stand der Begriff des elektronischen Raumes als Umwelt im wörtlichen Sinn im Mittelpunkt. Unter Verwendung des amerikanisch-kanadischen Satelliten Hermes CTS wurden Menschen über eine Entfernung von etwa 5000 km elektronisch zu einem einzigen Bild zusammengefügt, das an allen Orten und Monitoren gezeigt wurde, wodurch ein "Raum ohne geographische Grenzen", ein "virtueller" Raum geschaffen wurde, in dem Live-Aufführungen stattfinden konnten. Abgeleitet vom Lateinischen, bezieht sich das Eigenschaftswort "virtuell" auf Phänomene, die es in der Tat oder im "Essentiellen", nicht aber wirklich gibt; die Welt im Spiegel ist das urtypische Beispiel für den virtuellen Raum. Wie dreidimensional Gegenstände in einer Computer-Simulation, ist ein virtueller Raum oder ein virtuelles Volumen eine Art von Phantom-Wirklichkeit, die besteht und doch nicht besteht; sie ist für "alle praktischen Zwecke" vorhanden, und doch ist sie nicht, was sie scheint: für alle praktischen Zwecke ist das Bild im Spiegel scheinbar ich selbst, aber es ist nicht wirklich ich. Für "The Satellite Arts Project" planten Galloway und Rabinowitz einen "virtuellen Tele-Raum" als neue Umwelt für die darstellende Kunst und als neues Modell für die Zweiwegkommunikation.

Den größten Teil des Jahres 1977 arbeiteten die Künstler mit der NASA, testeten Techniken für die Schaffung eines virtuellen Tele-Raumes und Strategien für seine "Besetzung" durch die Darsteller. Dazu bedurfte es zweier Serien von Live-Übertragungen, die erste im Juli, mit NASA-Mitarbeitern als Teilnehmern, und die zweite im November, in der vier Tänzer - zwei in Kalifornien, zwei in Maryland – an drei aufeinanderfolgenden Tagen sechs Stunden täglich die virtuelle Umwelt erforschten. "The Satellite Arts Project" war das erste seiner Art, sowohl in der darstellenden Kunst als auch in der Telekommunikation. Vor diesem Zeitpunkt war Video lediglich zu Dokumentationszwecken oder als Hintergrund für den Darstellungsraum oder zur elektronischen Verarbeitung von Bildern von Live- oder Bandaufführungen verwendet worden. In diesem Projekt wurde Video zum tatsächlichen Ort einer Aufführung, die es nur im virtuellen Raum gab, der alle Wechselbeziehungen und Interaktionen bestimmte. Tanz war hier nicht mehr nur ein Ziel als solches: als etwas gesehen, das alle Formen physischen Verhaltens umfaßt, wurde er als ein zutiefst humaner Versuch eingesetzt, als strengste und anstrengendste Methode zur Untersuchung der gemeinsamen Besetzung des Tele-Raumes in Echtzeit.

Die Tänzer probten in lokalen "Kabel-Übungsstunden", die schon Monate vor der Live-Sendung begannen. Ihre Improvisationen gruppierten sich um eine Reihe von Aufgaben, die Eigenschaften des virtuellen Raumes und die kinästhetischen Effekte der Zeitverzögerung um eine Viertelsekunde betrafen, die sich aus dem fast 90.000 km langen Weg der über Satelliten abgegebenen Signale ergibt. "Sie mußten sich an die körperlose Wirklichkeit dieses dünnen, zweidimensionalen Raumes anpassen", erklärt Rabinowitz, "und doch hatten ihre Interaktionen eine `Dicke', die von der Zeitverzögerung bestimmt war. Es war ein dünner Raum/dicke Zeit, wie eine Erfahrung der Körperlosigkeit, das Gefühl eines transzendenten Traums. Man gibt seinem Abbild als einer Art Botschafter im virtuellen Raum den Vorrang. Aber obwohl man von seinem Körper getrennt ist, ist er doch unglaublich sinnlich. Ja, der sensorische Verlust verstärkt die Sensibilität, überhöht die Annehmlichkeit der sinnlichen Erfahrung. Man 'besitzt sein Abbild' so vollständig in der Echtzeit, daß man das Gefühl von Phantom-Gliedmaßen hat. Nachdem man einige Zeit in diesem Raum verbracht hat, muß man sich erst allmählich wieder an die körperlichen Empfindungen gewöhnen".

Der Musiker Paul Horn, der im Taj Mahal und in den ägyptischen Pyramiden mit akustischen Verzögerungen experimentiert hatte, wurde zur Mitarbeit an dieser "optischen Verzögerung" eingeladen. Er spielte für die Tänzer auf der Flöte und "ließ seine Musik von den Wänden des Satelliten widerhallen". In einem weiteren Experiment wurden sechs Darsteller, je drei an der Ost- und an der Westküste, elektronisch in die Live-Übertragung eines Fußballspiels eingeblendet; sie beteiligten sich am Geschehen, ihre Figuren hatten dieselben Proportionen wie die Spieler. Der wahrscheinlich erstaunlichste Augenblick auf der Videoband-Dokumentation des Projekts ist eine Tänzerin, die mit ihrem eigenen Abbild in unendlich zurückweichenden Schichten von Feedback interagiert, wobei jede Schicht das neuerliche Durchlaufen des Signals durch die 90.000–km-Schleife repräsentiert. Medizinische Telemetrie-Geräte, die die Muskeltätigkeit der Tänzerin maßen, wurden zur Modulation eines Audio-Synthesizers verwendet. Im Inneren einer audiovisuellen Echo-Kammer, die die nördliche Hemisphäre umfaßte, wurde sie zu ihrer eigenen Umwelt.
"HOLE IN SPACE"
Im November 1980 verwirklichten Galloway und Rabinowitz das zweite ihrer geplanten Projekte, "Hole in Space", dessen Titel ein brillantes Konzept von Umwelt-Design darstellt: ein "Loch" in Raum/Zeit, unwahrscheinlich dargestellt als ein Merkmal der physischen urbanen Landschaft, durch das Menschen, die durch einen Kontinent voneinander getrennt sind, miteinander in Echtzeit interagieren konnten. Videokameras und Hintergrund-Projektionswände wurden in den Schaufenstern des Broadway Store in Los Angeles und im New Yorker Lincoln Center montiert; je zwei Stunden lang an drei aufeinanderfolgenden Abenden wurden die beiden Schauplätze über Satelliten miteinander verbunden, wobei jede Projektionswand lebensgroße Bilder von Menschen an der anderen Küste zeigte, die sozusagen die Beobachter beobachteten: Das Ergebnis war eine Art von "virtuellem Augenkontakt", der die Technik transparent machte: in der Tat ein "Loch", durch das jede Gruppe die andere, nicht aber sich selbst sehen und hören konnte. Es gab keine Vorankündigungen und an den Schauplätzen keinerlei Hinweise oder Anleitungen. "Hole in Space" mußte von den Passanten entdeckt werden, die sich plötzlich mit Menschen auf einer Leinwand konfrontiert sahen. "Sie fanden sich plötzlich, ohne Vorbereitung, ohne Vorwarnung, inmitten dieser entstehenden Umwelt", erinnert sich Galloway. "Wir übergaben die Situation einfach an die Menschen, damit sie sie humanisieren, akkultieren sollten. Was würde wohl ihre Reaktion, ihre Haltung, ihre Einstellung in dieser einzigartigen sozialen Situation ohne bekannte Spielregeln sein?"
"LIGHT TRANSITION"
Für September 1985 geplant, befaßt sich "Light Transition" mit dem Satelliten als Instrument für die Beobachtung der Planetenbahnen auf großer Ebene. Als einziges unter den Werken von "Mobile Image" ist es ein übertragenes Ereignis, nicht eine partizipatorische Umwelt. Aber es geht nicht wirklich um das dargestellte Bild, sondern vielmehr darum, die beobachterischen Fähigkeiten des Zeugen zu erweitern, dessen Gesichtskreis hier in Begriffen der Gestirne vorgestellt wird, der eine einmalige planetarische Dynamik enthält. An den Stränden beider Küsten werden Kameras aufgebaut, die die beiden Ozeane in einem Live-Bild auf einer geteilten Leinwand zusammenbringen, ein Bild, das kommentarlos in Abständen von einer halben Stunde in das Nachmittagsprogramm eines Satellitensenders kurz eingeblendet wird. Jede Ausstrahlung baut auf den vorhergegangenen auf, sie eröffnet uns einen Blick auf jene großen zyklischen Muster von Schatten und Schwerkraft, die den Umlauf unseres Planeten durch den Kreislauf der Stunden kennzeichnet – zuletzt sieht man die Sonne im Pazifik untergehen, während sich der Mond aus dem Atlantik erhebt, live und in Echtzeit.

Die erste Ausstrahlung, zur Mittagszeit, wenn das Licht an beiden Küsten gleich stark ist, dauert eine Minute. Alle folgenden Ausstrahlungen mit Ausnahme der letzten erscheinen nur 20 Sekunden lang, in Programmunterbrechungen, "wie ZEN-Werbesports". Sie sind aufeinander abgestimmte, statische Kompositionen und stellen einen Vergleich zwischen den beiden Umfeldern an – Schatten, die die aufgebauten Trägerkonstruktionen werfen, Licht auf dem Wasser, Struktur von Fels und Sand, Nahaufnahmen der Brandung. Mehr als ein Dutzend Ausstrahlungen ereignen sich in einem Zeitraum von fünf bis acht Stunden; dabei wird die Verlagerung des Lichtes von Ost nach West bis zur letzten Ausstrahlung zunehmend dramatischer: ein fünfminütiger Echtzeit-Sonnenuntergang/Mondaufgang (es ist beinahe Vollmond) zeigt die heroische Verwendung von großen Geräten der terrestrischen und orbitalen Sendeapparaturen, die mit größter zeitlicher Präzision auf dieses Himmelsereignis eingestellt worden waren.

Galloway und Rabinowitz sehen "Light Transition" als eine uralte Betrachtungsweise der Welt, sie sehen die Erde, wie die Ägypter, Babylonier, wie die Druiden, die Mayas oder die Ureinwohner Nordamerikas sie gesehen haben könnten als sie mit Hilfe ihrer astronomischen Bauwerke die Himmelsdynamik maßen. Die für das Projekt zusammengefügten Geräte werden so zu einer Art Bauwerk, das Zeit mißt, wie Stonehenge oder der Tempel von Karnak, eine elektronische Version von chronologischen Methoden, die aus dunklen Urzeiten auf uns gekommen sind.
HUMANISIERUNG DER TECHNIK: PROBLEME UND THEMEN IN DEN PROJEKTEN VON MOBILE IMAGE
Diese eleganten virtuellen Umfelder sollen auf zweierlei Art und Weise die Technik humanisieren. Erstens durch einen Ausgleich der Divergenzen in den Größenordnungen, das heißt durch eine Reduzierung von Groß-Phänomenen auf menschengerechte Umfelder, Erfahrungen und Möglichkeiten. Und zweitens durch die Unterstützung der kulturellen Kontinuität durch ein "Wiedereinbringen" von Ritualen und Mythen, die aus der Kultur verschwunden, im Getriebe des rein technischen Fortschritts in Vergessenheit geraten sind.
DIMENSION
Unser Interesse gilt heute der Dimension. Das Leben ist aus dem Gleichgewicht geraten, wir sind in einer Verwirrung von Größen desorientiert. Keine der neuen technologischen Entwicklungen und Konsequenzen ist mehr menschengerecht. Wie können wir uns abfinden mit dem Ausmaß an Zerstörung, oder mit dem Ausmaß an Kommunikation, oder mit dem Ausmaß der Kolonisierung des Weltraums, des Managements unseres Planeten, mit der Vorstellung, daß jeder einzelne verantwortlich ist, daß wir in demselben Ausmaß schaffen müssen, in dem wir zerstören? Ein zentrales Thema der Arbeit von "Mobile Image" ist es, diese beunruhigenden Ungleichgewichte in humaner Weise auszugleichen, indem der Mensch mit einer lebensmöglichen Dimension vertraut gemacht wird. Sie setzen Großtechnologien zur "Gestaltung von Raum/Zeit" so ein, daß die Phänomene eine menschliche Größenordnung erhalten, die sie nicht wirklich haben.

In ihrem Engagement für Größenordnungen spiegeln die Projekte von "Mobile Image" eine Sensibilität wider, die wir in der zeitgenössischen Kunst seit den sechziger Jahren kennen, die sich mit monumentalen Strukturen und geologischen Umfeldern auseinandersetzt: Die monolithischen Konstruktionen von Michael Heizer, die Erdarbeiten von Robert Smithson und die geographischen Simulationen von James Turrell sind bekannte Beispiele dafür; in Geist und Absicht aber stehen Galloway und Rabinowitz den Arbeiten von Christo näher. Es gibt eine Parallele zwischen der heroischen Schönheit von Christo's monumentalen Werken und den eleganten elektronischen Räumen von "Mobile Image" – sie beide trachten danach, das Monumentale auf das Menschliche zu reduzieren.

Alle Telekommunikationssysteme bringen die Raum/Zeit-Dimension zum Zusammenbruch und schaffen die Gleichzeitigkeit des elektronischen Bereichs. Satelliten unterstreichen diese Tatsache allein schon durch die Größe ihrer Umlaufbahnen. "The Satellite Arts Project" behandelt diesen Aspekt der Dimension in zweifacher Weise: durch das Teleskopieren des tiefen geographischen Raumes in einen "dünnen" virtuellen Raum, in dem sich die Tänzer im Tanz vereinen; und durch die Behandlung der Erde/Satelliten-Achse als himmlische Echo-Kammer, in der nicht nur die Geschwindigkeit des Tons sondern auch die des Lichtes selbst sichtbar, formbar wurde, sich in Materialien des Spiels der Schatten verwandelte. Im Gegensatz dazu reduzierte "Hole in Space" den Kontinent zu einem öffentlichen Treffpunkt "an der nächsten Straßenecke", zerstörte den Mythos, daß Großtechnologie die sozialen Beziehungen steril mache, und reduzierte die kulturelle Dimension des Medienereignisses auf einen unangekündigten und nichteinschüchternden Teil der städtischen Umwelt, ebenso alltäglich wie die Gegenstände im Schaufenster eines Kaufhauses. "Light Transition" bezieht sich auf die Dimension der Beobachtung. Satelliten bringen uns den Mond und die Planeten näher, aber unser Bild vom Kosmos ist erdgebunden: wir betrachten den Himmel; "Light Transition" erweitert diesen ursprünglichen Blick und versetzt uns in die Lage, den Mondaufgang anderer und unseren eigenen Sonnenuntergang gleichzeitig zu erleben. Die mystische Bedeutung dieser Verbindung der Gestirne wird von der kosmischen Dimension zum lokalen Ereignis umgewandelt. Eingebettet in den ritualistischen Rahmen einer Unterbrechung des Fernsehprogramms, ruft es jene Raum/Zeit-Asymmetrien hervor, die wir aus der alltäglichen Routine von Ferngesprächen, Abendnachrichten oder Flugreisen kennen.
KULTURELLE KONTINUITÄT
Durch solche Phantomgebäude versuchen die Künstler, verlorene Traditionen wiederzufinden, alte Rituale und Mythen wiederzubeleben, Ausdrucksmöglichkeiten wiederzuentdecken, die in Amerika auf dem schicksalhaften Weg zur industriellen Vormachtstellung ihres Wertes beraubt und beiseite geschoben wurden. Für Galloway haben die Projekte eine gewisse Schmerzlichkeit, das Flair von "alten Fotos, davon, wie das Reine hätte gewesen sein können". Das hat nichts mit Sentimentalität zu tun. Er unterscheidet klar zwischen Romantik und der Wichtigkeit, diese sozialisierende, humanisierende Dynamik in das gesamte Spektrum von hochtechnisierten Umfeldern – bis hin zu einer künftigen Kolonisierung des Weltraums – wieder einzubringen. Das hat auch nichts mit "Techno-Atavismus" zu tun. Die Herausforderung besteht darin, ständig "Hilfssituationen" neu zu schaffen, die die Gültigkeit von Riten und Mythen auch in unserer Zeit bestätigen und die Symbole menschlicher Kontinuität wiederbeleben sollen, damit sie für uns wieder Lebendigkeit, Vitalität und Bedeutung erhalten.

"The Satellite Arts Project" setzte sich mit dieser Frage durch das Ritual des Tanzes auseinander, aber auch – was noch wichtiger ist – durch das Zusammenführen von Tänzern im virtuellen Raum, die im physischen Raum voneinander getrennt waren. Galloway meint, daß man diese Technik zur Herstellung von geistig zufriedenstellenden Kontakten zwischen den Besatzungen von Raumstationen und ihren Angehörigen, aber auch zur notwendigen Humanisierung des Strafvollzuges benötigen werde: die Häftlinge könnten sinnvoll am Leben ihrer Familien teilhaben, ja sie könnten sogar auf andere Weise undenkbar oder unmöglich scheinende Kontakte zu ihren Opfern haben.

Wiedervereinigung war auch in "Hole in Space" ein wichtiger Aspekt. Aber das Bedeutendste an diesem Experiment war wohl das Entstehen einer kollektiven Vertrautheit, wie wir sie von Stammeskulturen kennen, eines Gemeinschaftsgeistes, den wir in der modernen technisierten Umwelt verloren glaubten. Die dramatische Intensität der geistigen und emotionalen Gemeinschaft, die in "Hole in Space" erzielt wurde, war das direkte Ergebnis einer lebensechten und lebensgroßen visuellen Interaktion mit Augenkontakt um – diese zentrale Überlegung herum war das ganze Projekt aufgebaut.

Wie die Künstler vorausgesehen hatten, wurde das dreitägige Projekt zu einem Mikrokosmos des Prozesses der Akkulturation. Der erste Tag stand im Zeichen der Entdeckung und des Experimentierens; die Menschen begannen, sich dieser neuen Zone sozialer Möglichkeiten zu bedienen. Am zweiten Tag kamen aufgrund der Mundpropaganda mehr Menschen, die schon auf die zu erwartende Erfahrung vorbereitet waren: Botschaften und Telefonnummern wurden ausgetauscht, es gab Flirts, Verabredungen zwischen Liebenden, emotionsgeladene Familienzusammenkünfte, so sogar eine spontane "virtuelle Party" von Zwillingsbrüdern, die mit einem Glas Champagner anstießen, das sie, durch einen Kontinent voneinander getrennt, aus "derselben Flasche" einschenkten. Der öffentliche Charakter der Situation brachte in den elektronischen Bereich das Ritual des "Ich seh dich dann an der Ecke" eines lokalen Treffpunktes ein – die elektronische Nachbarschaft, wo der Teleraum zum Mikrokosmos kultureller Traditionen wurde: Menschen, die einander völlig fremd waren, organisierten sich zu Scharaden, in denen man auf die Sprache verzichtete (am Telefon kann ja jeder sprechen) und sich der dem Medium adäquaten visuellen Kommunikation bediente. Es entstand eine merkwürdige Theateratmosphäre: Menschen bewegten sich vor der Leinwand und gleichzeitig sahen sie bei etwas zu, so als wären sie Schauspieler, die zugleich ein Stück sahen, in dem Schauspieler agierten.

Der dritte Tag, der in den Massenmedien angekündigt worden war, war chaotisch, ein "überdemokratisiertes Irrenhaus"; aufgeregte Menschenmassen drängten sich, um einen Blick durch das elektronische Loch zu erhaschen und einen Blick vom anderen Ende des Kontinents aufzufangen. Die Menschen fühlten sich in dem sie umgebenden Lärm transparent und anonym, sie schrien, um gehört zu werden, sie erlebten die Emotionen anderer Menschen, ähnlich wie beim Wiedersehen auf dem Flughafen, nur viel intimer und intensiver: Die Videoband-Dokumentation des Ereignisses ist eine bewegende und kraftvolle Montage von ausgestreckten Händen und berührenden Emotionen, so etwa, wenn eine Frau, die ihren Bruder fünfzehn Jahre lang nicht gesehen hatte, den Schauplatz ihres elektronischen Wiedersehens mit Freudentränen in den Augen verläßt.

Das geplante Projekt "Light Transition" sollte sich mit dem Thema der kulturellen Kontinuität durch die Wiedereinbringung eines uralten Gefühls für natürliche Rhythmen, für die Einheit mit den himmlischen Kräften befassen. Als eine "Satelliten-Sonnenuhr" bedient es sich fortgeschrittener Technologie, um eine zyklische Dichtkunst zu zelebrieren, die dem Menschen der Vorzeit vertraut war. "Eine gewisse Dichtkunst der natürlichen Zyklen ist der zeitgenössischen Kultur verlorengegangen", stellt Rabinowitz fest. "Wir halten an und betrachten den Sonnenuntergang, wir spüren den Vollmond, aber wir haben den Zyklus dieser Phänomene verloren. Statt 'Wir treffen einander, wenn der Mond aufgeht' sagen wir, 'wir treffen einander nach den Abendnachrichten'. Wir haben diese Umweltkadenz unserer Technik, besonders dem Fernsehen, überantwortet." So wird "Light Transition" zu einer Guerilla-Strategie, mit der unser aller zirkadische Uhr angesprochen werden soll. Rabinowitz stellt sich eine globale Version vor: Zur Sommer-Sonnenwende eine Reihe von Live-Ausstrahlungen von alten astronomischen Architekturen in verschiedenen Teilen der Welt.
DER KÜNSTLER ALS SYSTEM-INTEGRATOR
Für Galloway und Rabinowitz ist die Zusammenarbeit mit der Industrie ebenso bedeutend wie die sich daraus ergebenden Strukturen. Die soziale Rolle, die sie spielen, wird zu einer ethischen Frage. Die meisten Künstler, die Telekommunikationsprojekte durchführen, haben sich mit der passiven Rolle des Klienten abgefunden, der ein schon bestehendes Paket von Dienstleistungen kauft (oder geschenkt bekommt), das letztlich den strukturellen Charakter der Arbeit bestimmt. Im Gegensatz dazu gehen Galloway und Rabinowitz als "System-Integratoren" an alle Projekte heran, die innovativ am Rande der Kunst arbeiten und daher aktiv eine Vielzahl von Geräten, Dienstleistungen und Institutionen verbinden müssen, um die nichtgenormten Ziele ihrer Unternehmungen verwirklichen zu können. Auch hier reflektieren sie eine allgemeine Sensibilität in der zeitgenössischen Kunst, indem sie die Integration verschiedener sozialer und technischer Systeme als Rohmaterial ihres künstlerischen Schaffens einsetzen. Zwar ist die Integration von Systemen im allgemeinen dieser Art von Arbeit immanent, in dem Wirken von "Mobile Image" jedoch wird sie zur zentralen Frage. Auch in dieser Hinsicht besteht eine enge Beziehung zwischen ihren Arbeiten und jenen von Christo: für beide sind die sozioökonomischen und politischen Prozesse, die mit der Realisierung von Design-Zielen in Verbindung stehen, in gleichem Maße Kunst wie die entstehenden Strukturen und Umfelder. Wie bei Christo sind auch bei ihnen die Menschen, mit denen sie arbeiten, zumeist nicht Künstler, sondern Wissenschaftler, Techniker, Industriefachleute oder Beamte, mit denen sie Beziehungen der Zusammenarbeit und nicht das traditionelle Verkäufer/Kunden-Klischee herstellen. Da in ihrer praktischen Arbeit Forschung und Entwicklung eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die Gestaltung, entwickeln sie häufig Strategien und Lösungen, die in der Folge von den Kollegen in der Industrie übernommen werden. So wird das Verkäufer/Kunden-Verhältnis umgekehrt: "Mobile Image" wird zum kreativen Berater der Telekommunikationsindustrie.
DIALOG UND KREATIVITÄT
Alle Umfelder von "Mobile Image", ausgenommen das geplante "Light Transition", sind Dialognetze: Das ist insofern von Bedeutung, als es sich dabei um die "Dimension der Kreativität" handelt; denn Kreativität und Dialog sind direkt miteinander verbunden – ja, tatsächlich ist der Dialog als schaffender Prozeß die Grundlage und Voraussetzung jeglicher Kreativität. Das wird deutlich, wenn man zwischen Gespräch und Kommunikation unterscheidet. Abgeleitet vom lateinischen "communare" (gemeinsam haben) bedeutet Kommunikation Interaktion in einem gemeinsamen Kontext oder Bereich der Übereinstimmung, der Kommunikation möglich macht und die Bedeutung alles Gesagten bestimmt: Die Kontrolle des Kontexts ist die Kontrolle der Bedeutung ist die Kontrolle der Wirklichkeit. Daher ist es zur Schaffung neuer Wirklichkeiten notwendig, neue Beziehungen, neue Bereiche der Übereinstimmung zu schaffen. Das kann mit der Kommunikation nicht erreicht werden. Man kann nicht aus dem Kontext, der die Kommunikation bestimmt, mit Hilfe der Kommunikation heraustreten; dies würde lediglich zu trivialen Abwandlungen derselben Übereinstimmung führen. Statt dessen bedürfen wir des "kreativen Dialogs", der zu einer neuen Übereinstimmung und damit zu neuen Wirklichkeiten führen kann, der aber selbst nicht ein Prozeß der Kommunikation ist. Ich sage etwas, das du nicht verstehst, und wir beginnen, uns miteinander auseinanderzusetzen: "Meinst du das oder jenes?" "Nein, ich meine dies und das …" In diesem Prozeß nähern wir uns schrittweise der Möglichkeit der Kommunikation an, die als notwendige triviale Folge entstehen wird, sobald wir eine neue Übereinstimmung geschaffen und uns zu einem neuen Kontext verbunden haben. Kommunikation als eine Domäne von stabilisierten, nicht-kreativen Beziehungen, kann nur nach dem kreativen (aber nicht-kommunikativen) Dialog kommen, der sie möglich macht: Kommunikation ist stets nicht-kreativ und Kreativität stets nicht-kommunikativ. Das Gespräch, Paradigma, aller schöpferischen Phänomene, Voraussetzung aller Kreativität, bedarf eines Zweiwegkanals der Interaktion. Ein solcher garantiert zwar nicht Kreativität, aber ohne ihn wird es überhaupt kein Gespräch geben und die Kreativität wird entsprechend reduziert werden. Daher ist das schlimmste, was wir über die Massenmedien sagen können, daß sie nur kommunizieren können: In Zeiten, in denen das kreative Gespräch auf breiter Ebene für die Würde und das Überleben von größter Bedeutung ist, wird unsere Gesellschaft von einem zentralisierten Einwegkommunikationssystem beherrscht, das nur von einer Welt zu sprechen versteht, die wir ohnehin schon als Welt erkannt haben, das sich nur mit Problemen befassen kann, die schon als Probleme erkannt sind, das nur Verhaltensmodelle zu bieten vermag, die mit der Welt kompatibel sind, die die meisten Menschen zumeist schon als solche erkannt haben.
AUTONOME REALITÄTS-GEMEINSCHAFTEN
Gespräche sind geschlossene schöpferische Prozesse, durch die wir die Realitäten schaffen, über die wir sprechen, indem wir über sie sprechen und die dadurch autonome Realitäts-Gemeinschaften darstellen. Der Betrachter als autonomes Individuum ist ein Mythos: Es gibt nur die Gemeinschaft von Betrachtern oder die Realitäts-Gemeinschaft, deren einzelne Mitglieder über Dinge (wie Kunst, Wissenschaft, Religion) sprechen können, weil sie die Dinge schaffen, über die sie sprechen, indem sie über sie sprechen. Alle Realitäts-Gemeinschaften sind autonom – selbstregierend, selbstorganisierend, sich selbst konstituierend. Jedes stark autonome System ist von der Organisation her ein geschlossenes: Es entsteht durch sich wiederholende, wechselseitige, ringförmige Beziehungen, die man als Gespräche bezeichnen könnte. Gemeinschaften sind nicht zu trennen von den Gesprächen, die sie geschaffen haben. Telekommunikation ermöglicht von der Geographie unabhängige Gemeinschaften, aber Satelliten und Telefonleitungen sind lediglich Kanäle, die ohne Speicherzeit, ohne Gedächtnis in Echtzeit funktionieren; die "virtuellen Gemeinschaften", die mit ihrer Hilfe geschaffen werden, bestehen nur während der Ausstrahlung, ohne archivierbare oder historische Beständigkeit – wenn die Ausstrahlung keine fortlaufende und durchdringende wie jene der Massenmedien ist, ist sie politisch bedeutungslos. Wenn aber der Computer als Komponente eines Dialog-Netzes eingebracht wird, kommt die Kraft der Gesellschaftsorganisation ins Spiel; es wird ein immerwährendes Universum geschaffen, unabhängig von der Ausstrahlung, und eine neue Klasse politischer Einheit wird möglich – autonome Realitäts-Gemeinschaften von historischer Kontinuität, zu denen man mittels Computer an allen Orten der Welt Zugang hat. Das ist die tiefe Bedeutung des Computernetzes im allgemeinen und des "Electronic Café" im besonderen.
"ELECTRONIC CAFÉ"
Wie alle anderen Projekte von "Mobile Image" ist auch "Electronic Café" eine menschengerechte Umwelt, die es möglich macht, durch ein Fenster in eine größer dimensionierte Simulation einzutreten – die Projektionswand als Tor zum virtuellen Raum. Dieses Thema von der Humanisierung der Technik durch den Ausgleich von Dimensionsungleichheiten wird in "Electronic Café" direkt politisch, da es sich dabei um die Dimensionen von Gemeinschaft und Gesellschaftsorganisation handelt. Aufgrund der Revolution im Bereich der Mikroelektronik wird es wohl noch in unserem Jahrzehnt für fast alle Menschen möglich sein, ihre eigenen Informationseinrichtungen als Heimindustrie auf einer Ebene zu betreiben, die sich bisher nur Betriebe leisten konnten. So ist also "Electronic Café" keine rhetorische Geste, sondern ein praktisches Modell für eine wirklich alternative Netzwerk/Archiv-Umwelt, die zu ständig sinkenden Kosten erzeugt werden kann. Die Dauer des Projektes – sechs Wochen statt sechs Stunden, mit der Möglichkeit, es unendlich lange fortzusetzen – ist in dieser Hinsicht von Bedeutung. Es wird möglich, von einer Dimension des Einflusses zu sprechen. "Um in demselben Ausmaß zu schaffen, in dem wir zerstören können, müssen wir in der Lage sein, mit derselben Geschwindigkeit zu organisieren wie die industrielle Kultur und ihre Interessen", sagt Rabinowitz. "Wenn wir uns diesem Problem nicht stellen, geben wir zu, daß wir keine Macht haben. Es fällt den Menschen schwer, sich vorzustellen, sie hätten Macht. Das ist Politik. Immer haben Menschen durch Politik Macht ausgeübt, und immer war Politik eine Frage der Dimension."

Im Bewußtsein der ethischen und politischen Verantwortung, die ihrem Projekt innewohnt, gingen Galloway und Rabinowitz daran, das am stärksten humanisierte, am umfassendsten zugängliche, am wenigsten einschüchternde, und doch machtvollste Informations-Umfeld zu schaffen, das sie sich vorstellen konnten – ein Umfeld, das in bezug auf die Pflege des kreativen Dialogs und auf die Förderung autonomer Realitäts-Gemeinschaften verbessert werden sollte. Von allem Anfang an sahen sie in der Gestaltung von "Electronic Café" eine Groß-Gestaltung – sie wollten eine Struktur schaffen, die dem Nutzer größtmögliche Freiheit in der Gestaltung und Kontrolle seiner eigenen Informations-Umfelder gewähren sollte, in denen er seine eigenen Realitäten schaffen könnte. Ein solches System müßte eine größtmögliche Anzahl von Kommunikationsformen beinhalten, um eine maximale Vielfalt von kulturellen Ausdrucksstilen zu gewährleisten; gleichzeitig müßte es die natürlichsten und einfachsten Formen zwischenmenschlichen Agierens erleichtern und dürfte beim Nutzer keine speziellen Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzen; und schließlich müßte es als "öffentliche Einrichtung" fungieren, deren Terminals sich an öffentlichen Stellen befinden, so daß es keiner persönlichen Geräte bedürfte und die Aktionen anonym sein könnten – die Informations-Umwelt als für jedermann zugängliches Gemeingut und weniger als Gebrauchsgut.

Die überragende Leistung dieses Projekts ist eine tour-de-force-Systemintegration, eine Kombination von unterschiedlichen Technologien, die bis dahin noch niemals zu einem einzigen Netz zusammengeschlossen worden waren. Ein hybrides, multimediales Telekommunikationssystem, einschließlich einer von den Nutzern geschaffenen Datenbasis und Bildbank – das ist "Electronic Café"; es ist reicher an möglichen Ausdrucks- und Interaktionsformen als irgendein anderes der Öffentlichkeit bisher zugänglich gewesenes Kommunikationssystem. Durch den vollen Einsatz von interaktiven Computertexten, von Handschrift, Zeichnung, Animation und Slow-scan Video und der Möglichkeit der interaktiven Verbindung aller dieser Elemente, macht das Projekt einen Sprung von einem Jahrzehnt in der vorweggenommenen Konvergenz von Daten- und Bildnetzen. Einerseits gestattet das Slow-scan Video-System (wegen der geringen Bandbreite der Telefonleitungen erforderlich) stehende Bilder von beliebigen Gegenständen in der Umwelt, die in das Netz eingegeben werden können. Andererseits ermöglicht es der in Frankreich entwickelte "Teleschreiber", ein Gerät, das so einfach zu benützen ist, daß Galloway von ihm sagt, es "sei jenseits der Ergonomie", mit Kugelschreiber auf Papier Geschriebenes und Gezeichnetes elektronisch darzustellen, sei es allein oder in Kombination mit Videobildern, oder elektronische Animation zu schaffen. Die zentrale Datenbasis und Bildbank (bei der erstmals in einem öffentlichen Netz ein optisches Laserplattengerät verwendet wurde) ermöglicht es, alle Text- und Bildeingaben zu speichern und von jedermann jederzeit abrufen zu lassen. Und die Videoprinter an allen Schauplätzen gewährleisten eine hohe Qualität der ausgedruckten Festkopien der in der Bildbank gespeicherten Inhalte, auch der handschriftlichen Texte, Zeichnungen und stehenden Videobilder.

Nachdem sie Hardware für "Electronic Café" beisammen hatten, begannen die Künstler mit der Suche nach Software in Datenbasen, die ihre philosophischen Zielsetzungen reflektieren und den exakten Kriterien für maximale Flexibilität und Zugänglichkeit ihrer Netze gewährleisten sollte. Die Lösung fanden sie in der von Lee Felsenstein und seinen Kollegen für "Community Memory" (einer elektronischen Mitteilungstafel in Berkely) Software. Wie bei den meisten Mitteilungstafeln stammt auch bei "Community Memory" fast der gesamte Inhalt vom Publikum. Niemand vermittelt zwischen Verkäufern und Klienten. Jeder Nutzer hat uneingeschränkten interaktiven Zugang zu den Datenbasen und kann gleichberechtigt Beiträge einbringen. Jedermann kann jederzeit Botschaften senden, Akten anlegen, andere Mitteilungen lesen und Kommentare und Anregungen durch öffentlich zugängliche Terminals in Bibliotheken, Lebensmittelgeschäften, Kaffeehäusern und Gemeinschaftszentren vorbringen. Es gibt keine Zensur und keine persönlichen Akten, doch können Botschaften oder Akten nur von ihren Autoren verändert werden. "Community Memory" ist durch die Autoren selbst als eine "gemeinsame Aktenablage zur Erleichterung der öffentlichen Verwaltung, der öffentlichen Information … ein Weg, auf dem Menschen mit gemeinsamen Interessen zusammenfinden … ein Instrument für kollektives Denken, Planen, Organisieren, Entscheiden" (5) charakterisiert. Die Einbeziehung von "Community Memory" in den größeren Zusammenhang von "Electronic Café" betrachtet Rabinowitz als eine natürliche Synthese von kompatiblen Philosophien, einen Fall von "Zusammenarbeit zwischen Bewußtseinsgemeinschaften" für eine gemeinsame Sicht des Lebens im elektronischen Raum.

Das Umweltdesign von "Electronic Café" als eine öffentliche Einrichtung, mit Terminals in dem öffentlich zugänglichen Restaurant "an der nächsten Ecke", ist aus verschiedenen Gründen von Bedeutung. Einerseits ist es eine Geste der Humanisierung, die das allgemeingültige Symbol des Kaffeehauses in den elektronischen Raum einführt, einen Platz, an dem das Ritual des Essens eine Grundlage für alle möglichen Arten kultureller Verschwörung bietet. Die Nutzer "lungern im elektronischen Raum herum", so wie es die Dadaisten und Surrealisten in den Pariser Cafés der zwanziger Jahre taten. "Die Gesellschaft bewegt sich so schnell, daß keine Zeit bleibt für die romantische Vorstellung vom Kaffeehaus", bemerkt Galloway – "Sie muß hinter den Schnellimbißrestaurants zurückstehen". "Electronic Café" bringt diese Vorstellung wieder ins Spiel, nicht um romantische Gefühle zu wecken, sondern um sie als Idee, die auch in unserer schnellebigen Zeit vorhanden und gangbar ist, zu präsentieren. "Electronic Café" ist das Phänomen in heutiger Geschwindigkeit.

Gleichzeitig stellen die Mitteilungstafeln, auf denen Ausdrücke aus der Bildbank ausgestellt sind, eine Kontinuität zwischen der entmaterialisierten Umwelt von "Electronic Café" und der physischen, duftenden, betriebsamen Umwelt der realen Welt her. Sie dienen als Brücke oder Angelpunkt zwischen dem virtuellen und dem physischen Raum. Das hat mehrere Konsequenzen. Einerseits wirken die Mitteilungstafeln als Panoramalandschaften oder Wandkarten, die die Topologie des elektronischen Raumes bestätigen, sie bieten empirische "Grundwahrheiten" für seine Phantom-Existenz. Zugleich sind sie Profile von Gemeinschaftsidentitäten an allen Schauplätzen und spiegeln die örtliche Kultur durch die Reflexion im Netz wider. Und schließlich bildet die Gesamtheit der Artefakte eine Sammlung von Ideen und Möglichkeiten, die Reaktion herauszufordern, den Dialog zu stimulieren und die Neugierigen durch das elektronische Tor in den virtuellen Raum zu locken. Daher werden die für "Electronic Café" eingesetzten Geräte nicht als Vorrichtungen IN der Umwelt – wie etwa Videospiele – sondern als Umwelt selbst, als integrierende Komponente des Restaurants erfahren.

Aber die Strategie, die Zugangsterminals des Netzes an öffentlichen Plätzen zu situieren, hat eine noch wichtigere politische Konsequenz: Die Gewährleistung der absoluten Anonymität aller Vorgänge. "Zu Hause bei Ihnen gibt es in allen Bereichen Leitungen", meint Galloway. "Sie sind ein wichtiges Gut, Sie sind das Produkt. Es ist unmöglich, ein anonymer Teilnehmer zu sein. 'Electronic Café' ist einer Telefonzelle vergleichbar; dort können Sie anonym sein, niemand kennt Ihren Namen, weiß über Ihr Einkommen Bescheid oder darüber, wie gut Sie im Sport sind. Das ist ein grundlegender Aspekt der Freiheit im elektronischen Raum. Die Demokratie ist in Gefahr, wenn es uns nicht gelingt, anonyme Mitglieder von Gemeinschaften zu sein, die nicht von der Geographie, sondern von der Telekommunikation her definiert sind."

Das Thema der Systemintegration ist in "Electronic Café" von ganz besonderer Bedeutung, das nicht nur die Integration von Hardware und Software repräsentiert, sondern vor allem jene der SOZIALEN Systeme Mitglieder der ethnischen Nachbarschaften, die durch "Electronic Café" miteinander verbunden werden sollten, die miteinander jene gemeinsame virtuelle Umwelt schaffen sollten, in der sie sich aufhalten würden. Mitglieder der Gemeinschaft, unter ihnen auch Künstler, Lehrer, Kinder, Computerfans und die beteiligten Restaurantbesitzer begannen sieben Monate vor dem Ereignis, mit Galloway und Rabinowitz zusammenzukommen, um das Netz so aufzubauen, daß sich im Verlauf des Projekts eine "reichliche Speisekarte" von Partizipationsmöglichkeiten entwickeln konnte. Diese Treffen wurden zu Gemeinschaftserlebnissen, in deren Verlauf sehr ernsthafte Diskussionen zwischen Menschen stattfanden, die sich vorher noch nie mit diesen Möglichkeiten auseinandergesetzt hatten – auf diese Weise entwickelte sich Schritt für Schritt die Identität von "Electronic Café". Zu den Anfangsstrategien zählten Diskussionsthemen, Erarbeitung von Lösungen für gemeinsame Probleme, Austausch von kulturellen Ikonen und Symbolen, Übersetzung von Geist und Wissen von einer Sprache in eine andere, Photo-Dramen, gemeinsame Kreation von Bildern und verschiedene, den visuellen und simultanen Zeichen/Schrift-Komponenten des Netzes innewohnende Spiele. Dieser partizipatorische Zugang zu dem Konzept des "menschlichen Designs" ist ebenso Inhalt von "Electronic Café" wie das Netz selbst: Erstmals in der Geschichte der elektronischen Telekommunikation entwickelt sich die Identität eines umfassenden Netzes aus der Umgangssprache einer endogenen Kultur und nicht aus dem Jargon des Geschäftskapitalismus – entstand eine von ihren Bewohnern geschaffene und kontrollierte Umwelt.

Sicherlich ist die visuelle Komponente dieser Umwelt das faszinierendste Merkmal, mit mehreren daraus resultierenden Konsequenzen. Zum ersten werden Sprachbarrieren überwunden. "Hier eröffnet sich ein Zugang zu uralten Formen der Kommunikation" betont Galloway, "die es Menschen verschiedener Kulturen möglich machen, dasselbe zu tun, was sie tun, wenn sie reisen: Ein Bild der Toilette zu zeichnen." Zweitens kann die Persönlichkeit mit viel größerer Wirksamkeit in den elektronischen Raum projiziert werden, als dies mit ausschließlich alphanumerischen Aktionen möglich wäre; und doch können die Nutzer anonym bleiben, indem sie "Symbole der Persönlichkeit" schaffen, die sie im virtuellen Raum darstellen, wie elektronische "Familienwappen", ohne damit ihre Identität preisgeben zu müssen. Auf einer seiner zahlreichen Ebenen stellt "Electronic Café"" also eine Synthese von Videospiel und Informationseinrichtung dar und wird in dieser Hinsicht zum Vorläufer jener labyrinthischen Simulationsspiele, die schon seit langem ein Thema der Science-fiction sind – jener virtuellen Landschaften einer äußerst lebendigen Chimäre, in der Gegner und Verbündete menschliche Intelligenzen und nicht vorprogrammierte Einheiten sind. Das schafft den Rahmen, in welchem der visuelle Künstler das System entwerfen und nutzen kann, ohne es zu einem Kunstereignis umwandeln zu müssen. Ihre Anwesenheit im Netz bereichert das allen Nutzern zugängliche Vokabular, so daß sehr schnell ein hohes Maß an visueller Qualität erreicht wird, jedoch auf eine anonyme, organische Art und Weise. Folglich werden die Nutzer auf direkte, experimentelle Art mit raffinierten ästhetischen Sensibilitäten konfrontiert – indem sie auf dieselbe Art und Weise in der Welt sind. "ES ist eine Art spontaner Begegnung, die nicht bearbeitet oder vermarktet werden kann", stellt Rabinowitz fest. "Die Anonymität befreit den Künstler vom Vorwurf der Einschüchterung; es steht kein Konzept im Wege." Da alle Bilder, die in "Electronic Café" geschaffen werden, in der Bildbank gespeichert sind und nach Belieben ausgedruckt und auf den Nachrichtentafeln gezeigt werden können, wird das Netz zu einer Art Kunstmuseum, einer elektronischen Galerie, deren "öffentliche Sammlung" Ergebnisse von kreativen Dialogen zwischen vielen verschiedenen Realitäts-Gemeinschaften und Geschichten des Wollens sind.

Kunst ist ein Prozeß des Erforschens und Entdeckens. Gegenstand ist das menschliche Potential für ästhetische Perzeption. Die Frage lautet: Wie können wir anders sein? Was ist anders? Wie jeder weiß, reichen die traditionellen Formen der Fragestellung und der Beantwortung dieser Fragen nicht mehr aus. Wir nähern uns der Jahrtausendwende mit einem besonderen Bewußtsein der Fehlbarkeit unserer Zivilisation, der Sterblichkeit unserer Gattung, der Verantwortung unserer Generation – und bedauerlicherweise der Unzulänglichkeit unserer kulturell begrenzten Vorstellungskraft im Angesicht der Größe der Herausforderung. Der Höhepunkt des heroischen Unternehmens von "Mobile Image" besteht darin, daß sie die Kunst durch unseren Lebensumständen angemessene Geräte wieder in ihre Rechte einsetzen, indem sie Möglichkeiten aufzeigen wie wir tatsächlich in demselben Ausmaß schaffen können, in dem wir zu zerstören vermögen.

Anmerkungen:

(1)
Eric Gidney "The Artist's Use of Telecommunications: A Review. LEONARDO, Bd. 16, No. 4, 1983. Seite 311–315.zurück

(2)
Gidney, Seite 311.zurück

(3)
Gidney, Seite 312.zurück

(4)
Alle Zitate stammen aus Gesprächen mit dem Autor.zurück

(5)
Siehe "THE COMMUNITY MEMORY PROJECT"-Broschüre (August 1982), COMMUNITY MEMORY NEWS, eine Zeitschrift. Beide veröffentlicht von Community Memory Project, 916 Parker Street" Berkeley, CA. 94710.zurück

Anmerkung des Verfassers

Dieser Aufsatz wurde 1984 für einen Katalog geschrieben, der "Electronic Café" dokumentieren sollte, ein Telekommunikationsprojekt, das vom Museum für Zeitgenössische Kunst in Los Angeles für das Festival anläßlich der Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles in Auftrag gegeben wurde. Der Katalog wurde nie veröffentlicht. Der Aufsatz erscheint hier erstmals in Druck. "Electronic Café" war ein multimediales Echtzeit-Computer/Video-Netz und öffentliche Bildbank, das fünf von verschiedenen Volksgruppen bewohnte Bezirke von Los Angeles sieben Wochen lang während der Olympischen Spiele im Juli und August 1984 miteinander verband. Der Aufsatz entstand einige Monate vorher, so daß ich darin lediglich die Intentionen und philosophischen Ansätze der Künstler, nicht aber das Ereignis selbst behandeln konnte, dessen Einzelheiten und Folgen selbstverständlich nicht vorhersehbar waren. Die tatsächlichen Erfahrungen aus "Electronic Café" und seine politischen und künstlerischen Implikationen werden in einem Buch beschrieben, an dem die Künstler zur Zeit arbeiten und zu dem auch ich ein Kapitel beigetragen habe.